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Hermann Mensing

Pfingsten
Moers Festival

10.39
Im Bistro Café über Land, beidseitig eilt es, unscharf in direkter Nähe, Konturen gewinnend in der Entfernung.
Sonnig und schwül.

13.35 Moers
Habe mein Zelt unter einer Platane aufgebaut. Unweit fließt ein kleiner Fluß. Das Festivalzelt ist in Sichtweite. Entlang der Spazierwege des Schloßparks haben die Festival-Händler Stände aufgebaut. Von der Pur-Pfeife zum magischen Amulett, vom Wickelrock zum Piercing ist alles zu haben. Eifriges Flanieren, rings um den Parkteich, überall.
Ich halte Mittagsruhe. Ich erinnere einen etwa fünfzehnjährigen blonden etwas blutleeren Punk mit einem T-Shirt, auf dem 'Komm Poppen' steht.

13.51
Inszenierungen werden erprobt. Alles schaut, das Dorf, der Boulevard, die Alternative zum Leben, alles wird vorgeführt.
Meine Platane wird hoffentlich Regen abhalten, falls sich die bauchigen Wolken entschließen, sich zwecks Gewitter zu verbünden. - Trommeln aus dem Dorf.

14.15
Im Zelt. Ein Italiener ruft in ein Megaphon. Eine Band spielt rhythmisch. Vier und drei, vier und drei. Jubel. Ich bin also im Zelt. Meine musikalische Reise beginnt.
Viel gutes Essen von Arabern, Türken, Vietnamesen.
Draußen.

14.25
Zerschmetterter Zwölfer, der in einen treibenden Zwei/Viertel übergeht. Viel Gebläse, Mensch. Ich sitze auf verkümmertem Rasen rechts vor der Bühne. Frischluft kommt zum Glück von nicht weit her. Sonntagmittag in Erwartung des heiligen Geistes. Verspannungen sollen in diesem Halbdunkel gelöst werden.

14.31
Kirchliches jetzt.
Wie ein Bläserchoral mit gestrichenem Bass.

14.45
Applaus klatscht von allen Seiten. Das Zelt hat sechs Hauptmasten und unzählige schräggestellte Holzmasten, die der inneren Arena, da wo sonst die Artisten auftreten, zusätzlich Halt geben.
Die Band: Gianluigi Trovesi Octet

14.56
Neben mir jemand, der skizziert. Unterm Himmel jetzt, beim Festzelt mit Blick auf die Flanierenden; sich sammeln und weiterschauen. Wieviel Musik verträgt der Mensch? Greift das Pochen der Bassdrum über zum Aufruhr?

Mit jemandem geteilt würde kein Wort auf Papier gesetzt, es wäre nicht nötig.

15.05
Das Gianlugi Tovesi Octet verabschiedet sich. Was erwartet der Nordmann vom Südmann? Daß er fröhlich ist und die Dinge leicht nimmt. - Genau das hat er getan. Hat sich unverschämt überall bedient, hat zitiert und den Clown nicht zu kurz kommen lassen. - Gespannt jetzt, wie meine Vorurteile die Franzosen bestätigen.

Notizen aus der Welt um mich, was nicht sagen will, ich sei Autist. Bin aber talentiert.

15.20
Beim Kaffee am Boulevard vorm Parkteich.
Viel Titten. Auch Hunde und ein Paar, das aussieht wie Spielleute aus einem vermeintlichen Mittelalter. Möglichst grob das Linnen, ein Kind im Tragtuch, sicher mit Windeln aus Lammfell, noch fettend.
Alle essen und trinken und sind für mich flüchtig, der ich hier sitze zwischen Türkenimbiss und Obstsaftstand.

16.00
Im Café Heftig gegenüber der Studio-Bühne Moers fragt der italienische Barmann, was ich ins Buch schreibe. Über Musik? Auch, sage ich, aber nicht hauptsächlich. Ich bin Schriftsteller. Ich schreibe für Kinder. Ah Kinder! sagt er. Ja. Ich notiere, das ist Teil meines Berufs.
Er fragt, "der Name?" - ich sage ihm meinen Namen.
Er gibt mir die Hand, sagt mir seinen. Wir sagen guten Tag. Guten Tag.

Ich eigne mir für die jeweilige Dauer meines Bleibens einen Ort an; dieses Café, sehr modern.

Zurück vom Geldautomat der Sparkasse.
Gleich nach dem Verlassen die akustische Sensation eines Blechschadens.

Kleine Menschen? Sehe ich überdurchschnittlich viel kleine Menschen? - Ich weiß nicht recht.

Moment, sagt der Barmann im Café Heftig, nachdem ich bereits gezahlt hatte und im Begriff war, zu gehen.
Ja? sage ich. Weil Sie Schriftsteller sind, sagt er, und stellt mir noch einen Espresso hin.

16.15
geisternd, nicht anwesend und doch von vielen Seiten beobachtet. Wahrgenommen. Hier bin ich. Im Schloßpark. Hohe Buchen, auch rote, Esskastanien und die gemeine Kastanie, im Magen der erste Espresso, den mir mein Beruf eingebracht hat.
Ich schrieb ihm den Sendetermin vom 'Freiflug nach Pampalonien' auf einen Bierdeckel.

16.30 am Parkteich.
Al verkauft jamaikanischen Rumpunsch, die Farben sind rot, goldgelb, grün, der Held ist natürlich Herr Marley, viele braune und schwarze Gesichter, das kleine Viereck ist jetzt ein karibischer Dorfplatz ... auch Joints werden gerollt.
Wie lange schafft M. es an einem Platz, ohne weiterzuziehen? Fünf Minuten?

Al ist ein kräftiger Mann, ein Bild sagt man, ein Bild von Mann, ebenholzfarben. Er hat die Intiative ergriffen, das unterscheidet den einen vom anderen, und bringt mich näher an jeden Kapitalisten, als mir lieb sein könnte.
Natürlich, auch Kinder sind da, und eine mollige Frau, die ein braunes Kind hat und ein wenig verloren mitten zwischen den schwarzen Männern sitzt, die sich angeregt unterhalten.

Der Beat: 1 - 2und - 4und

Sätze wie: Pia wir waren in Berlin.

Natürlich ist diese Fülle von Informationen nicht zu verarbeiten.

Sätze wie: Tach Herr Wildeck.

16.52
auf dem Gelände, gegenüber vom Krombacher Stand quirlt das Leben während einer Pause zum Konzert der Bektashi Breathes.

Ein indischer Imbiss ist auch am Boulevard, die Welt reiht sich dort mit Essen und Trinken.
Beim nächsten Mal sind Chris und ich und die Kinder (falls sie wollen) gemeinsam hier.

Auch viele Titten und abenteuerliche Sonnenbrillen; jeder ein Abbild seiner Träume, Wünsche und Trugbilder. Entweder ich entschließe mich, diese Menschen zu lieben...
Kein Oder.

16.57 im Zelt. Aufgereiht vor mir das türkische Orchester. Von weither kommt eine Stimme zum Soundcheck. Asien, aus Asien komme ich, die Sehnsucht scheint dort einen ganz besonderen Platz einzunehmen.

17.03
Durchaus und zum Glück nicht der Älteste. Ich will nicht älter sein und nicht jünger. Ich bin hier. Hier bin ich, hier.

Die Luft im Zelt erträglicher jetzt.

Inbrünstige Lieder um Liebe und Tod, sagt er Ansager. Lieder eines islamischen Kultes, der die Frauen unverschleiert akzeptiert und zulässt.
Natürlich: verfolgt.

Die Herren sind schwarz gekleidet. Sie spielen von links eine Art Laut mit langem, dünnen Hals, eine Flöte, eine Art Laute mit kurzem Hals, eine Handtrommel, gegerbter, knochig warmer Ton.

17.36
Die Herren sind traurig.
Nichts wird nicht registriert im Zirkus der anderen Lebensart. So. Nun mal sehen, wie das junge Ding neben mir seinen Joint dreht. Wie sie alles versteckt und unauffällig macht.

Beim Applaus weicht die Trauer von einem verwunderten Mann, der vielleicht denkt, niemand versteht doch, worüber wir singen, dennoch ist der Applaus warm.

Kommt tatsächlich ein Ordner und sagt, hier sei absolutes Rauchverbot, macht ihr das bitte draußen, ich riech dat zwar auch gern, ist lecker, aber bitte. Auch Nikotin? frage ich. Ja.

17.46
genug von den Bektashi Breathes. Zum See.

17.50
neben mir ein Orangen-Apfelsaft, frisch gepresst versteht sich. Vor mir der Boulevard, den gerade eine in ein lächerlich hautenges, schwarzes Polyestertrikot geschlüpfte mittelblonde Ziege passiert.

Immer schaffe ich mir Plätze im Gewühl. Gesichter beginnen wiederzukehren. Ein Mann, vorhin bei Al, der den Berlinsatz sprach und dann Freunde traf, die mit Kind und zwei Dackeln unterwegs waren.
Ein Augenblick gerade.

Ob die Musik aus Finnland Folksmusik ist. Sah gerade zwei Menschen, die Finnen hätten sein können. Sie trugen eine Tracht, deren Aussehen ich vergessen habe, mir aber auch finnisch vorkam.

Der Türken-Imbiss links neben mir riecht nach verbranntem Fleisch und klingt nach hartem, amerikanischen Rap. Niggermusik. Fortwährend ruft jemand, fass meinen Nigger nicht an, Nigger. 17.59

Vom See (nun ja, kleiner, an den Rändern von Beton eingefasster Teich) kommt frische Luft.

Um nicht an Reizüberflutung zu verschwinden, schaffe (erschaffe) ich mich an Orten wie diesem.

Natürlich hoffe ich, nicht so albern zu wirken, wie viele, aber wer könnte das mit Sicherheit sagen.
Letztlich ist die Musik nur Auslöser dieses Auftriebes von unterschiedlichsten Menschen; u. a. viele mit Nasenringen.

Ich sehe diese unsägliche Karin, Voodoos Exfreundin, Tanztherapeutin, die beim Beat zappelt wie eine Ente, die am Köder eines Anglers hängt und glaubt, das nun sei erstklassiges Rhythmusgefühl, aus dem Bauch, wie sie sagen, diese erbärmlichen Zappler und Melker öffentlicher Subventionen.

Die dritte schwar-weiße Ehe mit Kind passiert. Türkisch-deutsche die Menge.

Girlies, denen der ??? fehlt bei der Musik, irgendwie, wo man so mitgerissen wird.

Viel Volk, das nur den Trubel genießt, nicht aber an der Musik teilhat.

Gern auch Ringe in Bauchnäbeln.

Sätze wie: Kind wat wollter denn jetzt. Wat wo wer wat sitzen können.... 18.14

18.29 der zweite Kontakt ist gerade beendet.
Sprach zehn Minuten mit einem glatzköpfigen jungen Mann. Sagte: Viel Arbeit so eine Glatze, nicht?
Darauf er. Ja.
So begann das Gespräch, sozusagen eine Fachsimpelei.
Er beim Gespräch über die Mühe der Pflege: heute morgen wieder geblutet.

18.46 im Zelt. Beim gestochenen Solo der etwas größeren Trompete, wie heißt sie doch gleich? Eine mit klaren Sätzen arbeitende deutsche Band, Klaus König & The H.E.A.R.T Projekt. Vorhin schon der gestrichene Bass, nun das Sopran, eine unisono gespielte Figur darunter, riffartig durch die Changes. Auch die Lautesten bisher.

18.52 bitte laß mich nicht so albern aussehen wie den da!

Die todtraurige Prinzessin ist auch wieder vor Ort, die Zöpfe hängen genauso fehl wie die Arme, die ganze Person braucht Trost, sucht den tanzbaren Funken, auf den allerdings muß sie warten, denn das Projekt übt gerade freie, interaktive Improviation. Man kann nur ahnen, was ihre Trauer auslöst, ich glaube, es ist ihre eingebildete Schönheit. Gerade senkt sie den Kopf wie zum Schuldspruch.

Alle sind lieb zu mir.
Die Energiebällchenverkäuferin schenkt mir beim zweiten Kauf von zwei Energiebällchen einen dazu.

Auch viel Rastagezöpf.

Nach dieser Runde zurück zum Zelt. Frisch machen. Womit? - Chanel Egoiste. Seht ihr, viele H.'s, alles ändert sich. Undenkbares wird Alltag und keine Prognose ist haltbar. Alles ist Scheitern, selbst der Tod ist oft nur ein Stümper, ein unzuverlässiger Herauszögerer.

Die mit der großen Nase und den vorspringenden Zähnen sitzt neben mir. Der Applaus füllt das Zelt, ein pausbäckiges Kind mit einem WDR Hörspielverzeichnis in der Hand umkreist mich.
Es scheint, ein Bass-Drum-Feature bahnt sich an. Sehr kraftvolles kommt von der Bühne, man o man.

19.20 die esoterischen Morgenlandfrauen sind da. Sie glauben, groß gemusterte Stoffe, die nur afrikanische Menschen kleiden, kleideten auch sie, sie glauben, perlenbestickte, durchbrochene Mützen, die Frauen aus Rajastan schmücken, schmückten auch sie. Die Irrtümer, denen wir aufsitzen, sind groß.

19.30 in meinem Zelt.
Natürlich ist auch über die Kleiderfrage nachzudenken.
Wäre es zum Beispiel angebracht, zur African Dance Night im Disney Pullover zu erscheinen, oder ist Jackett mit blauem Puma-Shirt, voriges Jahr beim Torwandschießen überraschend gewonnen, vorzuziehen?

Und: hörte ich zappaeske Einwürfe vorhin?
Ja, ich glaube - Einsprengsel nur.

Habe mein Zelt an recht ruhigem Ort aufgeschlagen. Rechts junge Süddeutsche. Alte Pfadfinderzelte haben sie, zwei über Eck, im Winkel der Lagerplatz, dort Flaschen, Wein, Kochgeschirre, Camping-Gaz-Ausrüstung, Töpfe mit Rest rotbraunem Irgendwas, eine Gitarre, zwei Jungen, zwei Mädchen, möglich drei drei.
Im Festivalzelt scheint der Pianist vom finnischen Trio Töykeät den Sound zu checken.

Nebenan wird gesprochen von ??? wenn meine Ohren doch besser wären und mein Arbeitsspeicher schneller und - wie sagt man - merkfähiger. Immer sind es nur Fetzen. Alles andere muß ich mir zusammenreimen.
Etwa, daß von einem indischen Stundenten der Argrarwirtschaft gesprochen wird, wobei ich vermute, daß er in Zusammenhang mit indischen Mythologien gebracht wurde.

Gibt es nicht diese prophetische Foto 1967, Brighton, Zeltplatz, Hermann auf dem Bauch liegend zwischen Zelten, sein dackelkackbraunes Tagebuch schreibend. Noch nicht ahnend, daß das seine Vorbereitung auf seine Art Leben war. Hauptsächlich dem Drang zur Pose folgend.
Möglich, daß ich das immer noch tue. Tun tun tun.

Eine Jongliererin, immerhin, ein Frisbeewerfer, neben Zelten säckeweise leere Bier- und Coladosen, Blaster, dort hinten viel junges Volk, friedlich der Abend mit Sonne.

Im Kreis nebenan wird ruhig gesprochen. Aus diesem Kreis wird vielleicht ein Paar in fünfundzwanzig Jahren an diesen magischen Ort zurückdenken, der sie zusammengeführt hat.

19.54 auf dem Boulevard.
Schräg gegenüber ein kleiner Imbiss, der fortwährend rasende rumänische Blasmusik spielt. Halb wahnsinnige Bläser.
Späte Sonne.
Sagen wollte ich, daß das Geschäft der russisch-polnischen Bretzelverkäufer (Wohadz???) gar nicht recht laufen will, sie haben es versucht, sind aber gescheitert.
Händler haben viele Möglichkeiten.
Es ist leicht, sein Sortiment zu wechseln.
Ich habe diese Möglichkeit nicht.
Ich kann nichts anderes verkaufen.

Um so besser läuft das Geschäft der mit weißen Boleroblusen zuckersüß (I smell sex & candy) gekleideten kakaofarbenen Brasilianerinnen, die Drinks anbieten. Longdrinks, diese brasilianisch/karibisch/südseemäßigen Köstlichkeiten mit Alkohol.
Erinnere meine ersten Abend auf Hawai. Waikiki, Honolulu, im Hotel dieser zwei Amerikaner, die mit an Bord meines Fliegers waren und mich die erste Nacht auf ihrem Balkon schlafen ließen. Randvoll das Glas mit zerstossenem Eis, wer weiß was für einer Sorte Alkohol, frischer Annanas, entsprechendem Saft, und.....

Sätze wie: das ist deiner? (der Vater)
Die Tochter (falls): Ja, hab ich gekauft.

20.01 das erste Handy: Hi, och, ganz gut.....

Hast du telly, sagst du nach Hause, hast du keins, kuckst du nur.

Almost rechtsfreier Raum für viele harmlose Experimente, oft Teile eines Puzzles, das erst viel später aufgeht.

Grufties sind auch da.

Und wie kann man den ganzen Nachmittag bei dieser Wahnsinnsmusik arbeiten, diesem stakkatoartigen Gebläse aus Rumänien. Es scheint, die Musiker wollen nichts versäumen.

Die Kunst der Notiz.
Schnell sehen, am Besten wäre Kurzschrift, die ich damals gelernt habe.

Sätze wie: sag mal war die eine vorhin ne Deutsche?

Soviel Volk sieht Moers nur einmal im Jahr, jede Wette.

20.29 vorm Seiteneingang der Bühne. Das finnische Trio spielt, ein fetter Pianist, der seine Stück ansagt, Abläufe erklärt und beschreibt, was wir hören sollen. Er spielt - bis jetzt - durchkomponiertes im zwei-viertel Takt der finnischen Polka, aber atemberaubend schnell.

20.46 zu Füßen Vorübergehender, den Rücken an einen der Zeltpflöcke gelehnt. Gerade getroffen: Hermann von Schallwand. Diesseits und jenseits des Zaunes; wir bleiben stehen, schauen uns an, ich gehe auf ihn zu, strecke ihm meine Hand entgegen, sage "Hermann von Schallwand." - Er: "Hermann, nicht?" Sprechen über die Qualität des Klangs und die Schwierigkeit, ihn im Zelt zu übermitteln. Und daß sie es gut machen. Daß es vorher schon so viele nicht gut gemacht haben, er. Und daß der WDR auf Schallwand bestanden habe. Recht haben sie, findet Hermann.

Sätze wie: natürlich tut das weh.

Das Gesicht vom jamaikanischen Marktplatz jetzt zum dritten Mal. Außerdem noch gesehen: diese Wartburg Zahnärztin. In den Schlangen vor den Toilettenhäuschen, die gut gewartet werden.

Und noch Sätze wie: weißt du, was ich dann machen würde, dir die Nase abbeißen.
Der kriegt ja die Wut, oder der zischt dann ab.

Daß der Finne launige Ansagen macht, kreidet man ihm an. Beliebt auch der Siebener.

Popeye hat sich neben mich gesetzt, er hat einen Freund und eine japanische Freundin.
Erinnere ich mich an Kontakt in Japan 72?

Ich wette, die Energieballenverkäuferin ist entweder französisch, ja, möglich auch italienisch, jedenfalls hat sie ungepflegte Zähne, wie Joachim.

Die vier Süßen vor mir, die mit dem kurzen Rock, die so viel redet, die mit der gestreiften Hose, die so kindlich wirkt beim Lachen, die vielleicht ziegigste mit glattem Haar und das Hennamädchen im sofabraunen Samtrock sind demnach aus Frankreich?

Vielleicht.
Und war das Frau Tröndle da vorn und wer ist der bleiche Greis mit breitrandigem Hut?

21.30 das japanische Orchester, der geschrieene 2/4 mit vollem Gebläse, vorher klang es wie der Ahnherr Zappa zu Grand Wazoos Zeiten, dazu grün gestrichene nackte Japaner mit Tangas, die bedrohlich leidend schauen und sich biegen, Japanerinnen in grün paillettierten Badeanzügen, möglich, daß irgendwo Puschel sind, weiß oder rosa, und das Geschrei.
Ich glaube, ich werde mich dem nicht anschließen.
Mummenschanz oder große Kunst, wie der Ansager vorhin zu suggerieren versuchte, natürlich, der Rahmen läßt letzteres vermuten. Schließlich heißt das New Jazz hier, wenn die Gitarre augenblicklich eher wie eine Mischung aus Spotnicks und Duane Eddi klingt.
Ich glaube: japanischer Mummenschanz. Wer ausgetrieben wird, kann ich nicht beurteilen, meine Geister nicht.

Ein silberner Drache zu Ska-Musik aus Japan, die Tänzerinnen tragen marsgrüne und hollywoodrosafarbene Perücken. Der genialische Dirigent mit großen Gesten.
Ich habe nur ein Problem.
Ach was! 21.47
Effekthascherei, auch das Schlagzeugsolo.

21.56 ich habe den Japanern den Laufpass gegeben, sitze in der Café Bar im gräflichen Park, fest installiert das, kein fliegendes Gewerbe. Mal sehn, ob ich bedient werde.

Sätze wie: möchten Sie was haben? Ich: wenn ihre Pause vorbei ist. Sie: ich habe keine Pause.

Einen Capuccino werde ich trinken, dann den Weg zur Eissporthalle antreten. Meine Glatze signalisiert einen kühlen Abend.

22.02
möglicher Titel: Ach wie gut daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß.

22.30
Noch ein wenig zittrig nach meiner Fahrt im Aerotrim, eine Art Kreis im Kreis im Kreis im Kreis; im innersten Kreis in Brusthöhe von einem gepolsterten Ring gehalten, die Füße arretiert, mit den Händen den Greifring über sich gefasst, kann man durch Körperbewegungen in jede Lage gelangen, kreiselnd über Kopf, diagonal, horizontal, alle Lagen sind möglich. Alternatives Fahrgeschäft. Der langhaarige Vater kümmert sich um das Gerät. Musik vorhin: Nina Hagen. Die Mutter kassiert und sorgt sich um die Kinder.
Dies ein weiterer Versuch, das Leben zu meistern.

22.50 die Oase der Ruhe nach langem Fußweg durch den nächtlichen Park, die Budengassen entlang, über eine Brücke, rechts über einen Berg mit Blick auf Zelte Zelte Zelte, jetzt noch einen Tequilla, und dann zu den Afrikanern.

23.30 in der Eissporthalle.
Gerade noch ein Gespräch mit einem marokkanischen jungen Mann, der dieses Deutsch spricht, ne, das Carsten auf seiner Einladungskarte für sich nutzete (oh). Ich wäre wohl locker drauf ne. Ja.

Die Anwesenden nach anstrengendem Programm. Müde. Staunend vorm Cola-Automat, der für kokurrenzlose DM 1,50 eine Dose Cola auswirft. Ich sitze auf einem ... weiß ich nicht ... Verteilerkasten, verborgenen Staubsauger ... und überblicke das Foyer der eher schmucklosen Eissporthalle, dem es an Sitzgelegenheiten mangelt.
Bei sehr attraktiven Libanesinnen ein vegetarisches Fladenbrot mit Falafel 'und alles' gegessen.
Sabbere mir die Hose voll, daß es aussieht, als hätte ich auf die Schenkel ejakuliert.

Zeit für die Liste.
Am Bahnhof Duisburg die Krakauer...
Falafel beim ersten Rundgang
ein lächerlich überteuertes Softeis Schokolade-Vanille
zwei Obstsäfte, Apfel-Orange
vorher Kaffee, das zeitlich getrennt
die indianischen Chiangas, auch Changas mag zutreffen, verschiedene frittierte Gemüse
1 Capuccino
ein Wasser irgendwann auf dem Gelände
die 5 Energiebällchen
(nicht chronologisch letzteres: Wasser, Tequilla und dann noch einmal Falafel

Es ist 23.25
Zur Ruh gehe ich nicht.

Im Strudel des Durchgangs zur Halle. Eine algerische Band spielt. Eine beleibte Sängerin im gelben Kleid mit Krone und einem türkis-blauen, schärpenartigen Umhang. 23.35
Vielleicht die algerische bezaubernde Jeanni. Sie singt vor, die Jungen singen nach, in endlosen Wiederholungen.

Niemand macht schlapp. Alle wollen genießen.

23.50
Die Eissporthalle ist nichts zum großen Zelt.
Ich werde noch die nächste Band hören, dann schlafen.

Sätze wie: weißt du warum, dann gehst du in Kosmos.

Draußen, auf dem Treppenaufgang vor der Halle.
Der Augenblick, als die Frau mit langem Haar die Treppe hochsteigt, an der Hand ihres Freundes, so etwas etwa, weil der Nachbar gerade gefragt hat, was das sei und wofür. Ich antworte: Notizen und erst einmal nichts weiter.

Natürlich kann ich die Texte formatieren, Musik dazuschneiden, im Digitalstudio etwa. Harte Brüche. (1)

Nach dem Gespräch mit Bella, der Zahnärztin von der Wartburg über dies und das. Sie will wohl alles besser wissen.

(1) Das würde die Frage beantworten, was ich mit diesen Skizzen tun könnte.

Aber - um 00.21 die Frage, wie Tuxe und Wojtek vorankommen mit ihrer Freundschaft. Davon mehr - morgen.

Afrikanische Königssöhne und marokkanische/tunesische Bengel, drei, gleich rechts hocken sie auf einer Stange und ich sage, na Jungs, müßt ihr noch nicht schlafen? Da lacht der eine. Schelmisch? Ja. Eher aber algerische Jungs als tunesische.

Gleich hinter (vor, je nachdem, woher man kommt) der Eissporthalle, beim Tee. Langsam mache ich mich auf den Weg zurück. Femi Kuti habe ich fünf Minuten gegeben, denn der madegassische Akkordeonist (plus Drums) war von ganz anderem Kaliber. Demnach 1.05, jedem, dem ich heute etwas gesagt habe, hat reagiert, vorhin, als ich zum afrikanischen König sagte, er sähe aus wie ein Königssohn, sagte er 'Dankeschön.'

1.35 in der Oase, trommelnd. Leider kaum schwingend.

1.58 am Stand mit der härtesten Musik esse ich nun einen Obstsalat.

5.20 noch immer der stampfende Beat. Dazu Regen, der wie Feuer prasselt. Und Vögel.

8.00 am Pfingstmontag
das Problem wird das Abbauen.
Die Stimmen rundum sind friedlich.

8.15 der Regen hat nachgelassen. Ersten Leben beim Türken, der Tee ausschenkt. Reinigungswagen. Verschlafene.

Sätze wie: Alfred, ich muß jetzt nüchtern werden, ich habe um 10 Uhr ein Date.

Keine Polizei nirgendwo. Friedlich.

9.00 große Pfützen, Zelte, die über Nacht ihre Spannung verloren haben, wellcome to the pleasure dome unterm Hügel, hier, wo ich meinen ersten Milchshake trinke, Drum and bass, verrauscht, traum/trance, ein paar Tänzer, matschverschmiert.

9.19 1. Juni 98
die Sonne tut ihre Arbeit. In einer Stunde bin ich auf dem Weg nach Hause.

10.12 auf dem Moerser Bahnhof. Heruntergekommen.
Um 10.30 mein Zug nach Duisburg.

Zum Frühstück im Park
3 Tee beim Türken
1/2 Liter Banane/Erdbeer/Orange Milchshake mit fettarmer Milch.

Frisches Kaugummi von der Tanke.
Auf dem Weg hierher vor der Studiobühne gleich vorm Park steht dieses grünspanene Denkmal einer herrisch auf die Stadt blickenden Luise ??? von Brandenburg, ein Geschenk von Wilhelm II Seiner Majestät, an die getreue Grafschaft Moers.

Man nennt sich also Grafschaft.

Ich habe den rechtsfreien Raum Festivalgelände Schloßpark Moers verlassen. Vorsicht also, keine Purpfeifen mehr.

Nex to me ein müdes Pärchen, weiß nicht, welche Fraktion sie vertreten, sie tragen derbes Schuhwerk mit Profilsohlen, schwarzen Kapuzennickis, haben beide einen Ohrring und ihr Hund bellte vorhin wütend, als ich den Bahnsteig entlang auf ihn zukam. Streckte ihm einfach die Hand entgegen, damit er Bescheid wußte.

Vögel singen für die wartenden Bahnreisenden.

10.30 im Zug. Im Abteil ist Platz für viele, aber das Familientrio mit Weichei und Kind verbreitet....schlechtes Deutsch das. Die unter Organisationsdruck leidende Frau will nicht, daß ihr Sohn in Fahrtrichtung sitzt (beim nächsten Mal, bietet sie ihm an - er, jetzt jetzt), obwohl genügend Platz ist. Einen seltsamer Schluffen an ihrer Seite, bärtig mit taubenblauer Schiebermütze aus imprägnierter leichter Baumwolle, Fotoapparat vorm Bauch. Hat seit Ankunft der Drei auf dem Bahnsteig nicht einen Satz gesagt, während sie ununterbrochen sprach.

Sätze wie: das stimmt ja gar nicht, was die da aufgeschrieben habem beim Reisebüro, der kommt ja gar nicht 28, der kommt ja 30, hätten wir uns gar nicht so beeilen müssen....

Bahnhof Trompet

Tiefe Provinz atmet der Niederrhein. Glocken von zwei Türmen vorhin, eine sonntägliche Klanginstallation.

Bahnhof Rumeln
ich höre, der Schaffner hat Probleme mit einem Zugestiegenen, der keine Fahrkarte hat und auch keine kaufen will???
Sätze wie: ihre letzte Chance, ich halt mich da nicht lange mit auf, dann ruf ich die Polizei ....

11.21 Duisburg. Warum gibt es so wenig Sitzgelegenheiten auf dem Bahnsteig? Ach, man will geschützt sitzen, jetzt sehe ich. Und ist es nicht möglich, Lautsprecher für Bahnhöfe so zu installieren, daß kein Hall entsteht, der nur ahnen läßt, was gerade gesprochen wird.

12.07 im Interregio nach Emden.
Die Aufgabe könnten heißen: beobachten Sie den rechtsfreien Raum. Jede Kleinigkeit zählt. Daraus ergäbe sich eine Art Reportage. Ein höchst persönliches Klang- und Gedankenbild!!!

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