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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Liebe Annette,

heute war mein erster Sonntag im Rüschhaus. Als ich im Gartensaal die eichenen Blendläden aufklappte und das Licht vom Garten herein strich, hoffte ich, du würdest am Tisch mit den Fischbeinen sitzen, es stünde Gebäck da, ich setzte mich zu dir und wir tränken Tee. Stattdessen fand ich die Nachricht, dass dir meine Texte gefallen. Welche denn, die unerhörte Leichtigkeit, das Flirren, oder die Prosa?

Schade, dass du nicht da warst. Ich hätte dich gefragt, wie du dir für das Honorar deines zweiten Gedichtbandes - der erste ließ deine Mischpoke zusammenzucken, weil sie Gedichteschreiben peinlich fanden, weißt du noch, wie konntest du dir davon ein Häuschen in Meersburg kaufen? Waren die Verleger damals Mäzene? Mit meinen Gedichten könnte ich Zimmer tapezieren, aber so viele Zimmer hat meine Wohnung nicht.

Wenn ich im italienischen Zimmer, meiner letzten Station, von der Sehnsucht nach Arkadien erzählt habe, bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren, sage ich, jetzt bin mit meinem Latein am Ende, wenn es Ihnen gefallen hat, können Sie ihrer Begeisterung durch Applaus und/oder durch eine Aufmerksamkeit in meine kristallene Schale kundtun, sie steht unten auf dem großen Tisch.

Ich habe sie so hingestellt, dass jeder daran vorbeigehen muss. Das tun sie und geben reichlich. I'm only in it for the money, Annette, trotzdem schließe ich aus ihrer Großzügigkeit auf eine gewisse Qualtät meiner Darbietungen. Die Schale habe ich übrigens dem Mensingschen Festgeschirr entnommen und umgewidmet. Also, bis dahin, Mittwoch sehen wir uns wieder.

PS.

Noch immer dieses Flirren,
Momente einer Nacht,
ich will das All entwirren,
nichts steht in meiner Macht.


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