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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Liebe Annette,

vor ein paar Tagen war ich am Bodensee. Ich hatte eine Hütte am See gemietet, davor stand eine Bank, vor der Bank eine kleine, von Schilf gesäumte Bucht, das Wasser war von angenehmer Temperatur und seidenweich, und zum frühen Abend kam immer ein Schwanenmann, um sich zu putzen. Ihm zuzuschauen, nach Bodmann hinüber zu sehen, ein Glas Wein zu trinken, hat meinen Plan, dich in Meersburg, das kaum zwanzig Kilometer entfernt liegt, vereitelt. Meine Hütte war einfach zu idyllisch und der Autoverkehr zu dicht.

Autos? - Ich glaube, wir sprachen davon. Autos sind die Weiterentwicklung einer Kutsche mit Verbrennungsmotor, den Nicolas August Otto kaum zwanzig Jahre nach deinem Tod entwickelt hat. Heute sind Autos Tag und Nacht und so gut wie überall unterwegs. Sie sind bequem, sie sind hocheffizient, aber weil es so viele sind, macht das Autofahren kaum noch Freude.

Wir haben uns also verpasst, aber keine Angst, am nächsten Samstag sehen wir uns wieder.

PS.

Weißt du, Annette, immer, wenn ich Gäste im Rüschhaus durch deine Schlafkammer führe, in der dein Sterbebett steht, komme ich in Konflikt mit deinem anderen Sterbebett in Meersburg. Erklären kann ich das niemandem, deshalb bin ich ganz froh, dass ich nicht in Meersburg war. Was soll der Mensch mit zwei Sterbebetten, wenn er nur einmal stirbt.

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