Januar 2005                                    www.hermann-mensing.de                            

 mensing literatur


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Sa 1.01.05   15:45

Langsam ist es an der Zeit, das alte Jahr auszuscheiden. Es riecht nicht gut. Vertraut schon, aber nicht gut. Komisch. Hat es denn, als es noch auf dem Teller vor einem lag, auch so gestunken? - Man erinnert sich nicht. Man nimmt sich vor, dieses Jahr acht zu geben. Die neuen Teller stehen gefüllt vor einem. Aber nichts stinkt. Liegt das am Reiz des Neuen, oder nur am verstärkt zum neuen Jahr auftretenden positiven Denken? Das, was nachher so stinkt, muss doch auch jetzt schon da sein, oder? - Sie sehen, auch im neuen Jahr reißen die Fragen nicht ab.

Sollten Sie Langeweile haben, hier ist eine kleine Reise für sie....

 

So 2.01.05   12:10

Die Aktion Flutlichter hat begonnen. Nachzulesen unter http://www.literaturcafe.de

Um 14:27 sandte ich das erste Gedicht an einen Spender.

Als Thema hatte er..."Über den überzogenen Aktionismus bei- und das schnelle Vergessen nach Katastrophen (Das Steckenbleiben einer Katastrophenhilfe, weil das Tagesgeschäft und die nächste Katastrophe wichtiger erscheinen). So führt die Spende zur konkreten Katastrophe nicht zum sichtbaren Ergebnis" .... vorgegeben.

Aha, dachte ich.
Bitte Herr 9timesclever.
Für 25 Euro (die er zu spenden garantiert hatte) nehme er dies....

Hat Herr G.
nicht gerade gesagt,
dass er spendet?
Hat er nicht
sein Gewissen verpfändet?
Sich zur Aktion aufgerafft?
Wieso dieses schicke Lamento?
Fühlt er sich besser, so,
oder ist er schon klüger, froh.
Ho ho ho.

Jetzt ist es 18:01 und ich warte gespannt, wieviel Geld ich zusammen schreibe.

 

Mo 3.01.05   9:27

Hoffentlich schreibe ich keinen Mist.

16:20

Auf Ehre und Gewissen sind bei der Aktion Flutlichter bisher 1085 Euro für die Aktion Deutschland hilft gespendet worden. Und ich fange gerade erst an!!!

 

Di 4.01.05   11:17

Ich hänge über beide Ohren im Flutlichter Projekt. Dreiundzwanzig Gedichte habe ich bisher geschrieben. Ich reagiere bei diesen Arbeiten immer auf den allerersten Impuls: Eine Mail aus Marburg. Zwei junge Frauen. Ihr Thema: das WG-Leben in Marburg. Also denke ich nicht, sondern beginne zu schreiben. Ich schreibe. Fertig. Nach diesem Muster sind die Anfragen zu bewältigen. Hin und wieder gelange ich auf diesem Wege sogar unter die Oberfläche und staune, was da alles raus will. Hat wohl nur auf den Zuruf gewartet. Also, Leute, spendet. Ich warte...

 

Mi 5.01.05 11:01

Mann, Herr Mann,
worauf hast du dich da eingelassen,
der eine will den Märchenonkel,
hast du denn noch alle Tassen....???
die and're will, dass du ihr Trost gibst,
und wieder eine, dass du groß bist,
so groß, als könntest du die Welt von allem Übel retten,
als hättest weisen Rat mit Löffeln du gefressen,
doch andererseits:
es macht auch Spaß,
gewaltig, also unterlass
von nun an jede Klage und verordne selbst dir ein Gedicht:
sprich über Herr Mann, schweige nicht,
sag, dass er hier sitzt und voll Spannung darauf wartet,
bis wieder einer einen Wunsch schickt und die Reimmaschine startet.

Mich allerdings hat der Computer des Literaturcafés nicht verstanden, und aus meiner Spende von 50,00 Euro konsequenterweise 5000 Euro gemacht, was wünschenswert, aber nicht realisierbar ist. Glücklicherweise zieht er das Geld ja nicht von meinem Konto, sondern den korrekten Betrag habe ich vorhin selbst überwiesen. Hoffe jedoch, dass du, Wolfgang, diesen Programmierfehler so schnell wie möglich ausbügelst. Aloha!!!

 

Do 6.01.05   11:46

Als ich vor ca. zwei Wochen dreißig Briefe aufgab, wog jeder 1 Gramm zuviel. Das ging ins Geld. Gestern begann ich, Stadtbibliotheken in Deutschland meine Lesungen anzubieten. Aber ich hatte gelernt. Ich war vorher zur örtlichen Postagentur gegangen, hatte den Inhalt des Briefes gewogen (16 Gramm) und verschiedene Umschläge hinzugelegt. Die meisten wogen 5 Gramm. Einer aber wog 4. Jetzt bin ich aus dem Schneider und zahle pro Brief nur den Grundtarif. Danke, Postagentur.

 

Sa. 8.01.05   17:32

Das rote Lämpchen meines Druckers
blinkt seit gestern Abend,
und nichts,
womit ich's zum Verlöschen brachte.

Wär' ich gelassen,
hätte ich vielleicht verstanden,
was dieses Icon auf der Innenseite sagt,
stattdessen holte ich den dicken Hammer,
ich drohte ihm,
doch hab ich's nicht gewagt.

Ich schraubte hier
schlug mit der flachen Hand drauf,
fluchte, wütete im Stillen,
ich machte mir die Finger schmutzig,
jedoch den Drucker nicht zu Willen.

Ich schlief schlecht,
bis heut früh mein Sohn sofort erkannte,
warum das Lämpchen brannte.

Nun ist es aus,
ich drucke wieder, leicht beschämt,
und weiß jetzt, was den Menschen lähmt.

 

So 9.01.05 10:35

A-disco-cat

 

Mo 10.01.05 10:31

Fleckweißblauer Himmel.
Eine Hummel summt vorüber.
Bisschen früh, wie?
Meister M. hat achtzig Briefe verschickt, schaut nach vorn und wartet gespannt, was das Jahr bringt.
Die Beteiligung an der Aktion Flutlichter lässt nach.
Also werde ich mich wieder meinem Wellensittichprojekt widmen.

´

Di 11.01.05   10:52

Nach 45 Gedichten geht mir der Arsch ein wenig auf Grundeis. Ich mache Pause, lege die Beine hoch und übe mich im transzendentalen Nichtstun. Wie schwierig das ist, sollten Sie - falls Sie ständiger Leser sind - wissen. Sind Sie es nicht, kann ich Ihnen nur raten, schleunigst zu verschwinden, denn ich könnte Sie anstecken. Sie wären dann womöglich nicht mehr fähig, das zu tun, was Sie tun müssen. Bei mir liegen die Dinge anders herum.
PS. Schreckliche Krankheit. Völlig unheilbar.

 

Mi 12.01.05   10:14

Die üblichen Ausflüchte machen sich breit: wegfahren. Irgendwohin. Möglichst heldisch allein. Zu Fuß. Mit dem Fahrrad. Ich glaube, zu 50% meiner Existenz bin ich Reinhold Messner. Es wird wohl auch die Sehnsucht nach dem Frühjahr sein.

13:45

Streunte durch die um Umsatz ringende Warenwelt, allein: ich habe alles. Was blieb waren die Menschen, die auch alles haben.

14:55

Welchen Wert der Autor genießt, mögen Sie aus Folgendem schließen:
vor gut eineinhalb Jahren verkaufte mein Verlag die Lizenz für Der zehnte Mond an den Carlsen Verlag Hamburg. Als ich nach einer Weile bei Carlsen nachfragte, wann der Titel erscheinen solle, sagte man, das wisse man noch nicht genau, wahrscheinlich 2005.
Ob es schon einen Titelentwurf gäbe? Nein.
Vor wenigen Minuten stieß ich beim Surfen bei bookzilla.de auf mein neues Buch.
Nicht, dass mich jemand von Carlsen angerufen hätte, um mir das mitzuteilen.
Nein, ich stieß durch Zufall darauf.
Das ist ein gutes Gefühl.
Es steigert den Selbstwert ins geradezu Unermessliche.
Danke, danke, danke.....

 

Do 13.01.05   11:23

Der Höhepunkt der Jahresanfangs-Depression scheint überwunden. Als geübter manisch Depressiver sollte nun eigentlich die Phase des Himmelhochjauchzens beginnen. Mal sehn .... hiiiiiii, hiiiiiii, hooooooooooo....

12:11

Alles ganz normal im Hause Mensing (von Jörg Hanau - Cala D'or)

Mit Hermann Mensing verfügt T-Mobil endlich über einen Schreiber fürs Podium. Auf Mallorca schreibt Mensing in drei Trainingsgruppen. Langsamer als die Klassikerspezialisten, aber voll im Soll. Fünf, sechs Stunden am Tag, zehn, fünfzehn Seiten, einen 8-Seiten-Schnitt, "ohne Intervalle, ohne ins Laktat zu kommen", erzählt Mensing. Bis zum 23. Januar bleibt er noch auf Mallorca, im Februar plant er noch ein Trainingslager in der Toskana.

 

Fr 14.01.05   8:50

Milchiger Nebel hängt überm Land, es hat gefroren, stellenweise sind Straßen glatt. Gerade nahm mir ein Rettungswagen die Vorfahrt. Sah den Fahrer plus zwei Rettungshelfer Orientierung suchend hinausstarren, hörte sie förmlich sich widersprechende Richtungen zurufen. Der Wagen fuhr vor mir her, dann plötzlich hielt er, machte Anstalten zu wenden, stand unter Blaulicht und Tatüttataaa ca. 30 Sekunden quer auf der Straße, eh die Retter sich entschlossen, der ursprünglich eingeschlagenen Richtung weiter zu folgen. Währenddessen wälzten sich an anderem Ort Verletzte im Blut, riefen "Hier, hier...." aber nun ja, nicht jeder kennt sich aus, nicht jeder kann alles wissen, mal kracht es hier, dann dort, da wird der Verletzte schon mal ein bisschen Geduld mitbringen müssen.

 

Sa 15.01.05   13:19

Neues vom Schleimscheißer Bush:

"Flut-Hilfe kann unser Image verbessern"

Die Hilfe der US-Armee für die Flutopfer in Südasien kann aus Sicht von Präsident George W. Bush dazu beitragen, das Image der USA im Aushalt nachhaltig zu verbessern. Es gebe eine Menge Gerede über die angebliche Unbeliebtheit in manchen Regionen der Welt, sagte Bush am Donnerstagabend (Ortszeit) nach einer Besprechung im Pentagon. "Doch kann ich Ihnen versichern: Diejenigen, denen unsere Soldaten geholfen haben, sind Amerika dankbar."

 

So 16.01.04   16:55

Bewegten unsere mit jedem Tag schneller verfallenden Ärsche an einen Ort, der mit Kindheitserinnerungen nur so gepflastert ist: Bad Bentheim. Dort steht die Ritterburg meiner Jugend. Die Ritterburg überhaupt!!!
Gleich unterhalb dieser Burg lebte meine Tante Anni, die ihren Mann, Onkel Karl, einsperrte, wenn sie das Haus verließ. Hinter Tante Annis Haus war ein Plumsklo, das ich nur mit Angst betreten konnte, denn das, was man dort ließ, fiel tief, so tief, dass ich mir immer mit Grausen vorstellte, was wohl wäre, wenn ich durch dieses Loch fiele. Klatsch! machte es, und dann war die Wurst angekommen.
Spazierten zur Freilichtbühne, streiften durch die mit Katzenkopfsteinen gepflasterten Gassen des Dorfes, tranken Kaffee, aßen Kuchen und fuhren wieder heim.

 

Mo 17.01.05   9:25

Wer nicht fähig ist, fünf Jahre Hoffen und Bangen auf einen Schaufelwurf zu beerdigen, sollte den Gedanken an repräsentative Kunst lieber ganz aufgeben. (1)

14:31

Was war das noch für eine Geschichte, die ich erzählen wollte?

16:11

Dass ich vor Hoffnung verrrückt werde? - Nein.

16:24

Jetzt ist es mir wieder eingefallen.

Kunde betritt das Geschäft: Guten Tag, ich hätte gern Sexuelle Handlungen.
Verkäufer: Bitte gern der Herr, was darf's denn sein?
Kunde: Joaa wos hoam's denn?
Verkäufer: Na ja, sexuelle Handlungen halt. (lacht)
Kunde M.: Lassn's moal schauen?
Verkäufer: Na, na. Ham's denn oa Geld?
Kunde: Joa, Moos hamma.
Verkäufer: Schön. Und wie viele sexuelle Handlungen hätten's gern.
Kunde: So für 2000 Euro. Wenn's die einpacken könnten.
Verkäufer: Kein Problem. Hab ein Kabel.
Kunde: Ach, schön, das passt.

 

Di 18.01.05   13:32

Alle Welt schreit Zeter und Mordio, wir müssen, wir sollen, wir dürfen nicht, doch meine dicke Cousine, die dreißig Jahre bei einer Bank gearbeitet hat, lässt sich vorzeitig pensionieren und erhält 75 Prozent ihrer bisherigen Bezüge. Sie wäre doch nicht blöd, sagt sie, für fünfundzwanzig Prozent, die bis 100 fehlen, noch zwölf Jahre zu arbeiten.
Na, sind das Privilegien? -
Sie hat ein schuldenfreies Haus geerbt von ihrem Nazi-Vater, der damals in der Legion Condor kämpfte und seit 1956 glatt gebürstet für die Bundeswehr, und kann jetzt in Ruhe ihrem Alter entgegen sehen. Woraus der von bösen Träumen und Magendrücken geplagte Dichter schließen könnte, er habe etwas falsch gemacht. Irgendetwas habe er nicht begriffen, denn die Cousine ist doch höchsten ein Viertel so schlau wie er, oder? Falls überhaupt. Das Leben ist undurchschaubar kompliziert.

17:14

Man hätte,
als die toastbrotdicke Katze
zum ersten Mal
vor dem Balkon auftauchte,
NEIN
gesagt,
und nicht gewagt,
sie doch herein zu bitten,
dann hätte man allein gelebt
und sich an ihrer Schönheit nie
geschnitten.

Doch da man JA rief,
ja, du fettes Ding, komm her,
hat man es jetzt
doppelt so schwer,
sie abends nur ein Stück
vom Fußende des Betts nach rechts zu schieben,
denn schließlich will man selber richtig liegen,
und nein zu sagen,
wenn sie wieder ihre Lieder singt,
mit denen sie den Mensch zum Essengeben zwingt,
und Acht zu geben, wenn sie kämpfen will,
und zuzuhören, wie sie schnurrt,
so still.

Seltsam ist auch,
dass noch kein fester Name für sie gilt.
Der eine nennt sie Puuss,
der andre Mopsi,
Anna war auch schon im Spiel,
doch da sie sowieso nicht hört,
macht das nicht viel.

Sie ist,
wie manche sich den Buddha wünschen,
sie muss nichts tun, und es genügt ihr, da zu sein.
Sie ist zuweilen unsichtbar, doch wir sind nie allein.

 

Mi 19.01.05   16:15

Erhielt heute früh eine derbe Abfuhr. Hatte unseren Sohn zu einem psychologischen Test für eine angepeilte Ausbildung gebracht, danach eine Runde über den Markt gedreht und wollte noch kurz zu meiner Frau, um ihr zu berichten, als hinterm Gebäude der Uni ein Mann Anfang 40 mit einer Lastkarre meinen Weg kreuzte. Die Karre war hoch mit Toilettenpapier beladen. "Da können wir uns ja in Frieden einscheißen", sagte ich freundlich. "Wie bitte?" darauf er. Ich wiederholte. Darauf wieder er, pikiert: "Das ist unter meinem Niveau. Das verstehe ich gar nicht." Ja, so kann's kommen, wenn der Dichter sich mit dem einfachen Volk gemein macht.

Habe - seit mein Webspace bei neuem Provider geparkt ist, also seit gestern, die Anfangsprobleme durch beharrliches Tüfteln und Drehen jetzt hoffentlich gemeistert. Bin sogar ein wenig stolz auf mich, aber ärgerlich ist es schon, wenn man feststellen muss, dass wieder mal Groß- und Kleinschreibung auf unterschiedliche Bewertung treffen, will sagen, dass Links, die bisher funktioniert hatten, plötzlich nicht mehr funktionieren. Für den also, der sich häufiger einklinkt, meine Bitte: sollte irgendwo ein Link nicht funktionieren, bitte sagen Sie mir Bescheid, ich repariere ihn dann.

So. Und nun hoffentlich ruhiges Fahrwasser. Langsames Erholen nach all den Gedichten. Aloha...

 

Do 20.01.05 11:01

Wenn der Regen halb schräg fällt und das Licht grau ist, wenn alles gesagt ist und Neues noch nicht in Sicht, schlimmer, nicht einmal vorstellbar, dann sollte ich schleunigst verschwinden. Frage ist (schon 1000mal gestellt) wohin? In ein Buch zum Beispiel. Da liegt doch eines. Wie wäre es mit Musil: Der Mann ohne Eigenschaften? Da hätte ich bis ins Frühjahr zu tun.

12:55

Meine neue Domain-Statistik bei Kontent sagt mir, wer sich wann und wie oft eingeklinkt hat, sie gibt mir Auskunft über Herkunft und Vorlieben, und wenngleich ich die vielfältige Struktur dieser Statistiken noch nicht ganz verstehe, staune ich doch, wie man seine Spuren im Netz hinterlässt.
Jeder Schritt wird registriert.
Sollte Ihnen also daran liegen, unerkannt zu bleiben, lassen Sie die Finger von diesem Medium. Es überwacht Sie. Es fügt Stein zu Stein, weshalb Sie sich nicht wundern sollten, in bestimmten Profilen aufzutauchen, die Ihnen dann entsprechende Spam zusendet.
Beängstigend ist diese Statistik. Wirklich beängstigend.
Das aber nur nebenbei, Sie müssen ja selbst wissen, was Sie tun.
Weshalb ich mich melde, hat einen anderen Grund.
Sie werden sich erinnern, dass ich vor etwa 14 Tagen Briefe an Bibliotheken geschickt habe.
Heute nun habe ich eine Telefonrunde gestartet. Der freundliche Kinder- und Jugendbuchautor spricht mit den Leitern verschiedener Bibliotheken.
Und? Was haben wir uns zu sagen? -
Sie hätten es sich denken können, nicht wahr?
Wir haben kein Geld.
Ich erkläre diesen Satz also schon jetzt zum Satz des Jahres.

16:45

Die katholische Kirche in Spanien hat den Gebrauch von Kondomen als Mittel im Kampf gegen Aids akzeptiert. "Kondome haben bei der integralen und globalen Aids-Vorbeugung ihren Platz", sagte der Sprecher der spanischen Bischofskonferenz, Juan Antonio Martinez Camino. Meine Frage nun: wo? Welchen Platz meint er und was ist zum Teufel ein Kondom?

 

Fr 21.01.05   15:14

Der bin ich

Der mich nicht bewohnt. Der mich beschimpft. Der mich vernachlässigt. Der mich voll stopft. Der mich aushungert. Der mich wiederholt. Der bin ich. Der mich aufreibt. Der mich wofür fragt. Der nie still ist. Der bin ich. Der mich spazieren führt. Der mich lacht. Der mich weint. Der mich sieht und mich sehen lässt. Der weiß, wenn ich unwissend bin. Der bin ich. Der am Morgen sagt: Aufstehen. Der mich schlecht schläft. Der mich zermürbt. Der mich träumt. Der bin ich. Der mir misstraut. Der betrügt. Der mir das Blaue vom Himmel verspricht. Der Mörder. Der mich verliert. Der Gewinner. Der Verlierer. Der geschmacklose Witz. Die Literatur. Gott. Hölle. Der bin ich.


Sa 22.01.05
  14:55

Bekanntmachung: seit ich meine Homepage werbefrei und gegen Entgelt zu einer anderen Firma umgelagert habe, zeigt meine Statistik plötzlich begeisternde Werte. Hatte ich vorher 10 - 20 Besucher pro Tag, sind es jetzt im Schnitt fast 80, gestern waren es 120, vorgestern 167. Ich bin verwirrt. Was hat das zu bedeuten? Wahrscheinlich nur, dass die Statistik mir schmeichelt, jetzt, wo ich 3,50 pro Monat für Webspace bezahle.

17:15

Wer kann nicht singen, wird völlig überschätzt, heißt Adam und mit Nachnamen Green? In einem seiner Lieder taucht sogar der Name Dostojewski auf. Seine Texte werden bei Suhrkamp veröffentlicht. Ach ja, er kommt aus dem Land der Freien und sieht aus wie ein Brooklyn Jude. Nun, Sie haben das Wochenende vor sich, denken Sie darüber nach.

 

So 23.01.05   11:20

Da war ich nun. Michaels Zimmer lag im Souterrain. Brooklyn. Hinterm Haus ein handtuchgroßes Grundstück, ein schmaler Gang, Tennisplätze, dahinter senkte sich das Land und schien sich in unüberschaubaren Gleisanlagen und Industrieansiedlungen zu verlieren. So sieht es in meiner Erinnerung aus. Ich war in der Nacht angekommen. Michaels Vater hatte mich vom Flughafen abgeholt. Michaels Zimmer wäre für die Zeit meines Aufenthaltes mein Zimmer. Mein Zimmer plus Jetlag. Der erste Jetlag meines Lebens. Hinzu kam, dass mir langsam bewusst wurde, dass ich mein Zuhause verlassen hatte. All die Großmäuler, die anfangs begeistert waren von der Idee, eine Weltreise zu machen, hatten im letzten Augenblick ihren Schwanz eingezogen. So war mir nichts anderes geblieben, als mich in Frankfurt allein in ein Flugzeug zu setzen.
Michaels Zimmer also. Das Foto seiner Bar Mitzwa über einem Vertiko. Das Foto mit obligatorischen Baseball-Handschuh. In einer Ecke des Zimmers Michaels Fotolabor. Sein Schreibtisch. In der untersten Schublade sein Dope. Er hatte mir genau beschrieben, wo ich es fände. Ringsum heulte New York. Ich war dreiundzwanzig. Dies war die erste Station meiner Reise. Es war furchterregend. Am nächsten Tag, ein Sonntag, das hatte mir Michaels Mutter verraten, käme die Verwandtschaft zu Kaffee und Kuchen. Sie wollten wohl sehen, wie so ein kleiner Deutscher aussieht, mit dem sich der Sohn der Familie angefreundet hatte. New York im Juni 1972. Ich blieb vierzehn Tage. Ich eroberte eine Jüdin aus Queens. Ein, zwei, drei Tage lang waren wir ein Paar, zogen nachts kreuz und quer durch New York, dann lernte ich John kennen, der nach San Diego fuhr und schloss mich ihm an.

 

Mo 24.01.05   10:25

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihre Bewerbung nicht zurückbehalten wurde, da sich die Jury für Simone Klages ausgesprochen hat. Wir bedanken uns für Ihr Interesse an unserem Projekt und versichern Ihnen, dass Pippi auch noch in den nächsten Jahren zur Springprozession nach Echternach kommen wird.

15:30

Liebe Freunde des - na ihr wisst schon - Verlages!!!
Seit meine Webseite werbefrei auf einem mir persönlich nicht näher bekannten Server parkt, schickt dieser mir regelmäßig eine Statistik. Sie informiert mich unter anderem darüber, wer meine Webseite besucht hat. Tja, und so seid ihr aufgeflogen. Nachdem ihr mich im letzten Halbjahr wie den letzten Dreck behandelt habt, eure Shareholder Values poliert und Penunzen zählt (was ich euch nicht zum Vorwurf mache), schnüffelt ihr jetzt auf meiner Webseite herum. Vorsicht, dass ihr euch nicht die Finger verbrennt. Ansonsten aber - seid gegrüßt, ihr Habsburg-Junkies im verrottenden Wien.

21:33

Auf einmal wurde ich müde,mein Kopf verlangte nach einer Pause. Zu allem musste er sich eine Meinung bilden: in der Schule, zu Hause, im Wald, jetzt hier, andauernd hatte er etwas zu entscheiden. Er befahl mir, aufs Bett zu fallen, und ich gehorchte. (2)

 

Di 25.01.05   11:16

Heute nur Lob. Überschwängliches Lob für einen Schriftsteller, dessen Romane ich schon seit langem lesen wollte. Es ist Jurek Becker, dem nichts Menschliches fremd scheint, der keinen Augenblick klug den Finger hebt, immer noch eine Frage nachschiebt und bei allem Ernst brüllend komisch sein kann, kein Bewohner des Elfenbeinturms wie der sensible Herr Handke, keine Psychopathin wie Frau Jelink, nein, Becker hat Fleisch an den Knochen und ist umwerfend gut. Unbedingt lesen!

13:42

Der Busfahrer bremste scharf, die Fahrgäste ruckten nach vorn, aber die Fliehkraft war nicht so stark, dass sie jemanden von den Sitzen gerissen hätte. Neben mir saß ein Mann Anfang 30, kräftig, bärtig, dunkelhaarig. Er trug einen roten Troyer und Jeans. Mir war aufgefallen, dass er hin und wieder wie ein Boxer die Hände vor die Brust hob. Jetzt sagte er: Ho, die Fliehkraft. Kerl Kerl, muss ich mir Sorgen machen? Dieses Kerl Kerl, mehr wie Kär Kär (oder westfälisch: Kiärl, Kiärl) und auch die Frage, ob er sich Sorgen machen müsste, brummte er jetzt häufiger. Als ich irgendwann auf meine Uhr schaute, fragte er, ob noch Zeit sei? Zeit wofür? fragte ich. Das weiß ich doch nicht! sagte er aufbrausend. Ich kann doch nicht wissen, wie es um die Gesundheit anderer Menschen bestellt ist. Bei der nächsten Haltestelle stieg er aus.

 

Mi 26.01.05   11:16

Er ist schmächtig, trägt diese noch vor ein paar Jahren aktuelle Wim-Wenders-Gedächtnis-Brille und ist kulturschwarz gekleidet. Ein Intellektueller der Metropolen. Im Gespräch aber stellt sich heraus, dass er aus Metelen Land kommt, da, wo der Zug, der zwischen Münster und meiner Heimatstadt Gronau verkehrt, immer hielt, um die aus den umliegenden Wäldern herbeieilenden Menschen aufzunehmen. Allerdings mussten die sich beeilen, denn die Lokführer warteten nie lang.
Dennoch muss es ihm gelungen sein, auf einen dieser Züge aufzuspringen und nach Münster zu emigrieren. Dort sehe ich ihn regelmäßig auf Jam-Sessions. Er bläst eine kleine Trompete. Und er spricht Platt, was ich nur zu gern beherrschte, aber nicht lernte, weil es in meiner Umgebung nicht gesprochen wurde.
Zwar spreche ich leidlich Niederländisch, dem Plattdeutschen in vielem ähnlich, aber doch anders, so dass es beim Plattdeutschen hapert. Wir fachsimpelten über die Laut- und Begriffsverschiebungen von einem Dorf (Metelen) zum anderen (Ochtrup, ca. 5 Kilometer entfernt), über die Müdigkeit, die es einem hin und wieder schwer macht, das heimische Sofa zu verlassen, um zu einer Session zu fahren, wir waren uns einig, dass der hohe Anspruch der Hot Jazz-Session manchen schreckt, aber gestern war das gut, denn die durch Abwesenheit glänzenden Musiker konnten uns unseren Platz nicht streitig machen.
Wir waren quasi Monopolisten.
Dass dann später doch noch zwei Schlagzeuger auftauchten, hat mich nicht gestört, denn da saß ich bereits hinterm Set, spielte, nickte den Kollegen zu und dachte nur, nach mir die Sintflut, hättet ja früher kommen können, wer zuerst mahlt, etc. pp.
Saß also hinterm Set, zisellierte meine Grooves auf Becken und Felle, dachte demütig, hach wie schön heute Abend, dann war es vorbei und ich verabschiedete mich. Es war bitter kalt, als ich nach Hause fuhr, der kleine westfälische Winter ist angekommen, hier und da liegt ein Hauch Schnee.
Alle Gedichte sind geschrieben, leider haben wir die magische 3000 Euro Grenze nicht erreicht, wir sind völlig ratlos über den weiteren Verlauf unserer Karriere, aber das war nie anders. Versuchen wir also wieder, die Dinge gelassen zu sehen. Vielleicht demnächst mit ein wenig sinnfreiem Sprechen, vielleicht mit einem Wolkenloch und dem dahinter leuchtenden augenblauen All, wer weiß schon. Bis dahin bin ich wohl nach wie vor der Mann ohne Eigenschaften, der Schlagzeug spielt und Texte verfasst, verschiedene Sorten, verschiedene Preisklassen, meist hochpreisig, denn nur das lohnt noch. Aloha also, Brüder. Auch ihr im Verlag, die ihr schon wieder hier herum geschnüfftelt habt, tretet doch aus der Deckung, dann könnten wir reden....

 

Do 27.01.05   11:59

Mit einundzwanzig machte ich mich auf den Weg nach Israel. Bis Ancona war ich getrampt. Und wie das so ist: nicht einer meiner Fahrer hatte einen Hut getragen. Hutträger nahmen niemals Anhalter mit. Seit England hatte ich halb Europa auf diese Weise bereist. Nie hatte ein Hutträger für mich gehalten. Ich hasste Hutträger.
Von Ancona setzte ich nach Griechenland über. Plötzlich war ich von Stahlhelmen umgeben. Hutträger. Faschistische Hutträger. Die Militärjunta hatte das Land unter der Knute. Bloß nicht auffallen hier. Die langen Haare verstecken. Schnell nach Athen, von dort auf das nächste Schiff und über Rhodos und Zypern weiter nach Haifa.
Man erwartete mich in einem Kibbuz nahe der jordanischen Grenze am See Genezareth. Er hieß Ashdot Yaakov Icchud. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, als Deutscher in Israel zu sein. Ich war sicher, daß mein blondes Haar und meine blauen Augen mich kenntlich machen würden. Aber ich war nicht der einzige Kibbuzznik mit blondem Haar, und niemand kümmerte es, woher ich kam. Hauptsache, es machte mir nichts aus, früh um vier auf einem offenen Lastwagen zu den Bananenpflanzungen hinauszufahren, um sie von altem Laub zu befreien.
Die Plantage war in Sichtweite des Jordan. Bewaffnete Kibbuzznik patroullierten, während wir arbeiteten. Zwischen den großblättrigen Stauden war es schattig, doch ab neun wurde die Hitze unerträglich. Ich brauchte Schutz.
Die Einheimischen trugen weiße Baumwollhütchen: abgeflachte Trichter mit schmaler, nach unten weisender Krempe. An der Seite war eine kleine Tasche mit Reißverschluß. Als wir gegen Mittag von der Arbeit zurück waren, ging ich zur Materialausgabe der Kibbuzverwaltung und bat um so einen Hut. Die Verwalterin, eine alte polnische Jüdin, verschwand im Magazin, kam mit einem hellblauen zurück, setzte ihn mir auf und lachte ein zahnloses, schallendes Lachen.
"Wo kommst du her?" fragte sie dann. "Bist du Deutscher?" Ich nickte. "Und noch so jung!" sagte sie, strich mir übers Haar und machte sich wieder an ihre Arbeit.
Wochen später saß ich in einem Cafe in Eilat. Es lag neben dem Busdepot und war Treffpunkt junger Reisender. Ringsum war nichts als sonnendurchglühter, von Steinen durchsetzter Sand. Das rote Meer war einen Kilometer entfernt.
Eilat war ein trostloser Backofen.
In diesem Cafe beginnt der Anfang vom Ende meines Kibbuzhutes. Aus großen Boxen dröhnte Musik. Die jungen Israelis suchten Kontakt zu uns Europäern. Sie hatten einen Krieg hinter sich, während wir in Europa der Flower Power erlegen waren. Tagelang saß ich hier und rührte mich nicht. Dann, eines Nachmittags, kam ein plötzlicher Wind. Ein Wirbel aus der Wüste. Ein staubiger Quirler, der wie ein Nylonstrumpf aus dem Himmel hing und heran war, noch eh ich wußte, was da geschah.
Er packte meinen Hut und riß ihn mit sich fort.

 

Fr 28.01.05   8:50

Auf kleiner, sehr feiner Bühne treten auf: ein Dichter, ein Schauspieler plattdeutscher Zunge, ein Grandsigneur der Provinz, der Leiter einer Forschungsstelle und ein Dramaturg. Ort der Handlung ist ein Rittergut, in dem sich medialer Zeitgeist in I-Macs materialisiert: das Westfälische Museum für Literatur. Man denkt: hier war Geld im Spiel. Wenn auch jetzt keines mehr da ist, hier muss welches gewesen sein.
Es liegt Schnee, der Innenhof des Gutes ist magisch beleuchtet: blaue, in den verschneiten Boden eingelassene Lichtleisten, die die Form des Hofes spiegeln.
Der Schauspieler plattdeutscher Zunge, der Dichter und der Grandsigneur sitzen vor Beginn der Veranstaltung bei Schnittchen und Kaffee in der Bibliothek. Der Schauspieler sagt, er schreibe auf einer Olympia von 1929, einen Fernseher besäße er nicht.
Als die Rede zwei Stunden später (die Hörspielgalerie ist vorbei, man sitzt an gleichem Ort noch beisammen) auf Harald Schmidt kommt, sagt dieser Schauspieler, den habe er gestern auch gesehen, was der da mache, sei Quatsch. Der Grandsigneuer, der gerade 70, 75, oder sogar schon 80 geworden ist, silbergraues Haar hat und buschige Augenbrauen, die er ganz bestimmt föhnt, damit sie seinen hageren, ernsten Ausdruck zusätzlich unterstreichen, trinkt roten Wein.
Er hatte nach Ende des Hörspiels angemerkt, dass er es sehr kunstvoll fände, dass jedoch das Reißen der Saite einer afrikanischen Laute zum Schluss, die den Tod Marias akustisch besiegelt, ein wenig zu dick aufgetragen sei.
Nun, dachte der Dichter still, dann fick dich doch selbst.
Er war aufgeregter als üblich, denn dieses Mal war sein Publikum ein erwachsenes Publikum, sein Hörspiel "Der Swatte Jehann" eröffnete eine Reihe die Unerhört Live heißt, und in deren Folge in Zukunft mehrfach im Jahr an gleichem Ort Hörspiele vor Publikum aufgeführt werden sollen. Der Applaus war warm und reichlich, das neue Buch (Mein Prinz) wurde gern gekauft, der Dichter signierte und freute sich still. Dann fuhr er höchst vorsichtig über ostwestfälisches Land wieder gen Westen.

11:58

Da wir nun wissen, wer uns auf der Spur ist, könnten wir angreifen, oder? Könnten sagen, werf dich für uns mal ein wenig in die Waagschale, reiß dir den Arsch auf für den Dichter Mensing, oder lass es. Noch besser: informiere uns, kläre uns auf, sprich Klartext: was ist eigentlich los mit mir? Will man mich absägen, hochloben, wie - wer - was? Du weißt das doch, du hockst doch mit denen zusammen. Also sprich. Es bleibt unter uns.

 

Sa 29.01.05   15:28

Vor einem Elektrogroßmarkt spricht mich ein Mann meines Alters an und fragt, woher ich meinen Mantel hätte, so einen suche er schon seit langem, früher habe er einmal so einen gehabt, allerdings mit Taschen, in denen man die Hände links und rechts unterm Brustkorb versenken konnte, aber das sei, wie gesagt, lange her. Mein Mantel sei wunderschön. Nun, der ist schon alt, sage ich. Den habe ich durch Zufall entdeckt, wie es meist geht mit Schönem, das findet einen, danach kann man kaum suchen. Ja, ja, sagt er. Wir verabschieden uns voneinander. Ich betrete den Markt, um ein digitales Diktiergerät zu kaufen. Ich finde eines, das ich ausprobieren will. Ein dicker Verkäufer mit Pferdeschwanz, den ich um Hilfe bitte, verweist mich an seinen Kollegen. Der hilft mir. Ich sage ein paar Sätze und kaufe es. Eine noch junge Türkin an der Kasse schminkt ihre Lippen, als ich heran trete. Fühlen Sie sich jetzt besser? frage ich. Sie findet die Frage nicht lustig und sagt, darum ginge es nicht. Entschuldigen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, sage ich, während sie ihre Arbeit tut. Ich unterzeichne den ausgedruckten Beleg und verlasse das Geschäft. In der Tiefgarage (zügig verlassen, Vergiftungsgefahr) spreche ich erste Sätze. Dann fließe ich durch den Verkehr nach Gievenbeck, um zu sehen, ob die Eisdiele schon wieder geöffnet hat. Sie ist geöffnet, ich gehe hinein, bestelle ein Eis und lese die Bedienungsanleitung des Diktiergerätes. Sie ist - wie alle Bedienungsanleitungen - nicht unkompliziert, aber nach einer Weile habe ich alles eingestellt.

 

So 30.01.05   10:32

Da können noch so viele Meisen auf kahlen Bäumen sitzen und tschikatschik rufen, da kann der Januar in den letzten Zügen liegen, da kann es gemütlich sein, drinnen, und gute Literatur ist auch da, da ist genügend zu Essen und zu Trinken, alles ist da, aber der Klammergriff dieses grauen Sonntages quetscht meine Lebenslust aus, bis ich bleich werde und stumm und nur noch wünsche, für 19 Euro nach Pukhet zu fliegen, als Fleischberg im Schatten von Palmen Thai-Massagen zu genießen und dabei wohlig gruselnd zu wissen, dass hier noch vor vier Wochen alles voller Leichen war, jetzt nicht mehr, und ich keine Gewissensbisse zu haben brauche, denn ich tue ein gutes Werk, ich bringe Devisen und Arbeit, ich trinke frische Kokosnüsse leer und schaue mit zusammengezogenen Augen auf den Horizont und versuche mir vorzustellen, wie die Welle von dort hinten heran kam. Tatsächlich aber sehe ich die Wäschestangen im Hof und die silbern darunter in Reihe hängenden Wassertropfen, die halb verschneiten Dachschrägen, die Bierflasche auf der Garage, die fröstelnden Büsche, den mit dem Grau der Erde sich verbindenen Himmel, ich höre vorüber fahrende Autos, wenn ich mich vorbeuge, sehe ich den mannshohen Schneemann, den die Kinder vorgestern bauten, mein Diktiergerät liegt neben mir, es sagt tschikatschik, wenn ich will, es sagt das sogar in drei verschiedenen Geschwindigkeiten, was gestern Abend, als ich es ausprobierte, zu großer Freude führte, wie immer, wenn der Mensch seine Stimme hört. Er kennt sich dann nicht, er fragt sich, das soll ich sein, und das Gerät sagt: Ja, das bist du, tschikatschik. So wird der Sonntag vergehen. Falls Malte B. auftauchen sollte, wäre ich dankbar für die Antwort zu folgender Frage: wie ist Hans Bronsteins Vater zu Tode gekommen?

12:43

Ja. Und die Kapitalisten zogen sich Verbrecher heran um die Ausbeutung zu bekräftigen, und die Verbrecher schlugen zu mit Ansehen der Person, die Person musste sagen es sei gut so, und dauern sollte dies ewig. Und da konnten sie den Hals nicht voll genug kriegen im eigenen Land, da überzogen sie die Welt mit Krieg, da hätte er zu Tode kommen können Jakob, da gingen sie unter mit Gestank. Und es taten die Sieger mit dem Land des Übels wie ihnen gefiel. (3)

 

Mo 31.01.05  13:17

Wollte eigentlich Pilot werden, hatte schon Nackenstarre vom ständigen Hinaufsehen und Verfolgen der über Gronau ziehenden Starfighter, dann aber wurde mir schmerzlich klar, dass Starfighter Piloten keine Plomben haben durften, denn die hätten die Sicherheit gefährdet, wären durch die hohen Belastungen beim Vortrieb dieser absturzgefährdeten Stummeljäger womöglich nach innen gedrückt- bzw. nach außen befördert worden, so genau weiß ich das nicht mehr, jedenfalls musste ich schon in jungen Jahren diesen Traum aufstecken, der mit Krach und Radau den Himmel bevölkerte.
Fuhr dann eines Tages mit der Schule zur Besichtigung des Fliegerhorstes Rheine und durfte dort mit einem Maschinengewehr schießen. War wohl nur Übungsmunition drin, aber ich erinnere mich der aufgeregten Schreie meiner Klassenkameraden, eh sie konzentriert die vor ihnen liegende Fläche mit Maschinengewehrgarben bestrichen und das imaginierte Blut nur so spritzen sahen.
Hach ja, holde Jugendzeit, das war vielleicht schön, als man noch ohne Gewissensbisse mit Waffen hantierte und genau wusste, was man mit Feinden zu tun hatte.
Seltene, nie wieder erreichte Highlights, als ich Willy Brandt angriff, der auf einer Wahlveranstaltung sprach. Ich griff ihn nicht etwa an, weil ich irgendetwas von dem verstand, was er sagte, nein, ich griff ihn an, weil es mir um den Angriff ging, um den reinen Widerspruch, koste er, was er wolle.
Hach ja, war das schön, als man noch dumm sein durfte und unlogisch und gegen alles, als man noch wettern konnte und sich ereifern aus Gründen, die niemand als man selbst ergründen konnte, falls überhaupt.
Hach, wundervolle Juhuhuuugendzeit, auf die man zurückblickt wie etwas, das sich ereignet hat oder auch nicht, so genau kann man das nicht mehr sagen, gut möglich wäre ja auch, man ist einer Halluzination erlegen oder einer unbewussten Vergangenheitsverklärung, noch schlimmer wäre, man hat sich über die Jahre angewöhnt, all das für bare Münze zu nehmen, was man geschrieben hat, so dass man heute nicht mehr in der Lage ist, überhaupt irgendeinen sicheren Standort auszumachen, der die hohoholde Jugendzeit konkretisierte.
Und jetzt, Frau X aus Y, Lektorin der Firma Z?
Ich fürchte, wir haben ihnen zu viel zugemutet, wie? -
Na ja, wer zuletzt lacht, lacht am Besten, war das nicht so.

16:55

Es matscht,
am Himmel ziehen Krähen,
schreiend,
der frühe blaue Tag geht schneiend,
die Nacht kommt schneller als gedacht
doch dieser Tag hat schon ein wenig mehr gebracht.

Und morgen - mehr, und übermorgen: auch.
Auch nächste Woche macht die Sonne ihren Dauerlauf,
den Wendekreis des Winters hat sie hinter sich,
der Rest, wie Frühling oder Sommer, findet mich.

 


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1. Peter Rühmkorf Tabu II, Rowohlt 2004 // 2. Jurek Becker Bronsteins Kinder, Süddeutsche Zeitung / Bibliothek // Uwe Johnson Mutmaßungen Über Jakob, Süddeutsche Zeitung / Bibliothek

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