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Di 1.06.21 15:15 /Krise Tag 449 / sonnig

Hoffnarr & König

Noch vor Sekunden
stand hier nicht ein Wort,
der Hofnarr war verzweifelt,
der König sah ihn strafend an,
die Majestät vereitelt,
sprach er, manchen Zwist,
doch ihren Hofnar lässt sie sagen,
wie es ist.
'Also, wie ist es, Narr, was sagt das Volk,
steht es noch treu zu mir,
wenn es am Mühlenkolk sich trifft,
und in der Schenke Sorgen kühlt bei einem Bier?

Liebt es mich noch,
wie es mich doch
nie lieben wollte,
versteht es, was ich ihm zuliebe
tu, verzeiht es jede Volte,
die ich ihm zumute,
weil ich der König bin,
und niemand außer mir den Sinn
erfasst, und niemand meine Worte will,
sag Hofnarr, du bist heut so still.

Ach König, sagt der Hofnarr,
ob es meine oder eure Worte sind,
interessiert kein Kind,
das Einz'ge, was das Volk sich wünscht,
ist, dass ihr Steuern senkt und Wege baut,
ihm große Autos möglich macht,
die leise laut und hochgeschwind,
des Volkes liebstes Spielzeug sind.

Sie fahr'n,
und alle Kriege, die ihr angezettelt habt
und noch vom Zaune bechen werdet,
und alles Elend, an dem ihr beteiligt
und wovon ihr noch reicher werdet,
und jeden Baum, den ihr noch fällt,
vergessen sie und fahr'n herum in dieser Welt.

Sie schneiden Kurven, sind versessen,
auf jeden Meter, den sie schneller sind,
sie haben sich längst arrangiert,
weil Sie der König sind,
und wollen nur vergessen.

Doch ich, ihr Hofnarr, glaubt noch an das Ideal,
und ihr, mein König, seid es nicht,
ihr seid das Übel und die Qual,
auf Euch wartet das Weltgericht.


Mi 2.06.21 13:04 / Krise Tag 450 / sonnig, ein wenig schwül

W. und ich treffen uns am Flugplatz. W. ist ein erfahrener Fluglehrer. Er bildet seit 30 Jahren Piloten aus. Wir kennen uns seit über 50 Jahren. Wenn damals in der Concordia die Swinging Blue Jeans, die Liver Birds oder die Stadthelden The Lightnings spielten, standen W. und ich gern in der Nähe der Bühne und schüttelten uns die Frustrationen der Fünfziger aus den Knochen. W. besitzt ein kleines Flugzeug, eine Comco Ikarus mit einem Rotax Motor, was mich auf der Stelle beruhigt, denn mein Aprilia Roller hat einen ebensolchen Motor, und aus berufenem Mund weiß ich, dass diese Motoren äußerst zuverlässig arbeiten. Das kleine Flugzeug steht hinten in der Halle. Wir öffnen die schweren Rolltüren, dann müssen wir Flugzeuge beiseiteschieben, damit unsere Maschine an die frische Luft kommen kann. W. knurrt ein wenig. Er findet, die Kollegen müssten ein wenig mehr auf Ordnung achten.

Als die Maschine vor der Halle steht, gehen wir herum, um Ruder, Verstrebungen und schließlich den Motor zu inspizieren. Alles ist fragil. Die Bespannung der Flügel, die Verstrebungen, selbst die Türen sind dünn wie Pappe. Die Ikarus ist eine kleine Maschine mit Platz für zwei Erwachsene. Taschen kommen nach hinten in Rumpf, da ist eine kleine Klappe, die man aufmachen kann. Außerdem befindet sich dort ein Fallschirm und eine kleine Rakete, die, das höre ich zu meiner großen Verwunderung, durch einen roten Notgriff mittig über den Köpfen der Insassen ausgelöst, eine Klappe wegsprengt, den Fallschirm herausschießt, der, und jetzt staune ich, das Flugzeug sicher zur Erde bringt.

Wir steigen ein. Zwei Schalter werden umgelegt, ein Knopf wird gedrückt, der Motor startet. Zwei, drei Minuten stehen wir, damit der Öldruck sich aufbaut und die Maschine rund läuft. Dann rollen wir zum Startplatz. W. hat mir erklärt, dass ich das Flugzeug mit den Fußpedalen der Seitenruder steuern könne. Ich schlingere ein wenig auf dem Weg zur Startbahn, aber dann weiß ich schon, wie es geht. Statt aufzurollen, um am Ende der Startbahn noch ein letztes Gebet zu sprechen, machen wir einen Rolling Take Off und sind schon in der Luft.

Die kleine Maschine hüpft dann und wann, ich spüre die Thermik in den Rudern. Ich steure gegen. Wir fliegen um Everswinkel. Ich erkenne meine Straße. Wir fliegen Richtung Raestrup, unter uns die Ems, ein Zeltplatz, das parzellierte Land und die Wälder. Telgte lassen wir links, Warendorf rechts liegen. Am Horizont der Teutoburger Wald, die Senne, der Haarstrang.

W. kontaktiert Münster Osnabrück und erbittet die Erlaubnis, den Flughafen überfliegen zu dürfen. Der Tower gibt sein okay. Ich kann ihn schon sehen. In sechshundert Metern Höhe fliege ich eine Linkskurve, folge der Runway und biege im am westliche Ende nach Münster ab. Parallel unter uns die A1, der Felix See, der Kanal, der KÜ mit der Baustelle der Umfahrung, schließlich die Rieselfelder, dann Münster.

Alles außerordentlich ordentlich von hier oben, bei ca. 150 KmH. Meine latente Flugangst, die sich meist legte, wenn ich in der Luft war, hatte sich vor ein paar Jahren aufgelöst, und so bin ich entspannt, genieße das leichte Schaukeln und Hüpfen und den Blick auf die Welt. Die Ikarus sei ein gutmütiges Flugzeug, die flöge auch von allein, sagt W.

Hinterm Fernsehturm Wolbeck verliere ich ein wenig die Orientierung, aber W. sagt, wir seien auf dem richtigen Weg und meldet uns beim Tower an. Unter uns eine weitere Maschine im Landeanflug. Das sei A., sagt W. erfreut, eine kregle alte Dame, die gerade ihren Flugschein gemacht habe. Sie landet. Wir landen kurz darauf. Ich bedanke mich bei W. Dass Fliegen so einfach ist, hätte ich nicht gedacht.


So 6.06.21 22:45 /Krise Tag 454 / bewölkt

Ob es regnen wird oder nicht, ist unklar. Das vielfarbige Grau hat das bleiche Blau des Vortages ersetzt. Da und dort hat es den berüchtigten Starkregen gegeben hat, hier war nichts dergleichen, wenngleich ein paar Wiesen flach liegen. Die Pfingstrosen haben Blütenblätter geworfen, aber das hätten sie früher oder später sowieso getan. Die Luft ist erträglich nach der Schwüle der letzten 48 Stunden. Man atmet auf. Man hat registriert, dass die Seuche auf dem Rückzug ist. Vielleicht sind bald wieder Open-Air Veranstaltungen möglich. Trotzdem hat erste Halbzeit des Dorfschreibers noch ohne Publikum stattgefunden.

Vier Wochen sind eine lange Zeit. Für jeden Tag braucht man ein Motiv, das Mumm hat und einen nicht in die Verzweiflung treibt. Wenn keines da ist, wenn man grübelt, herum schnüffelt und trotzdem keines entdeckt, muss man eines erfinden. Niemand lügt besser als der Dichter. Zur Not schneidet man er sich etwas aus der Rippe. Das schmerzt, aber der Schmerz vergeht, wenn es ihm gelingt, aus dem Rippenstück etwas Annehmbares herzurichten.

Ein Text. Eine Dummheit. Ein Gedicht. Eine Geschichte. Ein Foto. Irgendetwas geht immer, so viel hat die erste Halbzeit gelehrt. Es hat mit dem Einreiten auf dem Hinterrad seines Aprilia Rollers begonnen, und es endet, wie es enden will. Mit einem triumphalen Auszug unter Glockengeläut, mit einem zu Tränen gerührten Bürgermeister, der vom ersten Tag unseres Aufenthaltes allergrößtes Interesse für die kulturelle Sache gezeigt hat.

Vier Wochen mit höchster Konzentration liegen hinter uns, Spaziergänge, Radtouren, Besuche bei diesem und jenem, interessante Gespräche, Staunen. Ja, wenn es eines Halbzeitfazits bedarf, dann das des Staunens über die Normalität dessen, was der Fall ist. Und der Freude darüber, wie offen und freundlich der Fall sein kann, wenn er will.

Das hätte auch anders ausgehen können, der Dichter hatte das befürchtet. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sich Godot, Beckett, Herr M. und ich im Exil, ein gute halbe Stunde Fahrzeit von der heimischen Bibliothek, dem Klavier, den Bildern an der Wand und der Liebsten getrennt, einfach auf dem Sofa zusammengerollt hätten und gesagt, nein, tut uns Leid, uns fällt nichts ein, die Leinwand ist zwar grundiert, aber wir finden nicht den geringsten Anlass, diesen jungfräulichen Zustand zu verändern. Wir warten jetzt. Man kann der Kunst keinen Auftrag erteilen. Man kann sie nicht drängen. Man kann nicht sagen, hören Sie, Herr Künstler, machen Sie voran, wir wollen Ergebnisse.

Zum Glück hat das niemand verlangt. Im Gegenteil: volle Kunstfreiheit war vertraglich vereinbar. Offenbar war bekannt, dass die Kunst einen dicken Kopf und eine von Licht und tiefer Dunkelheit geflutete Seele besitzt. Sie gehorcht nicht, sie befiehlt. Und das Paradox, dass niemand weiß, was Kunst ist, macht die Sache nicht leichter.

So hätten wir die ersten vier Wochen in Agonie versaufen, verkiffen und mit großer Sehnsucht darauf warten können, möglichst bald wieder von hier fort zu kommen, um zuhause in Ruhe zu altern. Der betrunkene, mit sich und seinen Zweifeln sich durchs Dorf kämpfenden Dichter hätte dann für ein wenig Tratsch und Unterhaltung gesorgt. Seht ihr, hätten alle gesagt, es war eben eine blödsinnige Idee, einen Dorfschreiber einzuladen, und dann noch für so viel Geld, da hätte man etwas was Besseres mit machen können.

Nun, bei dem Zahlwort "einen" hätten sie schon falsch gelegen. Ein Künstler kommt nie allein. Ich sprach schon von Godot, Beckett, Herrn M. und von mir. Diese Protagonisten sind unentwegt um mich, um mich entweder zu beflügeln, oder mir Steine in den Weg zu werfen.

Letzte Woche, ich hatte die Küche gewischt und wollte mir ein Glas Apfelsaft eingießen, lenkten sie mich ab. Ich verlor die Kontrolle über meine Achse, rutschte aus und krachte auf den Steiß. Die halb geöffnete Tür zwei Zentimeter hinter meinem Kopf. Bingo. Was für eine grandiose, für die Aufmerksamkeits- und Katastrophenjournaille unbezahlbare Schlagzeile: Dorfschreiber bricht sich in der Küche seiner Dorfschreiberwohnung das Genick. War er betrunken? Hatte er Drogen genommen? Ja natürlich. Was sonst sollte ein Dichter in einem gottverlassenen Dorf westlich der einzigen, beamten- und stundentenlastigen Kleinmetropole mit mehr Ampeln auf der Bahnhofstraße als in ganz Everswinkel auch sonst gewesen sein? Man weiß das ja. Die Unvernunft des Dichtens kann eine Seele in Dornengestrüpp treiben, aus dem man nur mit Mühe herausfindet.

Ich lag also stocknüchtern auf dem von mir mit Frosch gereinigten Boden und sah keine Sterne, sondern die Küchendecke und das Regal mit den spanischen Tortas de Aceite. Godot kicherte. Er hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet. Auf ihn kann ich bauen. Nicht, dass ich ihm deshalb eine Grotte bauen müsste, so etwas interessiert ihn nicht. Eher würden wir einen Stick rauchen, nach dem Schreck. Beckett, der ständig herum wieselt und Spuren verfolgt, immer den Stift zur Hand und das Notizbuch in der Innentasche seines irischen Tweedjacketts , um nichts zu verpassen, sah unverhofft seine Chance gekommen, in der zweiten Halbzeit, von der noch die Rede sein wird, zu spielen.

Ich überlegte, in welchem Zustand ich mich befände. Zwei Möglichkeiten gingen mir durch den Kopf. Ich war entweder unverletzt oder mausetot. Tod ist ein Zustand, den ich zwar nicht ersehne, aber auch nicht fürchte. Ich will hundert werden, und Tod ist die einzig verlässliche Grundkonstante des Lebens, ohne ihn wäre es sinnlos. Ich mag den Tod. Er stiftet mir Sinn.

Ich lebte also, Godot half mir auf, ich goss mir ein Glas Saft ein und trug es hinaus auf meine Terrasse. Beide Katzen waren da, Dinah und Lea. Lea ließ sich zum ersten Mal von mir streicheln.

Der Holunder blüht tellergroß, eine Amsel singt, es ist 14 Grad. Man fröstelt gern, man liebt das frische Grau. Die Ruhe ist zurück. Ich meine nicht die Abwesenheit störender Geräusche, sondern vor allem die Möglichkeit, in Everswinkel zwei Monate in größtmöglicher Zurückgezogenheit das tun und lassen zu können, was ich will. Was für ein Privileg. Das hatte ich mir, als man mich vor zwei Jahren zum Poeta Laureatus erkor, nicht vorstellen können.

Und dann noch in einem Dorf. Dorfschreiber! Mein Fahrradhändler sagte gestern Tach Herr Dorfschreiber zu mir. Is ja toll. Sicher interessant, nich? Ja, sagte ich, und freute mich, dass mir die reine Wahrheit von den Lippen tropfte. Das hat man nur selten. Is Halbzeit, sagte ich noch, und das war die Idee zu dieser Geschichte.

Sie bot sich an, wie jede Geschichte. Geschichten wollen, dass man sie findet. Es ist wie beim Pilze finden. Ein Dichter ist ein Finder. Wenn er etwas gefunden hat, ist es wahrscheinlich, dass er es in Besitz nimmt, und etwas dazu erfindet. Einen Helden etwa, einen Helden und sein Wetter. Es kommt vor, dass er, wie Hitchcock es gern tat, eine Waffe an die Wand zaubert, damit der Aufmerksame begreift, dass sie im Verlauf noch zum Einsatz kommen wird. Suspense. Ein Dichter liebt die Wahrheit und lügt wie gedruckt. Gute Dichter sind gefährlich. Ich bin ein guter Dichter. Ich habe einen Waffenschein. Wenn es sein muss, kann ich schießen. Ich kann um Ecken schießen, ich kann einem flüchtenden Fuchs den linken Hoden touchieren. Wen ich will, kann ich verletzen, dass er es so schnell nicht vergisst, aber lieber schreibe ich einen Reim auf die Welt, und hoffe, dass jemand begreift, wie schön sie ist. Wie verletzlich. Und wie jeder von uns es verschläft, sie zu schützen. Und wie jeder von uns sich einlullen lässt von den Dingen, die wir besitzen. Das Grauen ist der Welt inhärent, aber ihre Schönheit ist größer, und ich versuche, sie sichtbar zu machen.

Die zweite Halbzeit hat schon begonnen. Ob man in Führung liegt oder nicht, ist zweitrangig. Natürlich, der Empfang beim Bürgermeister und das opulente Essen könnte mir suggerieren, ich hätte längst gewonnen und könnte es in der zweiten Halbzeit ruhiger angehen lassen, aber auf so billige Tricks falle ich nicht rein. Ich habe in der ersten jede Flanke geschlagen, die sich anbot, ich habe jeden Meter genutzt und viele Räume abgedeckt. Ich bin guter Stimmung.

In der Kabine werden Witze gerissen. Manche sind so gut, dass man sie nicht erzählen sollte, weil die Welt, auf Krawall gebürstet, immer alles falsch versteht. Getränke werden gereicht. Der Torwarttrainer will mir Tipps geben. Godot hat sich hingesetzt, sein Knöchel hat eine Blessur. Der Physiotherapeut versichert aber, dass er weiterspielen kann. Beckett nörgelt. Gerade hatte er eine Chance entdeckt, jetzt ist sie schon wieder dahin. Trotzdem, er will spielen. Ich will, Trainer, ich mache ein Tor. Das hast du letztes Mal auch gesagt, sagt der Trainer. Beckett blickt nach unten. Zwischen seinen Füßen steht eine Flasche Glenmorangie. Lebenswasser. Seine Art Tore zu schießen braucht Lebenswasser, Kontemplation, Ekstase und Fantasie. Er trifft häufig, es ist nur so, dass er seine Tore meist imaginiert und sie daher nicht für alle wahrnehmbar sind. Aber sie sind von großer Kunst. Der Trainer weiß das, aber man muss seine Zurückhaltung verstehen, denn im Showbusiness (Literatur, Musik, Kunst, Kirche) zählt nur, was Erfolg bringt, alles anderes wird kaum besprochen, geschweige, goutiert. Aber wir, die Künstler, wollen nichts anderes machen als Kunst.

Herr M., der Dichter und ich kippen euphorisierende Getränke. Der Dichter würde gern rauchen, aber das hat der Trainer nicht gern. Und wie geht es jetzt weiter? fragt die Mannschaft. Wir legen noch einen Zahn zu, sagt der Trainer, oder wollt ihr das bisher Erarbeitete verwalten und sicher zum Ende bringen? Nö, schallt es zurück. Aber es muss mehr Kunst ins Spiel, sagt der Trainer. Auf so einen Dorfacker gehört Kunst. Sie muss leicht aussehen, auch, wenn sie schwer ist. Und deshalb, Beckett, hörst du, deshalb steigst du jetzt auch mit ein. Godot, Herr M. und ich schauen ihn an. Beckett strahlt. Beckett ballt die Fäuste. Wir spielen für Friederike Mayröcker, sagt er, für die große Dichterin, die gerade mit 96 gestorben ist. Wir weben ihre Träume fort, streuen ihr Blumen aufs Haar, wir tauchen ins Blau des Himmel, wir, die von Godot gesegneten Kolibris flirren durch irisierendes Licht, stehen vor Blüten und trinken, das ist das, was wir in der zweiten Halbzeit tun werden, egal, wie der Ort heißt, wo er liegt, welche Hautfarbe die Menschen haben oder welche Religion, wir besingen die allen gemeinsame Wurzel, die allen gehörende Welt und den Augenblick, mehr haben wir nicht.

Meine Mannschaft bildete einen Kreis. Jeder legte seine Arme auf die der Nebenmänner g. Wir steckten die Köpfe zusammen. Schiller war etwas betrunken. Goethe grimmig entschlossen. Beckett rauchte. Godot hatte sich in Geist verwandelt. Der Trainer umkreiste uns, klopfte uns auf die Schultern und rief: Jetzt hält uns nichts mehr. Ist das eine Drohung, sagte Godot, der wiedererschienen war.


Di 8.06.21 22:23 /Krise Tag 456 / wechselnd bewölkt, warm

Aufruf an einen Trinker in Alverskirchen

Ich zitt're
& die Gabel wirft Belag ab,
ich witt're,
denn mit mir geht es bergab,
ich könnte anhalten und aussteigen
statt mich ins Blaue zu verzweigen,
ich könnte acht geben auf mich,
ich sage es, ich hör es nicht,
ich weiß genau, wie recht ich hab,
stattdessen geb ich die Kontrolle ab.

Man man
das kann doch nicht mein Ernst sein,
mir fiele noch so vieles ein,
es ist nur, ja, ich weiß, zuviel,
ich saufe wie ein Besenstil
ich trinke mir die Leber dick,
ich senke unsicher den Blick,
wie denn, sag ich, wohin, zurück,
wo ist es trocken, wo ist Glück?

17.06.21

Chris 13.02.53 - 17.06.09

Der Juni ist mein schwarzer Monat,
alles ist grün, es blüht, sie stirbt,
zwei Tage später kommt ein neues Leben,
das Hoffnungssegel wird gefiert.

So schwarz,
so süß ist die Erinnerung,
so bunt und froh
die Sträuße
die ich für sie pflückte,
doch über alles
strich der Sense Schwung,
den abzuwehren
nicht mehr glückte.

So bleibt der Juni
schwarz und froh und bunt,
zwölf Jahre nun,
der Juni ist ein gottverdammter Hund.