Mai 2009                                       www.hermann-mensing.de      

mensing literatur
 

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Fr 1.05.09

36 Rosen. Wer rät, wofür.


Sa 2.05.09 9:46

Als Paul San Francisco erreichte, war er so erschrocken über all die Langhaarigen, Schwulen, Lesben, Chinesen und wer sonst dort lebte, dass er beschloss, er brauche zunächst einmal Urlaub, ganz normalen Urlaub, Urlaub an einem Strand mit Sonne, und da wusste die Tante etwas. Sie schenkte ihm ein Ticket für die Insel.

So kam es, dass er an diesem Tag in Waikiki saß und sich fragte, was er hier eigenlich sollte, mit den mehr oder weniger dicken Honeymooners ringsum, die in der Sonne brieten wie Spanferkel und sich langsam betranken.

Als er aufblickte, sah er jemanden den Boardwalk herunterkommen. Jemand, der überhaupt nicht hierher passte, das heißt, blond wie er, passte er schon irgendwie zu den Surfern, die überall herumlungerten, aber das waren Partysurfer, der richtige Surf fand nicht an Waikiki statt, der lag weiter die Kalakaua Avenue westlich, eine halbe Stunde von hier. Paul reckte sich, um genauer sehen zu können und dachte, was ist das für ein Bekloppter.

Pop Life (Kapitel 2, S. 11/12) (mehr davon hier)

10:13

Dass das Leben nicht leicht ist, muss ich Ihnen nicht sagen. Dass man daher Ablenkung braucht, auch nicht. Ich suche sie gern auf dem Rad. Ich radle los und weiß oft nicht, wohin es mich führt. Oft setzt sich die Route wie von selbst zusammen.

Gestern führte sich mich über Albachten nach Loevelingloh, und dort, mitten im Wald, begegnete mir wieder einer dieser Planwagen, von denen ich letztens sprach. Dieser schien mit singenden Christen besetzt. Ich schloss das aus der Tracht einer Frau, eine protestantische Schwester, dachte ich, war mir aber nicht sicher.

Der Planwagen mit den singenden Christen stand auf einem Waldweg. Der Treckerfahrer versuchte gerade, das Gespann rückwärts in eine Schneise zu schieben. Die Einfahrt führte über einen zugeschütteten Graben, das Wasser floss durch ein darunter verlegtes Rohr. Und als er so rangierte, dachte ich, wenn er nicht aufpasst, rutscht der Hänger von der Böschung und kippt und dann haben wir den Salat.

Singende Christen im Mai, dachte ich, das wird was. Aber der Treckerfahrer war versiert, der Planwagen wurde ein Stück in den Wald geschoben, das Spektakel, dessen Zeuge ich hätte werden können, fand nicht statt, ich nehme an, man sang dort noch eine Weile weiter, ich radelte ein wenig enttäuscht davon.

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

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So 3.05.09   10:28

Hoffnung wird groß geschrieben.
Da liegt etwas am Boden. Es gelingt einem, es aufzuheben.
Hoffnung wird groß geschrieben in solchen Zeiten.

16:38

Die Sackgasse, in die Hans schnürt wie ein Furchs, ist noch lauter als der Rest dieses Viertels und am Ende staut sich die Luft. Aber das, merkt er gleich, ist nicht schlimm, denn dort ist eine Bühne und da spielt eine Band. Sie spielt einen seltsam mexikanischen Bluesrock. Wieder weiß Hans nicht, wie der Hase hoppelt, und da er so gut wie kein Spanisch spricht, hält er sich vornehm zurück. Keinesfalls will er stören, denn er weiß ja nicht, was für ein Fest das ist, das da gefeiert wird. (...)

Ma will wissen, wo er herkommt, er sagt Deutschland und man findet das gut, man sagt Volkswagen und klatscht fröhlich und dann fragt einer, ob er auch Musiker sei.

Hans weiß nicht, woraus dieser langhaarige, bronzefarbene Mann seines Alters schließt, er könne Musiker sein, aber da er ihn unten keinen Umständen enttäuschen möchte, nickt er scheu.

Was er denn spiele, wird er gefragt:
Hans zieht eine Mundharmonika aus der Tasche. Es ist die gleiche Mundharmonika, die ihm an Charing Cross ein Pfund eingebracht hatte, eine Bluesharp in E.

Pop Life (Kapitel 21, S. 166/167) (mehr davon hier)


Mo 4.05.09   10:10

Die Hoffnung war nicht unbegründet. Immerhin.

11:44

Weiter im Text.
Ein Roman will geschrieben sein.
Ideen hat jeder.

15:43

Verschlafe den Tag. Die letzten Tage waren zu viel.

23:35

Besuch.

Leichte Aufheiterung.
Der Roman hinkt.


Di 5.05.09  10:02

Nichts Genaues weiß man nicht.

12:42

Judy und Steven verloren sich innerhalb weniger Stunden. Judy und ihr Vater fanden sich nicht. Judy und Helga gifteten wie Nattern. Steven und Judys Vater umkreisten sich eifersüchtig. Helga, offenbar von Stevens Jugend angeteran, tirilierte und umschwirrte Steven, dass er einem Leid tun konnte, und als die Dämme tatsächlich brachen, wuste keiner mehr, wer angefangen hatte.

In diesem Wirrwarr allgemeiner Anschuldigungen und Verdächtigungen hätte niemand auch nur ein Indiz vorbringen können, ohne nicht auch sich selbst zu belasten.

Dann flog diese Faust, dann fiel Helga in den Pool, dann kam dieser Schrei, dann stand die Security vor dem Haus, üble Burschen, Mexikaner mit düsteren Sonnenbrillen, angestellt, dieses Ghetto vor Übergriffen ihrer eigenen, bettelarmen Landsleute zu beschützen.

Sie redeten nicht, sie schnappten sich Steven und Judy und setzten sie vor die Tür dieses Paradieses, wie seinerzeit Adam und Eva.

Kaum draußen, verschwand der eine in diese, die andere in jene Richtung, und damit hatte es sich. Steven war kuriert.

Pop Life (Kapitel 11, S. 60/61) (mehr davon hier)

15:35

Nach spiralförmigem Beginn habe ich die Struktur des Romans chronologisiert, und siehe, es funktioniert besser.


Mi 6.05.09   10:16

Der Bauer freut sich, unsereins wird schlagartig klar, wie schön das Wetter der letzten Wochen gewesen sein muss.


Do 7.05.09   14.19

Ich hoffe,
also zweifle ich.
Ich zweifle, hoff ich also nicht?
Ich hoffe still. Ich zweifle viel.
Ich zweifle, weil ich hoffen will.
Ich hoffe, weil die Hoffnung nie
die Zweifel unterdrückt, denn die
sind für den Hoffenden wie Brot
sie öffnen Augen in der Not
denn mancher, der von Hoffnung spricht,
will Macht, und darum geht es nicht.


Fr 8.05.09   10:08

Trotz großer Hoffnung gelähmt in der Achterbahn.



Sa 9.05.09   8:34

Alles auf Gott jetzt.

13:50

Subtext: Angst. Selbstmitleid.

22:00

Nicht wissen, was tun.
Dabei beobachten, wie das Leben weitergeht.
Allein allein allein allein.


So 10.05.09 10:40

Gestern abend sprach Herr Mensing auf WDR 5. Der Text, den die Literaturwissenschaftlerin Bettina Hesse zu Vorbereitung für die Redaktion verfasste, war ein sehr guter, differenzierter Text, das, was daraus zitiert wurde, eher bescheiden. Heute morgen ist er ernüchtert.


Mo 11.05.09   10:20

Die Schockstarre löst sich.
Das Denken fokussiert sich wieder aufs Leben. Aber noch ist nichts gewonnen.

14:21

Plötzlich weiß man, wer Freund ist und wer Bekannter.


Di 12.05.09   8:45

ich merke erst heute
wie schön die welt mit mir ist
es braucht wohl tage wie diese
und davor etliche jahre

16:33

Der Wind streicht übern See, kein Sturm, aber auch nicht nur Lüftchen, Takelagen schlagen gegen Segelbootmasten, hinterm gegenüberliegenden Ufer hebt sich die Wiese zur Sentruper Straße, alles ist grün, grün, so grün, als hätte ich vorher nie Grün gesehen, und sähe es jetzt, dass es schmerzt.
Da ist der Zoo, seine Gerüche und seine Geräusche gleich links, und alles, was glaubt, Dauerlauf sei gesund, rennt um sein Leben.

Ich sitze auf einer Terasse und bestelle Campari Orange. Der Kellner rasselt auf Itaker-Deutsch seine Begrüßung, sein Prego, während ich noch darüber staune, dass er tatsächlich ein rosa Hemd trägt, dessen erste vier Knöpfe offen sind, damit man den Goldschmuck sieht, ein großes Kreuz, eine doppelt geflochtene Kette.

Er könnte so auftreten. Jeder würde sagen, aha, Italiener.

Als er mir das Getränk bringt, bitte ich ihn, gleich zahlen zu dürfen, denn ich will nicht lange bleiben, ich bin unterwegs, auf der Durchreise quasi, wenngleich nicht so in Eile wie in den Tagen vorher. Si, sagt er, va bene, schnarrt sein bronchialkartarrhisches arrividerschhhh... (so in etwa hört es sich an) einem sich verabschiedenenden Gast hinterher, kassiert aber nicht.

Drei-, viermal geht er danach an mir vorüber, ohne etwas zu sagen oder zu tun. Ich habe das Gefühl, er will mir, dem ungeduldigen Deutschen, mal zeigen was so ein Italiener alles nicht tut, wenn er es nicht will. Zeitverschleifung, Zeitverschleppung, Vertrödelung. Nur um mich zu demütigen, denke ich. Ich überlege, ob ich, statt ihn noch einmal zu rufen, einfach einen 5 Euro Schein unter mein leer getrunkenes Glas legen soll, um dann ohne Gruß davon zu fahren, um ihn so zurück zu demütigen, tue es aber nicht. 5 Euro sind mir zuviel, das Getränk kostet sicher nicht mehr als 3,50. Heute denke ich, ich hätte es doch tun sollen.


Mi 13.05.09   9:00

Wir sitzen im Garten. Auf der Dachrinne hockt eine Amsel. Sie passt auf. Ihr Kind hüpft durch das Grün vor uns und sucht Nahrung. Wir sitzen und schauen, mehr nicht. Wir sitzen und versuchen zu verstehen. Wir sitzen und wissen, dass wir nicht verstehen können, aber wir wissen, wer zu uns gehört, wir wissen über unsere Liebe, wir wissen, dass wir nichts tun können, als zu akzeptieren.

Wir sitzen. Leichtigkeit kommt über uns. Das, was schwer war, ist immer noch schwer, aber es drückt nicht mehr wie vorher. Wir sitzen im Garten, unter der Krone des kleinen Turms auf dem Dachfirst schlägt hell eine Glocke. Sie schlägt für die Christen.

Wir sind keine Christen. Wir machen alles mit Gott direkt, obwohl wir wissen, dass es ihn nicht gibt. Es gibt nur den Augenblick. Wenn es gelingt, den zu leben, ist man göttlich. Wer ständig gestern und morgen denkt, hat keine Chance. Gestern und morgen sind die Hölle. Der Augenblick ist der Himmel. Daran arbeiten wir.

Wir sitzen im Garten. Wir akzeptieren jede Entscheidung. Die Amsel singt. Im Eingang stehen von Krankheit gezeichnete Menschen und rauchen. Ich lese aus einem Buch vor. Ein Kapitel pro Abend. Dann fahre ich wieder nach Hause. Da ist die Leere, die mich erschreckt. Bald wird aber auch dort wieder Leben einkehren.

Mehr zum Thema hier....

11:03

Wenn ich hier bin, bin ich im Augenblick. Deshalb bin ich so gern hier. Und deshalb freue ich mich über jeden, der mit mir hier ist. Genießen Sie. Der Augenblick ist alles, was wir haben. Mehr kriegen wir nicht.

Heute abend lese ich Pop Life in meiner Heimatstadt. Davon morgen mehr.


Do 14.05.09   20:05

Aufregender Tag. Keine Kraft, dafür Hoffnung.

Fr 15.05.09   10:01

Mit der Schockstarre, die wechselweise tiefe Angst, Hoffnungslosigkeit und wieder unbändige Zuversicht generiert, fuhr ich mit meinem Freund C. von Münster nach Gronau. Er wollte die Wege zwischen Münster und Gronau kennenlernen, das kaum beschreibbare der münsterländischen Landschaft, das sanfte Grün, mein Westfalendschungel, das gewellte Land, die kleinen Buchenwälder, den blühenden Raps, die auf großen Strecken fast vollständige Abwesenheit unruhigen Verkehrs, die Ruhe also, das Gleiten über schmale, oft kurvige Landwirtschaftswege, das Passieren der Dörfer und Bauerschaften, der Höfe, das alles kannte C. nicht, obwohl er mittendrin geboren ist.

Das Überlandfahren dauert kaum 10 Minuten mehr als der Weg über die unfallträchtige und hektische B54a.

Ich wurde erwartet. Vor der Sparkasse stand Frau M. Sie führte mich in ein Seitengebäude. Dort, im ersten Stock, war ein Sitzungssaal für die Lesung vorbereitet. Klassisches Interieur. Schwarze Ledersessel auf Alugestellen, ein schwarzer Tisch, darauf Getränke für den Autor, sein Lesesessel. Zwölf Karten habe man im Vorfeld verkauft, sagte Frau M. ein wenig klamm, als sei sie Schuld daran, man wisse also nicht, wieviele Menschen tatsächlich kämen.

Ein schöner Frühlingsabend, der Mittwoch in Gronau, wer da zu einer Lesung in der Sparkasse geht, will es wissen. Die übrigen sitzen im Café Extrablatt schräg gegenüber. Bekannte Gesichter. Ja, die werden kommen, und als es auf 20:00 Uhr geht, ist der Sitzungssaal voll, dreißig, vierzig Menschen, vielleicht fünfzig, ich habe nicht durchgezählt, aber es müssen noch Extrastühle geholt werden.

Die Gäste werden bewirtet, es gibt Wasser, Orangensaft, kleine Süßigkeiten.

Ich sehe ein paar Gesichter meiner Vergangenheit. Mir fallen sogar deren Namen ein. Die frühe Freundin aus Holland mit meinem damals ärgsten Konkurrenten, dem Sohn des Pächters der FINA Tankstelle gleich hinter der Grenze, mit dem sie heute verheiratet ist. Die Nachbarin, die noch den kleinen Hermann kennt. H., der schon ganz gebeugt geht, obwohl er doch gerade so alt ist wie ich, der Buchhändler, der vor 28 Jahren meinen ersten, auf eigene Kosten gedruckten und gebundenen Gedichtband in Komission nahm, der Statdtarchivar, der als Pensionist Lindenberg-Führungen durch Gronau anbietet, die und noch viele mehr sitzen da und sind gespannt. Gespannt bin ich auch.

Der Sparkassenchef begrüßt die Gäste, dann ist Showtime.

Ich eröffne mit einem Gedicht.

Als es endet, sage ich, dass man durchaus klatschen dürfe. Man klatscht. Offenbar ist man erfreut, dass es heute nicht bierernst wird und man Angst haben muss, Falsches zu sagen oder zu tun.

Meinen Plan, den Roman in geraffter Form (wie in Wien) vorzulesen, von hier nach dort und wieder zurück zu springen, einen Überblick zu bieten, lasse ich im Verlauf des ersten Kapitels fallen. Ich nehme mir vor, so lange zu lesen, bis die ersten ermüdet vom Stuhl fallen.

Eine Stunde maximal, denke ich.

Zwei- dreimal verlasse ich den Text, erzähle Episoden, zum Beispiel, dass es mich freut, namentlich hier und da in meinen Romanen aufzutauchen, als Onkel Hermann etwa, ein Onkel des Protagonisten Paul, der in den Outbacks Australiens eine obskure Bar betreibt, man solle jedoch nicht meinen, dass ich das sei, das sei nur Finte, ähnlich wie in den Filmen von Alfred Hitchcock, in denen der Regisseur ja auch immer mal wieder durchs Bild huscht.

Erheiterung.
Ich lese ich weiter.
Einmal bitte ich wegen des fahlen Lichts um mehr Beleuchtung und bin schließlich gegen 21:00 Uhr bis zum Ende des 8. Kapitels gekommen.

Nicht schlecht, denke ich, das mache ich jetzt immer so.
Ich beende die Lesung, wie ich sie begonnen habe: mit einem Gedicht.
Allerdings ohne die Loops, die Sie hörten, falls Sie die Gedichte angeklickt haben.

Die Stimmung ist gut, erfreulich gut, bei den Vorbehalten, die ich gegen Erwachsene hege.
Grauwacke nannte Peter Rühmkorf sein Publikum einmal. Das Gefühl, dass Pop Life, erhielte er nur genügend Aufmerksamkeit in den Medien, erfolgreich sein könnte, bestätigt sich. Viele sind begeistert.
Aber noch ist keine Rezension in einer überregionalen Tageszeitung erschienen, wenngleich natürlich der WDR5 mit Autorengespräch und Kurzfassung des Romans schon etwas her macht.

Dennoch. Die Printmedien müssen schreiben.
Es wird Zeit. Bald schon ist wieder Herbst, obwohl ja noch nicht einmal Sommer ist, aber das Literaturkarussell dreht wie entfesselt, und jeder, der nicht sofort wahrgenommen wird, läuft Gefahr, rauszufliegen.

Es werden sogar Fragen gestellt.

Vernünftige Fragen.
Fragen zum Konstruktionsprinzip, Fragen zur Autobiografie (alles Lüge, sage ich, nur wer knüppeldick lügt, hat die Chance, der Wahrheit, falls es denn eine gibt, näher zu kommen), Fragen zur Mühe, die es macht, einen Roman zu schreiben und natürlich die Frage, wieso man überhaupt darauf kommt, Romane schreiben und woher man seine Ideen nimmt. Ein Held in Daniel Kehlmanns Episodenroman Ruhm beantwortet solche Fragen stoisch. In der Badewanne, sagte er dann.

Man muss, sage ich jetzt, vor Hoffnung verrückt sein.
Ich glaube, dass ist der Titel eines Liedes aus den 70ern, ich erinnere mich aber nicht mehr, wer es gesungen hat, vielleicht Hermann van Veen? - Nein, Wolf Biermann war's, ausgerechnet der, denn den mag ich nicht, aber der Titel ist gut, der sagt alles, denn das bin ich immer noch, gerade in diesen Tagen, die einen Menschen, hat er die Hoffnung nicht, leicht unterpflügen könnten, aber mich kriegen sie nicht.

Ich kämpfe, wir kämpfen, wir wissen, wofür wir kämpfen.

Als ich das Finanzzentrum verlasse, bin ich in der Gegenwart.
In der Gegenwart ist der Mensch glücklich. Aber dieses Glück dauert nicht lange.
Aber auch das ist nicht ungewöhnlich. Glück ist kein Dauerzustand. Romane aber, Pop Life zum Beispiel, hat die Chance, ewig zu werden. Zumindest als Belegexemplar in der Deutschen National Bibliothek.

Das stimmt froh.


Sa 16.05.09   16:00

Ich glaube, früher nannte man das holotropes Atmen. Die Freaks taten das gern. Die Hippies auch. Es hat mit ganzheitlicher Körpererfahrung zu tun. Ich aber tue es nicht, um in andere Sphären zu gelangen, ich male anschließend auch keine Mandalas, diesen Schnick überlasse ich anderen. Ich nutze nur den natürlichen Atemrhythmus als Meditationsform.

Man fährt, wie ich vorhin, mit dem Rad und atmet bewusst. Man verfolgt die Luft beim Einatmen durch die Nase und beim Ausatmen durch den Mund. Da wir ja sowieso den ganzen Tag nichts anderes tun, ist das nicht schwer. Da ich mir blöd vorkäme, irgendwo zu sitzen und zu "atmen", tu ich's lieber beim Rad- oder beim Autofahren.

Erstaunlich, wie angenehm leer der Kopf dabei wird, wie Spannungen verfliegen, in meiner augenblicklichen Situation sehr hilfreich. Wenn man's aber bedenkt, gar nicht erstaunlich, denn die Konzentration auf das Atmen verscheucht den üblichen Denkmüll.

Versuchen Sie's, Sie werden sich wundern.

Fuhr also fürbass (Heinz Erhardt), gelangte in die Stadt und dachte, mal sehn, vielleicht hat der große Sohn doch einen Stand auf dem Flohmarkt. Begab mich an seinen favorisierten Platz, pfiff den Familienpfiff, eine sinnreiche Vereinbarung, die wir miteinander geschlossen haben, da aber keine Rückmeldung kam, ging ich davon, und dann hing da diese Jacke.

Sie hatte lange auf mich gewartet. Eine braune Wildlederjacke bester Qualität mit Hirschhornknöpfen. Sie sieht ein wenig bayerisch aus, aber dagegen habe ich überhaupt nichts. Im Gegenteil. Ich nahm die Jacke vom Bügel, ich sprach mit dem Verkäufer, der mir gleich angenehm war, ich zog sie an, wir verhandelten über den Preis, und das war's.

Solche Jacken sind neu unbezahlbar, diese aber war gebraucht, ganze 18 Euro hat sie gekostet. Ich entleerte die Taschen meines Jacketts, befüllte die meiner neuen Jacke, packte die alte in eine Tüte, drehte noch eine Runde durch die Stadt und fuhr wieder heim.

Wieder atmend. Immer noch atmend. Ein Geschenk. Und es kostet nichts.

22:11

Aßen gebratene Forelle mit Mandelplättchen und zerlassener Butter im Stevertal.
Gingen ein paar Schritt. Fast normal also, aber normal ist nichts augenblicklich.

Sie schläft, ich schaue den European Song Contest und wundere mich, dass Europa aus fast nichts als Ex-Ostblockrepubliken plus Israel besteht. Grottenschlechte Sänger, dramatische Lichtdramaturgie und nichts als Langeweile. Aber immer noch besser als verrückt zu werden vor Angst und Sorge.


So 17.05.09   10:12

Das war ein Grund. Ein anderer war, dass ihm ein abgebrochenes Architekturstudium im Nacken saß. Ein Professor, der ihn für begabt hielt und Großes aus ihm machen wollte, aber Steven wollte nicht, dass man Großes aus ihm macht.

Steven wollte selbst Großes machen, und da er nicht wusste, wie man so etwas hinkriegt, hatte er beschlossen, England zu verlassen.

Während alle Welt glaubte, England habe die Tore zum Himmel aufgestoßen, weil ein paar Langhaarige sich plötzlich für Gitarrenmusik erwärmt hatten und damit berühmt wurden, wusste Steven es besser.

Im Gegensatz zu der schreienden, staunenden Welt lebte er dort, er wusste, dass hinter den Fassaden der Brick Lanes überall rotgesichtige, biertrinkende Männe wohnten, die nicht verstanden, dass sie den zweiten Weltkrieg zwar gewonnen hatten, aber schlechter dran waren als diese verdammten Krauts, denen es, wie man hörte, so gut ging, dass sogar die Beatles von ihnen schwärmten und überall rumerzählten, what a fucking great place Hamburg wäre.

Und so fand er sich eines Abends in New York, ohne Plan, ohne Hotel, und eigentlich auch ohne ausreichende Mittel, länger als vierzehn Tage überleben zu können.

Pop Life (Kapitel 3, S. 13/14) (mehr davon hier)

21:59

Fuhren über Land. Genossen die still treibenden Wolken, das Grün, die Wälder und Wiesen, zogen mäandernd südostwärts, dann wieder nördlich, aßen in Hiltrup, das ja nun kein romantischer Ort ist, ein Eis, fuhren durch das von Ampeln gelähmte Gremmendorf Richtung Münster, durchquerten die Stadt, waren zurück, packten die Tasche, ich las ein weiteres Kapitel aus Daniel Kehls Roman Ruhm, ein sehr kitschiges, fand ich, wie überhaupt manches in diesem Buch zusammen gelesen scheint, aber es ist unterhaltsam.

Nun hat sie sich hingelegt, schläft hoffentlich bald und ich weiß, dass die Zeit der Diagnose vorbei ist und die der Therapie beginnt.

Darüber bin ich froh.

Als wir - über die letzten zehn Tage verteilt, erste Einzelheiten erfuhren, war ich geschockt.
Jetzt aber, nachdem sich das Bild gerundet hat, bin ich sicher, dass es besser nicht hätte ausgehen können, bei aller Angst, allem Schreck, aller Verzweiflung.

Die Diagnose ist eindeutig, aber nicht vernichtend.
Ab morgen kann also alles nur besser werden.
Und vieles hat sich längst geändert.

Wir sind eine Familie.
Nicht, dass ich je daran gezweifelt hätte, aber Familien sind keine einfachen Verbünde, Familien sind ein Netz komplizierter Verwicklungen, das
, kommt es zu einer Krise wie dieser, leicht reißen kann.

Aber es ist nicht gerissen.
Das Gegenteil hat sich gezeigt. Wir stehen fester als vorher.
Es stimmt also, was die Menschen sagen: man lernt aus Krisen mehr, als aus Glück.
Ich bin daher dankbar. Und bete. Und bin vor Hoffnung verrückt.


Mo 18.05.09   13:40

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

3

hättest du, du wärest dann
als es klar war, heimlich, klamm
fort und wärst wie nie gewesen
hättest nie mehr mich gelesen
nie mehr mich durch nacht geführt
hättest nie mehr mich berührt
wärst im dunkel, nirgendwo
doch du bist nicht, ich bin froh
du bist auf der welt
nichts sonst zählt.


Di 19.05.09   10:15

Neues Lied... (hier)


Mi 20.05.09   8:53

Überall Hoffnung.

Als ich gestern nacht nach der Session nach Hause radelte, regnete es sich ein.
Das Land dampfte, verschwamm in Regen, Nacht und herrlichen Gerüchen.
Duschte heiß und legte mich schlafen.

13:41

Foto von meiner Lesung in Gronau

15:23

Der Brief an Linda war nämlich kaum abgeschickt, als ein Hurrikan aufzog, eines dieser amerikanischen, zutiefst verstörenden Naturereignisse, die in anderen Gegenden andere Namen haben, aber gleiche Zerstörungswut, dennoch irgendwie: amerikanisch, passend zu diesem Land, das den Mutigen als Verheißung gilt und seine Häuser dennoch nur fürs Vorüberziehen baut.

Falls man doch länger bleibt, hat man Pech, denn solche Häuser halten diesen Winden nicht stand. Sie werden in Einzelteile zerlegt, sie schwimmen als absurdes Abbild ihrer Selbst auf reißenden Flüssen samt Einrichtung einfach davon, mag mag sich kaum vorstellen, es wäre das eigene Haus.

Steven hockte, als dieser Sturm angriff, im hinteren Teil der Autobahnraststätte und betete.
Sein Credo, to see the world and adventure, schien sich jetzt und hier zu verwirklichen, jedenfalls der zweite Teil, denn wenn es würde, wie Steven befürchtete (und alle anderen Anwesenden auch), wäre sein Abenteuer nach einer Gesamtreisezeit von etwas über drei Monaten beendet und ein Rücktransport in einer Bleiwanne wäre ihm sicher.

Als der Hurrkan die Raststätte dann tatsächlich zerlegte, hatte Steven Unterschlupf in einer Art Bierkeller gefunden.

Ein Klappe im Boden, eine Treppe, die hinunterführt, Fässer, Kisten, Klappe zu, warten.
Während es oben krachte, war es unten totenstill.
Als auch oben Stille eintrat, war nichts mehr von dem da, was vorher dagewesen war.

Pop Life (Kapitel 6, S. 28/29) (mehr davon hier)


Do 21.05.09   11:18

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

4

atmete 4 tassen leer
riss ein loch ins all
liebte alle um so mehr
reiste für den fall
links und rechts im hier herum
marterte mein nein
nehme, sagt ich, gar nichts krumm
merkte, es soll sein.

nie mehr: warum
merke: darum

13.00

Der Kopf ist voll und man will Zerstreuung, obwohl man genau weiß, dass man sich in absehbarer Zeit kaum zerstreuen kann. Trotzdem, man ist dumm und versucht es. Man setzt sich ins Auto und fährt ins Zentrum des Amüsements: zum Hafen. Weit und breit Menschen, kein Parkplatz, man parkt bei Westfalenfleiß unterhalb des Bahndamms, wo der freundliche Russe im Glashäuschen sitzt und zwei Euro verlangt.

Man geht ins Viertel, eingepackt in ein Vakuum. Nichts dringt herein. Heraus drängte höchsten Sorge. Man geht in den Club. Während am Wasser die Menschen drängen, sind hier unten kaum Gäste. Man will lieber frische Luft. Man interessiert sich nicht für die Musiker, die da unten im Trio spielen.

Der Beatboxer, ein freundlicher junger Mann, den man vor zehn Tagen noch beim Einwinken der Sonntagsparker vor der Zoowiese getroffen hat, kommt zu einem und fragt, ob man spielen werde. Man sagt, man wisse noch nicht. Der Südamerikaner, der immer Bongos spielt, sagt, ich habe dein Foto gesehen, mit wem spielst du? Ich sage, ich spiele nicht, ich lese. Welche Band, wiederholt er. Ich sage, keine Band, ich bin Schriftsteller. Aaaaa, sagt er.

Ich fliehe. Ich will so schnell es geht wieder nach Hause. Hallo, sagt jemand. Die neue Freundin meines Neffen und ihre Schwester sitzen am Wasser. Wir sprechen ein paar Sätze. Dann bin ich endgültig fort. Wieder zu Hause. Da spielen noch welche Fußball. Sie haben meine Sympathie, aber verlieren dennoch. Ich schlafe. Schlafen heißt nicht denken. Nicht denken ist wundervoll. Ich möchte nie mehr denken müssen, aber ich muss.

15:23

VolksLesen.tv, für den Grimme Award nominiert, hier liest Steffen Reiche, ein SPD Mitglied des Bundestages, Patrick Süsskind, und zwar über alle Maßen gut. Hier...

16:53

(...) denn sehen Sie, (...) Kunst hat nur Bedeutung als eine Krankheit, die vereinzelt auftritt. Als Epidemie wütend, würden wir auch vor ihr die Flucht ergreifen. (Albert Vigoleis Thelen, Die Insel des zweiten Gesichts, List Taschenbuch 2005)

22:15

Ranunkeln am Fenster, Margeritten, Mohn und Lupinen, Rosen auf dem Schreibtisch neben dem Bett, das sich auf Knopfdruck hebt und senkt und so den Druck nimmt und das Liegen erträglich macht, dazu Tabletten und Hoffnung. Heute deutliche Besserung nach einem düsteren Mittwoch, der überschattet war von einer Bronchoskopie und deren Nachwirkungen.

Man staunt, dass die Mediziner ihre Patienten so außer Haus geben, weil sie Untersuchungsergebnisse abwarten, und man dann da steht mit Medikamenten, die unters BTM Gesetz fallen und Spritzen, die man morgens und abends in die Bauchdecke injizieren muss, man staunt, aber natürlich ist man auch glücklich, denn man hat sie in der Nähe und kann zu jeder Zeit da sein, das hilft.

Am Nachmittag war Besuch im Haus. Freunde riefen an und gaben Kraft, denn es waren Feunde, die aus Erfahrung wissen, was so eine Krankheit auslöst.

Der Abend war schön.
Las vor, saß mit ihr auf dem Balkon, tranken heiße Milch, während der Abend langsam aufzog.
Jetzt schläft sie. Ich höre Radio.


Fr 22.05.09 9:04

Als der Zug den Tunnel verließ, hatte sich die Welt kaum verändert. Noch immer tropfnasse Felswände und Viadukte. Langsam kroch die Dunkelheit in die Täler, eine bedrückende Welt für jemanden, der aus dem Flachland stammt.

Hans spielte ein Spiel mit den Töchtern, um die Zeit zu vertreiben. Er begann, sie herunter zu zählen. Noch zehn Dörfer, sagte er zum Beispiel, ohne zu wissen, ob es nicht doch zwölf oder fünfzehn würden, eh sie Lugano erreichten, noch hundert Palmen, dabei hatten sie erst ein oder zwei Palmen gesehen, merkwürdige Kreaturen, die sich neben Bahnhöfen etabliert hatten, als wäre hier Afrika, dabei war man doch in der tiefsten Schweiz.

"99 Palmen!" schrie Bertha.
"98!" sagte Hans.

Lydia machte nicht mit. Lydia starrte hinaus in das ihr so fremde Land und Hans hätte gern gewusst, was sie denkt. Aber was Kinder denken, erfahren Eltern so gut wie nie.

Sie können vermuten, sie können in deren Augen schauen und ferne Verwandte aufspüren, sie können dem Tonfall ihrer Stimmen lauschen und glauben, den und den Zungenschlag wieder zu erkennen, sie können, wenn die Kinder noch klein sind, über deren Haar streichen, ihnen nah sein, sie können trösten, sie können strafen, aber wie werden nie wissen, was ihre Kinder denken.

Pop Life (Kapitel 18, S. 124/125) (mehr davon hier)

18:01

Wie ich die anderen um ihren Alltag beneide. Aber bessere Zeiten sind nah.


Sa 23.05.09
  9:02

Alles wird dunkel, wenn der Schmerz kommt.
Zum Glück gibt es diese Tabletten. Die helfen innerhalb kürzester Zeit.

11:15

Dann ist er fort, wir sitzen auf dem Balkon und frühstücken, die Rose blüht nur für sie und mich und wenn jemand vorbeiliefe, könnte er glauben, es sei alles wie immer, und das wird es auch sein, morgen nicht, übermorgen nicht, aber bald.

Davon leben wir.

Wir wissen jetzt, was es heißt, den Augenblick zu schätzen.
Wir hatten es immer geahnt, wir hatten es überall gelesen, aber alles Lesen führt zu nichts, die Erfahrung zählt, die Erfahrung ist unumstößlich und unteilbar und nicht vermittelbar, die Erfahrung ist grauenvoll und schön zugleich, auch das kaum verständlich. Erfahrung eben.

Und immer, wenn meine Kraft am Boden ist, laufe ich zur Kirche um die Ecke, setze mich in eine Bank und weine, bis es wieder geht und dann geht es. Wie nah Schmerz, Freude, Verzweiflung und Hoffnung beeinander liegen, wie rasend schnell der eine Zustand in sein Gegenteil umschlägt und wieder umschlägt.

Daher: die Sonne scheint. Wir sind hier. Wir lieben. Es wird gehen, also geht es.

16:02

Hannah, die von sich manchmal sagte, sie habe das zweite Gesicht, sie könne Verstorbene sehen, wenn auch nicht auf Abruf und nach Zelebrieren irgendwelcher Rituale mit rückenden Tischen oder sonstigem Gerät, Hannah glaubte zu wissen, dass Martha Ähnliches könne, aber wenn Hans nachfragte, woran sie das festzumachen glaube, blieb sie jede Antwort schuldig.

Hans hatte schon die weiße Hexe in San Francisco nicht ernst nehmen können. Dennoch hatte er sie einmal gebeten, ihn mitzunehmen zu einem ihrer Hexentreffen. Sie hatte abgelehnt. Sie fickte gern und gut, sie wollte das jeden Abend (als Gast fühlte Hans sich verpflichtet), aber ihn mitnehmen - nein, um keinen Preis. Er glaube ja doch nicht daran, hatte sie gesagt, und was hätte Hans da noch erwidern können.

Pop Life (Kapitel 20, S. 149) (mehr davon hier)

23:49

Wie pflegte Ines Parkson (im Foto rechts) zu sagen: Wir schaffen das!!




So 24.05.09
  12:26

Jetzt sind beide sechzig geworden und haben kaum etwas davon gemerkt. Dass so etwas so schnell gehen kann. Dass der eine die andere immer mit einem gewissem Misstrauen beobachtet hat, hat eigentlich nichts mit ihr selbst zu tun, sondern mit ihrer Vergangenheit.

Nun aber, da die, die eingebunden waren in eine der größten Katastrophen der Neuzeit, langsam aber sicher aussterben, nun, da sich gezeigt hat, dass sie und ich eine stabile Ehe geführt haben bis hierher, sechzig Jahre, nun weiß ich, dass ich ihr nicht mehr böse sein muss, nichts mehr nachzutragen habe, ich weiß, dass alles, was ich je gegen sie vorzubringen hatte und habe, letztlich nichtig ist, weil ich nur rede, nicht handle.

Ich bin in keine soziale Organisationen eingebunden, ich halte mich von politischen Verbünden fern, ich gehöre keiner Kirche an, ich bin, wenn man so will, asozial, während die Republik doch gegründet wurde, um allen Menschen ein soziales Miteinander zu ermöglichen und Sicherheit zu geben.

Noch könnte ich das ändern, wenn ich nur wollte, aber ich will nicht. Ich kann nicht. Ich weiß nicht, wie man so etwas macht, deshalb möchte ich mich vor dieser Republik verbeugen, sie um Verzeihung bitten, ihr danken, dass sie mir dennoch Platz bietet, und will versprechen, dass ich weiter das tue, was ich immer getan habe, in der Hoffnung, dass der ein oder andere daran ein wenig Vergnügen hat.

Danke Deutschland.

20:00

Neue Geschichte, hier....

22:20

Liebe Freunde,

seit fast zehn Jahren liefere ich euch Texte frei Haus.
Ein paar Klicks, schon könnt ihr lesen.

Und was tut ihr?

Bleibt anonym, meldet euch kaum bis selten, lobt und tadelt nicht, seid wahrscheinlich ein Hirngespinst. Mit Hilfe meiner Statistik versuche ich euch auf die Spur zu kommen, aber meist ende ich bei den IP Adressen, hin und wieder staune ich über Besucher aus fernen Weltgegenden und frage mich, wie man dort auf mich gekommen ist.

Jetzt aber, wo es einen neuen Roman gibt, solltet ihr euch bewegen und den Roman kaufen.

Also, worauf wartet ihr?
Auch das Kaufen ist mit einem Klick zu erledigen, also kauft, Leute, kauft, sonst sterbe ich arm.

In diesem Sinne, euer HM


Mo 25.05.09
  12:24

Möglich, dass Vietnam die Hölle war, höchstwahrscheinlich war Vietnam die Hölle, aber Steven konnte nichts dafür. Außerdem kroch in ihm das Gefühl hoch, Tom könne gefährlich werden, ohne es selbst zu wollen.

Als die beiden am Grand Canyon
standen und darüber sprachen, wo Evil Knievel eigentlich versucht hatte, mit dem Motorrad über die Schlucht zu springen, hier doch wohl ganz bestimmt nicht, oder, war es plötzlich so weit, da war mit einem Schlag alles abgewogen, alle Zweifel und Verunsicherungen der letzten Tage hatte sich zu einer Erkenntnis gebündelt, und Steven hatte gesagt, "I don't know, Tom, but listen, I quit ...", hatte seinen Rucksack aus Toms Bulli geholt und sich auf den Weg gemacht.

Pop Life (Kapitel 15, S. 90) (mehr davon hier)

20:01

Warten auf Godot.

21:19

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

5

ergänzend wäre zu sagen
dass nichts in meiner hand liegt
alles liegt anderswo,
liegt beim von mir ungeglaubten gott
liegt da und wartet.

ich, der ihn als poetische metapher liebt,
neige in diesen tagen zu glauben,
dass er es recht machen wird.
ich, der ihn als poetische metapher verehrt,
glaube und bitte um hilfe.


Di 26.05.09 9:21

Dann, ohne jede Vorwarnung, öffnete sich die Türen ihres Abteils. Der Schaffner kam, hinter ihm vier Soldaten mit an die Schulter gelegten Karabinern, der Schaffner sagte irgendetwas und zeigte auf Hans, zwei Soldaten traten vor, wiesen Hans an, aufzustehen und mitzukommen.

Sie geleiteten ihn durch die ganze Länge des Zuges bis in die tiefste dritte oder vierte Klasse, jedenfalls bis in ein Abteil, in dem die warme Nachtluft durch die Fenster strich, die Menschen sich drängten, Tiere mit zusammengebundenen Gliedmaßen auf Ablagen oder unter Bänken lagen, und dort befahlen sie ihm, sich zu setzen.

Ein Soldat setzte sich links neben ihn, einer rechts, zwei saßen ihm gegenüber. Hans hatte all sein Gepäck zurücklassen müssen und keine Ahnung, was hier gespielt wurde.

Aber je länger die Nacht dauerte, desto schlimmer waren seine Ahnungen, die in ihm aufstiegen. Er war jetzt in Mexiko. Jeder, der einmal in Mexiko gewesen war, jeder, der schon einmal hier war, wusste, dass die Polizei korrupt ist, dass das Militär korrupt ist, dass das ganze Land ein korruptes Nest machtbesessener Machos war, die nur darauf warteten, es den Gringos heimzuzahlen.

Pop Life (Kapitel 16, S. 104) (mehr davon hier)

11:11

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

6

da liegt es.
als man es nehmen wollte, war es fort.
man schaut sich um.
man hört in sich.
es ist im raum. man spürt das.
es wartet darauf, dass man es nicht mehr nehmen will.
dann kommt es von allein.

es kommt. es geht.
nur die ruhe.
nicht zwingen.
alles geht.
wir gehen mit.

und so sind wir, was der mensch immer ist:
glücklich. unglücklich. glücklich. unglücklich.


14:11

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

7

auch die frage
hätte man das verhindern können
kann nur mit ja und nein beantwortet werden.
wir sind treibsätze.
der eine zündet, der andere nicht.
kein warum.
nur dieses darum. (ist die banane krumm)

16:03

Vier Stunden bis Showtime.
Sollten Sie noch nicht wissen, was Sie heute abend tun: kommen Sie um 20:00 Uhr in die Rosta Buchhandlung in der Aegidistraße Münster. Ich freue mich schon. Bis dahin.

22:55

Schätzungsweise fünfzehn Bücher verkauft. Viele junge Leute im Publikum.






Fotos © Jan Mensing


27.05.09  7:57

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

8

es ist gut so,
sagt die, die kontakt hat zum ungeglaubten.
ich glaube ihr.

ich glaube und wünschte,
ich hätte ebensolchen kontakt.

immerhin: mir hilft er auch.

du und deine poetische metapher,
sagt er, haarspalterei,
sagt er, aber bitte, ich verzeihe,
dafür bin ich ja da.

danke, sage ich.
es ist gut so, sagt er.

das könnte ich auch als unverschämtheit verstehen.

dennoch tue ich's nicht.
ich mühe mich.
es ist gut so, sage ich.
gut so gut so gut so, echot es durch meine tage.

alles ist gut so.

8:45

Alle Lebewesen außer den Menschen wissen, daß der Hauptzweck des Lebens darin besteht, es zu genießen. (Samuel Butler)

12:54

Mehr zu meiner gestrigen Lesung hier ...

13:43

Heute wieder gute Amazon Charts Notierung. Auf und ab, auf und ab...

14:31

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

9

der ungeglaubte,
hat verfügt, dass es unauffällig sei.

das monster sei unauffällig,
hat er lachend gesagt, unauffällig, unauffällig.

er hat es von einer herzlosen frau verkünden lassen.
wahrscheinlich ist er ein witzbold.
ein sadist. ein zyniker.

wahrscheinlich ist er alles, was ich bin.

herzlos, die frau: ärztin.
jedenfalls klingt sie herzlos.

schon wieder tust du unrecht, sagt er.
ich weiß, sage ich.

aber es ist gut so, sagt er.
ja, sage ich. es ist gut so.


23:11

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

10

rudert übern fluss, der mann,
denkt nicht, kontert Wellen,
hat ein rosa tütüü an,
sicher vor den schnellen.

schiebt sein rundes hütchen tiefer,
blinzelt in die welt,
wäre sicher längst geliefert,
hätt er's nicht bestellt.


28.05.09   9:07

Eine dieser jungen Frauen traf Hans eines Nachmittags schlafend auf einem Sofa an. Sie war blond, natürlich, viele da unten waren blond, auch wenn sie es nicht waren, sie war sonnengebräunt, kein Wunder in Kalifornien, ihre Titten waren spärlich verpackt, ihr Stringtanga war noch gar nicht erfunden, so dass Hans nicht mehr wusste, wo er hinschauen sollte, und dann hatte er diese Idee:

Er würde sie einfach nehmen, Feierabend.

So etwas Einladendes hatte er noch nie gesehen, und als er schon fast davon überzeugt war, dass er so etwas tun könne, ließ er es.

Ließ die junge Frau weiterschlafen und ging ganz schnell fort. Er beschloss sogar, das Haus zu verlassen und sein Glück woanders zu suchen, was, wie sich zwei Tage später herausstellte, sein Glück war, denn Lee und sein kleines Geschäft flog auf, und mit ihm alle, die sich in diesem Haus aufhielten.

Aber da war Hans schon über alle Berge, das heißt, er hatte einen Job in Enzos Keno Burger im Nachbardorf. Dort tat er, was Steven in Westhampton getan hatte, nur, dass es hier keine Linda gab.

Pop Life (Kapitel 12, S. 65/66) (mehr davon hier)

15:10

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

11

überall sehe ich sie,
rauchwolken ausstoßend,
mit dem tunnelblick des kenners
ahne ich grauenvolles.
möchte aufhören aufhören rufen,
aber es steht ja auf jeder packung.

23:04

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

12

das schönste kleid reicht nicht,
das schönste kleid muss schöner sein,
schöner, noch schöner.

ich sah es.
es strahlte.
ich wusste:
sie wird es tragen
wenn alles überstanden ist.

sie wird es tragen und sagen,
das ist mein kleid,
das hat er mir geschenkt.

er ist mein mann,
ein mann, der treu ist und untreu,
mein mann.

auf wen sollte ich bauen,
sag, wenn nicht auf ihn?

er, ich, unsere kinder.

wir und das glück.

wir sind glücklich.
was die anderen sind, weiß ich nicht.


29.05.09   9:49

Und als wieder die Nacht über das tropische Südseeparadies einfiel wie eine Horde stürmender Reiter, die in kurzer Zeit noch den letzten Fleck Licht mit sich rissen, um einen Himmel zurückzulassen, der übersät war von Sternen, und eine Dunkelheit, die atemlos machte, wenn man sie nicht gewohnt war, als diese eine Nacht, die Paul nie, nie vergessen wird, auf Mitternacht zuschlich, wie nur Nächte, in denen man sich nicht wohl fühlt, schleichen können, langsam und immer langsamer, obwohl man sich nichts sehnlicher wünscht als endlich Licht und Morgen, raschelte es plötzlich irgendwo hinter ihm, und noch eh er sich versah, verlor er sein Bewusstsein.

Pop Life (Kapitel 13, S. 75) (mehr davon hier)

10:02

So, Freunde, per Zufallsgenerator habe ich in den letzten Wochen täglich kurze Ausschnitte von Pop Life veröffentlich, die - jetzt zusammengefasst als Pop Life Reader - vom ersten bis zum sechsundzwanzigsten Kapitel nachzulesen sind, und zwar hier...

14:41

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

13

man darf nicht hinhören,
denn die sprecher
wissen nichts oder wenig.
sie sagen dinge,
die sein können,
aber alles kann sein.

nichts kann man ausschließen,
jederzeit kann alles sein,
doch das wissen wir.

wir wollen hören, was nicht ist
und nicht ist erkenntnis.

der stand: es ist da,
aber es ist unauffällig.

es ist da und soll weg,
und wir wollen hören, wie sie es wegmachen.
das wollen wir hören.
nicht das, was sein kann.

alles kann sein: die welt geht unter.
alles kann sein: die welt geht nicht unter.

stand ist: erkenntnis:
erkenntnis ist: es ist unauffällig.
und wir sind da, um zu kämpfen.

22:42

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

14

sie weiß wieder,
wenn stuhl kommt.
ihre fußsohlen geben wieder signal.

sie ist widerspenstig.
dafür liebe ich sie.

sie klagt.
dafür liebe ich sie.

sie lebt.
besser könnte es nicht sein.

wir leben.
wir kämpfen.
der himmel wölbt sich für uns.

wir leben.
wir kämpfen.
und die luft geht in uns.

was sonst könnten wir wollen?

ich berste vor zuversicht.
das danke ich einer poetischen metapher.
wer hätte das gedacht?


30.05.09  15:35

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

15

stelle alles ein.
stelle mir nichts vor.
dann kann ich ertragen.

22:14

Als ich sie gestern gegen Mittag besuchte, saß im Zimmer 121 eine dreiköpfige Familie, Vater, Mutter und Sohn. Ein erwachsener Sohn. Ich wusste nicht, wer als Patient gekommen war, aber einer musste es sein, denn da stand eine Tasche und offenbar wartete man.

Als ich nach Hause fuhr, saßen sie immer noch wartend und schweigend im Zimmer.

Am späten Nachmittag besuchte ich sie erneut.
Da warteten die drei immer noch und ich hörte, dass eine Schwester sagte, in einer halben Stunde sei es soweit.

Ich nehme an, dass sie auf einen Arzt verwies, der dann endlich käme.
Heute sah ich den Sohn.
Offenbar ist er der Patient.

Wer ins Krankenhaus muss, muss übermenschliche Geduld aufbringen. Sonst verliert er die Nerven. Die Kommunikationswege sind derart verquast, dass man nur mit mit viel Glück jemanden findet, der -
kompetent und willig - in der Lage ist, Auskunft zu geben.

Ansonsten ist man verratzt.
Allein mit Fragen, allein mit Ungewissheit, allein allein.

Natürlich weiß ich, dass alle, die in diesen Berufen arbeiten, unter großem Stress stehen.
Aber ich habe nicht in meinen schlechtesten Träumen geahnt, wie desolat die Strukturen in Krankenhäusern sind. Dabei wäre es ganz einfach. Menschliche Ansprache, verbindliche Auskünfte, mehr bräuchte es nicht.

Ich habe gehört, dass es an der Uni-Klinik einen Modellversuch gibt. Dort werden Kommunikatoren ausgebildet, die genau das tun sollen, was in den letzten Wochen, in denen ich viel Zeit in Kliniken verbracht habe, nur unzureichend und in jeder Hinsicht unbefriedigend geschehen, bzw. nicht geschehen ist.

Dabei ist der Heilungsprozess nicht nur von medizinischen Faktoren abhängig, sondern auch von menschlicher Zuwendung, von Vertrauen, das man in Ärzte setzt, die mit einem sprechen. Stattdessen fühlt man sich ausgeliefert und allein gelassen.

Das ist eine Bankrotterklärung des Systems.
Darüber nachzudenken, tut weh.

Also bleiben Sie gesund.
Und gehen Sie, falls Sie krank sind, möglichst in ein kleines Haus.
Und behalten Sie die Nerven. Ansonsten gnade Ihnen Gott.


31.05.09   8:17

6 Ein Psalm Davids, vorzusingen, beim Saitenspiel auf acht Saiten.

Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn/
und züchtige mich nicht in deinem Grimm!
Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach; /
heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschrocken und meine Seele ist sehr erschrocken.

Ach du, Herr, wie lange!

Wende dich, Herr, und errette mich, /
hilf mir um deiner Güte willen. (...)

Ich bin so müde vom Seufzen; ich schwemme mein Bett die ganze Nacht /
und netze mit meinen Tränen mein Lager.

Mein Auge ist trübe geworden vor Gram und matt /
weil meiner Bedränger so viele sind.

Weichet von mir, alle Übeltäter; /
denn der Herr hört mein Weinen.

Der Herr hört mein Flehen; /
mein Gebet nimmt der Herr an.














 

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