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Quakenbrück

#49 Euro Ticket: Quakenbrücks Jugendstilbahnhof suggeriert eine größere Stadt, aber es wird wohl der Aufbruch der Gründerjahre gewesen sein und der Stolz auf das sich ständig ausweitende Eisenbahnnetz, die den Bau dieses prächtigen Gebäudes förderte, denn es gibt nur ein Gleis, und damals war die Stadt erheblich kleiner. Die Züge fahren über Oldenburg nach Wilhelmshaven oder über Osnabrück nach Braunschweig. Die Straße, die vom Bahnhofsvorplatz in den Ort führt, heißt Bahnhofstraße und das Hotel "Bahnhofshotel". Ansonsten ist da ein Kreisverkehr und ein Brunnen. Auf der stadtabgewandten Seite des Bahnhofs hat sich Industrie angesiedelt. Das Deutsche Institut für Lebensmittelforschung ist hier ansässig. Schräg gegenüber vom Hotel gibt es das Portugiesisch-Artländer Oliven- und Weinkontor mit angeschlossenem kleinen Café. Dort komme ich mit einer Lehrerin ins Gespräch, die mir den besten Cappuccino weit und breit empfiehlt, ein Stück köstlicher Schokotorte und ein Glas eiskalten grünen Weins. Ich könnte auf ewig hier sitzen bleiben, ich bin ein wenig müde und lauffaul, aber bis in die Stadt sei es nicht weit, heißt es, geradeaus und dann links: das Rothenburg des Nordens. Dreifach krägende Hausfassaden, hinter denen es geheime Zwischenböden gibt, denn natürlich haben auch hier Napoleons Soldaten genommen, was sie kriegen konnten. Der Untergrund für eine Stadtmauer war nie fest genug, also hat man die Hase so umgeleitet, dass rings um den Stadtkern Wasser floss und gehofft, dass es Angreifer so lange aufhält, dass man sie bei Durchschreiten totschießen konnte. Ein geschlossenes Stadtbild mit Fachwerkhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert, einem Marktplatz, Cafés, einem Kino, das Schauburg heißt, zwei Kirchen und einem Geschäft, das Schellackplatten verkauft. Ich bin fast drei Stunden unterwegs. Auf dem Rückweg kaufe ich beim Portugiesen Madeira und Vino Verde. Auf dem Bahnsteig wartet eine Frau mit etwa vierzehn Jahre alten trisomischen, weiblichen Zwillingen. By the way: Quakenbrück spielt 2 Bundesliga Basketball (Artland Dragons) und hofft auf den Wiederaufstieg in die erste Liga.


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