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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Liebe Annette,

gestern war der Oktober noch golden, heute ist er verregnet. Überall schießen Pilze aus dem Boden. Selbst im Huerländer Wald findet man Maronenröhrlinge und Steinpilze. Das Rüschhaus wartet derweil auf Gäste, aber ich glaube kaum, dass sich heute einer hierher verirrt. Ein Eichhörnchen hat mich ausgeschimpft, als ich das Haus vorhin mit der Kasse durch den Dienstboteneingang verließ. Es lief den Quittenbaum hoch und sprang von Ast zu Ast davon. Die Quitten sind reif. Ich habe vorletzte Woche ein paar mit nach Hause genommen und Gelee daraus gemacht. Fräulein Nettes Quittengelee. Ich habe den Gärtnern gesagt, dass man das doch vermarkten könne, aber sie meinten, das wäre zu viel Arbeit, im letzten Jahr hätten sie aus den Äpfeln und Quitten Saft gepresst, aber die Quitte habe ihn bitter gemacht. Heute ist mein vorletzter Tag im Rüschhaus. Es ist langweilig hier, wenn niemand kommt, ich sitze die Zeit ab, aber es wird gut tun, all die Dinge, die ich seit März über dich gelesen habe, für eine Weile zu vergessen. Im Frühjahr bin ich zurück. So Gott will.

PS.


Gestern las ich bei einem deiner Nachfahren (Wilderich Freiherr Droste zu Hülshoff: 900 Jahre Hülshoff), dass adelige Söhne und Töchter durch ihre Zugehörigkeit zum Domkapitel und den Kollegiatsstiften bis ins 19. Jahrhundert über eine "gut dotierte, weitgehend arbeitsfreie und sichere Versorgung verfügten". Davon kann man in unserer kapitalistischen Gesellschaft nur träumen.

Herzlich

Hermann

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