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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Liebe Annette,

du musst wissen, dass ich unter Lampenfieber leide. Vor Lesungen kommt das vor, vor allem, wenn sie mit Reisen verbunden sind, längeren Reisen bei unterschiedlichster Witterung. Ich schlafe dann schlecht, und wenn ich am Morgen aufstehe, fühlt es sich an, als hätte ich kein Auge zugetan.

Dass meine Tätigkeit im Rüschhaus ähnliches bewirken würde, hätte ich nicht gedacht, aber bei diesen durchs Haus führenden Erzählungen handelt es sich letztlich um einen Auftritt, dem Text zugrunde liegt, Literatur, die ich gelesen und in den Kontext der Zeit eingeabeitet habe. Auf dieser Basis improvisiere ich den Rest, weil das das einzige ist, was ich kann, ich mich nicht mit auswendig Gelerntem langweilen will, und zudem nie weiß, wer zu so einer Führung kommt. Das erste Gesicht, der erste Satz, ein Wind, der ums Haus geht oder ein wärmender Sonnenstrahl, eine Bemerkung, alles ist zu bedenken und bleibt nicht folgenlos, da wäre ein zu festes Konzept nur hinderlich. Aber das mit dem schlechten Schlaf muss besser werden. Bis nachher, Annette.

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