April 2017                      www.hermann-mensing.de      

    

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Sa 1.04.17 12:43 leicht bewölkt 16 Grad

Seit Tagen macht ein Hauch von Sommer dem Frühling Beine.
Ich war im Garten, habe Wege angelegt, Beetränder abgestochen, begradigt und festgeklopft und Unkraut gezogen. Einmal waren die Enkel da und haben mit Begeisterung alles begossen, was zu begießen war, denn für diese Jahreszeit ist es viel zu trocken. Ein Glück, dass Herr T. uns versichert hat, der Klimawandel sei Fake News. Was ich heute tue, weiß ich noch nicht. Das Schreiben fällt mir schwer. Erstens, weil ich nicht weiß, worüber, zweitens, weil ich faul bin und meine Konzentrationsspannen kürzer werden. Das änderte sich allerdings schlagartig, wenn ich wüsste, was und wofür ich schreiben sollte. Bleibt zunächst also nur die kurze Form. Es ist Samstag, ich habe gefrühstückt, ich könnte heute abend Tango tanzen.

23:45

Ich trinke viel Kaffee, esse alles, rauche Gras, trinke ab und zu Whisky, ich führe Gespräche, habe Sex, und bin doch nie eins. Ja, sage ich, das haben wir gut gemacht, nein, ich nehme das Messer, das sie mir geschenkt hat, streiche mit der Fingerkuppe über den feinen Schliff, aus einem hauchzarten Schnitt tritt ein Blutstropfen. Jetzt kann nichts mehr passieren, alles kann jederzeit sein, ich fürchte mich nicht. Ich tanze ausgiebig, ich spiele Schlagzeug in einer Band, zuhause spiel' ich Klavier, dann und wann bin ich im Himmel. Meine einzige Sorge ist die Zukunft meiner Kinder und Enkel.


Fr 7.04.17 11:16 bewölkt 10 Grad

Die japanische Kirsche blüht. Nach den milden Tagen der letzten zwei Wochen steht sie in rosa Pracht in der frischen Aprilluft und friert, so wie ich. Ich hatte mich schon an den Klimawandel gewöhnt, aber wie der Name schon sagt, es ist April. Intensivste Gartenarbeit in den vergangenen zwei Wochen. Es scheint, ich entwickle eine neue Leidenschaft. Ich sorge für die saloppe gärtnerische Grundordnung, sie zaubert mit Blumen und zuhause seit Wochen vorgezogenen Samen, die nach und nach in die Erde kommen.

17:10

Ich habe Wäsche gewaschen, ich habe sie aufgehängt, ich habe Kaffee getrunken und ein Nickerchen gemacht, ich habe überhaupt das Gefühl, ich müsse ständig Nickerchen machen, es wird wohl die Jahreszeit sein, sage ich mir, aber insgeheim weiß ich natürlich, dass es am Lebenswandel und Alter liegt, aber das behalte ich für mich, es wäre ja gelacht, wenn Nickerchen plötzlich über unsere Herrlichkeit entschieden, nein, das lasse ich nicht zu, ich gehe auf den Markt und kaufe zwei Filets vom Aal. Zuhause fäll mir ein, dass Meerrettich gut dazu schmecken würden. Habe ich nicht. Muss ich also noch einmal los. Aber später. Erst einmal ein Nickerchen machen, dann aber gehe ich los, Meerrettich kaufen, und was soll ich sagen, als ich beim Kindergarten um die Ecke biege (noch knapp hundert Meter zum Supermarkt) fällt mir das das Wort "Meerettich" nicht mehr ein. Ich kann es drehen und wenden, es ist weg. Wäre ich in England, kein Problem, das englische Wort weiß ich, aber da ich mir sicher bin, das Wort wiederzuerkennen, sobald ich vor einem Glas oder eine Tube mit entsprechendem Inhalt stehe, betrete ich man den Supermarkt, findet das Gewollte sofort und frage mich, wie das sein kann? War das Nickerchen zu kurz?


Di 11.04.17 10:23 bewölkt 9 Grad

Die Gartenhütte, Abstellplatz für Stühle, Polster, einen alten Rasenmäher, zwei Sonnenschirme, Beetabdeckungen und Gerümpel, war während eines Sturms vor zwei Jahren, der einen dicken Ast vom Apfelbaum riss und aufs Dach warf, aus den Fugen geraten. Türen klemmten, die vorderen Tragholme waren vom Fundament gerutscht, die auf Naht und Fuge ineinandergefügten Kiefernpaneele waren an manchen Stellen verrutscht, so dass es eigentlich besser gewesen wäre, sie abzureißen. Aber selbst billigste Hütten sind nicht unter 800 Euro zu haben. Zum Glück tauchte der wenig begabte Amateurhandwerker M. auf, der, von plötzlichem Gartenfieber befallen, beschloss, die Hütte zu retten. Er räumte sie aus und stellte fest, dass Mäuse sie als Lagerplatz für kreisrund angenagte Kirschkerne genutzt hatten. Sozusagen entkernt stellte sich die Frage, wie diese windschiefe Hütte zu stabilisieren wäre. Zum Glück fand sich unterm Gerümpel ein Lattenrost, 140cm breit. Mit diesen Latten, im Inneren der Hütte schräg und auf Gehrung vernagelt, ließ sich die verlorengegangene Stabilität zum Teil wiederherstellen. Das Dach ließ sich regendicht vernageln, die verrrutschten Holme ließen sich mit einiger Mühe zurück aufs Fundament stellen und wurden mit Winkeln befestigt. Nun kann man hoffen, dass die Hütte noch die ein oder andere Saison übersteht. M. erwartet nun eine baldige Ehrung durch die Handwerkerinnung.


11:02

Letztens, gleich nach der Niederkunft




Fr 14.4.17 21:45 9 Grad

Zwei Tage habe ich geglaubt, meine Internetpräsenz sei zu einem natürlichen Ende gekommen. Ich wusste nicht, ob ich glücklich sein sollte oder nicht, denn ich hatte schon oft darüber nachgedacht, den "Alltag" einzustellen. Was mich immer wieder davon abhielt, war die Vielzahl der Texte, die auf diesem Wege entstanden sind. Diesmal aber war der Grund viel profaner. Die freie Version meines FTP Servers "has retired" erfuhr ich, ich könne jedoch für 65 Euro eine Profilizenz erwerben. Das wollte ich nicht. Da ich seit 2000 den Ipswitch FTP Clienten genutzt hatte, war mir nicht bewusst, dass es auch andere gibt. Ich nahm mir Bedenkzeit, recherchierte, stieß auf den open source FileZilla Clienten, lud ihn herunter, konfigurierte ihn und brachte ihn nach gut 30 Fehlvesuchen dazu, sich mit dem Server meiner Homepage zu verbinden und Dateien hochzuladen. Wenn solche Dinge passieren, tappe ich im Dunkeln. Nicht, dass ich es schließlich nicht hinbrächte, nein, ich hab es noch immer irgendwie hingebracht, aber ich wusste anschließend nie, was ich letztendlich getan hatte, dass es funktioniert.


23:28

jeden tag denke ich
es ist an der zeit
frei zu sein
statt zu glauben
ich wäre frei
mal angenommen
es wäre an der zeit
was müsste ich untenehmen


Sa 15.4.17 12:15 bewölkt, 11 Grad

Mir ist alles wurscht, seitdem bin ich frei, sagte Herr L., aber Wurschtigkeit bringe ich nicht in mein System.

15:55

Ich erwache um 8:15, ich gehe zur Toilette. Ich lege mich wieder hin. Ich stehe um 10:15 auf. Ich dusche. Ich koche Kaffee und ein Ei, ich wärme Milch zum Aufschäumen, ich schneide eine Scheibe Brot, bestreiche sie mit Senf, lege eine Scheibe Käse darauf, ich esse. Der Kaffee ist fertig. Ich schäume Milch auf. Ich gieße ein. Ich trinke Kaffee. Ich starte mein Tablett. Ich öffne die SZ. Ich lese Artikel zum Anschlag gegen den BVB, zu Nord Korea, zur Mutter aller Bomben, zu Trump. Ich registriere, dass die Welt taumelt. Es kracht an allen Ecken und Enden. Konflikte. Konfusion. Angst frisst sich ins Leben. Ich esse das Ei mit Remoulade. Ich habe die Nase schon voll. Ich rauche eine Zigarette. Ich setze mich ans Klavier und experimentiere mit Akkorden. Ich fahre meinen Rechner hoch. Der neue FTP Client funktioniert, aber nicht so, wie ich will. Ich mache mich auf die Suche nach Lösungen. Das Gerede in Foren verstehe ich nicht. Ich drehe einen. Das macht es auch nicht besser.


Mi 19.4.16 14:37 bewölkt 9 Grad

Rosa Kirschblüten taumeln im Wind. Die Schwalben sind zurück. Atemberaubend, wie sie gestern übern See sichelten, knapp überm Wasser. Erste Entenküken gesichtet. Mehr ist nicht zu sagen.


Do 20.04.17 sonnig 8 Grad

Der Gott meines Untermieters ist kleinlich, aber das liegt nicht an ihm, sondern daran, was die Exegeten aus ihm gemacht haben. Wie immer und überall sind da Herrschaftinteressen ins Spiel, und da wundert es nicht, dass man den Beherrschten kleinliche Gesetze verordnet, um den Wein allein trinken zu können. So kommt es, dass dieser 25jährige, der mir sehr ans Herz gewachsen ist, zwar raucht wie ein Schlot, aber nicht trinkt und kaum etwas von dem isst, was ich koche, immer von der Furcht getrieben, es könne nicht "hallal" und somit "haram" sein.

Gott ist aber bekanntlich groß, und wie dieser junge Mann ihm mehrfach täglich huldigt, rührt mich. Er hat einen kleinen grünlichen, mit reichlich Ornamenten verzierten Teppich, den er nach Osten ausrichtet. Ich mache Witze darüber. Ich nenne ihn seinen fliegenden Teppich, und er lacht darüber. Er ist strebsam, solche Söhne wünschen sich Väter, wenngleich sich mir immer ein wenig die Haare sträuben, denn bei allem Lernen und meinem Erstaunen über seinen Eifer bleibt doch ein großes Fragezeichen im Raum. Wenn er nicht lernt, nicht betet, nicht raucht, nicht Kaffee trinkt, kocht er unglaubliche Mengen Nudeln mit Harissa, er telefoniert von früh bis spät mit der Heimat, immer wird aufgeregt gesprochen, aber er bewegt sich kaum hinaus in den öffentlichen Raum, er hat noch keine Deutschen seines Alters kennengelernt, das sei schwer, sagt er, und das glaube ich ihm, aber es müsste hinaus. Ich mache ihm immer wieder Angebote, ich sage, komm mit, da und da spielt heute eine Band, komm, ich gehe tanzen, schau dir das mal an, aber ich kriege ihn nicht vor die Tür. Ich kriege ihn nicht in den Frühlingswald, ich kriege ihn nirgendwohin, und das finde ich schade. Letzte Woche hat er meinen Freund C. und dessen Freundin zum Essen eingeladen. Das hat ihm sehr gefallen, denn bei solchen Zusammenkünften wird nicht das Deutsch der Fachbücher geredet, sondern da herrscht Alltag und daraus besteht die ihm fremde Kultur. Nach einem Chilenen und einem Indonesier ist er der dritte Untermieter in drei Jahren, und keinen habe ich so geliebt wie ihn. Im Sommer wird er mich verlassen. Dann gönne ich mir erst einmal eine Pause.


Mo 24.04.17 14:24 bewölkt, windig, 14 Grad

Der alte Mann im Bett neben mir wird bald sterben. Er macht Geräusche, als würde sein Inneres wie in einer sich drehenden Waschmaschinentrommel durcheinanderpurzeln. Hoffentlich nicht heute Nacht, wo sie mich neben ihn in das sonst leere Zimmer geschoben haben, damit ich mich erhole. Ich hätte heimfahren können, haben sie gesagt, gesund wäre ich, das hatten die Checks nach der Ohnmacht ergeben, EKG, Blutdruck, Blutwerte, alles Bestens, aber vernünftiger wäre es, wenn ich mich ausruhte, und das fand ich dann auch. Zumal alle höchst zuvorkommend zu mir waren, ja, geradezu liebevoll umsorgt fühlte ich mich, nachdem ich die Augen wieder aufgeschlagen hatte.

Was war passiert? Ich hätte nicht aufstehen sollen, ich hätte das wissen können, aber ich bin aufgestanden. Ich bin aufgestanden, um die, mit denen ich kurz vorher geraucht hatte, zu fragen, was das denn wohl für ein heftiges Gras gewesen wäre, das mir derart in die Glieder gefahren war, das ich mich hatte setzen müssen. Ich hatte den Satz noch sagen können, ich hatte auch noch hinzugefügt, dass ich Hilfe bräuchte, dann war ich umgekippt.

Sie hatten mich auf eine Bank gesetzt, dann gelegt, ringsum standen besorgt auf mich herabblickende Menschen, ich fühlte mich wie ein nasses Handtuch, aber ich wusste, das Einzige, was jetzt hilft, ist Ruhe, keinerlei Bewegung, einfach in der Horizontalen abwarten, bis es besser wird. Aber die sorgenden Menschen wollten einen Krankenwagen, sie wollten das ganze Prozedere, und schließlich ließ ich mich überzeugen. Ich musste aufstehen, um hinunter zur Trage zu gehen, ich musste mich auf die Trage legen, dann schoben sie mich in den grell erleuchteten Rettungswagen, und dann wurde mir übel, drei, viermal hintereinander, frage nicht. Dennoch fühlte ich mich wunderbar aufgehoben, umsorgt, in Sicherheit, und das sagte ich der Notärztin auch. Danke, so etwas höre sie selten, sagte sie erfreut. Das erstaunte mich. Sie fragte, in was für eine Klinik ich wolle. Ich antwortete, in eine ruhige. St. Josef, sagte sie, und dann fuhren wir los. Als sie mich dort ausluden und mir frische Luft um die Nase wehte, fühlte ich mich schon viel stabiler, in der Notaufnahme konnte ich ohne Problem schon wieder allein gehen und stehen, da war ich im Prinzip geheilt, aber ich hatte ja zugestimmt, das Labor arbeitete an meinen Werten, die Maschinen prüften Blutdruck, Herzfrequenz, und wie gesagt, alles Bestens, am nächsten Morgen verbrieft für die Hausärztin, was nicht schlecht ist, denn eigentlich hatte ich sowieso vorgehabt, mich mal wieder richtig durchchecken zu lassen. Nur schade, dass diese dumme Ohnmacht mir das Fest verhagelt hat, das ich eigentlich feiern wollte. Aber immerhin, ich habe das Rauchen eingestellt.


Di 25.04.17
9:30 wechselnd bewölkt, 7 Grad

Gesund zu sein ist ein gutes Gefühl. Als ich da so lag, als alle auf mich herabschauten, und dann nachher, im Krankenwagen, dachte ich, so geht also sterben, man merkt nichts davon, alle anderen haben Stress. Vasovagale Synkopie nennt der Mediziner meine Ohnmacht, es gibt noch zwei ode drei andere Synkopien, eine davon ist der plötzliche Herztod. Aber genug davon. Es ist ungemütlich draußen, ich gehe jetzt vor die Tür, Frischluft tanken.


11:15

Endstation, sagt der Busfahrer. Ich weiß, antworte ich, aber ich fahre doch wieder mit zurück. Schon, aber ich muss wenden und dann habe ich Pause, also müssen Sie aussteigen. Der Ort ist zuende, da hinten ist nur noch ein Kreisverkehr. Ich steige also aus, der Bus fährt an, umrundet ihn, kommt zurück und hält gegenüber. Ich setze mich an die Bushaltestelle. Kein besonders einladendes Wetter für irgendetwas, aber immerhin, da vorn sitzt ein Rotkehlchen vor einem Küken, das den gelben Schnabel so weit aufreißt, dass der auf den ersten Blick alles dominiert. Der Busfahrer steigt aus, zündet sich eine Zigarette an und verschwindet in einem fensterlosen, vielleicht zwei mal zwei Meter großen Unterschlupf neben der Haltestelle, ich nehme an, Toilette und Waschgelegenheit, frage aber später nicht nach, obwohl der Busfahrer sehr gesprächig wird, als ich ihm sage, dass ich einfach so herumfahre und mir die Leute und die Gegend anschaue. Acht Kinder hat er, alle erwachsen, verheiratet, Enkel, alles, er hat früher Reisebusse gefahren, aber das macht er nicht mehr, weil die Gäste einen nachts aus dem Bett holen, wenn ihnen irgendetwas fehlt. Die glauben, man wäre ihr Sklave. Nein, das macht er nie mehr, noch sechs Jahre, dann Rente, jeden Morgen steht er um zwei auf und rennt bis vier, halb fünf, Sie glauben ja nicht, was man da alles sieht und hört. So still ist die Nacht gar nicht.

12:45

Sonne scheint, Regen peitscht, das alles geht nahtlos ineinander, als mir eine große Blonde entgegenkommt. Sie ist Mitte Vierzig, hat ein freundliches Gesicht, aber wieso streckt sie den linken Arm so weit von sich, und was ist das für ein durchsichtiger Plastikbeutel in ihrer Hand. Ah, da, zehn Meter hinter ihr, ein verfetteter braun-weißer Terrier.


Mi 26.04.17 11:25 bewölkt, 6 Grad

Als ich gerade darüber nachdenke, wie ich Satin Doll auf den Drums spielen soll, setzt sie sich mir gegenüber, und da weiß ich, ich nehme die Besen. Sie trägt eine schwarze Ray Ban mit grauen Bügeln, hat das dunkelbraune Haar zu einem seitlichen Zopf geflochten, ihr kleiner Mund ist knallrot. Sie ist mollig, alles noch fest und Fleisch, sie hat mächtige Oberschenkel und trägt eine schwarze Leggins unterm Dufflecoat, wo man doch meinen könnte, das ist kaum mehr als eine lange Unterhose, da müsse was drüber, so kannst du doch nicht vor die Tür gehen, Kind. Satin Doll (Duke Ellington ist der Komponist) ist so souverän (cool) wie nur möglich. Mit Sonnenbrille ist das auch einfach. Hinzu kommen ein kleiner silbernen Nasenring im rechten Flügel (ähnlich wie bei Wasserbüffeln, nur weniger grob), goldene Ohrringe mit dem Durchmesser einer Kaffeetasse, dunkelrote Fingernägel, kleine Hände, recht kurze Finger. Dazu das Smartphone, durch das junge Menschen die Welt sehen und hören. (Linie 1 Wilhelmstraße)


Fr 28.04.16 11:21 regnerisch, arschkalt

Er hat's eilig. Er freut sich, er strahlt, dieser große Junge, achtzehn ist er maximal, wahrscheinlich eher sechzehn, blond, Uppercut, wofür sie mich damals geschlachtet hätten, Nazifrisur wäre das gewesen, aber die Zeiten ändern sich, sogar der Pony soll demnächst wieder angesagt sein. Also, nochmal, warum macht er so ein glückliches Gesicht? Weil er eine Rose in der linken Hand hält. Langstilig, eine weiße Blüte mit rosa-rot gefärbten Blütenblatträndern. Und die schenkt er wem? - Na - wem wohl, wem schenkt man Rosen an einem Wochentag, natürlich irgendeinem Mädchen, das von uns Jungs den ewig gleichen Stunt verlangt, es möchte verwöhnt, vergöttert, es möchte alles mögliche werden, dieses ewig gleiche Mädchen, das glaubt, nur ihr gebühre alle Verehrung der Welt. Eine Weile mag das wahr sein, aber dann merkt jeder Junge schnell, was für um sich selbst drehende Wesen das sind, diese Mädchen, die sich ohne Lob, Komplimente und Putz nicht ertragen können, Fünfzehnjährige, die nicht ohne make-up vor die Tür gehen, und dann erst - ihre Launen, schrecklich. Egal, der Junge ist glücklich. Sie wird ihn erhören.

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