Asuncion
Ich verließ La Paz, fuhr nach Cochabamba, wo die spanischen Conquistadoren Silber abgebaut hatten, blieb einen Tag, atmete durch, träumte mich durch die koloniale, weiße und okkerfarbene Stadt mit all den geschäftigen Menschen, und fuhr weiter nach Santa Cruz. Freitag gegen 8 Uhr kam ich dort an. Von hier fuhren Züge nach Formosa. Güterzüge mit zwei angehängten Personenwaggons. Drei Dollar waren okay für 24 weitere Stunden.Am Abend ging's los. Es war ein riesiges Durcheinander, Menschen, Gepäck, erregte Diskussionen. Aus den Ventilen der Lokomotive zischte Rauch, sie pfiff und ruckte an. Guter Beat. Nach etwa drei Stunden blieb der Zug stehen. Alle stiegen aus, setzten sich ins hohe Gras und tranken Mate. Außer mir schien niemand verwundert. Eher war man amüsiert. Von nun an sollte der Zug mehr stehen als fahren. Immer war irgendetwas kaputt, mal gab es kopfloses Hin- und Her, Gehämmere, Geschraube, dann waren es nur ein paar Minuten, der Lokführer blies ein Signal, alle stiegen ein, es ging weiter. Anstatt mich mit all den Reisenden in ein schmales Abteil zu drängen, hatte ich mir einen Postwaggon ausgesucht, der an den Zug gehängt worden war. Dort war ich allein, hatte eine Holzpritsche und an jeder Seite des Waggons war eine Art Veranda. Niemand habe etwas dagegen, wenn ich dort mein vorläufiges Domizil errichten würde, hatte man mir gesagt. Allerdings teilte ich mir diesen Wagen mit einem Ziegenbock. Er roch streng, war aber freundlich.
Als ich am Samstagmorgen erwachte, standen wir wieder. Diesmal war es nur eine kleine Sache, die Reisenden hatten kaum Zeit, Mate zu trinken. Ich setzte mich meine Veranda, pfiff mir ein Lied oder zwei, hatte Heimweh und Fernweh, der Zug zuckelte über die Pampa. Hohes Gras. Langbeinige Vögel. Weiß, wenn ich mich recht erinnere. Gegen Abend wurde mir klar, dass 24 Stunden längst vorüber waren. Ja, ja, sagte man mit Schulterzucken. Mehr konnte ich nicht verstehen. Aber ich wusste genug und richtete meinen Waggon für eine weitere Nacht ein. Eigentlich war es mir ganz recht, jede Nacht im Zug ersparte Hotelkosten. Der Sonntag kam. Jemand wagte zu behaupten, Sonntagabend kämen wir an. Lautes Gelächter. Selbst der Schaffner glaubte nicht daran. In der Nacht ging die Lokomotive noch einmal kaputt. Montagfrüh um vier Uhr erreichten wir Formosa. Fast hätte ich es verschlafen, fast. In Formosa aß ich ein riesiges Steak. Am Nachmittag erwischte ich einen Bus nach Asuncion. Stroessner Land. Deutschstämmiger Präsident. Stramm rechts. Ein paar Tage Asuncion, hatte ich gedacht, dann Richtung Süden, an den Rio Parana, der Paraguay von Argentinien trennt, durch die Provinz Missiones zu den Iguazu Fällen nach Brasilien. Die Stimmung im Asuncion war ungut. Überall bis an die Zähne bewaffnete Polizei und Militär. Firmen mit deutschen Namen. Nazis, alles Nazis, dachte ich und flüchtete in den botanischen Garten und sah eine gehäutete, etwa zehn Meter lange Anaconda.