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Brief an das Beschwerdemanagement des C. Hospitals.

Eine Krebserkrankung ist, ganz gleich, wie Sie einen Patienten und damit eine Familie trifft, immer hart. Darüber müssen wir nicht sprechen. Über die Art und Weise, wie diese Erkrankung von Ärzten und Personal mit Betroffenen und Angehörigen kommuniziert wird, schon. Die bisher gemachten Erfahrungen sind schmerzhaft und rauben einem den Schlaf.

Ich will versuchen, mich kurz zu fassen.

Nach ersten Symptomen brauchte es vier verschiedene Ärzte, von denen jeder zu unterschiedlichen Einschätzungen kam, eh es zu einer Einweisung in die R. Klinik kam. Dort wurden alle notwendigen Untersuchungen vorgenommen.

Eine Bronchoskopie jedoch, die aussagefähige Gewebeproben ergab, konnte dort nicht gemacht werden. Man entließ meine Frau an einem Donnerstag mit einer Einweisung ins C. Hospital für den darauffolgenden Montag, da auf der entsprechenden Station ad hoc kein Bett frei war.

Am Montag stellte meine Frau sich dort mit einem Patientenbrief und einer CD Rom mit Kopf-CT Daten vor. Sie hatte große Schmerzen im Brustbereich. Das Liegen fiel ihr schwer.

Der erste Kontakt mit einer Stationsärztin, ein junge Frau O. , verlief wie folgt:
Ach, Frau Mensing., Sie haben Schmerzen? Das wusste ich ja gar nicht. Warum haben Sie mir das denn nicht gesagt?

Meine Frau war erschüttert. Sie wähnte sich in Obhut.
Ihre Gegenfrage, ob Frau O. den Patientenbrief nicht gelesen habe, beantwortete Sie mit einem knappen: Aber natürlich.

Als ich meine Frau wenig später besuchte, war sie in Tränen.

Am Tag darauf wurde eine Bronchoskopie durchgeführt. Ein Dienstag also.
Die Stationsärztin Frau O., sagte uns, dass die Ergebnisse dieser Gewebeproben in vier Werktagen zur Verfügung stünden, sie wolle meine Frau noch einen Tag beobachten, dann dürfe sie wieder nach Hause. Dort werde man uns benachrichtigen, sobald die Ergebnisse einträfen.

Wichtig ist zu erwähnen, dass der Mittwoch, an dem man meine Frau nach Hause entließ, der Tag vor Himmelfahrt war. Wir rechneten also hoch und hofften, am darauf folgenden Dienstag Bescheid zu bekommen.

Ich hatte mittlerweile ein Pflegebett organisiert, die Thrombosespritzen, die meine Frau zweimal täglich erhalten sollte, konnte ich selbst setzen, ich war froh, sie zu Hause zu haben. Dort aber verschlechterte sich ihr Zustand. Sie verlor zunehmend die Kontrolle über ihre Beine. Stuhlgang und Urin funktionierten nicht mehr wie üblich.

Am folgenden Mittwoch (wir hatten noch keinen Bescheid von der Klinik, die Ungewissheit wurde unerträglich) gelang es mir, Frau O. in der Klinik zu erreichen. Sie war ein wenig ungehalten, sagte, Sie habe doch gesagt, Sie werde anrufen, ja, aber erste Ergebnisse seien eingetroffen, morgen (Donnerstag) sei die Tumor-Konferenz, dann riefe Sie mich wieder an.

Verstehen Sie bitte, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon seit etwa vier Wochen in größter Sorge und Ungewissheit schwebten und dringend darauf warteten, dass etwas geschah, dass eine Therapie begänne, ganz gleich, welche, Hauptsache: Therapiebeginn.

Ich hatte mir alles notiert. Am Donnerstag kam kein Anruf.
Der Zustand meiner Frau verschlechterte sich. Ich sprach mit unserer Hausärztin. Die verfügte eine sofortige Einweisung ins C. Hospital. Dort kam sie auf die Station 1B.

Am Nachmittag des gleichen Tages versuchte ich, Frau O. in der Klinik zu erreichen, denn Sie hatte nicht, wie versprochen, angerufen. Man sagte mir, sie sei schon zu Hause. In meiner Verzweiflung durchforschte ich das Telefonbuch, fand einen Eintrag unter ihrem Namen und rief dort an. Ja, ich sei an der richtigen Adresse, sagte mir ein sehr freundlicher Mann, ich entschuldigte mich, erklärte, dass ich in großer Sorge sei und den Tag über auf den Anruf gewartet hätte.

Das sei schon in Ordnung, sagte der Mann, aber seine Frau, Frau O., sei noch nicht zu Hause.
Ich hinterließ meine Handy Nummer und machte mich auf den Weg ins Krankenhaus, um bei meiner Frau zu sein.

Auf dem Weg in die Klinik schellte mein Handy. Es war Frau O. Ohne große Umschweife erklärte sie mir in unmissverständlichem Ton, dass es ganz und gar nicht angehe, dass ich sie zu Hause anriefe, sie verbäte sich das, außerdem habe sie nie gesagt, die Tumorkonferenz fände heute statt, sondern am Montag.

Ich will gern einräumen, dass ich bei dem Telefonat am Tag vorher statt Montagnachmittag morgen Nachmittag verstanden habe, das mag sein, dennoch: ich hatte mich bei Frau O. entschuldigt, ich hatte Sie um Verzeihung gebeten, dass ich ihre Privatsphäre störte, Sie wies aber jede Entschuldigung zurück und fragte zum Schluss in einem Ton, der eine Indiskretion des Stationspersonals intendierte: Woher haben Sie eigentlich meine Telefonnummer? Aus dem Telefonbuch, antwortete ich.

Ich wurde, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten, "zusammengefaltet" wie ein Schuljunge.

Ergebnis dieses unangenehmen Gespräches war, dass Frau O. mir versicherte, die Tumorkonferenz fände nun am Montag statt. Als ich meiner Frau davon erzählte, sagte sie, das könne sie sich nicht vorstellen, Montag sei doch Pfingstmontag.

Genauso kam es dann auch. Meine Frau, ich, alle in unserer Familie schwebten in größter Sorge und Ungewissheit, immerhin wusste ich sie jetzt auf der Station 1B in Obhut, aber dort geschah zunächst einmal nichts. Wir warteten bis gestern. Gestern wurden dann endlich erste Therapieschritte eingeleitet.

Das Pflegepersonal auf den Stationen war durchweg freundlich und bemüht, meiner Frau die Situation zu erleichtern, nur einmal, meine Frau fragte eine junge Pflegerin, was sie glaube, wie lange das mit der Lähmung ihrer Beine wohl dauern könnte, antwortete die, manchmal gehe so etwas gar nicht mehr weg.

Sie sehen, dass es eigentlich Kleinigkeiten sind, um die es hier geht, Dinge, die man, wäre man nicht schwer krank, mit einem Kopfschütteln abtun könnte, aber so ist das nun einmal nicht.

Die Kommunikationsstrukturen zwischen der einen und der anderen Klinik scheinen auch nicht zum Besten, denn offenbar hat es eine ganze Weile gedauert, eh die Ergebnisse der in der R. Klinik gemachten Untersuchung im C. Hospital angekommen waren (was, als meine Frau sich zum ersten Mal dort vorstellte, von Frau O., in etwa folgendem Ton nachgefragt wurde: "Wo haben Sie die denn?")

Krankheit und Gesundung, das wissen Sie besser als ich, basieren nicht nur auf medizinischen Maßnahmen, sondern auch Vertrauen, Zuwendung und klare Kommunikation spielen eine große Rolle..

Ich habe Frau O. dann durch Zufall auf der Station getroffen, und ihr gesagt, dass wir nicht mehr wollen, dass Sie meine Frau als Stationsärztin betreut. Ich habe ihr die Gründe genannt, ich habe ihr gesagt, Sie habe zwei vereinbarte Termine nicht eingehalten, was Sie von sich gewiesen hat.

Ich habe Sie als "herzlos" empfunden, vor allem das eine Mal, nachdem ich sie darauf angesprochen hatte, wie es denn sein könne, dass sie, obwohl im Besitz des Patientenbriefes, meine Frau allen Ernstes habe fragen können, "ach Sie haben Schmerzen" und sie darauf bat, sie möge doch zu ihr gehen und ihr ein wenig gut zusprechen. Sie hat das danach tatsächlich getan. Sie tat das in einem Ton, der - wie auswendig gelernt - keinerlei Mitgefühl zeigte und bei meiner Frau zu großem Entsetzen und Ablehnung führte.

Möglich, dass wir ihr Unrecht tun, auch möglich, dass meine Einschätzung nur auf meine große Sorge zurückzuführen war, möglich und eingestanden, dass bei dem Stress, unter dem das Klinikpersonal steht, so etwas vorkommt, aber bitte versehen Sie eines: bei allem bisher Geschilderten geht es mir nicht darum, jemanden anzuschwärzen.

Die Erkrankung meiner Frau ist die erste Erkrankung, mit der unsere Familie konfrontiert wurde. Vieles von dem, was ich bisher beobachtet habe, lässt mich folgern, dass die Kommunikationsstrukturen in Krankenhäusern, das Wissen darüber, dass eine Hand dies tut, obwohl die andere es schon längst getan hat, im Argen liegen. Immer wieder werden die gleichen Fragen gestellt, die man am Tag vorher schon jemand anderem beantwortet hat. Ständig wird "doppelt gemoppelt", statt zentrale Erfassungen anzulegen, auf die jeder in die Behandlung und Therapie eingebundene Arzt Zugriff hätte. Das alles begreife ich nicht. Ich begreife es weder im Hinblick auf die Kommunikationsstrukturen der Ärzte untereinander, noch unter den Aspekten der so unnötig sich doppelnden Kosten.

Ich hoffe, Sie verstehen meine Einlassungen richtig.

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