Februar 2013 www.hermann-mensing.de
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Sa.2.02.13 10:31
Es schellt, ich drücke den Summer, ein Mann kommt ins Treppenhaus und sagt, dass er vom ASB Rettungsdienst sei. Klar, sage ich, sehe ich. Er erklärt, dass der ASB noch vor dem Roten Kreuz federführend im Rettungswesen der Republik sei, dass er dieses und jenes tue, gemeinnützig und nicht gewinnorientiert, ob ich den ASB nicht ab März unterstützen wolle und hält mir einen Vertrag hin.
Was soll ich darauf sagen? Nein, sage ich. Ich sage, dass ich an Haustüren nie irgendetwas unterschreibe, ich sage nicht, dass ich finanziell nicht gerade üppig ausgestattet bin, ich sage auch nicht, dass es mich nervt, wenn mich morgens jemand schon so etwas fragt, ich sage das alles nicht, ich will ihn nur loswerden, ich will nicht, dass mir jemand ein schlechtes Gewissen macht.
Ich will dass die Sonne scheint, dass sich endlich Serotonin in meine Blutbahn ergießt, ich überlege, einen Zentner Bananen zu kaufen, wahlweise Schokolade, denn nach allem was sichtbar ist, wird auch heute kaum Sonne scheinen, es wird sein, wie es in den letzten Wochen war, 23,5 Sonnenstunden verteilt auf einen Monat, das können Sie selbst ausrechnen, das ist nicht einmal eine Stunde pro Tag.
Das alles will ich, und dann will ich aufräumen, Wäsche waschen, will kurzfristig glücklich sein und glauben, aber natürlich weiß ich, dass mir das nicht gelingen wird, dass wieder ein Tag verstreicht, ich mich mit einer halbgaren Erkältung von einer in die nächste Ecke drücke und darauf warte, dass etwas geschieht.
Aber es wird nichts geschehen.
So etwas kommt dabei raus, wenn man in diesen Breiten lebt, da hilft nur Beten.
Oder das hier, das könnte auch helfen.
noch fällt
mit jedem dritten tropfen schnee
noch tropft die nase
da trinkt jemand tee
da sitzt ein vogel unerkannt
und singt von einem anderen land
von einem land
das hier ist nur nicht jetzt
von einem tag
der nicht mit dunkelheit verätzt
von einem morgen
still auf dem balkon
von einem nachmittag im park
mit einem sohnvon einem wort
das jetzt noch niemand nennt
und einem hauch den jeder kennt
16:23
Außer mir keiner da. Und ich bin auch woanders.
22.19
gleich werd ich in träume fallen,
vorübergehend glücklich sein,
vorher aber schenk ich allen
eine flasche reinen wein.
So 3.02.13 17:53
Denke seit drei Tagen über das nächste Kapitel nach. Morgen schreibe ich es. Ansonsten: kaum Außenkontakte. Das Wetter hält mich, die halbgare Erkältung. Gestern kurz bei den Enkeln, nachher allerdings Tanzkurs, muss ich hin, hab ich ja bezahlt, und was ich bezahlt habe, nutze ich auch, da bin Protestant.
Di 5.02.13 10:49
Gesagt getan, liebe Gemeinde, nun sitze ich da, den Kopf noch über den Wolken, aber das angekündigte Kapitel ist geschrieben. Heute könnte ich, wenn Sie mich ganz lieb bäten, nichts dazwischen kommt und alles geht, wie ich es mir vorstelle, das nächste Kapitel beginnen. Vielleicht aber auch nicht, vielleicht habe ich ja noch eine andere Idee und lasse mich pensionieren. Zum Wetter erübrigt sich jedes weitere Wort, es ist normal, es ist Februar, aber merke: Schneeglöckchen blühen vorm Balkon und die Winterlinge beim Nachbarn auch. Zeichen sind Zeichen.
16:09
Chuck Berry oder Wild, fragt Hooker Lee,
sticht den Gitarrenhals tief in den Cake,
da plötzlich, Tür auf, es kommt das Genie,
und sagt, ihr Cakes seid Fake.
Mi 6.02.13 10:26
Da Liebschaften per Definition gefährlich sind, traf es sich, dass ich vorgestern abend Gefährliche Liebschaften sah, denn aus Gründen, die ich nicht kenne, passt sich die Welt meinen Projekten an, ich muss nur ein wenig acht geben, dann kann ich Erkenntnisse pflücken wie Äpfel vom Baum. Das nächste Kapitel wirft seine Schatten voraus, die Sonne scheint, gleich werden die Tageseinkäufe erledigt, dann muss ich nicht mehr vor die Tür und werde versuchen, ob ich mit dem, was ich mir vorgestellt habe, weiter komme. Kapitel Siebzehn. Seite 118. Der Mörder ist zurückgekehrt. Das Haus ist leer und kalt. Es ist voller Erinnerungen. Mal sehn, wie er damit zurechtkommt.
15:29
Ich habe ein Cap, von dem ich Kopfschmerzen kriegen, ein Fleececap mit Ohrenschützern. Also trag ich es nie. Vorhin aber fand ich meine Wollmütze nicht und nahm das Cap. Jetzt habe ich Kopfschmerzen, aber sie klingen schon ab, ich spür's.
Do 7.02.13 21:56
Aktuelle Informationen zum Zustand des Schriftstellers M. liegen nicht vor. Man weiß nur, dass er den Tag vornehmlich ruhend verbracht hat. Gegen fünf hatte er ein Gespräch über die Versottung von WC's und ihre Abfuhrleitungen mit dem russischen Notfallspezialisten Boris, ein Endfünfziger. Er kochte ihm einen Kaffee, erfuhr von dessen Herzinfarkt und den vierzehn bis sechzehn Stunden, die er manchmal arbeite. Herr M. erwog, ob er von den Nöten seines Berufes berichten solle, ließ es aber, denn seine Katze hatte es Boris angetan, er habe auch eine gehabt, 15 Jahre, oiiii, das sei schwer gewesen, als sie starb, jetzt habe er einen Hund, das müsse er jeden Tag raus. Die Diagnose war schnell gefällt, eine neue Toilettenschüssel müsse her, er gebe den Bericht morgen weiter.
So 10.02.13 16:05
Gestern zwischen 16 und 23 Uhr kam mir ständig eine Melodie in den Kopf, die ich nicht zuordnen konnte. Es war eine komplexe Tonfolge, kein einfaches Lalala, das man so vor sich hin summt. Ich rief einen Freund an, sang sie ihm vor, aber er wusste auch nicht, was es war. Ich versuchte einen anderen Freund zu erreichen, der eine Erkennungs-App auf seinem Smartphone hat, aber er war nicht erreichbar. Gegen Mitternacht war die Melodie plötzlich fort, und ist seitdem verschollen.
Mo 11.02.13 17:23
Ich nehme an, die Narren randalieren, aber sie randalieren anderswo.
Ich werde mir etwas zu Essen machen. Und dann schauen, ob ich noch etwas zustande bringe. Ich glaube, eher nicht.
Di 12.02.13 14:58
Kraftakt heute. Ich wollte 130 Seiten. Jetzt habe ich 132. Bleibt allerdings die Frage offen, ob sie etwas taugen. Das stellen wir später fest.
Mi 13.02.13 6:34
Wir bringen dich auf die Insel, Süße.
13.02.1953 - 17.06.2009
Do. 14.02.13 13:29
Glück ist ein Zustand, der einmal anwesend und dann wieder fort ist. Heute ist er anwesend. Der Grund ist einfach. Sie ist jetzt auf der Insel. Sie ist da, wo wir oft gemeinsam waren und wo ich auch sein werde, wenn mein Leben beendet ist. Glück ist berauschend und anstrengend. Da ich eine Zeit geboren wurde, die alle Rituale in die Hände professioneller Dienstleister gelegt hat, bin ich um so froher, dass ich mein Leben mit ihr auf unsere Weise gelebt und zu Ende gebracht habe.
Pfahl 7. Ameland.
Über die Engelmansduin immer geradeaus bis zum Meer, das gestern ruhig war, wie die ganze Insel im Winterschlaf lag, bis auf hunderte von Kormoranen, die in einer schwarzen Wolke vom Watt heran wehten, um in kreisendem Anflug spektakulär auf einer Wiese nieder zu gehen, wo schon andere warteten. Bis auf die Canada Gänse, die immer im Gespräch im Watt und auf Wiesen hinterm Deich große Konferenzen abhalten. Bis auf die Insel, die den Winterschlaf nur vortäuscht, denn in Wirklichkeit schläft da nichts, alles lebt und bewegt sich und bereitet sich vor.
Wir fahren bei Ebbe zurück. Das ausfließende Wasser ist in Eile. Es legt Bojen schräg. Sandbänke erscheinen, so dass man hügelan schaut, mitten auf dem Meer - hügelan. Der Abendhimmel glüht müde als schmaler Streif, die Sonne hatte es nicht geschafft, gestern.
Kaum zurück war ich schon wieder fort, um zu tanzen. Ich dachte, das wäre das Beste für mich. Ich habe mich nicht getäuscht. Ich habe getanzt und getanzt, jetzt bin ich erschöpft. Deshalb habe ich heute Urlaub.
Fr. 15.02.13 18:20
gründe, sich den kopf vom rumpf zu trennen -
viele, lasse aber lieber andere flennen,
freue mich stattdessen, gleich am seil zu hängen,
und im einklang mit der welt nie mehr zu drängen.
23:27
Morgen wieder Frohsinn pur,
Moet zum Frühstück, Nassrasur,
Grüssen, Lächeln nicht vergessen,
Und dann weiter Welt ausmessen.
So 17.02.13 13:31
Das Kind auf dem Laufrad wähnt sich vom Vater verfolgt, es quietscht vor Vergnügen, der Vater tut aber nur so, er simuliert schnelle Schritte auf der Stelle, und da komme ich und sage, 'n bisschen mehr Einsatz müsse schon sein. Das findet seine Frau auch, und da rennt er tatsächlich los.
Mo 18.02.13 17:01
Um 4:39 war meine Nacht vorbei. Das Lampenfieber verfolgt mich trotz hunderter Lesungen noch immer, es lässt mich schlecht einschlafen, und wenn ich dann eingeschlafen bin, treibt es mich in Träume, von denen ich schließlich erwache. 4:39 Uhr also, kurz aufstehen, Wasser lassen, wieder hinlegen, wälzen, dann schellt der Wecker. Es ist sieben, habe ich also doch noch fast zwei Stunden geschlafen.
Zerschlagen. Frühstücken, losfahren, glücklicherweise nur ein paar Kilometer, dann bin ich vor Ort. Ich lese in drei zweiten Jahrgängen. Alles geht gut, in einer Klasse geht es sogar sehr gut, aber wovon ich erzählen will, ist diese Unruhe, eine verbale Unruhe, die nach der dritten Lesung durch die geöffnete Tür vom Flur herein schwallt. Da ist irgendetwas los, während ich noch Autogramme schreibe.
Als ich fertig bin und in den Flur komme, steht da ein etwa vierzigjähriger Mann, groß, schlank, dunkelhaarig, Dreitagebart, weist mit ausgestrecktem Arm in die Klasse, in der ich am Morgen zuerst gelesen hatte und droht einem Kind lautstark an, ihm den Arsch aufzureißen, wenn es nach Hause käme. Drei Lehrer stehen herum, keiner sagt etwas. Ich sage auch nichts.
Do. 21.02.13 16:14
Seit gestern ist ein neuer Rechner im Haus, seit Stunden habe ich versucht, eine Verbindung zum meinem Webhost herzustellen, alle Tricks, alle mir zur Verfügung stehenden Passwörter habe ich eingesetzt, jedes Mal ohne Erfolg. Vor etwa fünfzehn Minuten versuchte ich es erneut, rief die die WS-FTP Maske auf und logte mich ein. Wie Sie sehen, diesmal hat es funktioniert.
16:32
Ich lege mich jetzt aufs Sofa, lese Zeitung und versuche zu vergessen. Draußen ist es grau. Hin und wieder schneit es.
Fr. 22.02.13 11:45
gerade noch einmal gut gegangen,
denkt der dichter,
sein kopf raucht,
die nerven haben gelitten,
die vergangenen tage
haben sich nicht weiter um ihn geschert,
sie sind einfach vergangen,
während er da saß mit seinem halbwissen
und den ratschlägen der besserwisser,
wie er da saß und die methoden
aller halbwissenden exekutierte,
immer in der hoffnung, dass der richtige kopf rollt.
möglich, dass unschuldige dabei drauf gingen,
das ist nicht auszuschließen,
wie jede revolte unschuldige trifft,
und jede revolte weiträumig zerstört,
aber das alles ist jetzt vergangen,
rauch hängt noch überm schlachtfeld,
und der dichter hat die standarte gehisst.
alle macht den improvisateuren,
alle macht denen,
die nicht wissen, wie es geht und es trotzdem tun,
die sich nicht unterkriegen lassen,
das steht drauf, frost hängt in der luft,
in ein paar tagen ist vollmond
dann wird ein wenig früher frühling aufziehen
und den winter vorerst vergessen lassen.
Sa 23.02.13 14:42
Sie werden sich erinnern. Letzte Woche summte ich eine Melodie, ohne zu wissen, worum es sich handelt. Ich zerbrach mir vergeblich den Kopf. Dann vergaß ich sogar die Melodie. Vorhin auf dem Hansaring summte ich sie wieder, ohne zu bemerken, dass es die Melodie war, die mir letzte Woche verloren gegangen war. Da ist sie ja wieder, sagte meine Freundin. Fast im gleichen Augenblick wusste ich, dass es sich um eine Komposition der amerikanischen Band Medeski, Martin & Wood handelt: Last chance to dance trance. So seltsam funktioniert das menschliche Hirn.
So 24.02.13 10:36
Nicht, dass schon alle Probleme gelöst wären, die über mich hergefallen sind, seit das Mainboard meines Laptop den Geist aufgab und ich einen neuen kaufen musste, nein, das nicht, aber die größten Unwägbarkeiten scheinen passé. Ich verstehe kaum etwas von Computern, also bedeutet das Einrichten eines neuen System Stress. Schlechten Schlaf. Ständiges Grübeln über Lösungswege.
Wenn die Forsytienzweige, die ich gestern zu den Narzissen in die Vase gestellt habe, zu blühen beginnen, wird mein Kopf hoffentlich wieder frei sein für meinen Roman, aber wie gesagt, der neue Rechner überrascht mich noch immer. Gestern abend behauptete er, meine externe Festplatte nicht lesen zu können, ich müsse einen Treiber installieren. Alle, die ich fragte, sagten, Windows 7 müsste den Treiber haben. Gerade schloss ich die externe Festplatte mit einem anderen Kabel an, und siehe, jetzt kann der Rechner sie lesen.
Ich mag mir nicht vorstellen, was geschähe, wenn es Hackern gelänge, die weltweiten Netze lahm zu legen. Nichts würde mehr funktionieren. All unsere Apparate wären nutzlos. Was sie, nebenbei gesagt, sowieso sind. Sie könnten uns helfen, aber sie dürfen uns nicht zu Helfern degradieren. In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Sonntag.
Mo 25.02.13 13:15
Ein Parkplatz war eng, der andere hatte die richtige Größe. Vor mir fuhr ein silbergrauer VW Kombi. Ich wusste nicht, ob er ebenfalls parken wollte. Als er in eine Einfahrt bog, gab ich der Fahrerin Zeichen, um mich zu vergewissern, aber sie reagierte nicht, und so begann ich einzuparken. Währenddessen sah ich, dass ihr Umkehrmanöver nur das Ziel hatte, ihren Wagen für diese Lücke in Position zu bringen. Ich stieg aus und sagte, es täte mir Leid.
14:33
Nach den vergangenen Tagen bleibt mir nichts, als mich aufs Sofa zu legen und zu mir zu kommen.
Di 26.02.13 18:38
Noch halbwegs betäubt vom Systemzusammenbruch am letzten Mittwoch und dem damit verbundenen Neustart habe ich mich heute zum ersten Mal wieder an meinen Roman gewagt und das Kapitel 19 auf Seite 137 zum Abschluss gebracht. Für das nächste Kapitel gibt es eine vage Idee. Darüber spreche ich morgen mit mir. Jetzt mache ich Feierabend.
Mi 27.02.13 16:56
Gestern abend dachte ich, es sei Zeit, die Saison zu eröffnen, zog mich warm an, holte mein Rad aus dem Keller und fuhr los. Noch kaum vom Hof begann mein Kopf frei zu assoziieren, auf der Autobahnbrücke hatte ich schon einige Ideen für den Fortgang des Romans, überm Aa-Tal lag Dunst, die Kälte war erfrischend, der Aa-See war vom Nordost leicht bewegt, die niedrigen Wolken reflektierten das Stadtlicht, ich fuhr mitten hinein und hindurch und am Ziel war ich bester Laune und froh. Jetzt noch ein paar Plusgrade, und das Leben kann Fahrt aufnehmen.
Do 28.02.13 11:22
Der unbedeutende Schriftsteller M. hatte dreißig Seiten seines neuen Romans an einen Verlag geschickt. Zwei Tage später stand die Verlegerin vor der Tür, überreichte ihm einen Umschlag mit 30.000 Dollar und sagte, er solle weiter machen. M. erwachte und konnte nicht wieder einschlafen.
16:36
Statusbericht: bewölkt, 6,4 Grad, Seite 143, mühsam zwar, aber nüchtern betrachtet ein Fortschritt.
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