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Gülpe, der dunkelste Ort Deutschlands.

Wir fanden in Gülpe einen Weg zur Havel, wir gingen hinunter zum Fluss, zwei junge Frauen mit ihren Kindern badeten, eine nackt, ein Paar, abseits, das auf Decken vor seinem Wagen lagerte, ein Kopfweidenwald, eine herzzerreißende Stille, flachstes Land, aber im Dorf kein Hinweis auf ein Hotel.

Ich hatte eines erwartet. In meinen Erinnerungen spukte ein Bericht über diesen dunklen Ort, über Wissenschaftler der Uni Potsdam, die hier ein Forschungsprojekt betreiben, etwas mit Mikroben im Wasser des Sees, die nur bei bestimmten Lichtbedingungen aufsteigen, um sich zu paaren, das spukte in meinem Kopf, und dazu ein Dorf mit mindestens einem kleinen feinen Hotel, aber das gab es nicht.

An einem Haus mit Gardinen so alt wie die Bewohner, die wir dahinter vermuteten, stand Zimmer zu vermieten, das wollten wir uns nicht antun, wir wollten keinen Familienanschluß.

Ein Mann meines Alters, Manchesterhose, kariertes Hemd, groß und kräftig, ein sehr geerdet wirkender, freundlicher Mensch, sagte, es gäbe hier keine Hotels. Hätte ich besser nach einer Unterkunft gefragt?

Keine zwanzig Meter von uns war der Hof der Stille, den ich heute gegoogelt habe. Als wir vom Fluss kamen, hatte ich sogar das Schild gesehen, aber nichts daraus geschlossen: Ich dachte an einen Maler oder Bildhauer, ich dachte an etwas esoterisches. <

Ein wundervoller havelländischer Vierseitenhof, höchst, höchst idyllisch, das, was uns gefallen hätte, aber der Mann sagte uns nichts davon. Und der junge Mann aus Berlin, der gerade aus seinem Auto stieg, weil er seine Mutter besuchte, die unterm Kirchplatz wohnt, hatte auch keine Ahnung, rief seine Mutter und fragte, aber auch von ihr erfuhren wir nichts.

Ist die Besitzerin des Hofes eine gemiedene Außenseiterin? Sie kommt nicht von dort. Zugezogen also. Wesssi. Ihre Zimmer sehen ganz anders aus, als die, die ich mir im Netz angeschaut habe, jetzt, wo ich wieder zurück bin und zerschlagen wie ein Hund von der langen Reise und den vielen Menschen der letzten Tage, kein Ikea, keine albernen Stehimwege und Kunstblumendekorationen, sondern Zimmer mit Decken auf Sofas und Leselampen, Sesseln und alten Schränken. Ruhe. Genau so etwas hatten wir gesucht.




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