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mensing literatur
 

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Fr 1.01. 10   9:49

normal null 64

damit das klar ist
sagte der mann
alle kicherten
bekamen rote köpfe
und versuchten
außer reichweite zu gelangen
aber sie hatten den mann unterschätzt
der mann hatte lösungen
vielleicht ist der mann gott
dachten die fluchtbereiten
aber der mann hatte nur nachgedacht
eine ganze nacht hatte er sich zeit gegeben
und jetzt handelte er
er machte die affen zu affen
liebende stellte er ins museum
er beköstigte die trauernden
erklärte die toten für tot
vergab den jungen die arroganz
den alten den schwachsinn
und alle mittelalten machte er fruchtbar
also doch dachten alle
doch gott dieser mann
aber dann sahen sie
dass der mann
sich einen stecker aus dem bauchnabel zog
oder vielleicht sah das auch nur so aus
jedenfalls friemelte er da was rum
worauf sein gesicht stufig heller und heller
seine haare lichter und lichter
und sein rest nahezu durchscheinend wurde
so dass alle sich anschauten
und dachten
das kann ja was werden
das jahr 2010
das kann ja was werden
doch dann war der mann fort
und sie dachten
besser wäre jetzt anzufangen

12:45

normal null 65

herr m. saß da
mit trottelhut
und red nose day nase
aber nichts war witzig
alles war fake
alles bildete er sich nur ein
kaum hatte sich ein gedanke
auf den weg gemacht
krachte er gegen die wand
herr m.hatte die wahl
single malts
bowmore 11 jahre alt
glenfiddich 11, 15 und 18
linkwood eleven
oder bruichladdich 46 %
keine altersangabe
was schlagen sie vor
sagte herr m.
oder ist ihr schweigen der weiseste rat
den das neue jahr für mich hat
da stieg wieder bezaubernde röte
in ihr gesicht
herr m. nahm den hut vom kopf
zertrat ihn im schnee
schiss auf die red nose day nase
und drückte systemstart
alles war bright
er nahm ein glas und entschied
auf bruichladdich
sollten die frauen schweigen
er posaunte sich hinaus in die welt
und ergriff eine chance nach der andern
tanz rief jemand
dreh bis der kopf schwirrt
das leben fickt nicht nur dich


14:29

normal null 66

der schnee wurde rot
und der wind trieb leichen herüber
sie waren gut angezogen
und lachten
sodass ich mich fragte
woran sie gestorben waren
und wieso plötzlich so leicht
dann drehte die sonne
einen kreis aus gewalt
methatron tauchte auf
brachte pommes mit mayo
ich kochte ihm einen kaffee
und er zeigte mir
dass ich lachen darf
weinen darf
alles nach außen kehren
und wieder verbergen
bis die holzgabel brach
methatron fluchend
die flügel ausklappte
um zum endspiel zu flattern
fliegen höhnte er noch
kann man das ja nicht nennen

18:32

normal null 67

wenn ich das richtig sehe
sagte ich zu mir
wenn ich
alles von allen seiten
von oben unten
innen und außen
nackt scanne
bleibt nur
dass schritt auf schritt
und sehr langsam
die gangart ist
die mir bleibt
alles andere macht
kaputt was mich heil macht
also gut sagte ich mir
ich habe es nicht verstanden
aber ich tu es trotzdem für mich
einverstanden sagte ich auch

21:39

normal null 68

vor mittag
zog ein fremder blick
auf dein gesicht
deine hand
zuckte zurück
und da ahnte ich
was geschehen könnte
dann wolltest du eine zigarette
ich holte kaffee
ich schnitt deine nägel
ich fotografierte
und als der junge krankenpfleger
auf der bank nebenan fragte
was mit dir sei
sagtest du
fragen sie lieber nicht
und so fragte ich auch nicht
und ahnte weiter
bis das telefon schellte
und mich aus dem leben riss
wie ich es kannte


Sa 2.01.10  00:11

normal null 69

jetzt sagen sie
das war letztes jahr
wie die zeit vergeht
nicht herr m.
ich aber weiß
dass es gestern war
mittwoch
17 grad leicht bewölkt
angenehm
und das bleibt so
es bleibt so und bleibt
auch beim lachen
beim tanzen
ich bin tätowiert
und bin stolz
dass du mich tätowiert hast

10:07

normal null 70

das bett
schaukelte über see
darauf piraten und ich
mit der hacke am bug
und dem brüllen im mund
vor uns ein handelsübliches sofa
wir enterten
und erschlugen
die eheleute vorm flachbildschirm
die katzenliebhaber
die wellensittichvoyeure
und liebster schatz rufer
die machsdochvonhinten lügner
die lehman geschädigten
und alle die glauben
gott existiert
und bluthunde
in vorgärten scheißen lassen
junge frauen mit silicion
und abwrackprämiennutznießer
es flossen blut wein und tränen
danach war die luft rein
unser bett wurde neu bezogen
der kreiselkompass spielte verrückt
wir kollidierten mit buckelwalen
die sagten da vorne links
und dann geradeaus
tötet den papst und zieht alle stöpsel
dann fällt die welt trocken
und dann soll sie mal sehen

15:10

normal null 71

die fußmatte bebt
wer sie hochhebt sieht
einen farbfilm mit schnee
einen einsamen hochsitz
einen mann eine frau
verknotet und
sehr interessiert aneinander
dann fällt die tür zu
jemand tritt seine schuhe ab
der film läuft nicht weiter
jemand hängt einen mantel auf
und stellt fest
dass der mann und die frau
aus dem film da jetzt hängen
gebügelte blaupausen
leicht bewegt durch die luft
beide stumm
hatten geredet nicht zugehört
und versuchen nun
einen tanz zu ergattern
mit kühen voll prallrosa milch
insofern ist alles beim neuen
alles ist überflüssig
und niemand erklärt
was es heißt
die tür
die ins schloss fiel
hat sich verletzt
und geht nie mehr auf
die sonne verschließt sich
der schnee trägt ins land
was die worte nicht können

18:54

normal null 72

als der
handstand dement wurde
lag er oft waagerecht
und wehrte sich
wenn man ihn aufrichten wollte
ein handstand
ist ein handstand ist ein handstand
schrie er
der radschlag der kopfstand
der schlagballweitwurf
die flugrolle
und wie sie alle hießen
saßen in nach schweiß riechenden turnhallen
verzehrten käsebrote
und machten witze über den handstand
aber sie hatten sich zu früh gefreut
bald darauf wurde auch der kopfstand dement
der radschlag
wollte beim rundfunk arbeiten
die flugrolle bekam panikatacken
und der schlagballweitwurf
behauptete schwanger zu sein
so kam eins zum anderen
die olympiade fiel aus
nur der handstand machte sich keine sorgen
er stand immer noch waagerecht
und schrie seine weisheit hinaus in die welt

23:21

normal null 73

der schnee liegt hoch
und treibt
auf die eisdiele zu
die geschlossen hat über winter
treibt weiter
und legt sich ins bad
lecker warm hat er's da
mit der klavier sonate 2 in bflat minor
von herrn rachmaninov
lässt er den tag hinter sich
küche geputzt gebügelt
vier maschinen wäsche gewaschen
fünf gedichte geschrieben
über dreihundert zahlende kunden
ein traum denkt er noch
dann hört er den schneepflug
und das lässt er nicht auf sich sitzen
ich muss schneien murmelt er
während er sich in die kleidung quält
schneien schneien
zum kotzen ist das


So 3.01.10   10:10

normal null 74

vertreter schlugen vor
dichter an verkehrsreiche kreuzungen zu stellen
es gäbe mehr als genug
man müsse ihnen schmeicheln
schon täten sie alles
was die direktoren davon hielten
nun sagten die
dichter sind unzuverlässig
manche werden gefährlich
wenn sie mehr als einmal pro tag essen
dann lieber noch posaunisten
die hätten
die hände nicht frei
die könnten
nicht reden
und wenn man denen bezirke zuteilt
dann solln se mal sehen

seitdem erbrechen sich
überall männer ins blech
autofahrer landen in vorgärten
kaum ein liebhaber
kann noch klar denken
die sonne geht später unter
tiefdruckgebiete ziehen woanders hin
und der absatz von margarine
hat sich verdoppelt

niemand
kann sich etwas erklären
kaum einer
hat etwas gesehen
die kinder sagen
es sei schöner jetzt als vorher
und an flugzeugen
hängen al-kaidi kämpfer
in bunten tütüüs

die westliche welt
hat wieder ideale
und siegt
die päpste haben mätressen
alle sind glücklich
und wissen nicht wieso

11:29

Drama ....


16:43

normal null 75

um viertel nach
wurde der vater unruhig
um halb begann er
namen zu erfinden
hure rumtreiberin
deine tochter
war es zwanzig vor viertel vor
ging ein schlüssel im schloss
half nichts mehr
teppichklopfer
hände kochlöffel
schlugen über der schwester
zusammen
die sich schützte
und zur mutter floh
die seinen namen rief

verzweifelt
kochte vater liebe
und eifersucht in
die tränen der schwester
er war warm
wird sie sagen
nach seinem tod
wärmer als mutter


Mo 4.01.10
  15:48

normal null 76

wir machten gold
nagelten teufel aufs brett
schrumpften riesen
und gaben nur trinkgeld
wenn liebe dabei war
wir hatten konten
traten die mühle zu brei
und das wasser zu milch
fiel der himmel auf uns
versüßte er jede furcht
könige hatten keine chance
wir erstritten wunden zum fürchten
niemand setzte auf uns
nackt waren wir
ohne anfang und ende
dann kam es doch
wir fanden kein kein mittel mehr
konnten trinkgeld geben soviel wir wollten
die mühlen mahlten brennendes blut
vom himmel fiel
angstschweiß aus allen poren
die hoffnung blieb
aber die seile rissen
du flogst fort
und hier bin ich
kein engel allein


Di 5.01.10 01:51

normal null 77

löste ihr konto auf
fuhr zu klinik
klopfte beim radiologen
trat ein
und schoss
er konnte nichts dafür
aber es tat gut
jemanden zu töten
der nichts dafür konnte
fuhr nach hause
aß linsensuppe
legte mich aufs sofa
und wartete
bis sie kamen
sie stolperten in sprengfallen
nun sind alle tot
und das gönne ich uns

10:39

normal null 78

in zehn minuten
steigen sie in münchen
im bahnhof münchen
in den flughafen ein
entkleiden sich werden von
frauenärzten und proktologen
untersucht
ohne ihre persönlichkeitsrechte
anzu - äh natürlich
und wo haben sie das sonst
nehmen sie - äh -
rom den flughafen da
oder äh - da werden sie
also da brauchen sie
in zehn minuten werden sie da
und dann fliegen sie praktisch nackt
nur das personal ist bekleidet
und die piloten die brauchen äh taschen
für ihre kugelschreiber und äh

11:00

normal null 79

die hüte
würden den einsatz lohnen
die gesichter die wortwahl
die piercings
jacken und hosen
das alter der kunden
in eile in muße
das alles ist reizvoll
aber für 6 euro pro stunde
trete ich nicht mehr an
zumal es im kiosk kalt ist
sehr zugig sehr kalt
also fahre ich heim
rolle mich in eine decke
lasse den abend beginnen
und brauche stunden
bis ich wieder aufgewärmt bin

14:30

normal null 80

ich kalbe eisberge
tüte luft ein
und erkälte mich nicht
ich habe eine tasche
für tragische träume
einen eimer für auskunft
ich habe
lächelnd die menge verbaut
esse honig und luft
umkreise die frauen
als hätte ich eigene zähne
dabei habe ich bloß den verstand verloren
seit es nicht mehr um dich geht
und nur noch um dich
bin ich trostlos
und nicht mehr zuhause

19:00

normal null 81

machen sie lärm
sagte die frau
vergeben sie sich
sie treiben sonst ab
nehmen sie keine rücksicht
ich bin gar nicht da

gut sagte ich
streckte ihr meine hand entgegen
damit sie die bassdrum
gefahrlos verlassen konnte
doch sie flog lächelnd davon
und ich dachte
mein engel mein engel


Mi 6.01.10  11:00

heute schreibe ich nicht heute bewege ich mich nicht heute wird nichts getan und versucht bei laune zu bleiben der mensch neigt ja zu schlechtem gewissen wenn er nichts tut dabei ist nichtstun das was uns nah liegt gehen sie mal in den zoo wie da nichts getan wird und trotzdem nicht rumgenörgelt herrlich sag ich ihnen ganz wunderbar also ...

17:56

normal null 82

sie vergraben die sonne
fetten ihre muskeln
singen lieder
damit ihre stimme nicht einfriert
und schlagen sterne aus eis
auf ihren nasen
trocknen weihnachtsbäume
in ihrem herz ist alles vernäht
was nicht nagelfest ist
und so gehen sie heute abend
hinaus und warten
bis frost sie ins jenseits kühlt
das soll nicht weh tun
sagen sie und
dann wird es so sein
sie treffen die anderen
die unter brücken obdach finden
die wagen es auch
und wollten nie etwas anderes
als ihre ruhe

19:53

normal null 83

ich kann
heute nicht mit ihr sprechen
sie hat besuch
er ist viel größer als ich
und jünger
aber ich bin gewappnet
gegen alles was eifert und sucht
ich bin ein buddha des alltags
ich schweige
ich atme in zyklen
bis mir das herz stockt
und die sinne schwinden
so atme ich nicht
bis die sinne flügel bekommen
und unsinn stricken
mein kopf ist ein bastard
schon immer hatte er flausen
wo andere pläne hatten
als ich geboren wurde
blühten kastanien
wahrscheinlich liegt's daran
ich weiß nichts
und will es nicht wissen
ich will drehen im schwindel
vergessen im tag und im traum
ich will meine welt
jeden tag bauen in grün gelb und rot
aus augen funkeln
und lachen verschenken
du witzbold du lieber sagt die
die gar nicht für mich ist
für mich ist aller tage morgen
und hoffnung ist da wo du bist
meine tote
hoffnung ist anfang und ende
wie sehr wir uns lieben wissen nur wir
die andern sind dumm


Do 7.01.10 13:12

normal null 84

ein großer möbelwagen fährt vor
männer in braunen overalls
tragen hässliches in ein haus
die bewohner haben es gekauft
niemand hat sie gezwungen
sie fanden es schön
meinungen stecken in tiefem schnee
die nicht geräumt werden können
sie schlagen wurzeln in köpfen
und suchen sich gene
zum weitersagen
bis schließlich die ahnen
in abfall versinken
der auf raten geliefert
noch jahre und jahre für sorgen sorgt
das alles vergeblich
und eine ganz normale geschichte

16:24

normal null 85

ich werde heute
22tausend222 tage alt
und da erinnere ich mich
15483
sagt jemand
kein problem sage ich
kurz vor moskau
ich hatte ein bein gebrochen
dann kam dieser elch
auf dem ritt ich
ja ja sagt jemand
du und ein elch
warum nicht antworte ich
gib mir eine andere zahl
wenn du's nicht glaubst
7344
moment sage ich
da war ich am meer
carina und ich probierten die neuen bewegungen
die mir teppa in finnland gezeigt hatte
wir übten und übten und kamen zu nichts
weil's sich so gut anfühlte
3150 - hm - warte
ich glaube
ich fesselte uli hase an einen baum
und wollte ihn gerade skalpieren
aber die kirchenglocken schlugen
die vereinbarte zeit
also ließ ich ihn stehen
und rannte nach hause
uli wurde stunden später entkräftet gefunden
reicht das
reicht sagt der arzt nicht dement
noch nicht antworte ich17:48

normal null 86

vorbei jetzt mit diesen gedichten
das jahr taumelt so kalt wie seit langem nicht mehr
bewegung schreit alles
aber bewegen wohin warum
und mit wem
die lebensabschnittsbewegungspartnerin ist frisch verliebt
und ich schau in die röhre
als hätte ich nicht genug in röhren geschaut
egal
froher mut mensing
das a und o des witwers wird neu buchstabiert
wer weiß vielleicht gehen wir ins kino morgen
vielleicht nicht oder es passiert dies oder das
ich werde mich melden
oder ich melde mich nicht
alles scheint ohne netz
alles wie immer wer wollte sich wundern ich nicht


Fr 8.01.10   12:25

alle warten auf die katastrophe ich nicht ich habe sie hinter mir

16:01

kein text keine lust

21:51

Post für mich:

Sehr geehrter Herr Mensing,

heute kam ich auf meinem Nachhauseweg in der U7 auf der letzten Seite
von Pop Life an. Ziemlich genau bei der Einfahrt in den U-Bahnhof
Hermannplatz las ich die letzten 5 Zeilen und war durch. Seit Mitte
Dezember war Ihr Roman mein ständiger Begleiter - morgens 20 Minuten,
abends 20 Minuten versüßte mir das Buch die freie Zeit vor und nach der
täglichen Arbeitsmühle.

Danke dafür. Es waren sehr schöne Stunden mit Hans, Paul und Steven
und sie waren viel zu schnell vorbei.

Könnte man auch ein schönes Hörspiel daraus machen, z.B. als Serie in 4
bis 5 Folgen. Ich würde mir's kaufen.

Ach ja: Gefunden habe ich das Buch durch das Literaturcafé im Internet.
Die Rezension in der Berliner Zeitung hatte ich leider nicht gelesen
(war das in der unübersichtlichen Buchmessebeilage?), sonst hätte ich
mir da Buch wahrscheinlich schon früher zugelegt.

Herzliche Grüße aus Berlin

Ralf S.


Sa 9.01.10 14:01

Langsam schneit es sich ein. Ich vermeide Bewegung.

17:09

Höchstens, dass ich deine Blumen fotografiere.



20:32

Stille und Einsamkeit im Überfluss. Dabei wollten wir zusammen alt werden.


So 10.01.10
 11:01



Leer geschrieben. Das erste Wort zieht keines nach. Also lasse ich es, lasse alles, meine Katze schaut zu, die hat's gut, denke ich, die tut nichts als Essen und Schlafen, während ich sitze und Schneeflocken zähle. Heute abend jedoch gehe ich Tanzen.

13:31

Beethovens 5te graphisch




Mo 11.01.10
  14:17

Lief heute nach Münster. Du warst bei mir.

 

Di 12.01.10   10:04

Romananfang 17

Wie Herr M. da so bis zum Hals im Schnee steckte, dachte er, dass dies das Ende sein müsse, das er sich ein Leben lang versucht hatte vorzustellen, das er gefürchtet und herbeigesehnt hatte, kurz, er hatte es in allen Varianten umkreist und zergrübelt. Wenn er wenigstens eine Hand frei hätte, könnte er versuchen, einen Kanal zur Hosentasche zu graben, in der sein Handy steckte, das vorhin einmal geschellt hatte. Aber der Schnee war hart und er bewegungsunfähig. Er spürte nicht einmal seine Eier. Als ein Räumfahrzeug auftauchte, glaubte Herr M., gerettet zu sein, aber der Mann am Steuer des Schiebefahrzeuges übersah den Kopf, der aus dem Schnee ragte und schob ihn einfach weg. Herr M. war sicher, dass er das Knacken noch mitbekommen hatte. Ansonsten jedoch kein Schmerz, keine Panik, nur Ruhe. Und dann das herzliche Wiedersehen, aber das konnte sich Herr M. nun gar nicht erklären, schließlich glaubte er doch an nichts ...

Mi 13.01.10 10:31

Werde jetzt mal beginnen, die Gedicht, die ich in den letzten Wochen geschrieben habe, zu überarbeiten. Hier ein Wort weg, da eines hinzu, da bleibt sicher einiges auf der Strecke, aber es werden auch Dinge zum Vorschein kommen, von denen ich vorher nichts wusste. Schöne Arbeit.

Was die wirkliche Welt angeht, bewegt sich einiges.

12:31

Zitat: Alexander Gorkow, Mona, Roman, Kiepenheuer &Witsch 2007

"Ich denke, dass die Zeit, in der meine Eltern junge Menschen und dann junge Eltern waren - die zweite Hälfte der 60er und die erste Hälfte der 70er Jahre -, eine insgesamt vom Schicksal erleuchtete Zeit war. Hätte sich die dort aktive Generation etwas disziplinierter an den eigenen Zielen und Idealen orientiert, anstatt dann trübe zu dämmern, die Welt wäre heute ein besserer Ort."


Do 14.01.10   11:26

Die Leute sagen, dass sie etwas, das stattgefunden hat, noch nicht begriffen hätten.
Ich habe mich immer gefragt, wie das sein kann. Ich war dabei, ich habe es gesehen, und doch ist es so, dass ich erst jetzt, nach über einem halben Jahr, langsam beginne, zu "begreifen".

Das schmerzt. Das Begreifen ist noch lange nicht abgeschlossen.
Noch immer wehrt sich alles in mir, noch immer bin ich fassungslos, und natürlich hat das Auswirkungen auf meine Arbeit. Alle Texte, die seitdem entstanden sind, sind geprägt von diesem Ereignis.

Es ist nicht so, dass ich mit hängendem Kopf die Welt an mir vorüberziehen ließe, im Gegenteil, ich erlebe viel, aber unterm Strich bleibt das meiste fad. Daher setze ich auf den Frühling. Aber ich weiß auch, dass der Frühling die Zeit war, in der im letzten Jahr alles begann. Harmlos zunächst, dann von Tag zu Tag ernster werdend, bedrohlicher, und als die Bedrohung schließlich zum Tode führte, war es so, als stünde die Welt still und nichts sei mehr von Bedeutung. Daran hat sich bis heute nichts geändert.


12:09

normal null 88

wieder warten zehn finger
sie haben die welt begriffen
und hätten allen grund
einzugreifen
aber jemand hat es verboten
so tanzen sie hilflos
und sagen
wir sind alle daumen
was können daumen schon tun
zwei hände voller daumen
das führt doch zu nichts sagen sie
und lachen still in papiertaschentücher
hinterlassen dna für ihre verfolger
und täuschen die welt über jedes gefühl
falls es überhaupt eines gibt
falls gefühl nicht
chemie ist die rüpelnd
von einer synapse zur nächsten turnt
und hirnlappen aktiviert
die sich zur täuschung dieses und jenes ausdenken
und den denkenden dümmer machen
als die welt erlaubt
das sagen die finger
die sich als daumen getarnt
in dicken fäustlingen verkrochen haben
und auf wärmere tage hoffen
das sagen sie und jeder der will
kann es hören und nicht begreifen


Sa 16.01.10   11:30

normal null 89

ich hätte da ein jahrzehnt
sagte die verkäuferin
eine schöne frau mit akzent
und strengem geruch
ein jahrzehnt fragte ich
eines mit aussicht zum hof
zur straße und südbalkon
beste lage und 500 warm sagte sie
ach seufzte ich
dem das seufzen fragwürdig war
wie das lachen das weinen das himmelhoch jauchzen
wo wenn ich fragen darf
die schöne frau beugte sich zu mir
ihr geruch funkelte wie katzengold
ihre schönheit rührte mich
hier sagte sie
kommen sie keine angst
und so tappte ich in die falle
tünchte den strengen geruch
tapezierte und schleifte die böden
die schönheit zerbarst beim türenzuschlagen
und wie alles schöne zuvor und danach
verstand ich es nicht


So 17.01.10 10:01

Erkläre mich einsatzbereit. Rufen Sie an, schreiben Sie, buchen Sie mich, damit ich nicht verblöde. Verblöden geht schnell. Einmal nicht aufgepasst, schon geht es los. Ein Wort fehlt. Ich weiß, welches, aber es hängt irgendwo, und erbost denke ich, das ist Demenz. Andererseits gab es immer Wörter, die fehlten, und dann doch wieder auftauchten. Nach etwa zwei Minuten taucht diesmal. Es hinterlässt mich fassungslos.


Di 19.01.10 01:11

Romananfang 18

Wenn gleich alles vorbei wäre, sagte der Mann, dem man im Bus neuerdings einen Sitzplatz anbietet, hätte ich nichts zu bereuen. Ich bekam alles geschenkt. Gearbeitet habe ich nie. Es war ein Vergnügen, hier zu sein. Eine Mühe. Ich bin auf drei Menschen stolz. Meine Leute. Ich bin der vierte. Ich nehme jetzt die Pistole und erschieße mich.

11:54

Im Grunde ist das Salsa Tanzen sehr einfach. Man hat nur zwei Beine. Das einzige, was man braucht, ist Rhythmus. Natürlich kann man darüber einiges lernen, aber die Begabungen der Menschen sind verschieden, und so gibt es viele, die keinen Rhythmus im Blut haben. Ich habe Rhythmus, das ist eine meiner wenigen Gewissheiten. Diese Gewissheit ist nicht diskutabel.

Letzten Sonntag musste ich die ersten 25 Minuten mit einer Tänzerin verbringen, die keinen Rhythmus hat und nie einen haben wird. Das hat keinen Spaß gemacht. Nicht, dass die Person unangenehm gewesen wäre, nein, sie war freundlich und mühte sich, aber was nutzt die Mühe, wenn die Basis fehlt.


Mi 20.01.10   12:17

Gerade mal sieben Monate alt, ist mein Enkel schon weit gereist. Gestern schob ich ihn durch die Stadt. Ich kenne das. Ich habe meine Kinder von hier bis zum Mond geschoben. Ich war Hausmann. Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir brüstet sich schon, wenn er mal sechs Wochen zuhause bleibt und sich seinem Neugeborenen widmet, er propagiert das als wichtige Erfahrung.

Professionelle Hausmänner wie ich können da nur müde lächeln. Ich habe die Drecksarbeit gemacht. Ich habe kaum Anspruch auf Rente, bin allein geblieben, weil das Schicksal gemein ist und gut und keine Rücksicht kennt, jetzt stehe ich da und sehne mich, bin ohne Rat, ohne Trost, stochere im Nebel und weiß nicht, wie es gehen soll.

Dabei zieht das Leben täglich seine Bahn, und ich ziehe mit.

Die Blicke, die man mir zuwarf, als ich mit dem Enkel die Stadt kreuzte, waren aufschlussreich. Junge Mütter lächelten mich an, Männer meines Alters wussten nicht recht, was sie denken sollten, und als ich in einem Asienladen ein Geburtstagsgeschenk für meine Großnichte kaufte, fragte die Besitzerin vorsichtig, ob ich meinen Großvaterpflichten nachginge, man wisse heutzutage ja nie, die "älteren Herren heiraten ja gern junge Dinger".

Ich konnte sie beruhigen. Ich bin zwar ein älterer Herr, der mit einem jungen Ding einen Tanzkursus macht, sonst aber nichts. Darüber aber freue ich mich sehr. Ob ich je wieder ans Schreiben komme, weiß ich nicht. Ich höre Stimmen, mein Kopf ist voll von Geschichten, aber sobald ich mich setze, sind die Stimmen entweder auf und davon, oder so belanglos, dass ich mich weigere, sie aufzuschreiben. Und die, die noch im Besitz von Manuskripten sind, die zur Veröffentlichung taugen, melden sich nicht.

15:49

normal null 90

eine tüte vom fleischer
kam mir entgegen
sie war gut gelaunt
grüßte und ich grüßte zurück
fragte nach woher und wohin
sie sagte
das sei nicht von belang
sie sei unterwegs
das genüge vollauf
wer mehr erwarte
erwarte zuviel
aha sagte ich
ich hätte aber doch eine frage
ich bin auf der suche nach einem job
ich könnte dieses und jenes
sie sind doch im dienstleistungsgewerbe
gäb's da nicht was
ach wissen sie sagte sie
als tüte verdient man ja nicht sehr viel
und sie als dichter
sie können doch nichts
vielleicht wäre es besser
sie schössen sich tot
ach das mit dem totschießen
hat auch kaum perspektiven sagte ich
da haben sie recht sagte sie
ich nahm ich sie
knüllte sie zusammen
und warf sie in den papiermüll


Do 21.01.10   11:22

normal null 91

eine amsel spaziert übern dachfirst
wind setzt sich auf die wäschestange
und webt einen kompass
grashalme strecken sich
die sonne streicht
müde augen aus träumen
nur die zeit sträubt sich noch
weil sie weiß
wer hinter den dehnungsfugen lauert
sie kennt alle wege
und jedes ergebnis
auch wenn heute ein kater maunzt
und wenn morgen ein baby schreit
ist es ihr einerlei

16:23

normal null 53 lesen und hören...rate dringend zu einem Kopfhörer.


Fr 22.01.10   18:18

Ich hatte sie in meine Träume gebeten. Heute nacht war sie da. Ich schlief auf einer Isomatte in Ullis Artisten-Container hinterm Varieté Zelt in Bochum. Vielleicht hat sie gedacht, nun liegt er schon so hart, da leiste ich ihm Gesellschaft.

So sieht das Zelt von hinten aus.
Saß vor Ullis Tür und trank einen Schluck Wein gegen Mitternacht.



Das ist Ulli.
Er ist Komödiant und Pianist der Lonely Husband.
Vor über zwanzig Jahren spielten wir zusammen in einer ziemlich wilden Band.


Sa 23.01.09 15:23

Soviel für heute. Die Stimmung ist gut.
In meinem schwarzen Notizbuch stehen Sätze, die hoffen lassen.



So 24.01.10 12:18

Die Konsequenz wäre? Ich weiß es, aber ich bin zu feige. Die Konsequenz hieße: schweigen. Und warum bin ich zu feige? Weil Nichtschweigen das einzige zu sein scheint, das Sinn macht. Zumindest macht es Sinn für mich. Und heute abend wird wieder getanzt.

16:20

Ekstatisches Nackttanzen zu Dark Metal gehört zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Da versteht es sich von selbst, dass Körperbehaarung nicht entfernt, Prothesen nicht eingesetzt und auch sonstige Hilfsmittel außen vor bleiben, denn was wäre das sonst außer Betrug? Nein, nein, man muss sich schon trauen, der Kurs ist nichts für scheue Gemüter, dennoch wendet er sich an Männer und Frauen jeden Alters. Damit aber keine Missverständnisse aufkommen: er basiert auf einem zutiefst platonischen Verständnis der Geschlechter, das ungleich höher einzuschätzen ist als das doch etwas unappetitliche, andere Verständnis, über das hier nicht gesprochen werden soll. Der Kurs findet einmal wöchentlich statt. Die Basisgebühr beträgt 5000 Euro, was der Exklusivität hilft, bleiben doch so die unangenehm armen Elemente unserer dem Kollaps geweihten Gesellschaft außen vor. Mediziner sind anwesend, Hörgeräteakkustiker helfen wo sie können, hin und wieder verrenkt sich jemand schon mal die ein oder andere Extremität, im Übrigen aber sollten sie die glücklichen Gesichter all jener sehen, die sich das Besondere leisten.


Di 26.01.10 10:32

normal null 92

ich würde gern fort schwimmen
sagte der mann
aber mein horizont hat eine barriere
ich weiß nicht wieso
sie verspiegelt das außen
wenn ich näherkomme
denke ich
dass ich es bin
der da im kreis schwimmt
seinen mund stülpt
und vergangenes träumt
wer seine nase an diese barriere presst
kommt
weil er sehen will
dass jemand gefangen ist
er kommt
weil er meine goldenen schuppen fotografieren will
und sich rühmen mit mir
so drehe ich mich und suche von früh bis spät
den anfang des kreises
luftblasen steigen auf
alles was war wird nicht mehr
zur nacht weine ich
und gestern erst dachte ich
wenn ich nur lang genug weine
schwappen mich meine tränen davon
ich weiß nicht wohin
aber ich habe gehört
dass es draußen etwas gibt
das größer ist als alles
was einer sich vorstellen kann
einmal schon habe ich es geahnt
und war sehr erschrocken

14:00

Am 14. Januar 1969 war ich in der Halle Münsterland.
Jimi Hendrix spielte. Hier ein Foto, das ich gemacht habe.


Und hier der dazugehörigen Ton.


16:14

Mein augenblicklicher Lieblingssänger...




Mi 27.01.10 11:37

Ich denke über einen Roman nach. Ich habe erste Sätze, mit denen ich spazieren gehe, ich wäge sie ab, wenn ich spüle, staubsauge, wenn ich Kaffee trinke, ich drehe und wende sie, und es scheint, dass sie genügend Kraft haben, weitere Sätze ans Licht zu ziehen. Aber eh ich beginne, wird noch Zeit vergehen. Vielleicht ist die Zeit morgen vorüber, vielleicht erst im Frühjahr, so etwas weiß ich nie. Aber ich weiß, dass es funktionieren könnte, das ist immerhin etwas.


Do 28.01.10 00:30

normal null 93

so eine große nase
dachte der mann
was man alles röche
hätte man so eine nase
den staub aus dem all
das essen der afrikaner
die vergeblichen düfte der frauen
auf kilometer
den anderen wind
und das leben dahinter
das alles dachte der mann
und schaute die frau an
die behauptet nicht tanzen zu können
dabei hatte sie was man braucht
nur die schritte kannte sie nicht
was soll's
dachte der mann
die nase nehme ich mit
eh sie sich erkältet
die nase stelle ich auf meine fensterbank
das ist besser als jede alarmanlage
also nahm er sein opinel
machte einen schnellen schnitt
und war fort mit der nase
eh jemand alarm rufen konnte
die arme frau
dachte er später
nun ist ihre nase futsch
und sie riecht nur noch das naheliegende
das tropfende blut und die anästhesie
aber vielleicht kommt ein doktor
und baut eine neue
das ist ja möglich
so etwas geschieht alle tage
dachte der mann
stieg ins auto
und fuhr nach hause
aber irgendwo unterwegs
hat er die nase verloren
und wer eine nase verliert
das weiß jedes kind
hat nichts mehr zu lachen

13:31

normal null 94

das schiff war groß
auf der theke der bar saßen zwei aras
und begrüßten jeden
mit eifersüchtigem geschrei
sie waren verliebt
sie wollten nicht
dass jemand sie stört
außerdem war ihre sehnsucht zu groß
sie kannten das wasser nicht
das schiff machte ihnen angst
sie wussten nicht was die welle tut
und dass der urwald fort war
machte sie unruhig
so ließ der weibliche ara den kopf hängen
die besatzung glaubte
mit aspirin könne man heilen
als das schiff den äquator erreichte
war der weibliche ara schon tot
und der männliche verfiel
vor den kapverden sträubte er sich
ein letztes mal
der mann
der dabei war
wusste noch nichts
über schmerz und verlust
erst jahrzehnte später saß auch er
auf der theke einer bar
und musste mit ansehen
wie er seine liebe verlor
seitdem sträubt er die federn
und ruft in die zukunft
die hinter den kapverden anfängt
oder vor norderney
das weiß der mann nicht


Fr 29.01.10   19:28

normal null 95

wenn wir anfingen
sprachen wir bände
wir liebten unsinn
als aber der satz kam
verstummten wir
weil er drohte
und wir keine krieger
die waffen nicht scharf
trotzdem mussten wir in den krieg
lasen die bulletins
anfangs noch frohe botschaften
aber wie in jedem krieg
täglich düsterer und die einschläge
schließlich tödlich
so kam mir der unsinn abhanden
und alles übrige auch


Sa 30.01.10   14:16

Hier die von Emnid ermittelte Top-Ten der Normal Null Gedichte des Monats Januar 2010

Platz 1
Platz 2
Platz 3
Platz 4
Platz 5
Platz 6
Platz 7
Platz 8
Platz 9
Platz 10


18:32

Der Roman, den ich vor mir herschiebe, fing als Schneeball an, den man pappt, um einen Schneemann zu bauen. Aber ich will keinen Schneemann bauen. Ich will einen Roman schreiben. Also rolle ich den Schneeball weiter, er wird, groß, ich rolle ihn immer noch vor mir her und er wird noch größer. Wenn ich ihn nicht mehr rollen kann, ist es so weit. Aber dahin dauert's noch.


So 31.01.10   15:51

Damals hatten wir diese Stadtwohnung, und Ewald hat ein Aquarell gemalt...















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