Januar 2021                     www.hermann-mensing.de      

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Fr 1.01.21 11:13 / Krise Tag 293 / Hochnebel

Die sonst an Straßenecken sich türmenden abgebrannten Feuerwerkskörper fehlen, noch ist es diesig, aber die Sonne wird es richten.

17:15

du hängst mir bleiern in den knochen
du hast mich blöd und froh gemacht
mir ist nach diesen turbulenten wochen
seit märz
als fänd ich mich in einer schlacht
um wahres und erlogenes
um bares und verflogenes
um mich um dich um solidarität
zu spät? - wer weiß
die welt hat sich gedreht.


Sa 2.01.21 13:12 / Krise Tag 294 / bewölkt, könnte Schnee geben

Man will aufbrechen in eine bessere Zukunft, die in den ersten Januartagen immer ihr Lügengesicht in den Himmel projiziert, bemerkt aber sogleich, dass das so einfach nicht geht. Das Elster Formular für die Steuer lädt sich zwar easy down, aber dann wird es sofort kompliziert. Man hat verschiedene Registrierungsmöglichkeiten. Man denkt, mit der Personalausweis-App ist es wahrscheinlich am einfachsten, also lädt man auch sie down, um gleich darauf festzustellen, dass das Smartphone, das man besitzt und eigentlich nur für den Notfall und auch nur unregelmäßig am Leibe trägt, diese App nicht unterstützt. Gut, denkt man, macht man es mit der Steuer ID, die hat man, man gibt sie ein, bestimmt die Antwort auf die Sicherheitsfrage, bekommt per Mail eine Aktivieriungs-ID, will loslegen, aber den Aktivierungscode bekommt man mit der Post. Also Ende des Aufbruchs, man weiß schon nicht mehr, wieso man überhaupt aufbrechen wollte, ob es überhaupt Zukunft gibt, oder ob nicht alles einfach immer nur weiter geht und weiter geht, bis es nicht mehr weiter geht. So wird es sein, denkt man und lehnt sich zurück. Man hat immerhin die Eckdaten für die Einkommenssteuererklärung zusammengestellt, Einnahmen, Ausgaben, Kosten etc. pp., das ist für einen zweiten Januar schon nicht schlecht, jetzt kann man in Frieden weiterkiffen und hoffen, dass das neue Jahr am Montag endlich beginnt. Man freut sich auf die gelockdownte Innenstädte, auf das nicht stattfindende Tanzen und auf die endlosen Abende vor geschlossenen Kneipen. Das wird ein schönes Jahr, denkt man noch, dann klingelt es, und der Mann mit der Spritze steht vor der Tür, ein Ukrainer mit Ausweis, der haut einem für achzig Euro irgendetwas in die Muskulatur und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Man lernt also, dass jede Krise auch die Kriminellen aktiv werden lässt, auch sie müssen sich ständig neue Erwerbsfelder erschließen. Es ist eben wie es in neoliberalen Gesellschaften so üblich ist, jeder kämpft für sich allein, auf den Rest scheißt man. The torture never stops.


Mo 4.01.21 15:00 / Krise Tag 295 / feucht, Griesel

Ich fange wieder an. Ich beginne da, wo ich nichts weiß, um an einen Ort zu gelangen, von dem ich noch weniger weiß, da bin ich Zuhause. Seit ich denken kann, revoltiere ich. Ich folge Regeln, aber ich muss sie selbst entdecken. Eine Regel, an die ich mich immer halte, bin ich. Mehr kann und will ich auf dieser Welt nicht erreichen.


Di 5.01.21 18:35 / Krise Tag 296 / grau, kalt, aber trocken

Heute bin ich zur ersten Tour des Jahres drei Stunden ziellos im suburbanen und urbanen Raum herumgeradelt, wobei auffiel, dass der urbane Raum fast so entvölkert war wie der suburbane in der Grafschaft und am Kanal. Nach meiner Rückkehr las ich, dass der britische Pharma Konzern Astra-Zeneca ein Medikament gegen Covid19 testet. Man erwartet, dass das Medikament vielleicht schon zum Frühjahr auf den Markt kommen kann. Falls es hält, was es verspricht, wäre das Grund genug, der Gesellschaft all die Freiheiten zurückzugeben, die sie augenblicklich vermisst.


Mi 6.01.21 17:10 / Krise Tag 297 / grau, kalt, trockend

das dunkle brett schlägt auf
noch hat man licht und hoffnung
die nacht nimmt ihren lauf
und sie verspricht erleuchtung


Do 7.01.21 17:43 / Krise Tag 298 / grau, feucht

Heute der zweite Versuch, das Elster Formular auszufüllen. Selbst mit der Hilfsfunktion verstand ich kaum die Hälfte. Wo ich etwas verstand, gab ich etwas ein, aber als ich den Antrag zum Schluß prüfen wollte, poppte ein Fenster auf und verlangte, ich müsse noch etwas über die Corona-Hilfe eingeben. Über die Suchfunktion stieß ich auf über 3000 Hinweise, fand aber keinen Link, was doch eigentlich selbstverständlich und an erster Stelle der angebotenen Corona Optionen stehen sollte. Seit heute mittag bin ich damit zugange, jetzt reicht's mir. Muss ich also doch alle niederschießen, die dieses Deutsch verantworten. Warum, bitte, geht das nicht einfacher? Einnahmen. Ausgaben. Fertig. Mir würde das reichen.


Fr 8.01.21 12:45 / Krise Tag 299 / hellgrau

Nochmaliger Versuch, das Elster Formular auszufüllen. Diesmal gelingt es mir, die Corona-Anlage aufzurufen, im Endergebnis aber müsste ich über 43.000 Euro nachzahlen, da habe ich also schon wieder etwas verkehrt gemacht.


So 10.01.21 18:15 / Krise Tag 301 / sonnig am Nachmittag

Jetzt hat der alte Mann seine Wohnung renoviert, hat abgekratzt, gemischt, verputzt gestrichen, gehämmert, hat Dinge hierhin und dorthin geschleppt und wieder zurück, hat ein- aus- und umgeräumt, und kein Zipperlein nichts, nirgendwo, bis auf einmal, ein bisschen Zerren in der linken Wade, seinem Standbein auf der Leiter. Gut, hat er also gedacht, das ist jetzt erledigt, der Flur kommt im Frühjahr dran, nun schreibe ich wieder, und nach kaum einer Woche am Schreibtisch hat er Rücken.


Mo 11.01.21 21:14 / Krise Tag 302 / grau, feucht

ich höre auf zu denken
es macht mir keinen spaß mehr


Di 12.01.21 13:15 / Krise Tag 303 / grau, feucht

auch wenn ich irre werde
weil alles katastrophe schreit
steck ich den kopf nicht in den sand
ich bin bereit
kommt stecht mich endlich
gebt mir die tablette
sprecht allgemeinverständlich
ohne falsche etikette
seid klar verbindlich es wird zeit
gebt mir die welt zurück
ich will das leben feiern und das glück.


Sa 16.01.21 17:55 / Krise Tag 307 / grau, kalt

diese lange langeweile
dieses leben ohne eile
traumhaft doch schwer auszuhalten
könnte man den kopf ausschalten
wär es wie im paradies


So 17. 01.21 18:54 / Krise Tag 308 / grau, Schnee am Morgen, danach Tauwetter

Was ich sehe, wenn ich nach draußen schaue, ist weder Gut noch Schlecht. Gut und schlecht wird es erst, wenn der Geist sich einmischt. Den Geist kann man im Gegensatz zu den Dingen nicht sichtbar, objektiv betrachtet existiert er nicht. Zaun, Baum oder Haus aber existieren und vergehen im Lauf der Zeit wie wir, der Geist aber ist ewig. Kein Wunder, dass Menschen sich schon immer gefragt haben, wo er bleibt, wenn ein Mensch stirbt. Darauf gibt der Geist, der so viel komplexer umd komplizierter ist als die objektiv wahrnehmbaren Dinge, keine Antwort, woraus man schließen kann, dass er es selbst nicht weiß. Das alles dachte ich, als ich heute nachmittag im Sessel vor der Balkontür saß und den Vögeln zuschaute, die ich füttere, rastlose Wesen mit hohen Herzfrequenzen, die ihre Umgebung keine Sekunde aus den Augen lassen, Federn spreizen, Schwanfedern auf und ab wippen lassen, und augenblicklich aus dem Bildfeld verschwinden können.


Mo 18.01.21 11:00 / Krise Tag 309 / grau

Statt stolz zu sein auf das, was die Wissenschaft mit Fokus auf Covid 19 im letzten Jahr geleistet hat, nichts als nörgeln, von früh bis spät nörgeln.


Do 21.01.21 16:55 / Krise Tag 312 / wechselnd bewölkt, windig

Der Lügner war nicht nur ein Lügner, er war auch feige,aber nun ist er weg. Soll er verrotten in Goldbrokat unter Palmen. Der neue wird aufräumen müssen. Dass er einer jungen Frau die Gelegenheit gibt, ein Gedicht vorzutragen, gefällt mir. Trotz ihres puritanischen Erbes und Pathos können sie klug sein, unterhaltsam und entspannt, diese Amerikaner, obwohl alles in Scherben liegt. Das kriegen wir hier nie so hin, ansonsten aber ist Skepsis geboten.


Fr 22.01.21 20:45 /Krise Tag 313 / wechselnd bewölkt, ab Mittag teils sonnig

gedicht nach der lektüre von
"der weiße jude" von ludwig homann

der ferne frühling
geht mit mir zu tanke
am himmel
kreist ein flugzeug
und weiss nicht wohin
ich hab ein umwerfendes buch
gelesen und ich danke
es ist für meine arbeit ein gewinn


So 24.01.21 16:30 / Krise Tag 314 / wechselnd bewölkt

So recht will man nichts, man hat in den letzten Tagen hart gearbeitet, man ist zu Einsichten gekommen, da kann man liegenbleiben, egal, ob auf dem Sofa oder sonstwo, einfach nicht bewegen, bis die Krise vorbei ist. Zwischendurch lecker Essen und Trinken. Weniger oder gar nicht mehr rauchen. Geht alles.


Mo 25.04.21 11:45 /Krise Tag 315 / leichte, hohe Bewölkung, Sonne, kalt.

Einmal am Tag macht man Text, man ist schließlich Dichter, und die machen Text wie Bäcker jede Nacht Brötchen. Was also bleibt am 314ten Tag der Krise zu sagen, was noch nicht gesagt worden ist? - Nichts. - Alles über Alles ist tausendmal gesagt, der Hallraum der widerstreitenden Ansichten ist bummsvoll wie der Rave in Duisburg damals, und wenn man nicht aufpasst, rennen sich gleich alle tot. Die einzige Rettung in so einem Fall ist eine Geschichte. Irgendeine Geschichte. Die Erinnerung an einen Geruch. An einen Blick. An einen Vogel im Baum. An einen ganz besonderen Vogel im Baum. An die Kassiererin im Supermarkt. An die Bäckereifachverkäuferin. An Irgendetwas, dass die Einsamkeit für Momente bricht, aber da ich kaum außer Haus gehe, sehe ich kaum etwas. Ich sehe nicht einmal meine Enkel. Mein Freunde nicht, die Leute vom Salsa und Tango sind auch vom Radar und ich hungere. Kommt zurück, schrei ich, liefert mir Geschichten, sagt mir, wer es mit wem vielleicht hätte, wo es gestern gebrannt hat, erzählt mir von den Hinterhalten, die überall lauern, es ist egal was, erzählt mir davon. Macht, dass irgendein Wunder geschieht, auf der Stelle ein noch größere Wunder als die erfundenen Impfstoffe und Medikamente, macht, dass jemand übers Wasser geht, mit den Fingern schnippst und gut wär's. Alles wäre gut, damit wir wieder unmaskiert schlecht sein können.


Di 26.01.21 21:39 / Krise Tag 316 / leichte, hohe Bewölkung, Sonne, kalt

Eigentlich hatte ich 22.000 Kilometer zum Jahresende voll machen wollen, aber irgendetwas war, das Wetter, die Unlust, das Weihnachtsgewusel, wer weiß. Der Tacho meldete gestern noch 45 Restkilometer. Zwei kleine Touren also oder eine etwas größere. Gegen elf fuhr ich Richtung Rüschhaus, und überlegte, wie es von dort hingehen könnte. Erst dachte ich, Altenberge, das wäre die größere Tour geworden, aber der Windverhältnisse wegen und weil ich es auch nicht übertreiben wollte, hielt ich mich nordöstlich, fuhr an Nienberge Häger vorbei nach Sprakel, das ein seltsames Dorf ist, mit einer langen Straße, von Nachkriegsbauten gesäumt, einer modernen Kirche, wahrscheinlich protestantisch, einem Friedhof, dann muss man über die Aa und die Bahn und dann ist man schon in den Rieselfeldern. Nichts los dort, alle abgehauen, bis auf einen weißen Fischreiher, zwei Schwäne und Gänse, die auf Feuchtwiesen weiden. Wo ist der Fuchs, dachte ich, der müsste sich doch vom kleinen Busch kommend wunderbar anschleichen können, um sich eine zu holen. Die Sonne schien. Das gab dem feuchten, trostlosen Land etwas Wärme. Ich folgte dem Kanal, ich wunderte mich, wieso ein Schiff Sand von A nach B fährt, gibt es nicht überall Sand, oder ist das Spezialsand, wahrscheinlich seltene Erde, gestern Afrika, heute Dortmund Ems Kanal, tock, tock, tock, die Nordwind tuckert vorbei. Die Stadt ist leergefegt. Ich kaufe einen Matjes, denn ich windgeschützt und in der Sonne auf meinem Gepäckträger vor Lamberti sitzend esse. Kein Papierkorb weit und breit. Als ich zuhause ankomme, hab ich 38 Kilometer auf dem Tacho. Super, dachte ich, sieben Kilomter noch, doch dann fiel mir auf, ich dass ich mich gestern und 10 Kilomter verrechnet hatte, also noch 17, statt 7, um die 22.000 vollzumachen und auf die 23.000 hinzuradeln. Falls es morgen nicht gießt wie aus Eimern, erledige ich das.


Mi 27.01.21 12: 55 / Krise Tag 317 / grau, feucht, manchmal als Schnee

Nochmaliger Versuch, das Elster Formular auszufüllen. Diesmal belief sich die Nachforderung des Finanzamtes Münster Süd auf 52.344 Euro. Wohl wieder was falsch gemacht. Mit Radeln wird nichts. Aber sobald es geht, reiße ich die letzten 17 runter.


Do 28.01.21 10:05 / Krise Tag 318 / grau, feucht

Unruhige Vollmondnächste haben auch ihr Gutes. Gegen drei erwachte ich und dachte, dass die exorbitant hohen Nachforderungen des Finanzamtes damit zu tun haben könnten, dass ich Beträge mit Stellen hinter dem Komma ohne Komma eingetragen hatte, so dass aus 254,60 plötzlich 25460 geworden waren. Ich nahm mir vor, das gleich am Morgen zu berichtigen, schlief weiterhin schlecht, saß um acht am Computer und hatte um kurz nach acht einen vorläufigen Steuerbescheid, der weder Nachforderungen noch Rückzahlungen in Aussicht stellt. Deshalb gönne ich mir jetzt noch ein, zwei Stündchen im Bett, eine Wärmflasche wird dabei sein und ein Buch.


Fr 29.01.21 9:55 / Krise Tag 319 / grau, feucht

Heute schickt man keinen Hund vor die Tür. Heute setzt man ihn vor seinen Stehtisch und befiehlt, los, schreiben. Aber der Hund sitzt nur da und schaut den Vögeln auf dem Balkon beim Essen zu. Er hat genug gebellt, seine Prosa interessiert nicht, seine Gedichte noch weniger, die Projekte der nächsten Monate (Lesung Haus Nottbeck, Oelde, Dorfschreiber, Museumsführungen) stehen noch immer nicht fest, weil keiner weiß, wie es weiter geht, wenn es weitergeht. Eigentlich möchte der Hund gar nichts mehr denken. Er hat einen Etat, und wenn nichts dazwischen kommt, wird er bis zum Ende reichen, wozu also bellen? Der Hund verlässt den Platz vorm Stehtisch und rollt sich auf dem Sofa in eine bequeme Position. Man soll ihm zu Essen bringen, etwas zu Trinken hinstellen, er wird dann und wann wedeln, das muss reichen.


So 31.01.21 15:50 / Krise Tag 321 / blauer Himmel

Heu tewar der erst eson nigeT agd es Jahres. DieWin terl ingeblüh endieSchn eeglöck chena uchs eitdrei Tagen. Pfüt zenwar en zuge fror enGräb enauch. AmHim melwar enso vie leKon denz strei fenwie seit lan gem nicht. Ich woh neunter dem Korri dorLon don/Amster dam/Du bai/Sin gapur. Gest ernhab eich nach 22.000 Kilo meternAus tralien erreicht. Ei nenSatz Spei chenam Hin ter radhab eichern euern müs sennicht ein fachin Thai landzwei Schläu cheplus Män telzwei Sät telein Tret lagerei nenGe päck trägerEin enSturz hat teich, einan geschrappt esSchien beinan sonsten - doch, eine Kobra habe ich über fahr enMords schreckan sonst enniemand hat mir die Vor fahrtge nom menmichbe drängt o deraus ge raubtan sonst enwar es eine wun der bareRe isedie ichan son stenschon heu tefort ge führthät tewär eich nicht spa zieren gegangen.