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1.01.25 00:15
Ja. ich will.
21:03
Aber heute nicht. Und wenn morgen die Sonne scheint, auch nicht, da setze ich mich aufs Rad. Das Stehpult steht an seinem Platz, der Sessel auch, ich bin auf Seite 278 von 332. 54 Seite also noch, die zu überarbeiten sind, dann geht es auf Seite 332 weiter. Man muss, hat Camus gesagt, die Sisyphos Arbeit umdeuten und lieben lernen, dann schafft man alles. Bis dann also, morgen, übermorgen, vielleicht schon jetzt gleich.
23:00
das gedicht
das nicht geschrieben wurde
ist jetzt woanders
man würde gern wissen wo
am rechten zeigefinger
der den cursor bewegt
hat er es weggewischt
wollte es GROSS geschrieben werden
zum glück weiss man nichts
betrachtet den stein
der zu rollen ist
und spuckt in die hände
Do 2.01.25 23:34 sonniger Tag
das gedicht
das nicht geschrieben wurde
ist jetzt woanders
man wüsste gern wo
hat der rechte zeigefinger
den cursor bewegt
und es weggewischt
wollte es GROSS geschrieben werden
zum glück weiss man nichts
betrachtet den stein
der zu rollen ist
und spuckt in die hände
Fr 3.01.25 22:43 kalt, bisschen schneegriesel
Gleich nach dem Frühstück die kleine Runde gedreht, alte Freunde besucht, die in Trauer über ein Kind sind, heimgefahren und mit der Arbeit begonnen.
So 5.01.25 19:09 grau
Weiß fing es an, verwandelte sich bis Mittag in Matsch und blieb feucht. Bei so einem Wetter nach Osnabrück zu fahren, um im Blue Note Tango zu tanzen, hatte ich keine Lust. Ich lag in der Wanne, ich lag auf dem Sofa, ich machte weite Bögen um die Arbeit, ich las, ich aß, jetzt ist Abend, alles ist so still wie es still sein kann, alle zwanzig Minuten ein Bus, das Haus ruhig, als wären alle längst tot.
Mo 6.01.25 00:51
Die Arbeit macht Spaß. Ich komme der letzten Seite näher, dann geht es weiter. Es sind noch tausend Dinge zu klären, von denen ich dachte, sie wären geklärt. Es geht einen Schritt vor und zwei zurück, ich würde verblöden, wenn ich es nicht gern täte, wahrscheinlich bin ich es längst.
15:52
Heute nacht hat es aus Eimern gegossen. Die Aa, sonst kaum breiter als vier Meter, hat alles geflutet, was erreichbar war. Es gibt Stellen, da ist sie hundert Meter breit. Ich sehe sie oft, so sah ich sie noch nie. Dazu weht ein ordentlicher Wind. Regenwolken treiben heran, manche fluten, Helles rückt nach und so geht es nach dem Grau der letzten Tage endlich mal höher her. Die Spatzen sind nicht zur Futtersäule zurückgekehrt. Kohlmaisen und Blaumeisen nutzen sie aber. Den ein oder anderen Spatz hab ich zwar auch schon gesehen, aber er hat es nicht weiter gesagt, oder sie haben woanders etwas komfortableres gefunden. Manchmal wird es zwischen den treibenden Wolken hell, die Sonne drückt durch, streut Ocker ins Grau, frühlingsblaue Sehnsucht. Um 16:25 ist Weltuntergang.
Di 7.01.25 22:19
Rumgelungert den ganzen Tag.
Do 9.01.25 15:52 grau bis vor einer stunde, jetzt lichter
fuhr gestern nacht nach dem tanzen gut 40 minuten mit dem rad durch feuchtes schneetreiben, was kalt und schön war und immer, wenn eine flocke auf mein auge traf, ein bisschen weh tat.
Fr 10.01.25 17:01 überwiegend licht und sonnig
Otto Müller - LWL Museum MÜnster
Der Expressionismus ist eine Kunstbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. Er stellte die traditionellen künstlerischen Techniken in Frage, indem er intensive Farben, verzerrte Formen und zutiefst subjektive Inhalte verwendete. Otto Müller ist, was die Farbgebung angeht, eher zurückhaltend. Er hat mit Leimöl gemalt, was den Bildern eine leicht dreidimensionale Textur verleiht. Was seine Sujets angeht, er malte gern unbekleidete Frauen, meist handelt sich um Maschka, seine erste Frau, von der er sich hat scheiden lassen, um noch zwei andere zu heiraten, aber Maschka bleibt ihm übers Leben und die Kunst verbunden. Das Setting seiner Bilder erinnert oft an Gaugin. Und dann hat er Zigeuner gemalt, weil er glaubte, er sei dieser Volksgruppe selbst zugehörig. Die Gegenwartsrezeption diskutiert, ob er wegen der Zigeuner, die er, damals noch unhinterfragt, Zigeuner nennt, nicht Rassist sei, und auch die Feministinnen haben Einwände. Ich verstehe die Diskussion, kann ihr aber nicht folgen. Otto Müller war Maler. Den Maler interessiert, wie er zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit den Traditionen der darstellenden Kunst brechen kann. Oft mal er seine Frauenfiguren kantig, mit langen dünnen Gliedmaßen und dreieckigen Brüsten, er malt sie beim Bade, ein Klassiker des bürgerlichen Softporno,. Der Kunstmarkt bestätigt das, Frauenakte verkauften sich immer gut. So richtig glücklich war ich nicht beim Betrachten seiner Bilder, es waren mir einfach zu viele nackte Menschen. Eines aber gefiel mir über die Maßen gut, da dachte ich, ach, sieh mal, wie er das hinkriegt mit dem Licht, dass durch die dargestellten Büsche und Bäume leuchtet, und so weit ich mich erinnere, keine nackte Frau. Oder doch? In Museen halte ich immer Ausschau nach Bildern, die ich mir ins Zimmer hängen würde. Packen Sie es mir bitte ein, würde ich sagen. Und dann würde ich zuhause überlegen, ob es zu meinen Bildern passt. Ich glaube, die Chefinsel von Klaus Geigle würde sich mit ihm vertragen.
Sa 11.01.25 14:25 mittelgrau und kalt
Ob heute noch etwas möglich ist? Man wird sehen. Bisher ist nichts außergewöhnliches passiert. Gegen zehn ist er aufgestanden, hat ihr Kaffee ans Bett gebracht, bis zwölf hat er gefrühstückt, dann hat er Müll weggebracht, gestaubsaugt und sich aufs Sofa gelegt. Ein- zweimal hat kurz die Sonne geschienen und er hat gedacht, los jetzt, beweg deinen Arsch, aber dann war die Sonne wieder weg. Heute abend könnte er Tango tanzen. Morgen nachmittag auch. Ob er's nun heute, morgen, heute und morgen tut, ist nicht entschieden. Nichts ist entschieden. Es ist Samstag, alles kann jederzeit passieren, er ist also in Sicherheit. Vielleicht arbeitet er gleich eine Weile, wenngleich auch da nichts drängt, er ist auf bestem Weg. Er sollte sich wieder aufs Sofa legen. Er sollte still sein und offline träumen, das wäre eine Möglichkeit, den Tag zu verbringen.
So 12.01.25 19:35 teils sonnig, wärmer als gestern
Nicht in Schwung gekommen, zum Tango gefahren, auch nicht in Schwung gekommen, nach Hause gefahren.
Di 14.01.2523:14
Straight gearbeitet. Kleine Radtour am Nachmittag. Abends Pink Moon gesehen, läuft auf Arte. Morgen zum Folkwang.
Mi 15.01.25 18:46 Nebel
Nebel von Münster bis Essen, mit der U Bahn nach Rüttenscheid und von dort zu Fuß zum Folkwang Museum. Lovis Corinth hat mir gut gefallen, Immendorf nicht so, zwei Van Goghs waren da, eine Hafenszene und ein Kornfeld, zwei Richter, Dali, Picasso, Matisse, Mondrian, viele andere mehr, bunt durcheinander gehängt, was mir auch gefiel.
Do 16.01.25 18:07 grau
Stilles Überarbeiten.
Verweis wegen Pinkelns im Stehen.
Kleine Radtour über Land.
Weiter.
Sechs Seiten noch bis Ende der vierten Version.
Danach schreibe ich auf das Ende zu.
Fr 17.01.25 19:19
Nebelfahrt über fast drei Stunden ohne rechtes Ziel, schließlich in der Stadt, nach Pullovern geschaut, gefrühstückt, heimgefahren. Leer. Kontoauszüge für Steuer 24 ausgedruckt. Morgen dann Elster.
22:01
ich habe mich gestellt
ich stelle mich
nicht an
ich habe mich
nicht angestellt
ich habe kein gewissen
ich bin gewiss
ich sage nicht die wahrheit
ich lüge nicht
ich fliehe in das loch
meiner seele
ich habe dort zeit
ich fürchte die zeit
ich fürchte die zeit nicht
es ist nichts zu befürchten
ich bin das ist alles
Sa 18.01.25 18:38 halblicht mit aufziehendem Nebel
wenn montag
der erlöser kommt
werft alle sorge fort
er wird händler segnen
low performancer dissen
wird prahlen und schießen
wird strahlen
er erlöst uns von allem guten
vergibt niemand
und beschuldigt immer die anderen
sein sei dein reich arme wurst
unbegrenzt
So 19.01.25 16:05 neblig trüb
Das Elster Formular hochgeladen, die vorbereiteten Unterlagen auf dem Tisch, das Formular ausgefüllt, die unverbindliche Steuerlast ermittelt, null, gut so, gedacht und ans Finanzamt geschickt. Jetzt wäre Licht die Erlösung. Tango hätte heute auch getanz werden können, aber ich mag nicht. Ich brauche eine Pause. Nächste Woche drücke ich auf Neustart.
Mo 20.01.25 18:53 neblig trüb, raureif
Seit Oktober vorletzten Jahres habe ich gearbeitet wie ein Autist, jetzt ist Januar, 339 Seiten sind fertig, schätzungsweise 100 Seiten bleiben zu schreiben, vielleicht ein paar mehr oder weniger, bleischwer drückt das Wintergrau.
Do.23.01.25 14:21 grau
Wenn ich an alle Worte denke, deren Geburtshelfer ich war, frage ich mich, wo sie sich aufhielten, eh ich sie zu Papier bracht habe. Wind werden sie nicht gewesen sein, Wind ist ein Heuchler, ein Sänger und Antreiber, Wind hat Schiffe übers Meer getrieben und Hochdruckgebiete, hat Tiefdruckgebiete und wochenlanges Grau über die Leidenden gelelegt, Wind kommt ohne Wort aus, aber was ist ein Wort, das nicht gesprochen oder aufgeschrieben wird. Wenn ich die Quersumme aus WORT destilliere 26, 15, 18, 20 = 79 = 7 + 9= 16. WORT ist durch vier teilbar. Bringt mich das weiter?
17:29
Als ich gestern nach Münster lief, lächelte mich eine Spaziergängerin an. Das gab mir Zuversicht. Unter all den Getriebenen gibt es Lächeln. Jeder trägt es herum, nutzt es aber nur selten. Denkt, den kenne ich nicht, den lächle ich nicht an. Nachher sagt er noch was. Lächeln ist ein Geschenk. Es kostet nichts, man muss es nicht einpacken, es ist nicht mehr als ein kompliziertes Zusammenspiel unzähliger Gesichtsmuskeln, das aber, wenn man es zulässt, sich sofort im ganzen Körper ausbreitet, ihn flutet und bestätigt, dass er existiert. Ich war vorher schon einigen Menschen begegnet, flüchtige Nicker, die gar nicht zu wissen schienen, wie glücklich ein Lächeln macht. Vor allem bei diesem Wetter.
Fr 24.01.25 22:58 grau
Sie waren zu viert unterwegs. Einer hatte ein großes Stativ auf dem Gepackträcker, ihre Räder waren verdreckt, ihre Schuhe auch, Cargohosen und Outdoor-Kleidung. Dann und wann hielten sie an und starrten durch Ferngläser auf den See. Ich überhole sie, sie überholen mich, drei, vier Mal, bis ich zu einem sage, Sie machen mich neugierig, wonach suchen sie eigentlich? Wir zählen Vögel. Lachmöven, sagt einer. Sturmmöve, da hinten am Steg. Haste gesehen?
Sa 25.01.25 13:06 grau feucht
Warten auf Godot.
So 26.01.25 14:17 grau
Hin und wieder taucht ein Spatz an der Futtersäule auf, aber es nicht wie sonst, sie hocken nicht mehr in den Forsytien und pallavern, das fehlt mir. Bisher war kein Winter, es ist seit Oktober meist lähmend grau. Vielleicht ist das der Grund, vielleicht finden sie deshalb genügend anderes, oder sie lieben mich nicht mehr.
Di 27.01.25 22:34
Ich hatte um 2:10 einen furchtbaren Traum. Mein Vater wollte mich unter einer Decke ersticken. Ich rief um Hilfe, mehrfach. Ich schrie. Ich wurde geweckt. Ich notierte mit den zweiten Satz und legte mich wieder schlafen. Gegen neun war ich auf den Beinen. Ein sonniger Tag. Ich fuhr mir dem Rad an Albachten vorbei Richtung Lövelingloh, Amelsbüren, kreuzte die Hohe Ward, Albersloh, Alverskirchen, Everswinkel, nahm den Bus nach Münster, trank mit M. Kaffee im Marktcafé, dann fuhren wir mit dem Rad heim. Zum Abend tanzte ich Tango. Zum ersten Mal seit langem hat es mir wieder gefallen.
Fr 31.01.25 22:31
Mit den alten Männern Musik gemacht, Mittwoch war's, als der Bassist nach der Session auf der Heimfahrt beim Absteigen vom Rad kippte. Donnerstag Musik in Nottuln. Heute Frühstück, Radtour, Klavierspielen, Sitzen, Doppelhaushälfte zuende gucken. Winterlinge und Schneeglöckchen blühen. Skizzen für das nächste Kapitel Frauen auf Zebrastreifen gemacht. Werde sie aber noch sacken lassen, eh ich wieder an die Arbeit gehe.