Juli 2005                                      www.hermann-mensing.de                          

mensing literatur


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Urlaub

 


So 17.07.05

Dort lag Herr M. gestern.
Heute liegen dort andere.
Herr M. liegt jetzt wieder hier.
Aber sagen will er noch nichts. Nur, dass er dicker ist, als er dachte.

Wie es weitergeht, erfahren Sie hier...

 

Mo 18.07.05 12:58

Erster Verleser nach Rückkehr: Kakteenaktzeptanz (muss heißen: Kartenakzeptanz)


Mi 20.07.05   11:38

Noch längst nicht wieder da.

 

Fr 22.07.05   9:00

Er könne nur drei Lieder, sagte der Veranstalter, und die spiele er schon seit zwanzig Jahren. Das macht nichts, antwortete ich, denn sein Gitarrenspiel sollte ja nicht im Mittelpunkt stehen. Etwas zum Mitmachen, hatte er gefordert, irgendetwas zum Mitmachen. Ich hatte vorgeschlagen, eine Geschichte zu entwickeln. Aus Sätzen werden Geschichten, hatte ich gesagt und einen groben Plan skizziert, um mir so viel Spielraum wie möglich zu lassen. Ja, ja, hatte er geantwortet, so machen wir das, und ich spiele Gitarre.

Der Raum der Stadtbücherei war vorbereitet. Ich hatte um einen Computer samt angeschlossenem Drucker und Overheadprojektor gebeten, ich hatte in meinem Perkussionskoffer gekramt, ein paar Instrumente eingepackt, ich hatte meine Snare mitgebracht, er seine Gitarre. Wie viele Kinder denn kämen, fragte ich, und er antwortete, ca. 20. Wie alt die denn wären? Das wusste er nicht.

Ich würde den Computer zu einem Ort zu erklären, dem eine Geschichte zu entlocken war: Die Geschichte einer Stadt, über der sich ein Sommergewitter zusammenbraut. Die Wolken, der Wind, der Donner, die Blitze, die hastenden Menschen, was immer aufs Tapet käme, sollte szenisch dargestellt werden im Verlauf der nächsten Stunde.

Um jedoch Zugang zu dieser Geschichte zu haben, müsste der Computer als Hüter der Information zunächst mit einem Lied überlistet werden. So die grobe Marschrichtung. Und dann kamen die Kinder, Jungen und Mädchen zwischen 6 und 12 Jahren. Die sie begleitenden Mütter zogen ab, die Türen schlossen sich, ich konnte beginnen. Ich erklärte meinen Plan. Und schon waren wir bei der Arbeit. Das Gedicht bot Zeile für Zeile Stoff für spontanes Erzählen, nicht nur Erzählen meinerseits, sondern auch für Geschichten der Kinder. Und immer, wenn eine Zeile gefunden war, die ich auf dem Overheadprojektor fixierte, sangen wir sie. Der Veranstalter spielte Gitarre. Schrumm schrumm schrumm. Ich trommelte oder klatschte. Meine Instrumente gingen reihum.

Nach drei Strophen hatten wir den Computer so weit, die Geschichte auszudrucken. Da waren knapp fünfzig Minuten vergangen. Fünfzig turbulente Minuten, die viel Spaß gebracht hatten. Die Geschichte des Unwetters bekamen wir schnell in den Griff. Wolken taumelten durch den Raum, getrieben vom Wind, Blitze zickzackten, Donner krachte und verschreckte Passanten stießen spitze Schreie aus.

Dann war Schluss. Ich gab Autogramme, ich verkaufte alle mitgebrachten Bücher, wir redeten noch und als alles vorbei war, saßen der Veranstalter und ich im Café der Stadtbücherei, die früher einmal ein Spaßbad war, und ließen die vergangene Stunde Revue passieren. Der Verantstalter war tief betrübt. Eine Dame vom Verein für So und So habe ihm vorgeworfen, sein Gitarrenspiel sei zu eintönig gewesen. Ob ich das auch fände?

Haben wir Spaß gehabt oder nicht? fragte ich zurück. Ja, schon, antwortete er. Na also, sagte ich, dann ärgern Sie sich nicht. Wir haben die Geschichte gemacht, nicht diese Dame. Ja, ja, sagte er zerknirscht, das schon, doch in der nächsten Stunde, die wir noch beisammen saßen, kam er immer wieder auf die an seinem Spiel geäußerte Kritik zurück. Die träfe ihn sehr, sagte er, wann immer man sich künstlerisch oute, käme sofort Kritik.

Es gelang mir nicht, ihn zu trösten. Ich vermied, ihn daran zu erinnern, dass er nur drei Lieder spielen kann, und die schon seit zwanzig Jahren, ich sagte nur, dass er froh sein solle, kein Schriftsteller zu sein, denn die stünden noch ganz anders im Regen. Er aber war nicht zu beruhigen. Noch auf dem Weg zum Bahnhof fragte er mich, ob er denn wirklich gut gewesen wäre. Es wäre doch im Rhythmus gewesen, was wolle die denn? Ach, sagte ich, Schwamm drüber, aber sein Gesicht war voller Zweifel.

15:45

Putative Notwehr: jetzt auch in England.
Vorsicht für alle England-Urlauber mit großen Taschen, Rucksäcken etc.
Nicht fortlaufen, wenn Polizisten in der Nähe sind.


Sa 23.07.05 13:18

Was könnte Herr M. tun, um sich zu erden, nachdem er vierzehn Tage nur zwei Armlängen vom Wasser entfernt in der Sonne gelegen hat und sorglos war? Die Rückkehr fiele leichter, wenn ihm das Wetter ein wenig entgegenkäme, aber das tut es nicht. Es erinnerte in der vergangenen Woche zwar phasenweise an Sommer, aber das war nicht genug.

Also drückte Herr M. sich herum, umschlich Angefangenes, spielte auf einer Session, und das gar nicht einmal so schlecht, so dass er schon dachte, auch hier sei der Quantensprung die eigentliche Messlatte für Veränderungen, die Sorgen aber fielen dennoch durch alle Türen wieder ins Haus.

Was so eine Bucht, über der verlässlich die Sonne scheint, doch glattbügeln kann!

Also beschlossen Herr M., seine Frau und die H.'s, das Leben ohne Sonne zu feiern.
Sie besuchten ein feines Restaurant, bestellten Safran Mandelsuppen, kalte Tomatensuppen, Kalbsfilet und Jakobsmuscheln, Perlhühner und Desserts, tranken Bier und Wein und Schnäpse, und schließlich, zu Hause, tranken und rauchten sie, was noch zu finden war.
Was dazu führte, dass Herr M. heute mit einem Schädel erwachte, der durch keine Tür passte.
Bloß keine abrupten Bewegungen.
Keine Nahrungsaufnahme.
Stilles Dahindämmern bei frischer Luft unterm Fenster.

Nun hat sich sein Zustand stabilisiert. Dass er ein wenig hemmungslos war gestern abend, dass er nicht aufs Geld schaute und zu viel trank, dass er den Joint bis in die tiefsten Tiefen seiner Kapillargefässe inhalierte, hatte wohl damit zu tun, dass Herr F., der ihn in Essen auf der Gitarre begleitet hatte, gestern - Herr und Frau M. und die H.'s wollten gerade aufbrechen - anrief, um einen Job im November festzuzurren.

Nicht, dass nun die Geldschwemme über Herrn M. zusammen schlüge, nein, aber Fakt ist, dass Herr M. schuldenfrei ist. Das ist angenehm. Schulden machen den Menschen krank. Sie sind das Gegenteil von Freiheit. Sie zwingen in Lebensläufe, die auch anders denkbar wären.

In diesem Sinne: auch ohne Strand und Sonne ist Leben möglich.
Herr M. setzt zur Landung an. Wie es weitergeht, erfahren Sie hier...

 

So 24.07.05   20:30

Und hier: eine Geschichte.


Mo 25.07.05   10:15

Der westfälische Regen ist da. Frau M. schnarcht. Herr M. wird davon wach. Der jüngste Sohn verkündet anarchistische Ideen und scheißt auf Toleranz. Alles ist, wie es war. Herr M. könnte beginnen, aber er will nicht. Wenn er wollte, hätte er nicht den leisesten Schimmer, wofür. Wenn er wüsste, wofür, würde er fragen, warum. Wenn er die Warum-Frage beantworten könnte, bräuchte er sich nicht zu schinden. Der westfälische Regen ist da. Frau M. reagierte entsetzt, als Herr M. heute früh im Scherz sagte, gegen vier wäre er aufgestanden, um ein großes Messer zu holen, damit dieses Schnarchen endlich aufhöre. Der jüngste Sohn weiß nicht, was er will, dafür aber weiß er alles besser. Die Freundin des ältesten Sohnes strapaziert die Liebe zu sehr. Der westfälische Regen ist schon wieder fort. Herr M. schnarcht. Frau M. hockt auf seiner Brust und bedroht ihn mit einem Brotmesser. Der jüngste Sohn hat einen Ausbildungsplatz und trägt plötzlich Business-Suits. Herr. M. hat einen neuen Verlag und wird in Zigtausender-Auflagen unters Volk gebracht. Die Rundfunkstationen wiederholen all seine Hörspiele. Frau M. unterzieht sich einer Operation, damit dieses Schnarchen endlich aufhört. Herr und Frau M. werden reicher und reicher. Der Regen setzt wieder ein. Herr M. kocht Kaffee und fragt sich, wo das hinführen soll und ob es nicht besser wäre, schon jetzt mit dieser grandiosen Geschäftsidee an die Öffentlichkeit zu treten: ein Reiseinstitut für Menschen, die in Würde sterben möchten. Diese würden von Herrn M. und seiner Partnerin M. luxuriös an den nördlichen Polarkreis gebracht, dort würde man in einem Fünf-Sterne Hotel absteigen, man würde essen und trinken und trinken und trinken, trinken bis zur Bewusstlosigkeit, dann führe man die Sterbewilligen in prächtigen Särgen hinaus in den ewigen Schnee, holte sie am nächsten Tag wieder ab, verschlösse die Särge, brächte diese zurück in die Heimatländer der Verstorbenen und beerdigte sie dort. Dieser kleine Service wäre nicht billig, versteht sich. Der westfälische Regen ist vorüber. Herr M. hat eingekauft. Sein jüngster Sohn ist zur Arbeit gefahren. Herr M. könnte beginnen, wenn er wüsste....


Di 26.07.05   12:50

Gestern nachmittag, ich wollte gerade über das WSTP einen Reisebericht hochladen, öffnete sich im Hintergrund eine schwarze Seite, auf der sinngemäß stand, mein Computer sei infiziert, schwere Schäden an Soft- und Hardware wären möglich, ich solle bitte ... hier klicken.

Ich klickte nicht, sondern ging off-line und telefonierte mit meinem Sohn. Der hatte dergleichen noch nicht gehört, glaubte aber, dass es so schlimm nicht sein könne, er wolle forschen. Wenig später rief er zurück und sagte, da müsse einiges eingegeben werden, er habe so etwas noch nie gemacht, ich solle doch einmal J. fragen, meinen Nachbarn. Also fragte ich J. Der sagte, so etwas habe er auch schon gehabt, allerdings wisse er nicht, wie man es aus dem Windows XP Programm entferne, er fahre Windows 98. Also probierten wir. Luden Programme herunter, die Analysen erstellten, aber den Virus nicht killten. Eine Weile sah es so aus, als ob die schwarze Startseite verschwinden würde, beim erneuten Hochfahren des Rechners aber tauchte sie immer wieder auf und unten rechts erging weiter die Warnung: Ihr Computer ist infiziert.

Guter Rat? - Keiner, zunächst. Bis ich auf die Idee kam, Ewido herunter zu laden, ein Virenscanner. Frau M. hatte in der aktuellen Stunde davon gehört. Das dauerte eine Weile, dann aber war das Programm installiert und ich ließ es arbeiten. Die Scan-Vorgänge brauchten eine Weile, hin und wieder ertönte ein Alarm, der mich aufforderte, einen erkannten Virus zu entfernen. Nach mehrfachem Scannen gestern bis in die Nacht und heute früh gelang es mir mit Hilfe des Programmes immerhin, dass beim Hochfahren des Computers meine alte Startseite wieder erschien. Ging ich aber ins Netz, meldete Ewido sofort, dass ein Virus entdeckt wäre, der auf der Stelle zu entfernen sei.

Ich verstehe so gut wie nichts von Computern, erinnerte mich aber, gehört zu haben, dass es nicht schlecht wäre, das Service Pack II von Microsoft auf seinen Rechner zu laden, was ich umgehend tat. Vielleicht würde das die undichte Stelle, den Port 500, wie wir festgestellt hatten, schließen. Und siehe da: die Warnhinweise sind fort. Der Startseite ist stabil. Der Rechner arbeitet.

Wieder ein wenig gelernt. Oder wäre es besser, den Tag nicht vor dem Abend zu loben?

 

Mi 27.07.05   13:00

Traut man Umfragen, sind 70 Prozent aller Briten für den putativen Kopfschuss. Das macht Freude. Da ist sogar die Israeli milder, denn dort gilt bei Terrorverdächtigten der Schuss in die Schulter, um eine Explosion des unter Umständen umgebundenen Sprengsatzes zu vermeiden.

Saß gestern Abend, nachdem ich, fand ich, höchst zivilisiert getrommelt hatte, noch vorm Hot Jazz Club auf der Bank, um mich ein wenig an die frische Luft zu gewöhnen, eh ich mit dem Rad nach Hause fuhr. Nicht weit entfernt saßen zwei junge Engländer, Soldaten in Zivil. Die englischen Streitkräfte kämpfen mit Kindersoldaten. Viele sind kaum älter als achtzehn.

Aus den Sprachfetzen reimte ich diese Geschichte zusammen: der eine war im englisch besetzten Süden des Irak mit einer Patrouille unterwegs. Sie kamen an ein Haus. Darin waren Männer und Frauen. Die einen verstanden die anderen, die anderen die einen nicht. Es kam zu einem erregten Wortwechsel. Eine Tür öffnete sich. Ein bärtiger Mann trat ein. Er hatte etwas in der Hand. Ein englischer Soldat glaubte, eine Waffe zu sehen. Eine irakische Frau schrie. Ein Schuss fiel. Plötzlich fielen viele Schüsse. Überall war Blut. Alle Iraker waren tot. Abhauen, sagte ein englischer Soldat. Warte, sagte ein anderer. Drückte einem der getöteten Iraker eine Eierhandgranate in die Hand, betätigte den Zünder, dann rannten sie fort.

Der Junge, der das erzählte, war so alt wie mein Sohn.
Ich will nicht, dass meine Söhne so etwas erleben. Unter keinen Umständen.

By the way: hier gibt es einen Reisebericht.

 

Do 28.07.05 10:45

Heissa hoppsassa Pippi, heute wird es unerträglich, daher stilles Verdämmern im Schatten.

 

Fr 29.07.05   12:52

Herr M. wird den Verdacht nicht los, dass in seinem System nach wie vor ein Programm hockt, das ungewollten Eindringlingen Tür und Tor öffnet, denn seit ihn vor ein paar Tagen diese Virus-Infektion ereilte, die er mit Hilfe eines Virenscanners bekämpfte, seit er das Servicepack II installierte und alles wieder schien wie vorher, kommt es dennoch vor, dass er, wenn er mit seinem Rechner ans Netz geht, seltsame Icons auf seinem Desktop findet, und unter seinen Favoriten Hinweise auf Sex, Autos, Online-Pharmacy und ähnlichen Mist. Der Scanner killt sie dann zwar, aber mit rechten Dingen geht das alles nicht zu. Ich glaube, es wird am Besten sein, Windows XP neu zu installieren und sich im Übrigen still zu verhalten. Diese westfälische Hitze ist ungesund.

 

 

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