Juni 2025 www.hermann-mensing.demensing literatur
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So 1.06.25 9:12 leicht bewölkt, windig
die wilden tage
krochen über nacht heran
er spielte mit
machte das eine oder and're wahr
die wilden tage
wurden sehr bald zahm
nur ihm war nicht danach
er ist noch immer unterwegs
das wildeste ist nun sein ende
er kann's schon spüren
aber bis dahin
durchstreift er das gelände
13:05
vor sechzehn jahren
plückt ich jeden tag
am weg die schönsten sträuße
für die sterbende
die immer noch in meinem leben steht
heut blühen die blumen schon im mai
21:03
hier werde ich alt
sagte der alte mann
und sie
junger mann
werden mich nicht daran hindern
zur not schieße ich (scherz)
zur not steche ich sie nieder (scherz)
das ist nur
halb so makaber
wie das
was ihre investoren
deren knecht sie sind
jeden tag tun
gib's ihm zischte godot
schneide ihm arme und beine ab
penis und hoden
wirf sie den hunden vor
das ist homer
23. oder 24. gesang
sagte der alte mann
du weißt
was ich meine
sagte godot
beckett kam
setzte sich zu uns
und wir tranken auf
das schöne leben
und den tod
Mo. 2.06.25 13:36 wolken sonne wind
Er ist ein Kleinbürger. Ein Spießbürger. Nicht einmal Prolet. Er schämt sich, ist er aber auch stolz, einer zu sein, das verbindet ihn mit den anderen. Was er mit dieser Erkenntnis anfangen soll, weiß er noch nicht. Aber es besteht die Gefahr, eine Lüge aufzudecken. Eine lebenslange Lüge, die behauptet, anders zu sein. Macht ihn das nicht zu einem hochstapelnden Kleinbürger? Er überlegt, sich anzuzeigen. Er beschuldigt sich aller Menschheitsverbrechen, die er nicht verhindert, sondern schulterzuckend hingenommen hat. Er lügt. Er spürt überhaupt nichts, nur Überdruss im Überfluss. Er ist ein Kleinbürger.
Di 3.06.25 11:31 wolken sonne wind
nun sag
ist es möglich
ja
Mi 4.06.25 16:54 bewölkt
alltagsgedicht
das gespräch
im raum
sagt nichts
der vogel
im baum
singt nicht
das geheimnis
weiß nichts
die einsamkeit
kann nicht allein sein
der wolf
prellt die zeche
das ich ist fröhlich
er aber weint
sie und es
was tun sagt
das tun
Do 5.06.25 13:11 bewölkt nicht kalt nicht warm
Ich hatte die erste Fuhre in die verschiedenen Container des Wertstoffhofes sortiert, Bügeleisen, eine alte Brotschneidemaschine. In einem lag ein Lenovo Laptop. Ich fragte, ob ich den haben könne. Der Mann sagte, nein, der gehöre der Stadt. Mit der nächsten Fuhre brachte ich einen Staubsauger, einen DVD Player und ein altes Radio, und dachte, jetzt steck ich den Laptop ein. Ich war noch nicht beim Roller, als der Mann heran kam. Er schimpfte. Er wolle mich hier nicht mehr sehen, sagte er. Ich entschuldigte mich und machte mich schleunigst davon. Er hätte mich wohl auch anzeigen können.
22:28
Am Nachmittag habe ich aussortierte Bücher in die Bibliothek nach Tilbeck gebracht. Zweimal bin ich gefahren. Beim zweiten Mal, ich war gerade am Wasserturm, in dem die Bibliothek ist, begann es wie aus Eimern zu regnen. Aus dem Heimweg war es trocken, aber auf den letzten fünfhundert Metern bin ich bis auf die Haut nass geworden. Jetzt ist einiges aus dem Haus, ich fühle mich erleichtert und werde weiter ausdünnen. Ich will das Vinyl und die CDs ausdünnen, ich will den Rummel weg haben, so vieles, was in vierzig Jahren zusammen gekommen ist. Lese nach 50 Jahren das Glasperlenspiel. Ich mag Hesses Weitschweifigkeit nicht, auch der hohe Ton gefällt mir nicht, aber wenn ich das Buch als Metapher auf die Zeit lese, in der es entstanden ist, ist es interessant.
Fr 6.06. 25 13:12 wechselnd wolkig, windig, Schauer
dann und wann fällt dichter regen
und woanders einer um
der wird sich nicht mehr bewegen
einer ist gefährlich dumm
eine hat sich aufgespritzt
einer kämpft mit seinem bauch
und wenn einer tel'foniert
hört's ein anderer auch
nackt steh ich und ungeniert
halte wache wie's der brauch
reite pegasus und lache
denn dann hört die sorge auf
hab noch immer eine zeitung
immer steht dasselbe drin
deshalb nehm ich für die herzerweichung
mir ein buch
das macht mehr sinn
und so lass ich diesen freitag
und den rest der tage ziehen
gottes plan mein kleiner beitrag
heimat will ich nicht mehr flieh'n
Sa 7.06.25 18:10 wie gestern
der große stern
wollte kleiner werden
er teilte sich
die teile flogen
in entgegengesetzer richtung davon
ziemlich schnell muss man sagen
so schnell
dass man kaum hinterher kucken konnte
gleich drauf
krachte es
damit hatten die beiden nicht gerechnet
sie waren seit anfang des universums
auf geregelten bahnen unterwegs
aber wie gesagt
es krachte
und wenn es einmal kracht
hat das krachen kein ende
und zum schluß
blieb nur staub
das hatte sich der große
anders vorgestellt
21:52
beim kaffee
gegen zehn
sagt die süddeutsche
weiß los ist
er legt sich wieder hin
bis mittag könnt er tot sein
der tag nimmt fahrt auf
überall hört er messer wetzen
seit anbeginn
das gleiche spiel
die einen die die anderen hetzen
gesagt dazu ist alles
und es fehlt nicht viel
dann läuft das letzte spiel
So 8.06.25 15:02 wie gestern
ich bin ein fideler kiffer
schreibe text mache musik
bin in jeder hinsicht auf der höhe
kenn beim tango manchen trick
glauben tu ich gar nichts
nicht mal mir
leben aber
ist mein leben
und ich bliebe
liebend gerb noch länger hier
ich brauch keine tranquilizer
blutverdünner a...schlochtrimmer
beckett und godot sind immer
hinter oder vorder mir
eins zwei drei vier eckstein
alles muss versteckt sein
hinter oder vorder mir gildet nich
21:54
erleuchtung
lange war ich nicht mehr so glücklich
so unglücklich war ich
lange nicht mehr
so abgrundtief böse
ich hau ihm
die schnauze ein
arrrgh umpfff
seine bräunungscreme
vermischt sich mit blut und rotz
ich pack ihn
an seinem roten schlips
knüpfe ihn an den ketaminhahn
und lasse ihn voll laufen
spiessruten lass ich ihn laufen
bis er kollabiert
das alte ... die dumme ...
dieser ein ordinäre migrant
kam mir gerade recht
hat nie gearbeitet
hat von tuten und blasen keine ahnung
lange habe ich keinen
so gehasst
niemand tut mir so leid
hass ist schön
lange war ich nicht mehr so glücklich
it's only rock n roll
I get satisfaction
Mo 9.06.25 00:15
erleuchtung
lange war ich nicht mehr so glücklich
so unglücklich war ich
lange nicht mehr
so abgrundtief böse
ich hau ihm
die schnauze ein
arrrgh umpfff
seine bräunungscreme
vermischt sich mit blut und rotz
ich pack ihn
am roten schlips
spiessruten lass ich ihn laufen
das alte ... die dumme ...
dieser ordinäre migrant
hat nie gearbeitet
hat von tuten und blasen keine ahnung
lange habe ich keinen
so gehasst
niemand tut mir so leid
hass ist schön
lange war ich nicht mehr so glücklich
Di 10.06.25 12:17 grau, kein Regen bisher
Man muss die Nerven bewahren. Das ist einfach und schwer. Da alles zwei Seiten hat, unter Umständen sogar zwei Enden oder Anfänge, weiß man oft nicht genau, wo man beginnen soll, aber dann macht man den ersten Schritt, den zweiten, und schon flattern die Nerven nicht mehr, man schläft ruhig, man weiß um das eigene Ende, dagegen sind die alltäglichen Sorgen eher zweitrangig, man hat also, um die Sache zu konkretisieren, ein Mail an einen Vermieter geschrieben, einen Antrag auf einen Wohnberechtigungsschein erstellt, damit man, sollte es wirklich zu Äußersten kommen, der Kündigung der jetzigen Wohnung, eine Perspektive hat, die, da man 76 ist, zwar nicht mehr so groß und verheißend ist, wie sie einmal war, aber dennoch eine Perspektive ist. Und so beginnt eine weitere Woche im Leben des Dichters M., der immerhin weiß, dass es im nächsten Frühjahr einen neuen Roman von ihm gibt, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Allerdings weiß der Dichter, dass Hoffnung und Illusion zwar verwandt sind, aber doch nicht dasselbe, und so hofft er, dass alles gut ausgeht.
Mi 11.06.25 18:36 vollmond, wetterwechsel, seit mittag zunehmend wärmer
Gestern beim Tango war die lang vorbereitete Übergabe des Pulvers. Eine kleine Tüte, kaum mehr als ein Esslöffel voll, ein Extrakt aus dem Fliegenpilz. Er wirke wie eine warme, innere Umarmung, hatte die Herstellerin versichert. Ich weiß natürlich über den Fliegenpilz Bescheid. Wenn wir in die Pilze gehen, ist er der schönsten weit und breit, es gibt sogar ein Kinderlied über ihn, aber natürlich ist er gebrandmarkt. Der Fliegenpilz ist giftig, heißt es in den Büchern, er kann tödlich sein. Die Liebste war dabei, als jemand zwei Fliegenpilze aß, weil er "fliegen" wollte. Er flog. Dennoch betrachtete ich das Pulver mit gewissem Respekt. Heute mittag saß ich vor er Eismanusfaktur mit einer Kugel Zitroneneis, streute das Pulver darüber und aß. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis ich bemerkte, dass meine normale Durchschnittsgeschwindigkeit beim Radfahren, in der Regel bei 18 kmH, auf 13 gesunken war, streckenweise sogar auf 10 kmH, und ich auch keinerlei Ehrgeiz verspürte, schneller zu fahren. Ich trödelte heim und legte mich aufs Sofa. Das Pulver entspannt auf unspektakuläre Weise, noch jetzt, sieben Stunden später, spüre ich es im ganzen Körper.
Do 12.06.25 sonnig und warm
jetzt sonne aufs gemüt
das mit der zukunft hadert
die zuversicht erschüttern will
vergewssen
was ich lang für sicher hielt
ich will und werde mich an niemand halten
als an mich und meine liebste
wir werden uns're zukunft selbst gestalten
den immobilien-spekulanten und den kalten
fischen in die suppe spucken
Fr 13.06.25 10:25 sonnig und viel zu warm
Auf dem Bürgersteig an der Seitenwand des Supermarktes Netto liegt eine olivgrüne Jacke mit Strickbündchen, daneben ein Paket Weißbrot, eine Tüte Industriebrötchen und zwei Tuben Anti-Faltencreme. Auf den ersten Blick dachte ich, da hat ein Trinker oder eine Trinkerin den Überblick verloren. Ein Schlafplatz ist es nicht, soviel ist sofort klar, aber was ist es dann? Wieso liegt das alles hier? So etwas verliert man doch nicht einfach, und man wirft es auch nicht einfach weg. Es ist ähnlich wie mit den Schuhen, einzeln oder auch als Paar, die ich manchmal an Straßenrändern und allen möglichen Orten finde, ein ungelöstes Rätsel. Wie stelle ich mir also vor, wie diese Dinge auf den Bürgersteig gekommen sind. Hat jemand gesagt, weg damit, was soll ich mit dem Zeug? War jemand auf der Flucht? Hat jemand nach Verlassen des Supermarktes den Weltekel so deutlich gespürt, dass er sich von allem entledigen musste? Ich weiß es nicht. Ich würde es gern wissen. Ich würde gern mit so einem Mensch sprechen wollen. Wieso, würde ich fragen, werfen sie eine nicht abgetragene Jacke, ein Weißbrot, eine Tüte Brötchen und zwei Tuben Faltencreme weg? Auf dem Rückweg beugte ich mich hinunter zu Jacke, um vielleicht weitere Hinweise zu finden, aber obwohl die Jacke nicht vollgekotzt oder sonstwie schmuddelig war, traute ich mich nicht, in den Taschen nachzusehen, ob da vielleicht irgendetwas wäre, das die Sache erhellt, sondern schüttelte nur den Kopf und ging mit unbeantworteten Fragen heim. Relativ sicher bin ich, dass es von einer Frau dort abgelegt worden sein musste, allein wegen der Faltencreme.
So 15.06.25 12:02 bewölkt, kühler
was gestern aussichtslos schien
ist heute ein spuk
ich wusste
dass es vorbei ginge
dass ich drüber schlafen müsste
war aber dennoch betrübt
mutlos und glaubte
mein meer
würde mich in die tiefe ziehen
die hitze war schuld
ich schlief schlecht
ich erwachte zu früh
der kaffee konnte noch so stark sein
er rettete mich nicht
heute fühlt es sich besser an
was das glasperlenspiel anlangt
ich lese jeden tag ein paar seiten
es ist interessant aber so lebensfern
dass es langweilt
21:09
Angenehmstes Tangotanzen auf Linnenbrinks Wiesen. Auf dem Heimweg Fritten beim Berlin Döner, der sehr zu empfehlen ist. Prächtiger Abendhimmel, knapp über Feldern sichelnde Schwalben, düstere Wolken im Nordosten, einen Blumenstrauss am Rohrbusch gepflückt, jetzt ist die Welt wieder gut. Der Pazifismus, lese ich letztlich häufig, habe sich angesichts der Bedrohungen erledigt, er sei unrealistisch, man müsse umdenken. Natürlich ist der Pazifismus unrealistisch, aber die realen Konflikte sind geschürt von im Hintergrund agierenden Menschen, die an Krieg prächtig verdienen. Alles kaputtmachen, hohe Renditen, alles wieder aufbauen, noch höhere Renditen und noch besser, von Schulden erdrückte "befreite" Länder. Ich bleibe Pazifist. Und meine Söhne geb ich nicht her.
Mo 16.06.25 14:37 bewölkt, könnte was kommen
Im Bauhaus ging alles glatt. Ich sagte, was ich suchte, er schaute in den Computer, sagte andere Halle, hier raus rechts runter, sehen Sie schon, Regal 234, Fach 11. Und da war es, das Armierungsgitter, das die Liebste für ihre Kunst braucht. Seit Wochen hantiert mit Stoffen, neuerdings auch mit Heu. Überall liegt was. Ob ich mit dem Gitter Bus fahren kann? Ja. Es geht. Ich biege es zu einem Oval. Zuhause Kaffee und selbstgemachten Airan mit Minze vom Balkon, dann ans Klavier. Ich begann mit c e g auf links, rechts spielte ich g und e, und dann trafs mich ein Blitz. Seemann, lass das träumen.... Ich dachte, es wäre von Freddy, ist aber von Lolita, 1959 in Hamburg bei Polydor als finale Version gemastert, eine Platte, die sich 1,5 Millionen Mal verkaufte. Dass ein Lied, das vor solanger Zeit, ich war knapp 10, aus jedem Radio dudelte, plötzlich durch meine Finger ins Klavier kriecht, erstaunt mich. Es ist ein schönes Lied. Ich habe ein bisschen darüber improvisiert, was recht einfach ist, alles steht auf kleinen und großen Terzen.
15:18
wir
sagen wir
wir werden
sagt er
bald werden wir
sagt sie
was werden wir
sagt es
es kennen wir hier nicht
sagen wir
Mi 18.06.25 10:59 sonnig
Die Tangoszene ist klein. Wie in jeder Szene gibt es Hierarchien. Wer tanzt mit wem, wie häufig, wer sitzt immer rum und wird, weil zu klein, zu groß, Mundgeruch, schlechte Tänzerin etc. selten aufgefordert. Es gibt Absprachen, z.B., das man eine mit einer Tänzerin begonnene Tanda zuende tanzt. Es gibt Tänzerinnen, mit denen wollen alle tanzen, weil sie gute Tänzerinnen sind und außerdem attraktiv. Eine heißt A., ihr Name ist geändert. A. wird umschwärmt von B. B. kommt meist mit seiner Frau C. Wenn aber A auftaucht, lässt er seine Frau C. sitzen und tanzt mit A. Gestern tanzte ich mit A. Wir trainierten eine Schrittfolge, die uns die Trainer gezeigt hatten und hatten ein Schrittproblem. Neben uns tanzte B. mit seiner Frau. Sie hatten das gleiche Problem und besprachen es gerade mit dem Tanzlehrer. A. und ich blieben stehen und hörten zu. Wir diskutierten, dann sagte B. zu A., saß mal eben probieren, ließ seine Frau stehen und begann, die Schrittfolge mit A. auszuprobieren und tanzte mit ihr davon. C. und ich standen da wie bestellt und nicht abgeholt. Ich war angepisst, schließlich hatten wir gerade erst begonnen. A. ist nur eine Tänzerin von vielen, aber C. ist die Frau von B. und da frage ich mich natürlich, wie sie das findet?
Do 19.06.25 9:26 sonnig
Die jungen Leute werden alt. Gestern noch Trendsetter, heute nicht mehr. Der Raubkapitalismus zwingt sie in die Endlosschleife. Kinder tauchen auf und andere Hindernisse. Illusionen zerplatzen wie Seifenblasen. Eine Weile noch überleben sie in ihren Blasen, dann ist es vorbei. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Sa 21.06.25 17:33 sonnig und warm
ein schmetterling
setzt sich auf eine hand
er sagt er sei ein philosoph
er flattere seit tage über land
und habe
menschen observiert
in einem hinterhof
die auf der suche
den ort für einen neustart fanden
nachdem sie wochenlang
vorm ende standen
er flatterte
in china kippte ein sack reis
das leben ist verzwickt
den rest mache die zeit
So 22.06.25 13:56 zu warm
ich schlafe flach
bei diesen temp'raturen
heut in der früh träumt ich
von einem land
in dem ich schon mal war
es lag mir auf der zunge
nennen konnt ich's nicht
weit braunes riesengroßes land
verwahrlost sonnig städte
mensch matt und trostlos
ständige bewegung
marschierende metaphern
in den den sonnenuntergang
ich schrei
wie wird mir alles bang
du träumst sagt sie
steh auf und schüttle dich
ich mache dir kaffee
und liebe dich
vielleicht war'n es die bomben
sag ich diese nacht
der unirdische knall
der um die erde jagt
und angst verbreitet
ich bin auf alles vorbereitet
denn alles war der fall ist
ist der fall
14:53
ich schlafe flach
bei diesen temp'raturen
heut in der früh träumt ich
von einem land
in dem ich schon mal war
es lag mir auf der zunge
nennen konnt ichs nicht
weit braunes riesengroßes land
verwahrlost sonnig städte
mensch matt und trostlos
ständige bewegung
metaphern
in den sonnenuntergang
ich schrei
wie wird mir alles bang
du träumst sagt sie
steh auf und schüttle dich
ich mache dir kaffee
und liebe dich
vielleicht war'n es die bomben
sag ich diese nacht
der unirdische knall
der um die erde jagt
und angst verbreitet
ich bin auf alles vorbereitet
denn alles war der fall ist
ist der fall
Mo 23.06.25 17:56 kühler, Regen und Sonne
Wenn alles klappt, werden wir ab Dezember in Nienberge wohnen. Letzten Freitag waren wir dort, haben uns eine vom Grundriss gleiche Wohnung angeschaut, weil unsere, zwei Türen weiter, noch bis zum 1.08 bewohnt und am Freitag kein Termin mit den dort Wohnenden möglich war. Dann sind wir in den Garten gegangen, eine weite, sehr schöne Anlage mit hohen Bäumen, eine Birke ist dabei, eine lauschige Ecke zum Grillen, haben uns unsere zukünftige Terasse angesehen, im Frühling, Sommer und Herbst zusätzlicher Lebensraum. Bis zum Dorfkern sind es nur ein paar Schritt. Wie in allen westfälischen Dörfer schart er sich um eine kleine Kirche. Ein Teich ist da, das alte Pfarrhaus, ein Restaurant, die Sparkasse, die Apotheke. Freitags ist dort Markt. Es gibt Gemüse, Fleisch, Brot, Blumen, Käse. Beim holländischen Fischhändler habe ich einen neuen Matjes gegessen und Holländisch gesprochen. Wir haben Kaffee vor der Bäckerei Essmann getrunken, und von der Bedienung, einer jungen Studentin, erfahren, dass man in Nienberge gut wohnen könne, sie lebe in einer WG. Das hat uns gefreut. Sie hätte ja auch sagen können, nur Rentner hier. Tatsächlich fahren, während wir sitzen und versuchen, zu verstehen, dass wir uns gerade für eine neue Wohnung entschieden haben, drei oder vier Männer auf Elektrorollstühlen vorbei. Neben dem Bäcker ist ein K&K Supermarkt. Der Radweg von Nienberge nach Münster ist ein wenig kürzer, als der von Roxel nach Münster, die Busse fahren im gleichen Takt, sind aber fünf Minuten schneller. Die Straße, an der wir wohnen, hat keinen Durchgangsverkehr. Keine Busse. Das ist der Ort für den Neuanfang. Ich fürchte mich ein wenig, aber die Furcht wird überlagert von der Freude auf unser neues Leben in einer gemeinsam eingerichteten Wohnung. Nach vierundvierzig Jahren wird das vielleicht die letzte Station meiner Reise. Aber ob ich hier oder dort alt werde, macht kaum einen Unterschied. Der Abschied hat längst begonnen. Ich schaue nach vorn. Ich sortiere Dinge aus, Bücher, Platten, Dinge, die sich in vieundvierzig Jahren angehäuft haben. Ich werde radikal ausmisten. Einmal aus den Augen, sind sie schnell aus dem Sinn, wenngleich es Ausnahmen gibt, wo man ein bisschen mit sich kämpft. Aufregende Zeiten. Mit allem hätte ich gerechnet, damit nicht. Aber eigentlich passieren jedes Jahr Dinge, mit denen man nie gerechnet hätte. Nur eines ist sicher. Der Tod. Den muss man nicht fürchten. Aber die Musik dazu schon: The final countdown. Ab heute noch 162 Tage. Dass die Immobilienbranche uns vertreibt, nur nebenbei. Wir profitieren von ihrer Gier. Sie zahlen Umzug, Umbau, Küchenumbau, Renovierung, Böden. Das alles gibt es demnächst schriftlich.
Di 24.06.25 15:22 bewölkt, frisch, windig
die engel sagten
gut gemeint
jedoch mit vorsicht zu genießen
und schlugen vor
ich solle mir gepflegt
was auf die lampe gießen
empfahlen eine grüne fee
aus lemercier ich kannte sie
wir tanzten eine nacht
bei weißem rauschen
erwachten vis a vis
der wind war frisch
jemand brachte kaffee
und unterm tisch
lag dieser kater
ein alter herr mehrfacher vater
der sich mit mir verbündete
worauf ich ihn als meister akzeptierte
und mit ihm meditierte
ich auf dem rücken
er auf meinem bauch
der meinen stoffwechsel regiert
die engel waren einverstanden
die sorgen kamen mir abhanden
und plötzlich war ich lebensfroh
so einfach so so einfach so
Mi 25.06.25 19:34 sonnig, warm
Mein Ensetzen über das weltweite Schlamassel wird manchmal so stark, dass ich fürchte, es nicht mehr aushalten zu können. Dann denke ich, dass dieses Schlamassel menschlich ist, bei allem Töten, Hungern, Vernichten. Wo immer Menschen siedeln, beginnt das Schlamassel. Da die Bevölkerungsdichte der Erde beständig steigt, vergrößert es sich exponentiell. Wie so ein Schlamassel aussieht, kann man an jeder Ecke beobachten, man muss nicht in Kriegsgebiete fahren. Man muss nur in die Gesichter der Menschen schauen, ihre Einsamkeit gräbt sich in jeden Winkel, selbst von Herzen lachen gelingt nicht allen, weinen tun sie so gut wie nie, tragen aber ihrer Sehnsucht Tag und Nacht wie einen Sack unerfüllbarer Wünsche, der schwer wiegt. Wenn das so ist, beweist es mir, dass die Sinnlosigkeit der Welt, ja, dass überhaupt die Frage nach Sinn, die ja alle treibt, die verständlichste und zugleich überflüssigste Frage ist, die man sich stellen kann. Man muss das Leben lieben. Dann kam man es aushalten. Sinn macht es dann zwar immer noch nicht, aber wenn man sich mit der Sinnlosigkeit abgefunden hat, tut es kaum noch weh. Im Gegenteil, es kann sogar amüsant und unterhaltsam sein. Lehrreich ist es sowieso. Es wird also nicht besser. Aber: es war auch nie besser. Alle bisher erprobten System, von den Sklavendikaturen der Griechen, die sich Demokraten nannten, dem römischen Reich und der Kirche, den Aristokraten, bis zur französischen Republik und den Republiken danach, kaptialistische, faschistische und sozialistische, alle sind gescheitert, wobei man zugeben muss, dass die kapitalistische die erfolgreichste ist. Aber niemand weiß Rat. Dabei gibt es viele, die wissen, was zu tun wäre. Vieles wird getan, aber seit das außer Rand und Band geratetene Amerika die Lüge zur Wahrheit erklärt, und Politik eine Sache persönlicher Eitelkeiten und Rache wird, ist 1984 wahr, so wahr ich hier sitze und ein bequemes Leben führe, wofür ich mich kein bisschen schäme. Das Schlamassel ist Normalität. Ich gehe jetzt Salsa tanzen.
Do 26.06.25 8:48 Regen
wie ich mich drehe
was ich sehe glaube
wer liebt mich
wenn nicht einmal ICH weiß
wer ICH ist
wäre ich ohne ICH nicht frei
ach scheiß drauf einerlei
halt stolzipop
die pozilei
14:54Wir haben beste Karten gegenüber unseren Bedrängern, den Immobilienkaufleuten, das hat uns der Jurist vom Mieterverein bestätigt. Er rät zu behutsamen Verhandlungen. Ich würde es wie Donald machen. Maximale Forderungen, Erfolg oder neu verhandeln. Die Liebste sagt, das wäre dumm. Das sehe ich ein. Muss aber zugeben, das auch in mir ein Donald tobt. Der tobt wohl in vielen, anders ist sein Erfolg kaum zu erklären.
Sa 28.06.25 wechselnd bewölkt, warm
Gestern sind Weichen gestellt worden. Plötzlich fuhren die Zügen anders, und als ich im Bett lag, war ich glücklich. Am späten Nachmittag hatte ich mich aufs Rad gesetzt, eigentlich noch ohne Ziel, aber am Ortsausgang entschloss ich mich, mir unseren zukünftigen Wohnort noch einmal anzusehen. Die Jalousien unserer Wohnung waren im Gegensatz zum letzten Besuch vor zwei Wochen hochgezogen, aber ich konnte nicht recht erkennen, ob sie schon ausgeräumt war. Ich glaube aber nicht. Auf dem Weg zum Kirchplatz kam mir eine Muslima entgegen. Von weitem hielt sich sie für eine Nonne mit ihrem strahlend weißen Hidschab. Sie ging sehr langsam. Zehn Minuten später saß ich vorm Bäcker, trank einen Kaffee und aß ein Stück Madarinen-Schmandkuchen. Und da kam sie heran. Hielt an der Ecke gegenüber, schaute ruhig hierhin und dorthin, eine Frau mit Rollator kam aus der Apotheke. Die beiden begrüßten sich herzlich und sprachen miteinander. Danach schaute sie zu mir herüber. Ich lächelte. Sie überquerte die Straße. Sie schien mir ratlos, ein wenig verloren, ich fragte sie, ob sie etwas suche. Nein, nein, sagte sie in etwas mühsam zu verstehenden Deutsch, sie gehe nur spazieren. Ob sie sich zu mir setzen dürfe. Ich nickte. Natürlich. Ich schätzte sie Ende Fünfzig. Ihr Hidschab wurde vor der Brust mit einer mit Steinen besetzten Spange zusammengehalten. Sie trug mehrere Ringe an den Fingern der rechten Hand. Wir sprachen eine Weile miteinander. Seit 35 Jahren ist sie hier, zwei Kinder leben noch im Libanon, ein Junge, der mit ihr in Nienberge lebte, ist bei einem Autounfall im Brock gestorben. Sie sei sehr allein, sagte sie, ihr Mann gehe morgens um sieben aus dem Haus zur Arbeit und kehre abends um acht zurück, da bliebe da nur noch schlafen. Im Libanon habe man ständig Besuch, Familie, Freunde. Hier sei das anders. Aber die Menschen hier wären nett. Ich kreuzte noch ein wenig durchs Dorf und machte mich dann auf unseren zukünftigen Weg in die Stadt. Die ersten zwei Kilometer sind ländlich und führen entlang der alten B54. Felder. Linden. Höfe. Am Abzweig nach Münster musste ich die Autobahnzufahrt überqueren und mich links halten. Urbaner Freitagnachmittagsverkehr. Ein guter Radweg. Und nach einem Kilometer sieht man die Stadt schon. Nach insgesamt sechs Kilometern ist man im Zentrum. Ich war zufrieden.
So 29.06.25 sehr warm 15:30
Heute in T.s alter Werkstatt. Er schenkt uns vier Schränke, siebzig breit, vierzig tief und zweihundertundfünf hoch. Das Kleiderschrankproblem hat sich damit erledigt.
17:18
falls wahrheit existiert
wie kommt es
dass sie ständig ihre richtung wechselt
den rest des anstands über bord wirft
sich mit speichelleckern abgibt
Mo 30.06.25 31 Grad 16:08
Vorgestern lag er im Bett, das Kissen hatte die richtige Position, er auch, und was stellte er fest: Ich bin glücklich. Bis in den Nachmittag des nächsten Tage hielt dieses Gefühl, am nächsten Tag aber war er traurig, quälte ihn Abschiedsschmerz und Furcht vor der Zukunft und ob er das alles noch hinkriegt. Natürlich kriegt er das hin, sagt er sich, dann geht es wieder. Seit er bei den Eltern auszog, ist er fünfmal umgezogen. 40 Jahre hat er in dieser Wohnung gelebt. Es gibt keinen Kiez hier, es gibt Nachbarschaft, da hat er Verbündete, die er vermissen wird und sie ihn. Welche soziale Mischung ihn in der neuen Nachbarschaft erwartet, weiß er noch nicht, hat aber schon vier freundliche Gespräche mit zufällig ihm begegnenden Nienbergern geführt, eines davon mit der neuen Nachbarin gegenüber, die beim Bürgersteigfegen gerade eine Pause eingelegt hatte, um mit einer anderen Nachbarin zu sprechen. Das sei ganz in Ordnung hier, hat sie gesagt. Das hofft er auch. Umzug, Umbau, Küchenumbau, Anstrich, Böden, all das zahlt die Firma, es ist schon mündlich vereinbart, wird aber verschriftlicht werden, damit nachher niemand sagen kann, das hätte er so nicht gemeint. Ob und wie er den Abschiedsschmerz gegenüber der Firma, die den Umzug "erzwungen" hat, aber darüber hinaus versilbern kann, steht offen. Zwischen dem, was die Firma herausrücken will, und dem, was er möchte, entsteht sicher ein Dissenz. Von dem Ergebnis einmal abgesehen, wissen beide Parteien, dass die Abfindung bis zu einer von der Firma längst mitkalkulierten und in die zukünftige Miete unserer alten Wohnung einpreisten Höchstgrenze der eigentliche Knackpunkt ist. Das auszuhandelnd wird spannend. Stay tuned, bis es wieder heißt: fängt er Dichter von vorne an, oder beißt er ins Gras?
16:57
in kuhns hotel
zerfällt neben den blumen die zeit
reist man allein
will man sich in der weser ertränken
reist man zu zweit
helfen mojitos
im restaurant eines anderen hotels
in dem schon rex gildo schlief
rudi carrell und h.p.baxter
20:32
ode an beverungen
in kuhns hotel
zerfällt neben den blumen die zeit
alleinreisende stürzen sich in die weser
zu zweit helfen mojitos
im restaurant eines anderen hotels
in dem schon rex gildo schlief
rudi carrell und h.p.baxter