Hermann Mensing

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann

 

Einfach so sein, wie man ist

Im FFT zeigt Kabawil einen beeindruckenden Abend zum Thema Identität und Heimat.

Samuel Leutwein hat einen Traum. Der junge Namibier mit deutschem Urgroßvater möchte in Deutschland nach Verwandten suchen. Kaum ist er dort angekommen, brüllen ihm prompt 21 jugendliche Deutsche, deren Eltern aus Gambia, Ghana, Marokko oder Kongo stammen, die schönen Sätze entgegen: „Als Kolonialmacht haben wir in Namibia gemacht, was wir wollten. Wer ‚wir’? Wir Deutsche!“ Präziser und absurder kann man die Frage nach Nationalität, Identität und Geschichte vielleicht nicht auf den Punkt bringen.

Schon das siebte Projekt mit Kindern und Jugendlichen aus Düsseldorf

Die kleine Szene stammt aus dem mitreißenden Tanzabend „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ des Vereins Kabawil. Die Initiative realisiert seit Jahren Workshops und Tanzprojekte mit Kindern und Jugendlichen aus Düsseldorfer Schulen. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“, geschrieben von Hermann Mensing, ein Stück, das in Kooperation mit dem FFT entstand, ist bereits die siebte große Produktion, die sich diesmal der Frage nach dem spannungsreichen Verhältnis von Heimat und Identität widmet.

Neben der Geschichte Samuel Leutweins (Xolani Mdluli), der ein Stationendrama entlang deutschrassistischen Beamtentums (Alexander Wipprecht in diversen Rollen) durchläuft, geht es vor allem um die Alltagsgeschichten der Jugendlichen. Geschichten, die die Frage nach Zugehörigkeit und Zuhause stellen. Dabei entstehen immer wieder schlagkräftige von dem virtuosen Streichquartett kaj:kaj untermalte Szenen, so wenn unter den anonymisierenden weißen Masken plötzlich die Gesichter der Jugendlichen in all ihren Unterschieden sichtbar werden.

Oder wenn ein schwarz-weißes Liebespaar von zwei antiken Chorblöcken mit Vorwürfen überschüttet wird (Regie: Renat Safiullin) und plötzlich beginnt, an seiner Liebe zu zweifeln. Oder eine junge Frau berichtet, wie sie in Deutschland als Schwarze und in Gambia als Deutsche behandelt wird.

Zentrales Element des Abends aber sind die zahlreichen Tanzszenen, die die 12- bis 18-Jährigen unter Anleitung des Choreographen Othello Johns einstudiert haben. Zu Techno, HipHop, Rap, Afrobeat, aber auch einfachen Popsongs zeigen sie ein weites Spektrum von knallig-präzisen Choruslines bis zu gefühlvollen Pasde- deux, mit Anleihen aus Break-, Jazz- und Moderndance. Wenn am Ende Samuel Leutwein in einem Reihenhaus seinen deutschen Großcousin findet und alles in eine große Party mündet, dann hat sich sein Traum erfüllt. Doch der Traum der Jugendlichen bleibt: endlich als das genommen zu werden, was sie in all ihrer Individualität sind. Die Losung dazu lautet an diesem Abend: Dance is it!

Westdeutsche Zeitung 6.08. 07 Hans-Christoph Zimmermann