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Krishima

Auf Kiushi stehe ich an einer Straße, und wie immer stehe ich nicht lang. Die Japaner sind neugierig auf große Blonde. Vor ein paar Tagen hatte ich einen draufgängerischen Fahrer, was zu verkraften gewesen wäre, wenn er es gut gemacht hätte, aber er fuhr als gäbe es kein Morgen, und das gefiel mir nicht, ich hatte noch so viel vor. Ich bat ihn, mich aussteigen zu lassen. Er tat so, als verstehe er nicht. Und als er verstand, konnte er es nicht begreifen. Hatte ich gegen alle Regeln japanischer Höflichkeit verstoßen. Ich weiß es nicht. Ich stieg jedenfalls aus und hatte das Gefühl, dass es gut war. Und nun stehe ich an einer anderen Straße und ein Mercedes hält. Die Tür geht auf, Wagner läuft in voller Lautstärke. Ich sage Guten Tag auf Japanisch. Der Mann sagt Guten Tag. Ich stutze. Es stellt sich heraus, er ist Professor, er hat vor dreißig als Dolmetscher für die deutsch-japanische Kriegsmaschine gearbeitet, und ist ganz stolz drauf. Er liebt alles Deutsche, sagte er. Ich sage nichts, ich höre es mir an. Ich schätze, es war damals ein begeisterungsfähiger junger Mann, wir hatten einen Diktator, die Japaner einen Gottkönig, das passte irgendwie. Er hatte eine gute Zeit, sagt er und bietet mich, mit in sein Institut zu kommen. Er wolle mich all seinen Kollegen vorstellen. Dreißig Männer in weißen Kitteln tauchen auf. Alle sind aufgeregt, gestikulieren, nicken mir zu mit Viertelverbeugungen, dass ich gar weiß, was tun. Und als dann alle stehen, stehen der Professor und ich in der Mitte und jemand macht ein Foto.

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