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Hermann Mensing

gesehen von Nicola Kiwitt

Wie schreibt man ein Portrait über einen Autor, der auf seiner Homepage bereits vier Autorenportraits zur Verfügung stellt? Hier ist nun ein weiteres, kein Aufguss der vorhandenen vier, keine Wiederholung der Wiederholung, sondern eines, das Lust machen soll auf seine Lesungen.

Eine Sache fällt einem trotzdem sofort ins Auge: Hermann Mensings Verständnis von Literatur, bei dem es keine Trennung von Kinder- und Erwachsenenliteratur gibt. Für ihn gibt es nur gute oder schlechte Literatur. Ein Zufall eher, dass sich seine Texte an junge Menschen richten. Das schmälert nicht seinen Anspruch an die Literatur für die junge Zielgruppe. Eher das Gegenteil ist der Fall: "Für Kinder nur das Beste." Und dieses Bild von Kindheit und Jugend, was sich hinter seinem Literaturverständnis verbirgt, merkt man seinen Gedichten, Hörspielen, Theaterstücken und Büchern an. Keinesfalls möchte er mit seiner Literatur verniedlichen oder eine heile Welt erschaffen, denn das wäre auch ziemlich langweilig. Und "nichts ist schlimmer als ein langweiliges Buch."

In seinen Büchern kommen zwei, eigentlich drei Dinge zusammen, die den "Mensingschen" Erzählstil prägen. Zum einen sein sehr reales und nicht beschönigendes Bild von Kindheit und Jugend, dann die Tatsache, das in dem erwachsenen Herman Mensing, der für junge Leser schreibt, mal deutlicher und manchmal etwas versteckter, das Kind Hermann zu spüren ist: Den Kopf voller Unsinn (wie sonst käme ein Erwachsener dazu, auf eine Frage eines Kinder, wieviel Geld er verdiene "eine Trizillion Mark" zu anworten), Abenteuer und Lust, die Welt zu erklären.

Das zeigt sich als drittes nur allzu trefflich auch in seinem Lebenslauf, der ein wenig wie ein Rezept auf die Frage: "Wie wird man Schriftsteller?" erscheint. Und dieses liest sich dann ungefähr so: Man nehme das Leben wie es kommt, betrachte es als einen Schatz von Erfahrungen und Erlebnissen, die man für das Schreiben nutzen kann und erinnere sich gut an die unterschiedlichen Lebensphasen, die einen geprägt haben. Konkret heißt das: eine kaufmännische Ausbildung, ein wenig Lehrerberuf, gewürzt mit Reisen rund um die Welt und versehen mit einer Prise Percussionist in verschiedenen Bands.

All das nicht nur als Schule des Lebens, sondern auch des Schreibens. Und das merkt man auch seinen Geschichten an: der pralle Griff ins Leben, ob es um den 16jährigen Steff geht, der zu einem Schlagzeug-Workshop nach Polen fährt und dort seine erste große Liebe kennenlernt (in "Große Liebe Nr.1"), oder Tuxe, leidenschaftlicher Fußballspieler, der sich während eines Spiels nicht nur mit ungerechten Entscheidungen konfrontiert sieht, sondern sich auch mit Gewälttätigkeit und Rassismus auseinander setzen muss (in "Flanken, Fouls und fiese Tricks").

Die Protagonisten von Mensing sind nicht nur mitten aus dem Leben gegriffen, real und vor allem "ganz normal", sie werden so manches Mal auf die Probe gestellt, reiben sich an den Aufgaben des Lebens und werden jeder für sich auf seine Art und Weise damit fertig. Und so gehört zu seinen Geschichten eben all das, was auch das echte Leben zu bieten hat, neben Freude und Fröhlichkeit auch Schmerz und Traurigkeit, Alleinsein und Einsamkeit genauso wie Zusammenhalt und Freundschaft. Seine Protagonisten wachsen an den ihnen gestellten Aufgaben: So behauptet sich Tuxe wegen einer Fehlentscheidung nicht nur gegen Schiedsrichter und Trainer, sondern auch zusammen mit dem Polen Wojtek, dessen Freundschaft er gewinnt, gegen die rassistisch motivierte Gewalttätigkeit von Ferdi und Benni. Die Fußballgeschichte ist hier die Folie, auf der weitere Themen ausgerollt werden und sie ist die Grundlage für das, was das Buch eigentlich auszeichnet und darstellt: Ein Stückchen Kindheitserfahrung, das so komplex und schwierig ist, wie das Leben eben manchmal ist, wenn sich plötzlich ganz existentielle Fragen nach Recht und Unrecht, Toleranz und Gewalt, Freundschaft und Hass auftun. Mensing liefert hier weder Lösungen noch Patentrezepte, vielmehr schildert er diese Konflikte so einfach, klar und selbstverständlich wie es irgend geht. Und genau das zeichnet die Geschichte aus: dass es eben die genau richtige Mischung aus Tiefsinn, Spannung und Unterhaltung ist - absolut glaubwürdig eben.

Sensibel und differenziert beschreibt er seine Protagonisten und deren zwischenmenschlichen Beziehungen, um die es besonders in "Große Liebe Nr. 1" geht: Alle zarten Liebes- und Freundschaftsbande laufen in Steff, der Hauptperson des Jugendbuches zusammen. Verletzt und enttäuscht, dass seine beste Freundin Marie sich plötzlich für ältere Jungs interessiert, beschließt er, nun alleine sein Glück zu machen. Antriebsmotor ist dabei zunächst eine gehörige Portion Eifersucht, aber auch das unbändige Bedürfnis danach, eigene Erfahrungen "in Sachen Liebe" zu machen. So beginnt seine Fahrt, erstmals ohne Eltern, zu dem bereits erwähnten Jazz-Workshop. Authentisch und sensibel lässt Mensing Steff aus der Ich-Perspektive von seinen Erlebnissen und Begegnungen mit verschiedensten Menschen erzählen. Dabei sind es eigentlich zwei Mädchen bzw. junge Frauen, die von besonderer Bedeutung für ihn sind: Kasia, in die er sich verliebt und die ältere Doro, die sich im Laufe der Geschichte als lesbisch outet und mit der ihn schon bald eine schwesterlich-brüderliche Freundschaft verbindet. Mensing vermag beide Liebeswelten, sowohl Steffs als auch Doros und ihre jeweiligen Orientierungen auf das andere bzw. gleiche Geschlecht gleichberechtig nebeneinander zu stellen. Doros Verliebtheitsgefühle gegenüber Donata erscheinen genauso "normal" und selbstverständlich wie die zwischen Steff und Kasia. Insgesamt ist das Buch wieder einmal ein Indiz für Mensings Fähigkeit, die Lebenswelt junger Menschen treffend, ohne eine Spur von Aufgesetztheit oder anbiedernde, jugendlich-gewollte Erwachsenenschreibe zu beschreiben.

Dass sich Mensing dabei nicht in eine Schublade stecken lässt, beweist er mit dem Buch "Sackgasse 13", in dem er sich souverän des Gruselgenres bedient. Gekonnt lässt er eine schauerlich-spannende Atmosphäre entstehen, die beim Leser Gänsehaut hervorruft, nicht zuletzt weil er die Grenze zwischen Realität und Fiktion verwischt und mit den Fantasien seiner Leser spielt. So finden sich zwar immer wieder Erklärungen für die nächtens auftretenden mal ächzenden und stöhnenden, heulenden und weinerlichen Geräusche im neuen Hause der Familie Neumann, aber mit der Zeit weiß keiner mehr so recht, ob er an diese glauben soll. Schließlich mehren sich die Beweise dafür, dass das Grauen nicht nur ein Hirngespinst, sondern eine stinkende, schleimabsondernde Monsterspinne ist. Trotz der Spinne driftet die Geschichte nicht in Horrorszenarien und -fantasien ab, sondern bleibt in der Realität verhaftet. Wenn es allzu gruselig wird, sorgen humorige Szenen wieder für die nötige Entspannung.

Auch dieses Buch beweist, dass Hermann Mensing sich nicht festlegen lässt auf eine Art von Literatur und das ist gut so.

Nicola Kiwitt ist Bildungsreferentin der Landesarbeitsgemeinschaft Jugend und Literatur in Köln.

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