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Sa 1.03.24 20:22 grau und kalt, gegen drei kurze Sonne
Das waren aufregende Tage. Jetzt ist klar: Das grüne Kleid wird erscheinen. Klar, dass sie keine Lungenentzündung hat. Klar, dass sie mit dem Rauchen aufhört. Die Bronchitis ist schlimm genug. Wenn ich sie husten höre, denke an an die düsteren Monate Anfang 2009. Aber da alles klar ist, und alles andere unklar und nicht im geringsten so, wie es wäre, wäre ich König von Europa, habe ich gestern angefangen, an dem seit fast vier Monate ruhenden Roman Frauen auf Zebrastreifen weiter zu arbeiten. Nichts eilt, aber alles deutet auf gutes Gelingen. Ich habe gerade Feierabend gemacht. Ob ich mir morgen frei nehme, weiß ich noch nicht.
So 2.03.25 20:36
Es war sonnig frisch, gegen Mittag um 10 Grad, danach wieder frisch. Alles, was zu erledigen war, ist erledigt. Nur an die, die zu erledigen dringend Not täte, komme ich nicht ran. Ich warte jetzt auf ein Gewehr, das um die Ecke schießt. Mein Nachbar druckt es gerade aus. Sein Rechner ist alt, das wird ein paar Tage dauern. Vielleicht aber warte ich einfach, bis die Idioten sich selbst erledigen, das könnte eigentlich nicht mehr zu lang dauern. Sie sehen, wir alten Männer sind Optimisten.
Mo 3.03.25 9:43 sonnig
am besten beseitigt man idioten
ohne spuren
Di 4.03.25 12:59
Wie häufig um diese Jahreszeit bin ich verschnupft und huste, könnte mich also kränkelnd nennen und den Vorteil genießen, mit gutem Gewissen nichts zu tun, so wie gestern, als ich auch nichts tat, jetzt gleich.
20:24
Gestern ging das Nichtstun leichter. Ob ich auf dem Wege der Besserung bin?
Mi 5.03.25 23:18
Sonniger Tag. Nichtstun hat nicht funktioniert. Habe daher ein bisschen gearbeitet.
Do 6.03. 25 22:38
Angeblich war ich ein Sonntagskind. Heute war ich es auch. Beschenkt mit einem kobaldblauen Pullover und selbstgestrickten Socken, die, wären sie im Handel zu haben, bei einem Stundenlohn von mindestens 30 Euro 600 Euro kosten müssten. Ich bin noch erkältet, ich war nie ein großer Geburtstagsfeierer. Trotzdem freue ich mich über alle Grüße. Wir haben in der Abendsonne in der Pizzeria Milano im Westend gegessen. Da sind die Pizzen so groß, dass nicht einmal ich meine aufgekriegt habe. Man hat sie uns eingepackt. Gleich geh ich ins Bett. Und morgen ist wieder alles normal.
Fr 7.03.25 14:20 Frühling
Das Hochbeet steht. Da sie als Gärtnerin kompetenter ist als ich, hatte ich Befürchtungen hinsichtlich der Zusammenarbeit. Meine Vorschläge zur Vereinfachung des Zusammenbaus wurden denn auch zurückgewiesen, worauf ich mich auf notwendige Handreichungen beschränkte. Als der Nachbar kam, der als Fachmann für Vieles gilt, und die Dinge so sah, wie ich sie gesehen hatte, stimmt sie ihnen auch zu. Sie ist ein starrköpfige Westfälin, liebens- wie hassenswert, schön außerdem. Ich bin an der Grenze zu Holland aufgewachsen und habe einen anderen Blick auf die Dinge. Männer wie ich sind verletztlich. Ich bin auf dieser Welt einfach unersetzlich. Als alles verschraubt, mit Folie ausgeschlagen und Mäusedraht gesichert stand, Baumschnitt eingefügt und die weniger gehaltvolle Erde aufgefüllt war, flatterte der erste Zitronenfalter der Saison herum. Ein Bote, zweiffellos. Er war gekommen, um zu gratulieren. Das Eingefüllte wird sich nun ein paar Tage setzen, dann füllen wir die gute Erde auf. Für heute reicht es. Unsere Erkältungen sind immer noch virulent, die Arbeit hat Kraft gekostet. Dass wir alt werden, kommt hinzu.
Sa 8.03.25 22:30 Frühling
Beim Eierbauern, Hochbeet mit Holzschutz gestrichen, Garten aufgeräumt, in der Eisdiele, Schlagzeugreel eingespielt, Abendessen, gelesen, immer noch nicht wieder auf dem Damm.
So 9.03.25 18:04 Frühling
Vielstimmiges Vogelkonzert.
19:33
Hatte mich gegen vier trotz Erkältungsmattheit auf zum Tango gemacht. Kreuze mit der Aprilia die Stadt, rolle zur Bananenreiferei, vor und da steht diese Tänzerin, mit der ich vor anderthalb oder zwei Jahren mal sehr einverständlich getanzt hatte und danach nie mehr, weil sie immer so abweisend dreinschaute, wenn ich sie auf einer Milanga traf. Ganz freundlich ist sie, so dass ich sie gar nicht wiedererkenne, und sagt, hier ist nich, Stromausfall. Wie? Stromausfall eben. Hm. Ein Rad hält, ein älterer Tänzer mit Preussenschal. Was ist? sagt er. Stromausfall, sagt sie. Ham die Preussen gewonnen? frage ich. Hätten zehn Tore schießen können, sagt er. Nä. Scheiße, sage ich. Fährst du nach Osnabrück? fragt die Tänzerin. Mit dir hintendrauf? Nä. Aber Dienststag ist Tango im La Vie. Ich habe so lang nicht getanzt, sagt sie. Ich warte noch mal. Vielleicht kommt ja jemand, der fährt.
Di 11.03.25 14:19 grau, am Morgen neblig
Mir ist zum Kotzen. Der Idiot stellt die Welt auf den Kopf. Aber ich weiß, wie ich ihn fertig mache. Ich fahre zur Hot Jazz Session und spiele Funk. Nur Basics zunächst, Bumm und Tschak. Den fettesten Bumm und den schärfsten Tschak. Ich drücke Rolls. Ich akzentuiere Sechzehntel auf der HiHat. Das Tom singt. Ich spiele Pausen. Alles gelingt. Alle strahlen. Wir improvisieren drei Stücke, beim zweiten kommt eine wunderbare Sängerin hinzu. Dem Idiot platzt der Kopf. Wir haben die Welt gerettet. Mehr konnten wir nicht tun. Heute ist der Ekel zurück. Aber auch da habe ich Geheimwaffen. Ich spiele Klavier. Heute abend tanze ich Tango. Der Idiot stirbt an Hirnerweichung. Man freut sich, aber man freut sich zu früh, denn seine Speichellecker würden ihn auf der Stelle heilig sprechen. Was also tun? The beat goes on. It must go on. Otherwise we're totally fucked.
Do 13.03.2523:11 nasskalt
Was nicht aufgeschrieben wird, hat nicht stattgefunden. Deshalb in Kürze: heute ein wenig gearbeitet, Hemingway gelesen, an einer Improvation gearbeitet, den üblichen Müll, kurze Ausfahrt zum Einkaufen, abends bei der Schwester. Am Vorabend im Hot Jazz, Salsa getanzt. Den Mittwoch über in Ehrfurcht erstarrt, denn der Punkt, an dem es weitergeht, ist, wenn ich will, morgen erreicht. Will aber noch nicht.
Fr 14.03.25 14:57 grau, etwas milder
mein land
verstand hat hand
und fuß
biete dem idiot
die stirn
Mo 17.03.25 17:52 sonnig
Fahrradtour. Tilbeck, Havixbeck, Hohenholte, Nienberge, Gievenbeck 34 km. Auf dem Rückweg ein chlorhaltiges Mittel gegen Schimmel gekauft. Riecht wie früher im Hallenbad. Mit Handschuhen und Maske die Badewannenfuge bearbeitet. Sie kommt und sagt, das sieht aber gut aus. Ich bin in Schwung. Frauen auf Zebrastreifen will weiter, aber erst muss ich noch das bisher letzte Kapitel auf Vordermann bringen. Ich schmeiß raus, was hakt, auch, auch wenn es mir lieb ist. Ab morgen werde ich meine Notizen sichten, die ich in den letzten Monaten im Hinblick auf das Ende des Romans gemacht habe. Ich weiß, wie er ausgeht, jetzt muss ich sehen, dass ich elegant die letzte Kurve kriege und in die Zielgerade einfahre.
Di 18.03.25 13:10 sonnig
Seit sechs Wochen werden im Dorf Glasfaserkabel verlegt. Bis spät abends sausen kleine Bagger herum und irgendwo klopft immer ein Rüttler, der die Erde verdichter. Daher halte es heute mit Peter Bichsel. Nichts langweilt mich weniger als Nichtstuns, dasitzen und sein. Ich werde lesen. Nachdenken. Liegen. Wer nicht bereit ist, das Unverständliche zu lesen, wird nie ein richtiger Leser. Nun ist er gestorben. Ich lebe und fühle mich ihm sehr nah.
Gestern Abend habe ich zum ersten Mal seit drei Jahren wieder auf einer Jazz-Session gespielt. Man hat ein Repertoire, All of me ist immer dabei, ein so schönes Lied, aber die Jazzer müssen es unbedingt auseinander pflücken, noch ein Chorus muss improvisiert werden. Ich verstehe es, aber mir geht es zunehmend wie Chuck Berry. I lose the beauty of the melody. Die Groove Session vor einer Woche war beglückender. Was ist gestern getrommelt habe, war okay, ich kann ganz gut verbergen, dass ich nicht Schlagzeug spielen kann, zumindest in technischer Hinsicht. Ich lasse alles weg, was ich nicht spielen könnte, das fällt nicht weiter auf, weil ich das, was ich spiele, auf den Punkt bringen kann. Nur gestern wollte der Knoten nicht platzen. Zu viele Saxophonisten, zu viele Töne? Miles hat die Musik in den Tönen gesucht, die er nicht spielte. Ich bin also in guter Gesellschaft.
Mi 19.03.25 12:05 sonnig, wärmer als gestern
zwei jungs
fuchteln mit schüppe und löffel
am gartentor ihres paradieses
wir kochen!
gleich gibt es nudeln
sagen sie
oh sage ich lecker
soll ich denn kommen
jajaja rufen sie
da hinten
zum sandkasten
wo die anderen
nachtisch zubereiten
kugeln eis und
was man so braucht
für das kinderglück
dazu singen vögel
die sonne scheint
der krieg ist woanders
aber man darf sich nicht täuschen lassen
er ist überall
Do 20.03.25 15:24 Frühling
98 Euro wollte der TÜV, um mir zu sagen, dass das Federbein meiner Aprilia kaputt ist. Meinen Uwe angebeamt, ehemaliger Nachbar und genuiner Meister aller Fahrzeuge aus längst vergangener Zeit mit Focus aus die Restaurierung alter Citroen und Instandsetzung von Motorrädern mit Focus auf Guzzis, BMWs nur von Freunden. Müssen wir drüber schnakken, beamt er zurück. Heute bin ich hingefahren. Er hat sich das Federbein angeschaut, jaa, sagt er, das ist hin, kann ich bestellen, mach ich dir in einer Stunde. Glücklich über Land nach Hause. Ich habe die Aprilia im sechsten Jahr und sie wird immer schneller. Früher war 100 das Maximum, jetzt schafft sie 120, wieso, ist mir ein Rätsel. Ich möchte sie nicht missen. Es gibt so viele kaum befahrene Straßen im Münsterland, ich fahr herum, freu mich auf jede Kurve, ich geb auch mal Gas, aber im Prinzip fahre ich 80.
Fr 21.03.25 12:25 Frühling
Zwischen Spülen, Klavier- oder Schlagzeugspielen, Bettenmachen oder Rasieren taucht ein Gedanke da, der auf den Fortgang des Romann zielt, auf den man wartet. Ein großartiger Gedanke, denkt man, schreibt ihn auf, aber schon beim ersten Wort ist alles Gedachte verschwunden, man schreibt dennoch zuende und stellt fest, dass es nicht das ist, worauf man in Gedanken gehofft hatte, also muss man warten. Man muss warten, alles andere wäre Frevel, also wartet man.
So 23.03.25 10:45 Regen über Nacht
Eine Maus sitzt im Vogelhäuschen. Eine zweite versucht, hinein zu gelangen. Sie probiert verschiedene Äste aus, einer bringt sie fast hinein, aber sie traut dem letzten Sprung nicht und gibt auf.
17:35
sei doch mein kleinstes
nicht mein größtes
komm her
ich schenke dir das meer
ich brauche
was du hast
gib auf gibs her
Mo 24.03.25 17:47
Hat ein Mann, der sich als Frau fühlt, und zum Urulogen geht, ein Identitätsproblem, dachte ich, als dieser gut aussehende Mensch, der sich als Frau fühlt, neben mir saß und darauf hoffte, dass seine Prostata unauffällig sei, so wie meine? Der Doktor, mit dem ich mich gut verstehe, schiebt tagein tagaus Mittelfinger ins Rektum mehr oder weniger fremder Menschen. Wie er sich dabei wohl fühlt? Für mich wär das nichts.
23:27
herr m. hat heute
keine sprechstunde
auch morgen nicht
und überhaupt
er träumt
von seiner nächsten runde
mit seiner windsbraut
dieser schönen welt
das leider auseinander fällt
Mi 26.03.25 15:58 grau
Um den Krieg mache ich mir keine Sorgen. Er ist nicht der erste, der letzte ist er auch nicht, und egal, wer gewinnt oder verliert, niemand ist unschuldig. Mehr Sorge macht mir die Umgestaltung der amerikanischen Gesellschaft. Sie verwandelt sich vor unseren Augen in atemberaubenden Tempo in eine empathielose Technokratie. Amerika, seit Eintritt in den ersten Weltkrieg unangefochtene Weltmacht, wenn auch hier und da zu recht gedemütigt und in Vietnam unterlegen, setzt die Segel für ein neues Zeitalter, das meine schlimmsten Befürchtungen übertrifft. Wenn sich die demokratischen Kräfte Amerikas nicht besinnen, werden ihnen bald die Worte genommen, um sich zu wehren. Die Listen sind längst erstellt. Und da die meisten Menschen feige sind, ducken sie in vorauseilendem Gehorsam. Ja, es gibt Hoffnung, aber nur, weil sie immer zuletzt stirbt.
Do 27.03.25 sonnig
Romanflucht, also auf's Rad, zum Bahnhof, mit der Regio bis nach Lutum, von dort an Schloss Varlar vorbei Richtung Holtwick, Legden, dort ein "Kaiserliches Postamt" gesehen, weiter nach Ahaus, von dort Richtung Heek, kurz hinter Ahle links ab, durch die Bauernschaft Lasterfeld nach Epe, Klassenkameradin besucht, nach Gronau gefahren, ne Suppe gegessen, mit dem Zug Richtung Münster, in Häger ausgestiegen, übern Berg, durch Nienberge am Rüschhaus vorbei nach Hause. Gute 65 Kilometer.
Fr 28.03.25 21:03 sonnig
Frischer Wind, so dass ich meine Radtour am Kappenberger Damm überdachte und statt weiter Richtung Hohe Ward stadteinwärts fuhr, am Marienplatz einen Kaffee trank, einen Nougatring ass und heimfuhr. Rumgedrömmelt. Vielleicht gewöhne ich mich daran und drömmle nur noch. Willem Hermans Herinneringen van en Engelsbewaarder zuende gelesen.
Sa 29.03.25 10:12 sonnig
Die Japanische Kirsche braucht noch zwei, drei Tage, dann blüht sie.
Mo 31.03.25 wechselnd bewölkt
Blumenerde gekauft, die japanische Kirsche vom Efeu befreit, Bürgersteig gefegt, angefangen. Frauen auf Zebrastreifen. Das Abenteuer geht weiter.