Mai 2010 www.hermann-mensing.de
mensing literaturBücher von Hermann Mensing bei: Amazon.de
zum letzten eintrag
Sa 1.05. 9:52
Eine turbulente Woche klingt nach. Die Arbeit ist interessant, aber ich weiß nicht, ob ich sie gut mache. Manchmal denke ich ja, dann nein. Ich schaue zu, wie die Kinder über ihren Wochenarbeitsplänen sitzen, wie die einen trödeln und die anderen Ziele verfolgen.
Ich staune über die einen und verstehe die anderen. Ich bin nicht sicher, ob ich das Konzept, das dahinter steht, gutheiße oder für illusionär halte. Ich weiß nichts von reformorientierter Pädagogik. Manchmal denke ich, sie erschöpft sich in Mitmachaktionen, die man "sinnliches Erfahren" nennt, dann wieder denke ich, dass es so geht und nicht anders. Ich habe nichts gegen sinnliches Erfahren, oft aber fehlt mir die Erfolgskontrolle.
Ich weiß nicht, ob der Mensch verantwortungsbewußt genug ist, sich selbst einschätzen zu können. Ich weiß aber, dass ich von Natur aus faul bin. Wenn man mich mir selbst überließe, zöge ich Faulsein vor. Ich würde durch die Tage treiben und nur zugreifen, wenn mir etwas interessant erschiene. Den Rest überließe ich anderen.
Ich wäre ein Tier, dass nur das Nötigste tut. Ich plante nicht, weil jeder Plan zum Scheitern verurteilt ist. Wenn ich mich nach einem Schultag schlafen lege, klingen die Stimmen der Kinder in meinem Kopf nach. Immer ruft jemand Hermann. Hermann dies, Hermann das. Dann schlafe ich ein.
Kaum erwacht, höre ich die Stimmen schon wieder. So ein Wochenende bügelt das nicht aus. Nicht einmal die Osterferien haben das ausgebügelt. Das ist der Preis, den ich für finanzielle Sicherheit zahle.
Das Wohnzimmer steht voller Blumen für dich. Wir lieben dich.
22:56
die japanische kirsche
simuliert farbigen winter
der mann ohne frau
schaut zu und weiß
das ist ihr winter ihr tag
ohne sie ist es ein unglück
So 2.05.10 11:52
Ich war in Enschede gestern. Ich war nicht allein, ich war mit jemand, den ich vom Tanzkursus kenne. M. wollte einkaufen. Ich wollte sehen, wie und was sie einkauft, so etwas ist interessant. Ich aß einen Matjes, ich aß Pommes, es regnete, ich trank Kaffee, wir schlenderten und ich fühlte mich wohl. Wir sprachen über soziale Herkunft und Prägung, über Ehen zwischen Katholiken und Protestanten, wir sprachen über Häuser am Weg und die Verfallszeit von Architektur, wir fuhren heim und ich verbrachte den Abend auf dem Sofa. Kein schlechter Tag, hatte mir aber einen anderen Abschluss gewünscht. Dennoch. Ich staune über mich. Ich schaffe das Alleinsein. Ich werde stärker. Das beruhigt mich ein wenig. Ich verlasse mich nur noch auf mich.es ist unmöglich
Mo 3.05.10 14:56
Ich glaube, ich lege mich aufs Sofa und lasse den Vormittag abklingen.
Nachher werde ich etwas Leckeres kochen, und hoffen, dass das Leben es gut mit mir meint.
15:24
Gerade eingetroffen:
eine Erfolgsmeldung aus meinem aufregenden Leben...
Herr Mensing gestaltete seine Lesung sehr lebendig und musikalisch untermalt mit Gesangseinlagen, die er auf seiner Ukulele begleitete. In den 1./2. Klassen las er aus seinem Buch 'Der zehnte Mond', in den 3./4. Klassen aus dem Buch 'Sackgasse 13' vor.
Letzte Woche in Bad Oeynhausen.
19:10
kalter montag
jeden tag ein gedicht zu schreiben
unmöglich
jeden tag eines zu lesen
unmöglich zu glauben
ein gedicht hätte irgendeinen sinn
es ist strafbar
dichtern zu trauen
trauen sie keinem unter 30
keinem über 31
trauen sie niemandem
überwachen sie ihre frau
nacktscannen sie ihre kinder
verklagen sie ihre bank
jagen sie ihren abgeordneten
geteert über die plätze der republik
sprengen sie boris becker
und hüten sie sich vor elektromagetischer strahlung
wenn sie können
aber sie können ja nicht
seien sie überdies frohen mutes
denn ihr leben dauert nicht ewig
das ist der einzige trost an diesem kalten montag
ps.
dies ist kein gedicht
dies ist kein text
dies existiert nur in ihrer fantasie
Di 4.05.10 9:53
Dilettierte gestern ein wenig auf meinem Klavier, hatte meinen kleinen Yamaha Recorder dabei, um nachher hören zu können, was ich da gespielt hatte, schnitt den WAV File mit Nuendo zurecht und machte mich auf die Suche nach einem Text, den ich dazu sprechen könnte. Die Drei Frauen passten wie die Faust aufs Auge. Ich frickelte hier und da, ich fügte ein wenig von diesem und jenem hinzu, ein paar Töne meiner Ukulele zum Beispiel, fertig war das alte Gedicht mit neuem Gewand.
Viel Vergnügen.
es bimmelte und tönte
als wäre wandlung
und katholiken begännen
den leib christi zu essen
stattdessen öffnete sich der himmel
und drei frauen fielen herab
sie landeten sanft
sie blieben unversehrt
und ich dachte
ich gehe herum
sammle sie auf
lege sie in einen korb
und stelle sie auf meine fensterbank
damit sie nachreifen
als ich die erste nahm
fiel ihr rechter arm ab
aber das schien ihr nicht weh zu tun
die zweite war ganz weiß und roch ungut
so dass ich sie liegen ließ
die dritte schien gerade richtig
als ich sie in den korb legen wollte
sagte sie lass mich
ich habe einen freund
dafür kann ich doch nichts dachte ich
und legte sie trotzdem hinein
aber sie begann zu randalieren
und mich zu beschwören
ich sagte ich wüsste von all dem nichts
ich sei nur der knecht und müsse herumgehen
und aufsammeln was vom himmel falle
egal was und tatsächlich sei es so
dass täglich merkwürdigeres vom himmel falle
sie solle den mund halten
niemand täte ihr was
da schien sie beruhigt
aber als dann noch eine vom himmel fiel
die augen aufschlug und mich anschaute
konnte ich nicht umhin
ihr vorzuschlagen
mit mir nach hause zu kommen
damit wir ihren brüsten namen gäben
sie war einverstanden
17:53
Herr M. fühlt sich in allen Belangen überfordert. Vielleicht ist das besser als umgekehrt, aber Herr M. hat sich in seinem Leben nie überfordert gefühlt. Er hat immer das getan, was er am Besten konnte, jetzt tut er etwas, was er nicht kann, und das Schlimmste ist, dass er es auch nicht können will.
Er wollte es nie können, nie wollte er das können, und so fragt er sich nach diesem Dienstag, wie all die anderen sich fühlen mögen, die nie ein Leben hatten, das ihnen gehörte und nicht irgendwelchen anderen, und dann dämmert ihm, was für ein Glück er bisher gehabt hat und wem er das verdankt, weiß er natürlich auch.
Aber die ist nicht mehr bei ihm, die ist nicht mehr auf der Welt, und seit sie fort ist, ist die Welt trüb geworden, wenngleich Herr M. nicht trübsinnig ist. Er ist durchaus dem Leben zugetan, weiß nur im Augenblick nicht, wie er den alten Zustand wiederherstellen könnte. Angenommen, alle würden seine Bücher kaufen, wäre alles anders, aber viel zu wenige kaufen seine Bücher, obwohl seine Bücher, da ist Herr M. sich ganz sicher, sehr gute Bücher sind, die nur ein Problem haben: niemand bemerkt sie.
Mi 5.05.10 18:10
ich schätze
das gedicht ist zu schwer
ich könnte es auf dem kopf tragen
aber da macht mein rücken nicht mit
ich verschicke es lieber mit ups
die machen sowas weltweit
dann wird es schon ankommen
es wird dann da ausgepackt
da an die wand geschrieben
und dann können alle es lesen
da würde dann stehen
leckt mich am arsch
oder (in der jugendfreien version)
ich will chillen
in der hardcore version
blast mir einen ihr globalwichser
aber das ist natürlich auch kein gedicht
weil ich gar nicht weiß
was ein gedicht ist
ich habe nur willkürlich zeilen gebrochen
Do 6.05.10 12:47
Eiskalter Wind weht den Wonnemonat zuschanden. Die Pracht der japanischen Kirsche ist dahin. Ich sitze und bereite Unterricht vor. Die letzten Tage waren ein furchtbarer Wirbel.
21:49
Schlafen Sie, Herr M., schlafen Sie, Sie haben lange telefoniert, das Telefon schellte genau zur richtigen Zeit, das hat gut getan, und jetzt gehen Sie endlich ins Bett, also, worauf warten Sie noch ... aufs Leben?
Fr 7.05.10 20:04
heute
wollte eine frau einen mann hinhalten
aber der mann wollte nicht
er hatte andere pläne
er wollte heiterkeit und strömen
küssen und teilen
die frau aber fürchtete sich
und da dachte der mann
du weißt nicht
was du verpasst
verbeugte sich zu großer geste
und versprach sich
Sa 8.05.10 20:43
Stieß mitten in der Stadt auf den 21.Juni 1975. Hatte sie seit über 15 Jahren nicht mehr gesehen. Lebt in Italien bei ihrer Tochter, kehrt aber bald nach Deutschland zurück, weil sie sich hier wohler fühlt. Anschließend beim Enkel, der augenblicklich glaubt, ein Delphin zu sein, jedenfalls kann er Delphin-Sprache sprechen.
So 9.05.10 9:00
Möglich, dass Herr M. doch noch erwachsen wird. Sein erster Gedanke jedenfalls, als er duhn auf dem Rad zum Wahllokal fuhr, die dort wartenden Wahlhelfer um zwei Minuten nach acht mit einem frohen "ich konnte nicht früher" erheiterte, den Wahlzettel nahm, in die Kabine schritt, ihn dort großräumig entwertete, wütend, und im Augenblick entscheidend, dass er die Nase voll hat, sein erster Gedanke also war ein Zitat. Sollt ich je wieder kiffen, hack ich mir die Axt ins Bein.
Gleich fährt er nach Düsseldorf, um sich abstrakte Expressionisten anzuschauen. Da ist er gespannt, der Herr. Seinen Montagskreis zum Thema Salz hat er gestern geschrieben, und für die kommende Woche hat er sich einiges vorgenommen. Zum Beispiel, seinen Roman in die Hand zu nehmen und nachzulesen, ob sich die Mühe gelohnt hat, oder ob er nur dem Zauber der Eitelkeit erlegen ist. So etwas weiß man nie. Zaghaft lichtet sich die Welt, vielleicht gibt es sogar Sonne heute, Fahrmusik ist ausgewählt, Kaffee ist im System, der private Navigator weiß, wohin er will, den Rest übergeben wir dem Schicksal, wie jeden Tag.
21:15
Ermüdet jetzt. Herr M. wird noch kurz in die Röhre schauen und sich dann zu Bett legen. Morgen wird er mit dem Rad fahren. Schließlich hat er sich eine für seine Verhältnisse sündhaft teure Allwetterjacke gekauft, deren cooles Logo der wirkliche Genießer nur mit den Buchstaben TNF zitiert, um allen Wissenden ein bewunderdes Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Die Ausstellung le grand geste! war erfreulich spärlich besucht, denn gestern war die Nacht der Museen, sodass sie heute kaum noch jemand mehr sehen wollte. Wie immer in großen Retrospektiven wurde ein breiter Querschnitt gezeigt, und wie immer sieht man auf solchen Retrospektiven vieles, das einer Strömung zugerechnet wird, aber nicht unbedingt von Bedeutung ist.
Jedenfalls ging es mir so. Es gab zwanzig, fünfundzwanzig Bilder, für die es sich gelohnt hat, der Rest war oft nicht viel mehr als das Ergebnis eines Malprozesses, das, weil er im Museum hängt, nicht unbedingt ein gutes Bild ist.
Trotzdem war es eine schöne Reise.
Der Fluss strömte und an seinem Ufer Menschen in unterschiedlichsten Verkleidungen, jeder sein eigener Held im eigenen Universum. Dazwischen Herr M. und die Kunsthistorikerin, die viele Dinge weiß, die Herr Mensing nicht weiß, aber ob sie auch ein Herz hat, ein richtiges Herz, das weiß Herr M. noch nicht. Der Verdacht liegt nahe, dass ihr Kopf ein Überhangmandat hat, aber das ist nichts Neues, das wurde während eines Kaffees am Fluss besprochen.
Herr M. freut sich also auf jede weitere Reise. Morgen ist Montag, ein Machtwechsel in NRW scheint sich anzubahnen, und das, obwohl Herr M. seinen Stimmzettel zum ersten Mal, seit er das Wahlrecht ausübt, ungültig gemacht hat. Vielleicht sollte er das in Zukunft immer tun, wenn er will, dass sich etwas bewegt.
Mo 10.05.10 13:44
Herr M. hat den Tag mit einer Radtour begonnen. Er wird jetzt immer mit dem Rad zur Arbeit fahren, eine halbe Stunde hin, eine halbe zurück, das ist gut für den Kopf und den Körper.
23:52
Seit 15 Uhr bis jetzt meinen neuen Roman gelesen. Er hat jetzt fast vier Wochen gelegen, und das hat ihm gut getan. Ich bin sehr zufrieden.
Di 11.05.10 16:35
Auf dem Weg sehe ich immer den Bussard. Er wohnt im ersten Wäldchen nach der Kurve zum Brock. Hin und wieder wird er von Krähen angegriffen, manchmal von Elstern. Wie er elegant in den Wald einfliegt. Gerade sah ich einen Storch. Als ich näher kam, verrichtete er sein weißes Geschäft und stieg auf. So habe ich Einfluss auf alles und alles hat Einfluss auf mich. Die Chaos-Theorie wird täglich verifiziert. Wer weiß, vielleicht stimmt das Lied der Fantastischen Vier: Gebt mir einfach die Schuld. Jetzt ist Feierabend. Um den Neid der restlichen Welt nicht anzufachen, verschweige ich, dass ich fast schon Wochenende habe. Schließlich werden Lehrer ja von allen beneidet. Aber bedenken Sie, dass ich nur ein halber Lehrer bin. Morgen schreite ich noch einmal auf, wenngleich da keine großartigen Verwerfungen mehr zu erwarten sind.
Mi 12.05.10 14:31
sie sitzen in den höchsten ästen
jeden morgen fahre ich dort vorbei
während sie lieder singen
strample ich mir die seele frei
die um diese zeit noch nicht richtig tickt
jedenfalls nicht bei mir
ich strample und strample
und sehe am horizont schon den wasserturm
der das ensemble überragt
dann bald die kirche
die dazu gehört
und dann ist es so weit
kinderstimmen stürzen von allen seiten
über mir zusammen
abends im bett höre ich sie immer noch
wenn ich bleischwer bin und ich bin bleischwer
jeden tag bleischwer und das wird wohl so bleiben
so lange ich diesen beruf ausüben muss um zu überleben
no sweat no tears es geht schon ich lebe
ich lebe ich habe sonst nichts mehr ich lebe
ich habe sonst nur noch das leben
dass niemand teilen kann leben und leben
22:12
und sollten wir versinken
versinken wir und sollten wir nicht versinken
versinken wir nicht
das klingt biblisch
aber es kümmert mich nicht die bohne
denn ich lese die bibel nicht
ich habe letztes jahr darin gelesen
damals hat es gut getan
jetzt ist sie ein buch
wie alle anderen bücher
denen ich traue und nicht traue
wie der eine sich traut und der andere nicht
wie der eine an seinen zielen zerbricht
und der andere daran
dass er keine hat
es ist ist einerlei
ob es regnet oder nicht regnet
ob die sonne scheint oder nicht
nichts davon ist wichtig
falls wir glücklich sein wollen
müssen wir glücklich sein und nicht davon träumen
glücklich sein zu wollen
deshalb können wir uns aufknüpfen oder nicht
es ändert nichts wir können träumen
und auch das ändert nichts
wir müssen nur wollen möglicherweise das gute wollen
aber nicht einmal das weiß ich
nicht einmal das ist sicher
aber das macht auch nichts
wir müssen trotzdem wollen
Do 13.05.10 14:35
Mein progressiver Alltag hat mich gerade zum vierten Mal veranlasst, zur Waschmaschine zu schreiten. Während die ihre Arbeit verrichtet, verrichte ich meine. Ich lege letzte Hand an den Roman. Hier fehlt ein Wort, dort ist eines zuviel, hier tut noch ein wenig Tarnung Not, denn alle Figuren sind frei erfunden, Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit wären rein zufällig.
Ich bin auf Seite 80, gleich kommt meine Schwester zum Kaffee, die, wie ich, abgenommen hat, sagt sie, hätte ich das noch nicht bemerkt? Nein, sage ich und sie sagt, mit dem Abnehmen kommen die Falten, und das kann ich bestätigen, das ist auch bei mir so.
Man könnte also darüber nachdenken, wieder zuzunehmen, um die Falten von innen mit gesundheitsförderndem Speck auszufüllen, sie quasi zu straffen, statt Botox zu verwenden.
Das Wetter ernüchtert, aber mir ist das Wetter egal, ich werde den Tag verstreichen lassen. Heute abend werde ich ein wenig tanzen, und am Wochenende werde ich mir die Stranglers anhören, die spielen vorm Dom. Also, liebe Freunde der experimentellen Literatur, denn darum handelt es sich hier, lassen Sie sich nicht verarschen, verarschen Sie andere. In diesem Sinne....
Fr 14.05.10 8:30
bei dem mann
wohnte eine sehr schöne frau
sie war eingezogen
als der mann noch jung war
und voller flausen
sie hatte gesagt liebe mich
und er hatte gesagt ich liebe dich
und sie hatte gesagt liebe mich immer
und er hatte gesagt was glaubst du denn
jeden tag hatten sie alles und nichts gewürfelt
jeden tag hatte einer gesiegt und einer verloren
jeden tag hatte einer gelacht und einer geweint
nie war das leben schöner als mit dieser frau
und wenn sturm kam war immer schutz
und wenn schönes wetter kam war immer etwas zu trinken im haus
und wenn alles am boden lag stand immer einer auf
und wenn einer aufstand kam der andere immer zu hilfe
und wenn alle spotteten
wussten sie
was zu tun war
immer war alles richtig
selbst wenn es falsch war
war alles so
wie man es sich träumen kann
wenn man weiß wie man träumt
und so träumten der mann und die frau
sie träumten ein leben lang und hofften
sie gingen irgendwann gemeinsam dahin
wohin alle gehen wenn der schlitten ins eis bricht
aber dann kam ein mörder und nahm sie ihm fort
seitdem steht der mann auf dem eis
hat ein leeres herz
und sein schlitten wartet und wartet
aber das eis bricht nicht
sein winter hält an und der frühling verspottet ihn
Sa 15.05.10 10:21
Schafskälte statt Wonnemonat. Reiße mir die letzten Haare aus.
20:40
Keiner sagt was, kein Schwein ruft an, Witweralltag ...
23:24
Ein paar Takte Wolf Maahn auf dem Domplatz haben mir gefallen. Den headliner, the stranglers, habe ich nach zwei Nummern verlassen. Einfältiges Hämmern zu infantilen Texten aus vergangener Zeit, ein Keyboarder, der so grottenschlecht auf den Tasten eiert, dass er verhauen gehört. Jetzt noch ein bisschen lesen und dann ins Bett.
So 16.05.10 15:49
Die Sonne schien ins Fenster, ich konnte den weißen Flieder sehen, ich hörte die Vögel und dachte, heute ist ein schöner Tag, windig zwar, aber vielleicht kann ich die Kunsthistorikerin überreden, mit mir spazieren zu gehen. Aber sie war verabredet und so musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Ich frühstückte, ich spielte ein wenig Klavier, ich sitze da über so etwas, das ein Stück werden könnte, wenn ich nur nicht jedes Mal vergäße, was ich am Vortag gespielt habe. Und dann fuhr ich den Rechner hoch und machte mich an den Roman. Und da sitze ich immer noch. Gleich mache ich Feierabend. Vielleicht gehe ich noch einmal um den Block, könnte sein, heute abend gibt es Pfannkuchen und Salat, und dann gehe ich tanzen. Und morgen beginnt meine Woche. Aaa, ich vergaß. Der Künstler war da. Saß mit ihm in der Küche und hatte eine angenehme Stunde. Er scheint mich jetzt ernster zu nehmen als früher. Früher war er gerne ein Arschloch. Vielleicht ist er jetzt ein wenig geläutert.
Mo 17.05.10 14:03
Die Entscheidung, den Weg zur Schule mit dem Rad zurückzulegen, war eine gute. Der Hinweg ist immer anstrengender als der Rückweg, weil es kaum sichtbar dennoch bergan geht, und weil der Wind gern von vorn kommt, aber das macht nichts. Ich fahre eine halbe Stunde, das treibt ein wenig Schweiß, aber der Mensch soll ja schwitzen. Einmal am Tag, sagen sie, wäre gesund, ergo kann das gesund sein. Der Rückweg ist flotter und löst den Stress des Vormittags.
Heute wäre eigentlich ein schöner Tag, nur das Mittagessen mit den Kindern ist eine Veranstaltung, die ich gern anderen überließe. Aber den anderen, den erfahreneren Kollegen, geht es genau wie mir, auch sie empfinden diese halbe bis dreiviertel Stunde als die anstrengendste Zeit des Tages. Ich versuche es mit Schweigen, das himmlich ist. Es funktioniert, eine halbe Minute funktioniert, danach bricht wieder dieser Höllenlärm los, Kinderstimmen mischen sich mit dem Klappern von Geschirr.
Beim Tanzen gestern erbitterte Diskussionen mit dem Kugelblitz, der aus Schwaben stammt und entsprechend gepolt ist: ehrgeizig, strebsam und regelhörig. Wenn ich da aus dem Bauch improvisiere, kriege ich sofort einen Anschiss. Ein Glück, dass wir nicht verheiratet sind, das gäbe Ärger. Ansonsten ist der Kugelblitz eine sehr gute Tänzerin, so dass ich ihm verzeihe und einfach auf Durchzug stelle, was sie "süß" findet.
Mittag jetzt. Aufs Sofa, auf den Balkon, vielleicht einen Kaffee, obwohl ich mit Kaffee zunehmend vorsichtig sein muss, er glüht einfach zu lange nach.
15:30
gut
sagest du
sagte susanne
auf die frage
wie es dir gehe
und ging
als sie zurückkehrte
keine fünf minuten waren vergangen
warst du nicht mehr da
ich kam
sprach mit dir
wusch dich
ich küsste dich
ich zog dir das schönste kleid an
und nahm dich mit
du bliebst drei tage
mit tausend blumen
und wurdest jeden tag schöner
elf monate heute
elf monate bin ich nun
grausam frei
Di 18.05.10 9:11
eyja fjalla jökull
rufen vögel und stäuben sich
riester renten erschlagen minister
taliban können den urlaub nicht antreten
hedge fonds werden geröstet zum chardonnay gereicht
bischöfe entfernen ejakulat
sokrates weiß dass er nichts hat
angela tut so als ob
und rettung ist nirgendwo
das ist der stand der dinge
23:03
Musste heute eine Niederländisch Stunde improvisieren. Die Teilnehmer waren so um die zehn Jahre alt. Die waren begeistert, sagte mir eine Kollegin gerade nach dem Elternabend, und da freut sich der Meister natürlich, denn mit den Kleinen, die ihm sonst am Hals hängen und Hermann, Hermann rufen, ist es ungleich komplizierter, die wissen noch nichts, da staune ich immer, was die alles nicht wissen und was man im Laufe eines Leben so lernen muss. Ich hatte immer angenommen, das wisse jeder.
Heute war also ein erfolgreicher Tag.
Morgen fahre ich nach Ostbevern, um mit den alten Männern kräftig zuzulangen. Rock 'n Roll, Sex, Drogen bis zum Morgengrauen. Hätte nichts dagegen, dabei zu sterben. Aber dann bitte nicht reanimieren. Unter keinen Umständen reanimieren. Einfach verbrennen, auf der Insel verstreuen, fertig.
Mi 19.05.10 9:19
Die Mäntel liegen sortiert, die Jacken, Hosenanzüge, alles ist geordnet und gleich werde ich mich davon trennen, bis auf den einen Mantel, den werde ich nicht weggeben, den brauche ich, um dann und wann daran zu riechen.
Do 20.05.10 12:42
Ich glaube, es wird Frühling. Ich bin erschöpft, schließlich habe ich bis heute früh Musik gemacht. Äußerst merkwürdige Musik, "dummes Zeug", wie wir alten Männer das nennen, und der Grad der Entäußerung hat letzte Nacht Züge angenommen, die das, was wir in den fünf Session, die wir über die letzten zwei Jahre gespielt haben, um einiges übertraf.
Natürlich war THC im Spiel, klar, deshalb treffen wir uns ja, deshalb verkriechen wir uns in diesen Schutzraum, der von niemand außer uns betreten werden darf, weil dort nichts verboten ist und nichts peinlich. Wir pubertieren dort. Das ist albern und sehr befreiend.
Wir sind allesamt keine guten Musiker, wir spielen manchmal eine halbe Stunde ohne irgendein nennenswertes Ergebnis, dann aber steigt plötzlich ein Thema auf, dann dreht es sich und wir spielen noch eine viertel Stunde auf hoher, dichter, gemeinsamer Ebene, und dann bricht alles wieder auseinander. Aber für diese Viertelstunde lohnt es sich.
Schlief auf dem Sofa, erwachte so gegen acht, schlug mein Wasser gegen die Hauswand, ließ meinen Blick übern Horizont gehen, sah Schwalben, hatte vorgestern die ersten gesehen und jetzt also wieder welche, es ist noch windig, aber die Sonne scheint, und wenn Eyjafjallajökull nicht die Nerven verliert und Europa wieder unter Asche legt, könnte es bitte auch wärmer werden. Soviel also zu den alten Männern und der Erschöpfung am Morgen danach. Morgen noch einen Tag Schule, dann ist erst einmal Pfingsten.
Fr 21.05.10 19:54
Auf meinem Kopfhörer toben die alten Männer, erste MP3 sind online, Herr M. hat einen ermüdenden Tag hinter sich, wenngleich es ein sehr schöner Tag war, denn die Zuneigung der Kinder ist mit Geld nicht zu entlohnen, die ist gratis, und von diesen Gratiszuwendungen hatte ich heute eine Menge.
Auf unserem Flur stehen Wäschekörbe in langer Reihe, die ersten zwei sind bereits gewaschen, die dritte Ladung wird gerade verarbeitet, ich habe Heilbutt gebraten, dachte, hach, der sieht lecker aus, was er auch war, aber es war auch der teuerste Fisch, den sie hatten, das bemerkte ich erst, als es ans Zahlen ging, aber ich habe nicht mit der Wimper gezuckt und gezahlt.
Die Steuer ist fertig, ich erwarte eine saftige Rückzahlung, die alten Männer heulen sich in eine bridge, und wenn ich mich nicht täusche, werden sie gleich Hendrix zitieren.
Den Abend werde ich vertrödeln, mal sehn, was noch kommt.
20:15
ein gedicht könnte seineines über fünfundvierzig kleiderbügel
mäntel und hosen und jacken und kleider
eines über eine fahrt in eine morgenstadt
mit baustellen und roten ampeln
eines von einer einbahnstraße
und uneingeschränktem halteverbot
ignoriert
die zusammen gebundenen bügel
genommen und in ein geschäft getragen
abgegeben und noch einmal hinaus
die übrigen bügel genommen
und in ein geschäft getragen
den blick gesenkt
aber sie wurden gesehen
und da wussten sie
was der mann gebracht hatte
und fragten nicht weiter
verlassen das geschäft verlassen verlassen
und heimfahren und fragen
und wieso fragen und spülen vielleicht
und vom großen herz träumen
das keine bügel braucht
das große herz braucht mich damit ich es weiter trage
ich verspreche es
Mo 24.05.10 10:55
Der Mann hat gesagt, ich will nicht mehr, ich brauche eine Pause, ich rauche jetzt eine Zigarette, ich lasse mich nicht maßregeln, von niemand lasse ich mich maßregeln, schon gar nicht, wenn es ums Tanzen geht, erstick doch an deinem Ehrgeiz, ich habe den nicht, ich habe nur einen Ehrgeiz, der will Spaß, nicht Perfektion, Perfektion ist ihm langweilig, Perfektion ist tot, tut mir Leid, und ist rausgangen, hat sich an einen Tisch gesetzt und der Amsel zugeschaut, die unter der Gaube ein Nest hat, hat da gesessen und gesehen, dass drin ein Kugelblitz sitzt und böse starrt, aber da hat er gedacht, bitte, wir sind nicht verheiratet, wir habe einen Deal, mehr nicht, du bist eine gute Tänzerin und ich bin ein guter Tänzer, aber glaub nicht, dass du mir etwas über den Beat erklären kannst, den Beat kenne ich besser, ich bin der Beat, shove it up your ass.
Dann ist Pause, die übrigen Tänzer kommen, dann ist die Pause vorüber und wir beginnen von vorn, beide versteinert, aber schließlich legen die Wellen sich und wir schaffen sogar, worüber wir gestritten hatten, und dann fahre ich heim und denke, ich sollte mich zurückziehen, die Brücken hoch, wie mein Vater immer gesagt hat, Brücken hoch und schießen, sobald jemand sich nähert, fahre heim und denke, soll ich die Kunsthistorikerin anrufen oder soll ich nicht, soll ich, sagt der eine, sollst du nicht, der andere, und beide denken, du sollst das Alleinsein lernen, denn jeder Tag, der mich von dir entfernt, jeder Tag, der mich dir näher bringt, zeigt, dass selbst Freunde nur in Anführungszeichen existieren, vor allem die "guten Freunde", und so ernüchtert lande ich auf meinem Balkon, der Mond schaut vorbei, ich schaue Rock Palast bis halb zwei und sehe nur eine Band, die mir gefällt, Anouk, die haben Energie, die können spielen, alle anderen (Placebo, Snow Control, The Kooks, Franz Ferdinand (Madness und The Tin Tings ausgenommen) können nicht viel mehr als simple Lieder auf ihren Gitarren schrammeln, und dann geh ich ins Bett und der Tag ist verloren.
21:57
Der WeltuntergangEine Romanze
3.02.2010 - 24.05.2010 / 280 Seiten
Di 25.05.10 14:25
Der Neffe war hier, wir haben Kaffee getrunken, Musik gehört und einen kleinen Ausschnitt der Welt verhackstückt. So etwas macht Spaß. Den Rest des Tages werde ich lesend verbringen. Ich lese Selbstgeschriebenes, alles andere ergibt nach wie vor kaum einen Sinn. Die Sonne scheint. Der Wind kommt noch immer vom Meer, aber nicht mehr so kräftig wie gestern. Im Weißdorn gegenüber sitzt ein Eichelhäher. Ich beobachte ihn und staune, wie schnell die Gegenwart mein früheres Leben verschlingt. Beängstigend, wo ich doch Meister im freien Schweben war.
19:24
ich suhle mich in meiner depression wie eine alte sau
Ich habe das Anfang der Achtziger im Rahmen einer Literaturwerkstatt mal auf ein Plakat gedruckt, es hat nichts von seinem Wahrheitsgehalt verloren. Selbstmitleid ist eine grauenhafte Krankheit. Vielleicht hat es aber auch nur damit zu tun, dass mein Roman fertig ist. Wenn so etwas beendet ist, kommt immer ein Loch.
Mi 26.05.10 9:24
Seit langem mal wieder auf einer Jazz-Session. Hach, war das langweilig. Wie die rumtröteten und angestrengt auf ihre Realbooks starrten. Und wie gut es getan hat. Trotzdem. Wie mir das triolische Spielen immer noch näher liegt als alles andere. Und wie ich nach diesem Tief der letzten Tage spüre, dass es wieder bergauf geht. Dass ich sogar anfange, freie Tage zu genießen. Schließlich habe ich freie Tage, heute, morgen noch, und dann nächste Woche, wieder so eine Lehrerwoche, die hervorragend mit meinen freien Tagen korrespondiert, eigentlich gar nicht der Rede wert, und dann fahre ich auch schon nach Ameland. Im Kopfhörer machen alte Männer Musik. Die Straße rumort. Es ist frisch. Ich habe Ideen, aber keine Ahnung, wohin sie mich führen. Das ist gut. Was schlecht ist, bleibt schlecht. Und wahr ist, dass ich es mit niemand teilen kann. Heute abend jedoch werde ich das ignorieren, ich werde tanzen. Tanzen. Und nochmal tanzen.
Do 27.05.10 9:11
Heute werde ich aufräumen. Ich werde Dinge wegwerfen. Nichts persönliches, einfach nur Dinge, die seit Jahren ungenutzt in Regalen liegen und Staub fangen. Ich werde versuchen, eine äußere Ordnung zu schaffen, damit es mit der inneren voran geht. Ich rebelliere. Ich bin 61 und rebelliere noch immer. Das einzige, was ich kann, ernährt mich nicht. Das, was mich ernährt, kann ich nicht. Schlimmer noch, ich will es eigentlich nicht. Man nennt so etwas: ein Dilemma. Da, wo ich sicher war, bin ich alleingelassen. Die, die meinem Leben Sinn gegeben hat, ist tot. Diese Erkenntnis wird täglich schwerer. Das Tanzen gestern hat nicht geholfen. Im Gegenteil.
Fr 28.05.10 7:29
Alte Männer für das Wochenende.
Sa 29.05.10 12:29
Der Pilot navigiert uns durch turbulenten Innenstadtverkehr vor das Gloria. Ein Parkhaus ist nebenan. Wir werden von einer Frau begrüßt, die fragt, wie lange wir bleiben. Bis tief in die Nacht, sagen wir, und sie sagt, dann machen wir Vorkasse, ich gebe euch einen Code, damit ihr heute nacht euer Auto holen könnt. Vorm Gloria stehen Menschen Schlange, wir aber wollen erst noch eine Kleinigkeit essen. Um die Ecke ist ein Nordsee Imbiss, die Sonne scheint, ein Fernsehkommissar schlurft vorüber, neben der Apostelnkirche steht eine sehr schöne Skulptur von Konrad Adenauer.Bildhauer: Hans Wimmer
Das Gloria ist ein feiner Laden. Früher ein Kino, heute ein Club. Er ist voll, als das Konzert beginnt. Und was für ein Konzert. Motorpsycho. Die Band spielt drei Stunden ohne Unterbrechung, sie spielt komplexe Arrangements, sie spielt sehr sehr laut, und nachher weiß ich nicht, ob es großartig war oder langatmig, ich weiß nur, dass ich vorher noch nie so etwas gehört habe.
22: 20
Motorpsycho kommt aus Trondheim. Ich nehme an, da ist es still und über lange Monate so düster, dass es diese infernialische Musik braucht, um nicht verrückt zu werden. Vielleicht war das aber auch eine Meditationsform, die ich noch nicht kannte. Was ich brauche, um nicht verrückt zu werden, weiß ich. Aber ich habe es nicht. Und alle tragen Masken.
So 30.05.10 17:06
Wind. Strammer Regen. Heute früh schon Tropfentrommeln auf dem Tisch unterm Fenster. Gleich kochen, später tanzen, aufhängen und morgen Schule. Auf dem Markt gestern gleich drei seltsame Zusammentreffen, eines in Eiseskälte, das andere warm und freundlich, das dritte zum Ende in Tränen.
23:14
Mit dem Tanzen ist es wie mit der Musik: it don't mean a thing if it ain't got that swing. Es gibt zu viele Tänzer und Musiker, zu viele Schreiber, zu viele von allen, die glauben, es reiche, korrekte Figuren zu tanzen, richtige Noten zu spielen oder Sätze zu drechseln. Ram it up you poop chute, sagte Herr Zappa seinerzeit, ich schließe mich dem an, werde nun ins Bett gehen, flatulieren, schnarchen, sabbern und so Gott will, morgen früh aufstehen und mit dem Rad zur Schule fahren. Das interssiert Sie die Bohne? Das wundert mich nicht.
Mo 31.05.10 13:18
Der Grünspecht war ungehalten, als ich freihändig, die leichte Neigung des Fahrradweges von der Schule auf dem Heimweg nutzend plötzlich genau da auftauchte, wo er in einem Busch saß, vielleicht schlummernd, vielleicht nächste Schritte bedenkend. Der Mensch weiß so etwas ja nicht, er weiß nicht, was ein Vogel im Kopf hat, er neigt ja dazu, sich für den Mittelpunkt allen Lebens zu halten, zudem glaubt er, er sei intelligent, was aber, wenn man so hört, was andere Lebenwesen an sozialer Organisation und umweltschonenenden, nachhaltigen Verhaltensweisen an den Tag legen, bezweifelt werden darf.
Jedenfalls flog der Grünspecht erbost schreiend auf und davon, flog zu einem hölzernen Strommast zu und landete in Spechtmanier, sich vertikal am Mast haltend. Ich dachte, schon wieder einer, dem ich in den Plan gepfuscht habe, schon wieder einer, dessen Kausalkette ich beeinflusse, so wie das jeder zu jeder Zeit immer und überall tut.
Wobei ich wieder auf dem Wochenmarkt bin und bei der eiskalten Begegnung am Samstag, die so nicht hätte sein müssen, aber sie war wie sie war, also lasse ich sie im Raum stehen und beobachte, ob nächste Schritte getan werden. Winde mir eine Kausalkette und verbleibe hochachtend, ich beeinflusse dein Leben und du meines. Nicht mehr und nicht weniger.
Im Keller wartet Wäsche auf mich.
Der Himmel hängt tief, meine hochwertige Gore-Tex Jacke ist ein müder Witz, denn ich schwitze darin wie ein Stier, müsste also, folgte ich dem Fachverkäufer, auch noch entsprechende High-Tech-Textilien unter der Jacke tragen, damit die Feuchtigkeit, die so eine Jacke angeblich nach außen transportiert, tatsächlich transportiert wird. Habe ich aber nicht, ergo schwitze ich. Mag aber das Strampeln durch frische Morgenluft dennoch sehr. Es erdet und verbindet.
Aloha für heute. Der Monat liegt in den letzten Stunden, morgen beginnt der Juni, ein Monat, der besser nicht wäre, denn er hat mir geraubt, was ich für mein Leben liebte und liebe, dafür soll er büßen und Gott soll sich schämen.
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