Oktober 2002                            www.hermann-mensing.de                        

mensing literatur

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Di 1.10.02   10:22

Gegendarstellung: richtig ist, dass nichts von dem stimmt, was sie sagen. Falsch, dass es Wege aus der Misere gibt. Richtig, dass wir es nie tun werden. Falsch, dass wir nie darüber nachgedacht hätten. 

12:29

Richtig wäre, dass wir die Macht hätten. Falsch, dass wir mutig wären. Bleibt für uns nur die Hölle.

19:20

Hölle (3) Es gibt, sagen die Chinesen, einen Berg namens Kleiner Zaun aus Eisen, der von einem anderen Berg mit Namen Großer Zaun umgeben ist. In dem Raum zwischen diesen beiden herrscht dichte Finsternis, und dort gibt es acht große Höllen übereinander, jede umgeben von sechzehn kleinen, von ihr abhängigen Höllen, und von diesen wiederum hat jede zehn Millionen andere Höllen um sich herum. An diesen Orten der Qual ist jedem Laster seine besondere Strafe zugemessen; die Hochmütigen werden in einen Fluß voll Blut geworfen; die Schamlosen werden mit Feuer gestraft, die Geizigen mit Kälte, die Zornmütigen werden von Dolchstichen durchbohrt, und die Grobiane mit Kot bedeckt. Wenn sie ihre Verbrechen gebüßt haben, verwandeln sich die Verdammten in hungrige Teufel, oder sie gehen ein in die Körper der Tiere, um von neuem die Seelenwanderungen zu beginnen.
Einige Sekten glauben nicht an die Strafen der Hölle, weil sie an nichts glauben, in der Meinung, in dieser Welt sei alles Illusion. - Asiatisches Tagebuch, Bd. VII, S. 234; Bd. VIII, S. 74, 80; De Guignes, Bd. II, S. 331: Dubois, Bd. II, S.73 - (boc)

19:25

Und nun Ihre Vorschläge. Bitte....

 

Mi 2.10.02    10:05

Ich wüsste nicht wieso....

13:15

Liebesroman: nächster Versuch

1.

Er stellte sich vor, wie sie hinter ihm saß. Sie hatte beide Arme um seine Hüften gelegt und ihr Haar flog im Wind.  Wenn er sich in die Kurven legte, stieß sie kleine spitze Schreie aus, halb Freude, halb Angst,  und klammerte sich an ihn. 

Sie war ihm so nah wie noch nie.

Stopp! dachte er. So soll es bleiben.

Er gab Gas.  

Die Sonne schien. Der Himmel war bleich und hoch. Fahrtwind drückte auf ihre Gesichter. Sie atmeten in kurzen, rastlosen Zügen. Sie waren aufgeregt. Endlich taten sie etwas, das sie von den anderen unterschied.

Sie rissen aus.

Wie gut sich das anfühlte. Er spürte sie. Er wusste, was sie wollte, er kannte ihre Gedanken, als wären es seine eigenen und sie kannte seine.

Alles war in Ordnung.

Vielleicht heute Abend, dachte er. Heute Abend im Zelt.

„Teke, nicht so schnell, bitte!!!“

Teke lachte ein lautes, glucksendes Lachen.

Ein paar Stunden noch, und sie säßen am Meer. Der Horizont wölbte sich und für Momente würden sie vieles verstehen. Dann würden sie in die Wellen rennen, das Salzwasser auf der Haut spüren und den Sand zwischen den Zehen.

Und dann schnell ins Zelt. 

Wenn nur der Motorroller nicht schlapp machte.

Tekes Rakete.  Die Düse.

Zwei Jahre hatte er Mittwochs und Samstags Reklame ausgetragen und jeden Cent gespart. Dann hatte er die Düse gekauft, angemeldet und versichert. Das Restgeld  hatte er auf dem Sparbuch gelassen.

Für eine Weile würde es reichen.

Teke kannte den Weg zum Meer. Er war ihn oft mit seinen Eltern gefahren.

Er würde die großen Straßen meiden. Ab Deventer würde er einem Fluss folgen. Er würde über einen langen Deich fahren, an Kanälen und Windmühlen vorbei über die Dörfer, dann käme ein Wald und die Dünen begännen und die Welt wäre zuende.

Genau dahin wollten sie.

Ans Ende der Welt, im anderen Land.

Da vorn war die Grenze. Als Teke noch klein war, war es normal, dass Zöllner Autos anhielten, wenn man sie überquerte. Vor allem, wenn jemand im Auto saß, der so schwarz war, wie sein Vater.

Heute war das anders. Heute waren die Grenzen frei.

Außerdem war Teke nicht schwarz. 

Teke war fast so weiß wie seine Mutter. Nur wer genau hinschaute, konnte Afrika ahnen. In seinen Augen zum Beispiel, die ganz groß und wie Schokolade so dunkel waren. Seine Nase verriet auch ein wenig davon. Opas Nase, fand sein Vater. Opa stammt aus Kenia. Tekes Vater aus Eritrea, da haben die Leute eher europäische Nasen. Seine Schwester Kathy war auch schwarz, nur Teke nicht. Sein Vater sagte, das käme dabei heraus, wenn Gene sich mischten. Teke war das ein Rätsel. Eigentlich wäre er lieber schwarz, denn dass er weiß war, glaubte ihm sowieso niemand.

Jemand bremste.

Teke wich aus, geriet auf die Gegenfahrbahn, schlingerte zwischen zwei Wagen hindurch auf den Grünstreifen, Teke bremste und die Düse soff ab. 

Glück gehabt.

Nur sie war nicht mehr da.

Hatte sich in Luft aufgelöst, war dahin zurück, wo sie hergekommen war.

Ein Hirngespinst? – 

Nein, ein Hirngespinst war sie nicht.  Sie war wirklich. Es gab sie in seiner Nähe. Er musste nur herausfinden, wo und dann Kontakt zu ihr aufnehmen. Im Augenblick kannte er jedoch noch nicht einmal ihren Namen, und ob sie es gut fände, mit ihm auf einem Motorroller ans Meer zu fahren, war mehr als zweifelhaft.

Süß? - War sie süß?

Nein, süß war nicht das richtige Wort. 

Als er sie das erste Mal gesehen hatte, fand er sie nicht süß.

Er fand sie umwerfend. Es war, als würde ein Licht angehen. Ein Licht da, wo sonst alles dunkel war. Ein Licht, das nur für ihn leuchtete.

Trotzdem konnte er nicht sagen, wie sie aussah.

Hinter ihm hupte jemand. 

Teke warf den Motor an. Die Düse spuckte Rauch, ihr Motor gurgelte seltsam, Teke legte einen Gang ein und fuhr los.

Bis zum nächsten Mal, du, dachte er.

2.

Klemke redete. Klemke schrieb Formeln an die Tafel. Klemke wies auf ihre Bedeutung hin. Klemke sagte, „so, das prüfen wir jetzt einmal nach, denn das ist ja das Schöne an der Mathematik, dass man alles nachprüfen kann, nicht wahr, Teke.“

Teke fuhr eine Rolltreppe hinab, während  auf der Gegenseite ein Mädchen nach oben schwebte, hinein in das helle Licht, das durch die Glaskuppel des Lichthofes fiel.

Teke war verzaubert.

Er verstolperte das Ende der Treppe, stürzte um ein Haar in eine kunstvoll aufgebaute Teller-, Tassen- und Gläserdekoration, machte kehrt  und fuhr wieder nach oben.

Teke suchte sie überall,  aber sie war wie vom Erdboden verschluckt.

„Nicht wahr, Teke?“ wiederholte jemand.

Teke schreckte hoch.

„Ja Herr Klemke???“

Die Klasse brach in brüllendes Gelächter aus.

„Komm mal nach vorn.“

Teke klappte sein Tagebuch zu, stand auf und ging an die Tafel. Er spürte Blicke, spürte noch das Ende des Traums, das in Wirklichkeit ja der Anfang war, der erste Sätze einer Geschichte, die noch geschrieben werden musste, Teke schüttelte sich, nahm ein Stück Kreide, prüfte die Formel, die ihm zum Glück gleich bekannt vorkam, rechnete so gut er konnte, schaffte den Beweis,  erhielt von Klemke einen anerkennenden Klaps auf die Schulter, wurde mit einem „nicht schlecht, Herr Birhane, meine Hochachtung!“ zurück geschickt, setzte sich unter den erstaunten Blicken seiner Klassenkameraden wieder hin und rammte Mehmet, der direkt vor ihm saß und sein Freund war, die Spitze seines Bleistiftes zwischen die Rippen, weil er so schadenfroh gegrinst hatte, als Klemke ihn nach vorne gerufen hatte.

Mehmet drehte sich um, machte ein schmerzverzerrtes Gesicht, stöhnte und starb.

„Ist was, Mehmet?“ rief Klemke.

„Nein“, sagte Mehmet.

„Na dann...“ 

Klemke war seltsam.

Man wusste nie, ob er gerade ein Mensch oder ein Monster war. 

Teke war sicher, dass er außer Gefahr war, öffnete sein Tagebuch, beugte sich vor und schrieb: Sie ist schön. Sie ist schön und ich will, dass sie mir gehört. Und ich werde sie finden. 

 

3.

Teke träumte wüst. Teke redete im Schlaf. Teke schlief so schlecht, dass man es ihm ansah. Er hatte Ringe unter den Augen und kam morgens nur schlecht aus den Federn.

Seine Mutter schwieg. Seine Mutter verwöhnte ihn. Seine Mutter dachte das ginge  vorbei, aber es ging nicht vorbei und so fragte sie schließlich, was los sei.

„Ach nichts!“ sagte Teke, aber er wusste,  dass er mit so einer Ausrede nicht davon kommen würde. 

Ein paar Tage später schaute seine Mutter ihn an und sagte zärtlich: „Teke, ist es ein Mädchen?“

Teke tat so, als habe er nicht verstanden. Sein Herz aber hatte verstanden, sein Herz hatte begriffen, dass seine Mutter ins Schwarze getroffen hatte und reagierte. Es nahm Fahrt auf,  so wie die Düse Fahrt aufnahm, wenn er Gas gab, und pumpte zusätzlich Blut in seinen Kopf. Teke wünschte, er wäre so schwarz wie Kathy, dann hätte seine Mutter nicht sehen können, dass er rot geworden war.

„Also ein Mädchen!“, stellte seine Mutter fest. 

Da war es wieder, das Gefühl, durchschaut zu werden. Noch nie hatte Teke seiner Mutter etwas verbergen können. Es gab nichts, was sie nicht früher oder später aus ihm herauskitzelte.

Teke nickte.

Seine Mutter lachte, als wäre ihr ein Stein vom Herzen gefallen, als hätte sie eine schöne Erinnerung und Teke war froh, dass es nun noch jemanden gab, der von seinem Geheimnis wusste.

„Wie heißt sie?“

„Ich weiß es nicht.“

„Aber du musst doch wissen wie sie heißt.“

„Nein“, beteuerte er. „Ich weiß weder sie heißt, noch wo sie wohnt, noch sonst irgendetwas.“

„Hm hmm“, machte seine Mutter und steckte sich eine Zigarette an.  „Auch eine?“

Teke stutzte. Er hatte zwar schon geraucht, aber besonders gut hatte es ihm nie  geschmeckt. Dass seine Mutter ihm eine Zigarette anbot, war ungewöhnlich. Schließlich war sie es, die Teke immer wieder ermahnte, bloß nicht mit dem Rauchen anzu fangen, eines Tages würde er es bereuen, so wie sie es bereue.

„Ich rauche nicht.“

„Das ist gut“, sagte seine Mutter, „braver Junge!“

Teke stellte sich vor, jemand würde das hören. Schrecklich!

„Halt die Augen auf“, sagte seine Mutter. „Such sie!“

Genau das hatte Teke sich auch gedacht.  Aber suchen war nicht der richtige Weg. Er musste sie finden. So wie er sie gefunden hatte, als die Rolltreppe hinab fuhr. Genauso würde er sie wieder finden.

Was allerdings wäre, wenn es so weit war, wusste er nicht. Da gab es nur Träume. Blicke nur, nicht viele Worte. Träume mit schönem Wetter und guter Laune. Träume wie im Kino.

Aber was, wenn es regnete?

Wenn der Himmel tief hing und alle schlechte Laune hatten?

Und noch schlimmer: wenn sie nichts von ihm wissen wollte? –

Im Tagebuch stand:

Sie hat mich gesehen. Sie hat gesehen, dass ich sie gesehen habe. Sie hat gespürt, was ich gespürt habe. Vielleicht sucht sie mich auch. Ganz bestimmt sucht sie mich. Wir werden uns finden!!

Und wie sollte er sie ansprechen? –

Sollte er sagen:  ‚Guten Tag, ich heiße Teke Birhane, ich habe dich zwar erst einmal gesehen, aber ich finde dich super?’

„Mama?“

„Ja?“

„Wie hast du Papa kennen gelernt?“

„Ach, das ist eine lange Geschichte.“

„Ich hab Zeit“, sagte Teke, und seine Mutter erzählte.

Teke fand die Geschichte nicht lang. Im Gegenteil. Sie war kurz und bündig.

Sein Vater hatte seine Mutter in einer Disco gesehen, sie hatte ihm gefallen, er war zu ihr gegangen und hatte sie um einen Tanz gebeten.

„Um einen Tanz gebeten?“ fragte Teke.

„Ja. Er hat sich verbeugt und gesagt: Gestatten Sie! – Ich wäre fast umgefallen. Aber schließlich habe ich Ja bitte! gesagt.“

Teke sah, dass die Augen seiner Mutter leuchteten. 

„Und du meinst...“

„Natürlich, Mädchen sind Mädchen.“

„Aber da, wo ich tanzen gehe, ist es so laut, dass man schreien kann, ohne gehört zu werden...“

„...versuch es mit Zeichensprache...“

„...und die Mädchen tanzen in Gruppen mit anderen Mädchen...“

 „...das war damals auch oft so!“ 

„Jetzt ist aber heute, Mama. Und heute ist immer alles anders als damals.“

„Dann denk dir etwas anderes aus.“

Teke nickte.

Ins Tagebuch schrieb er: Mama glaubt, dass es ganz einfach geht. Ich glaube das auch. Allerdings glaube ich auch, dass das Einfachste auf der Welt oft das Komplizierteste ist. Wieso, weiß ich nicht. Es kommt mir aber so vor.

 

4.

Teke stand unterm Vordach eines Textilgeschäfts.  Die Welt hatte sich unter Regenschirmen versteckt. Einer leuchtete wie die Abendsonne. Das war das Erste, was Teke auffiel. Aber er dachte sich nichts dabei. Wieso auch. Er wartete ungeduldig auf Mehmet. Mehmet konnte alles mögliche gut, nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das lag ihm nicht.

„Typisch Türke!“ würde Teke ihn vielleicht gleich ärgern und Mehmet würde unter Umständen mit einem verächtlichen „Kartoffelfresser-Nigger“ kontern, das Schlimmste, was ihm einfiel, womit das Thema der gegenseitigen, freundschaftlichen Beleidigungen erst einmal wieder abgeschlossen wäre.

Mehmet und er hatten ein Arsenal solcher und ähnlicher Worte, die nur sie und niemand sonst gegen sie gebrauchen durfte, Worte, die ihnen von klein auf hinterher gerufen worden waren, Beschimpfungen des Alltags, Nadelstiche, die sie daran erinnern sollten, dass sie anders waren.

Rotkohl, Segelohr, Fettsack, Weichei, Warmduscher und und und, alles ein und dieselbe Kategorie, wobei der Gerechtigkeit halber gesagt werden muss, dass die Zusammensetzung aus Kartoffelfresser und Nigger Mehmets Erfindung war.

Dass jemand Teke Nigger nannte, kam nicht häufig vor, denn nur wenige waren  aufmerksam genug, aus seinen Augen und seiner Nase Schlussfolgerungen zu ziehen, aber es kam vor, das genügte.

Es kam vor, und in letzter Zeit kam es sogar häufiger vor.

Als Mehmet Augenblicke später auftauchte, wurde der orange-rote Schirm gerade zusammengeklappt.

„Moin Teke!“ sagte Mehmet.

„Zehn Minuten!“ wollte Teke sagen. „Zehn Minuten, du Kümmeltürke“, aber dann kam alles anders.

Der Besitzer des orange-rote Schirms war eine Besitzerin.

Sie.

Keine zwanzig Meter entfernt.

Teke erstarrte.

„Was ist los, Mann?“ Mehmet blickte seinen Freund ratlos an.

„Da!“ war alles, was Teke sagen konnte. Er war froh, dass überhaupt Laute aus ihm heraus kamen. „Da, die!“

Mehmet lachte unsicher.

Teke wollte den Arm heben, in ihre Richtung zeigen und sagen: „Mehmet, das Mädchen da, die habe ich gesucht“, aber es ging nicht. Offenbar waren sein Sprach- und Bewegungszentrum außer Kontrolle. Ein Kurzschluss vielleicht. Eine gefährliche Anhäufung von Adrenalin.

Teke war einfach erschüttert.

Erschüttert, überwältigt, was kann man noch sagen. Es war, als hätte er gerade gesehen, wie der Mond vom Himmel fiel oder die Sterne kollidierten.

„Und?“ fragte Mehmet.  

17:36

hermann quält sich heftig mit dem roman, aber es wird schon.
im übrigen manchmal das gefühl, gleich fall ich tot um. überlebe dann aber
doch meistens.

 

Do 3.10.02   10:59

Hilfreiches zum 3. Oktober 

en eut m entru erlin dle inheitswei etrunke nd eftige inheitseintop usgegebe ir, en eiertagsredne hr
timm rhebe n i ie ufheben as estaurier randenburge or ein erhüllun erlier - an at ies lle wa iel it er eier er eutsche inhei m eutsche eierta u un, ber ur enig it en atsächliche efindlichkeite er ensche m iederveinte and.... (aus WN 3.10.02 Leitartikel: Warten auf den Gegenwert )

15:08

Noch mehr Hilfreiches zur Feier des Tages. Sollte Langeweile Sie plagen, vervollständigen Sie einfach obigen Text, indem Sie die von mir weggelassenen Anfangs- und Endbuchstaben einfügen. 

Hier die weggelassenen Buchstaben in der Reihenfolge des Textes: 

W-n h-e i Z-m B e-r E-n g-n u d-r E-f a-n w-d, w-n F-r i-e S-e e-n u-d m-t v-l A-s d r-te B-r T s-e V-g v-t - d-n h d a-s z-r v m d F d D-n E-t a d-n F-g z t, a n w m d t-n B-n d M-n i w-n L. 

Wagen Sie selbst auch einmal einen Versuch. Sie werden sehen, aus jedem beliebigen Text lassen sich wunderbare Beispiele sinnlosen Schreibens herstellen. Viel Vergnügen. 

19:32

In dieser Gesellschaft ist der Tod allgegenwärtig. Wo immer du hinblickst. Leute, die sich schminken lassen, liften, falsche Zähne einsetzen, kaufen, edelkaufen, eine unbeschreibliche Lebensgier, eine sich in Verdoppelung ausbreitende Sucht der Selbstverwirklichung, die nach einer Zweitwohnung, nach dem Zweitauto, Zweitfernseher, der Zweitfrau verlangt, denn man weiß, auch der Papst ahnt es, nichts, nichts kommt danach. Wir leben in der transzendentalen Obdachlosigkeit. Dies bisschen Erde. Das ist alles. Hier, hier, hier. Jetzt, jetzt, jetzt. Sonst nichts. (1)

 

Fr 4.10.02    10:10

Noch eh die Sonne Kraft  hat, ist er draußen, dreht seine Runde, spürt noch die Träume, Fäuste, die auf ihn einschlagen, spürt, wie sie ihn auszupressen versuchen, schwer wie Blei ihn am Boden halten, heute nicht, lachend rufen, heute, mein Lieber, heute reißen wir dir die Eingeweide entzwei, mach, was du willst. Feuchtigkeit gleißt in den Spinnweben. Er geht und geht, er käme in einen tiefen Wald, käme an ein Meer, käme an einen anderen Traum, er streckte sich, griffe danach, er wäre einer, der stark ist, zeitlos, einer, dem bei allen Fragen auch Antworten kämen, so einer wäre er, während der Verkehr in die Stadt braust und beim Bäcker sich Brötchen stapeln, so ein Held wäre er, der von der Sonne gegrüßt und den Winden umschmeichelt wird, so einer an diesem Tag, einer, der sich zusammen reißt: ich reiße mich zusammen, sagt, nach dem ersten Kaffee wird niemand mehr Macht über mich haben, es sei denn, die unausgesprochenen Worte. 

 

10:54

Nur in der Kunst hat die bürgerliche Gesellschaft die Verwirklichung ihrer eigenen Ideale geduldet und sie als allgemeine Forderung ernst genommen. Was in der Tatsächlichkeit als Utopie, Phantasterei, Umsturz gilt, ist dort gestattet. In der Kunst hat die affirmative Kultur die vergessenen Wahrheiten gezeigt, über die im Alltag die Realitätsgerechtigkeit triumphiert. Das Medium der Schönheit entgiftet die Wahrheit und rückt sie ab von der Gegenwart. Was in der Kunst geschieht, verpflichtet zu nichts. (2)

 

Sa 5.10.02   12:17

I'm only in it for the money... (3)

13:58

Elender Spötter, du willst ein Künstler sein, und in deinem Innern brannte nie die Flamme des Glaubens und der Liebe; aber deine Werken werden tot und starr bleiben wie du selbst, und du wirst wie ein Verstoßener in einsamer Leere verzweifeln und untergehen in deiner eigenen Armseligkeit. (4)

 

So 6.10.02   15:20

Starker Kakao, ein Häubchen Sahne obenauf, die gesicherte Erkenntnis, dass unser Wellensittich uns Nachrichten zukommen lässt in Bezug auf gewünschtes Futter, Pflege und noch vorhandene Wassermenge im Spender, die Sonne, die Schatten ins Zimmer wirft, tanzendes Schattenlicht unzähliger Blätter, mit einem Wort Sonntag und wir schreiben kein Wort.

 

Mo 7.10.02     13:34

Es tropft. M. zählt mit. Es denkt. M. denkt mit. Kaffee ist fertig. M. schenkt sich ein. Ist alles wieder gut? Oder sprengt er sich weg? Schießt er, trifft er den Richtigen? M. vergießt Blut. M. trinkt noch einen Kaffee. M. interessiert das nicht mehr. M. hätte von allem genug und begnügte sich. 

 

Di 8.10.02    9:48

Unter den Strahlen der frühen Sonne strecken die Schatten der Linden sich weit über die junge Saat. Messerscharf auf dem Feld verlieren sie dennoch die Form, gleichen eher Palmen an diesem frostigen Morgen. Und wir sprechen schon von der Insel. Am Samstag, sagen wir, endlich, zur zweiten Heimat, zur Insel. Wie sehr wir uns freuen. 

13:07

Vorher jedoch Vortanzen auf der Buchmesse. Doppelte Rittberger bei Schnittchen und Kaffee. Donnerstag. Kommt alle und schaut, wie Herr M. sich zum Affen macht. Halle 3.0 Stand G 308 zwischen 12 und 16 Uhr. Keine Angst, kommt, streichelt ihn, er wird schon nicht beißen. Er ist ganz zahm.  

15:12

Manchmal ahnt man, wie weit wir hätte kommen können. Dann stellt man das Radio an, liest Zeitung, schaut fern und wird sofort wieder aus allen Träumen gerissen. Schade, so unter den eigenen Möglichkeiten zu leben und auch noch zu glauben, man sei ein höheres Wesen. Vernunftbegabt. Die Krone der Schöpfung. Lächerlich. 

 

Mi 9.10.02    00:32

Es stimmt. Ab heute ruft jeder wieder Literatur. Und ich bin zwei der 300000 Neuerscheinungen dieser Saison. Wohin soll das führen? 

 

Do 10.10.02   22:35

Eröffnete an der Theke der "Guten Quelle" mit "war in Frankfurt, sechs Stunden Auto, ein Malteser, ein Pils." Daraus wurde "er hier war in Frankfurt, sechs Stunden hat er gebraucht." Frage: "Wieso?" Ich zog es vor, sie nicht darüber aufzuklären, dass sich die sechs Stunden auf Hin- und Rückfahrt bezogen, sondern sprach von Baustellen, die sich reihten, LKW, die haarsträubende Überholmanöver absolvierten und dem allgemeinen Wahnsinn automobilen Ursprungs. Wohltuendes Mitleid. "Warst sicher auf der Büchermesse, nich?" sagte der Dorfstutzer, Vorsitzender des örtlichen Sportvereins, mein Alter, silbergrau, dicker BMW. "Ja", bestätigte ich. "Hab mal dein Hörspiel gehört Der schwarze Mohr, das fand ich Klasse (Der Mohr von Roxel, WDR 2000). Ja, sagte ich. - Zurück nach Frankfurt. Parkten im Rebstockparkhaus für € 10 pro Tag. Gebe zu, dass dieser horrende Betrag den Shuttle zum Messe Gelände einschloss, dennoch: FICKT EUCH FREUNDE. Nächstes Jahr fahre ich wieder mit der Eisenbahn. Traf, wenn ich treffen wollte und erhielt interessante Informationen. Habe dort Freunde, was gut tut. Sie sind der Grund, warum ich diese Aufzeichnungen verschlüssle. Von ihnen erhielt ich die Informationen. Danke. Noch zweimal schlafen, und ich verschwinde auf die Insel. PS. Das Kultursekretariat Nordrhein Westfalen wird mich in seinem Autoren Reader Jugend-Literatur im nächsten Jahr vorstellen. Es geht also vorwärts. Gute Nacht Freunde, die ihr denken könnt und dies gern lest, zur Hölle Feinde, wenn euch nichts Besseres einfällt, als mich anzuscheißen. Gute Nacht.

 

Fr 11.10.02   13:16

Noch einmal: 

SIE HABEN HIER NICHTS ZU SUCHEN. SCHWÄRZEN SIE SICH SELBST AN. SAGEN SIE: ICH BIN SO DUMM, DASS MICH DIE SCHWEINE BEISSEN. SAGEN SIE: ICH HABE ANGST ZU DENKEN. SAGEN SIE: ICH WILL MENSING IN PUTATIVER NOTWEHR ERSCHIESSEN. KOMMEN SIE, MENSING WARTET.

17:39

Ich bin nicht mehr hier, doch noch nicht dort.

                   

          

18:13

Wir bitten um äußerste Nachsicht. Wir sind zerbrechlich und voller Hoffnung. Bitte Enttäuschen Sie uns nicht. Begreifen Sie uns als Ihre eigenen Ängste, und Sie werden sofort verstehen: wir sind ihr persönlicher Jesus. 

 

Sa 19.10.02    18:29

Betr.: Vorstellungen des Magischen Theaters

Geehrte Leser,

gut unterrichtete Quellen informierten mich, dass es Bestrebungen gibt, mich wegen politischer und moralischer Unkorrektheiten dieser Aufzeichnungen in Misskredit zu bringen. Daher die Verschlüsselung, die ich demnächst noch vervollkommnen werde. Wünsche deshalb Ihnen, die mit Unkorrektheiten leben können, alles Gute und verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung.

20:46

Nein, es gibt eine Überkapitalisierung, (...) viel zu viel Kapital, und so flüchtet das Kapital in alle möglichen bizarren Ecken, entkernte Granitblöcke, Penck, Platinfüllfederhalter, Bilder (...), in van Goghs, in Anleihen, in Warentermingeschäfte, (...) es ist das wunderschöne Chaos, (...) aber kreativ, (...) bis irgendwann einmal alles ins Rutschen kommt. Dritteweltländer, die auf Pump leben, pfeifen auf dem letzten Loch, Banken in Amerika brechen zusammen, Wallstreet wackelt, London, Frankfurt... (5) SCHÖNEN SONNTAG 

21:26


"Trotz der heiligen Versprechen der Völker, den Krieg für alle Zeiten zu ächten, trotz der Rufe der Millionen: 'Nie wieder Krieg', entgegen all den Hoffnungen auf eine schönere Zukunft muss ich sagen: Wenn das heutige Geldsystem, die Zinswirtschaft, beibehalten wird, so wage ich es, heute schon zu behaupten, dass es keine 25 Jahre dauern wird, bis wir vor einem neuen, noch furchtbareren Krieg stehen.

 Ich sehe die kommende Entwicklung klar vor mir. Der heutige Stand der Technik lässt die Wirtschaft rasch zu einer Höchstleistung steigern. Die Kapitalbildung wird trotz der großen Kriegsverluste rasch erfolgen und durch Überangebot den Zins drücken. Das Geld wird dann gehamstert werden. Der Wirtschaftsraum wird einschrumpfen, und große Heere von Arbeitslosen werden auf der Straße stehen. An vielen Grenzpfählen wird man dann eine Tafel mit der Aufschrift finden können: 'Arbeitssuchende haben keinen Zutritt ins Land, nur die Faulenzer mit vollgestopftem Geldbeutel sind willkommen.'

Wie zu alten Zeiten wird man dann nach dem Länderraub trachten und wird dazu wieder Kanonen fabrizieren müssen, man hat dann wenigstens für die Arbeitslosen wieder Arbeit. In den unzufriedenen Massen werden wilde, revolutionäre Strömungen wach werden, und auch die Giftpflanze Übernationalismus wird wieder wuchern. Kein Land wird das andere mehr verstehen, und das Ende kann nur wieder Krieg sein."

Silvio Gesell 1918

23:24

Also, nehmen Sie meinen Hut und gehen Sie. Und dann werden wir hier weiter in Frieden unseren kleinen Tanz aufführen. Verstanden? 

 

So 20.10.02    13:46

Entspanntes Ruhen im THC-Hochgeschwindigkeitszug. Wir haben Eschede überlebt, wieso sollten wir uns da vor den noch ausstehenden Reisen fürchten. Den Tod jedenfalls fürchten wir nicht. Seinen hinterhältigen Bruder, das Sterben, schon eher.  

17:32

Der neue Zugang, ein mutiger Schritt ins Tal der Dummheit, der nötig ist, um zu diesen Notizen zu gelangen, ist nicht einmal einem meiner Lieblingskunden gelungen. Einerseits freut mich das, hab ich ihn doch aufs Glatteis geführt. Andererseits frage ich mich, ob es, wenn es ihm nicht gelingt, überhaupt jemandem gelingen wird, hierher vorzudringen. Wir werden sehen. Der Mutige wird mich fragen. Alle übrigen sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst. 

 

Mo 21.10.02    9:00

Liebe Lesende, da wir nun unter uns sind, könnten wir uns alles sagen. Aber mal Hand aufs Herz: will das überhaupt jemand? Ich glaube NEIN. Womit wir beim Wetter wären und beim leichten Schwindel, bei dem zu uns zurückgekehrten australischen Wildvogel, bei Igeln, die spät nachts über Straßen rennen, bei den Schlägen der Wanduhr im Nachbarhaus, beim Frühstück und bei unseren Schatten, die nie fort waren. Guten Morgen Schatten, rufen wir ihnen zu, lasst uns weitermachen. Weitermachen und gespannt darauf warten, wann die erste Sätze unseres Satz-für-Satz Projektes eintrudeln. Nachzulesen unter Neuigkeiten im www.literaturcafe.de Weitermachen, nichts weiter.

 

Di 22.10.02    9:00

Links ein akkurater niederländischer Deich, vom Scheitel zur Sohle fünf bis sieben Meter hoch, dahinter, südöstlich, das Watt. Nordöstlich das unwirkliche Grün saurer Weiden, auf denen niemand gern weidet, nur Schafe. Eine besondere Brut,  glubschäugig und so dumm, dass sie nicht wieder auf die Beine kommen, wenn sie in Rückenlage gelangen, mehr noch, sie sterben sogar. Warum das so ist? Ich weiß nicht. Ich meine mich nur zu erinnern, dass sie dem Druck ihrer Innereien erliegen. Sah letztes Jahr schon zur Nacht so ein Schaf, alle Viere nach oben gestreckt. Fragte mich, was mit ihm sei. Im gleichen Augenblick kam ein Bauer, der zur Nacht wohl die Deiche abfuhr, stieg aus seinem Auto, ging den Deich hoch, griff das auf dem Rücken liegende Schaf am linken Hinterlauf und hob es mit einem Ruck auf die Beine. Das Schaf blökte, schüttelte seinen verschissenen Pelz und rannte davon. An diesem Spätnachmittag aber, der uns einen zerrissenen Himmel bietet mit Optionen auf jedes Wetter zu jeder Minute, an diesem Spätnachmittag stehen hundert, hundertfünfzig Schafe auf den Weiden nordöstlich. Und alle schauen in unsere Richtung. Und eines blökt. Und ein anderes antwortet. Und jedes hat seine eigene Stimme, und plötzlich blöken zehn, zwanzig und mehr und eines setzt sich in Bewegung und ein anderes fällt ein, und wir stehen da und wundern uns, denn nun kommen sie auf uns zu, rennen, blöken, rennen so schnell sie können, halten uns wohl für Bauern, die dummen Viecher. Wir lachen. 

13:20

Hinter der Engelsmanndüne ist der Strand so weit, dass man glaubt, man könne das Meer nie erreichen. Flach wie ein Brett, doch je nach Jahreszeit und Wind bilden sich auf dieser Ebene Wanderdünen. Keine höher als einen halben Meter, jede auf eigener Form bestehend, wie Jahresringe sind verschiedene Ablagerungsstufen erkennbar, Segmente in Schichten, zur windabgewandten Seite die Abrisskante, scharf wie ein Messer. Dort ist der Sand fließend weich. So weit das Auge reicht streckt sich diese Sahara, dann ist man am Meer. Strandläufer trippeln, die Köpfe gebeugt, Möwen schreien sich an, Kanadagänse ziehen in großen Verbänden, alle sind Flieger der ersten Kategorie, die Spitzen ihrer Flügel berühren fast das Wasser, aber es kommt nie zur Kollision. Der Wind kommt vom Osten, kalt, eisig kalt und so frisch, dass der Mensch sich nur freuen kann über so viel Klarheit. Übern Horizont ziehen Schiffe. Und wir wollen nur hier sein, mehr nicht. 

 

Mi 23.10.02    16:29

Im Außenspiegel steigt der Tag auf. Noch hat er das Grau nicht vertrieben. Er folgt, bleibt uns auf den Fersen, als wir die Grenze passieren. Noch ein wenig Schnellstraße, dann in das wirkliche Land. Legoland Holland, mit schlecht isolierten, bezahlbaren Ein-Generationenhäuschen. Einkaufsparadiesland: hochmoderne Wegwerfarchitektur an den Stadträndern. Das protestantische Land: drei, vier protestantische Kirchen pro Stadt sind keine Seltenheit, und dann auch noch die Heilsarmee. Einmal, vor Jahren, auch auf dem Weg zu unserer Insel, brannte sich bei der Fahrt durch einen Ort dieses Bild in unsere Hirnrinde: eine Metzgerei, in der nur ein spärliches Licht brennt. Im fahlen Morgengrauen sehen wir, wie der Metzger aus seiner hinter dem Verkaufsraum liegenden Wohnung die Metzgerei betritt. Er hat eine Schürze um. Er durchschreitet sein Geschäft. Sucht er etwas? - Wir sind schon wieder weiter. Der Tag strahlt jetzt. Sie braucht eine Rauchpause, wir wechseln die Fahrer, wir riechen das Meer schon und wissen: noch 90 Minuten. Doch erst, wenn der Deich hinter uns liegt, glauben wir auch: an diesem Morgen gleißt braun-grauer Schlick: Ebbe. Die Fähre schleicht durch die Priele. Einen halben Meter Wasser hat sie noch unter dem Kiel. Wir sehen den Leuchtturm. Wir sind wieder da. Ein Jahr ist vergangen. Eine Woche liegt vor uns.

 

Do 24.10.02    12:53

Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich, so fröhlich, warum bin ich so fröhlich, so fröhlich war ich nie... (5)

13:33

Die Ankunft ist immer gleich. Ich fahre das Auto vors Haus, ich öffne den Kofferraum, sie schließt das Haus auf, wir beginnen, die Gepäckstücke in den Hausflur zu tragen. Unsere links, die der Kinder rechts. Oder umgekehrt. Dann werden: die Betten bezogen. Wird: die Küche eingeräumt. Wird: der erste Kaffee gekocht. Wird: ein Schritt vor die Tür getan, wie es der Hausherr tut, um sich selbst seiner neuen Rolle zu vergewissern und den hinter den Gardinen ihn beobachtenden Einheimischen zu signalisieren, dass eine Ankunft zu vermelden ist. Ein prüfender Blick an den Himmel. Einer über die Wiesen zum Deich. Ein Frösteln. Ein Satz: "Es ist frischer als letztes Jahr." Dann: Fahrräder ausleihen. Gleich um die Ecke, bei Visser. Herr Visser kennt uns. Und dann: mit den Rädern die erste Runde zum Deich. Über die Krone. An der Deichseite so weit, bis es nicht mehr geht. Hinein in die Dünen zwischen Wald und See. Auf die höchste Düne. Den Blick hinüber zur Nachbarinsel. Weiter zum Leuchtturm. Alles wie immer. Alles beruhigend wie immer. Tief durchatmen und sagen: Wie schön. Gegen den Wind kämpfen. Nachschauen, ob das Fischgeschäft geöffnet hat. Ja. Hineingehen. "Een haaring met, alst u belieft" sagen. Den Matjes nehmen und essen. Nicht denken. Der erste Regen fällt. Der Himmel reißt auf. Die Sonne scheint. Nebel fetzt übern Deich und hüllt alles ein. Ein Regenbogen hängt überm Watt. Eins und das andere wechseln sich ab. Nichts ist vorherzusagen. Morgens nicht, mittags nicht, abends nicht. Und nichts bleibt. Das ist das Schönste hier. Nichts bleibt. Die See kommt und geht. Am Nachmittag: Schlafen. In die tiefe Ruhe der Insel fallen. Dann: Kaffee trinken. Lesen. MTV schauen. Sich aufregen über den halbgaren Sex, dieses Vaginalzucken in jedem zweiten Video. Den Fernseher ausschalten. Eine zweite Runde drehen. Kommst du mit? Ja.  

 

Fr 25.10.02   9:50

Nachts braucht es Überwindung, das Haus zu verlassen. Nicht, weil Straßen unsicher wären, sondern wegen der Geister, die unterwegs sind. In der Burenlaan ist kaum ein Haus jünger als hundert Jahre. Die Häuser der vor der Kirche abknickenden Straße sind noch älter. Kapitänshäuser, Walfischfänger, 1658, 1712. Man hört die bärbeißigen Seeleute, sie spucken ihren Priem, sie randalieren in ihren Särgen, ganz schlimm wird es, wenn man hinaus in die Wiesen geht. Die Lichtfinger des Leuchtturms tasten mich ab, die Augen der Schafe leuchten auf, von fern rollt das Meer. Dann habe ich mich daran gewöhnt, weiß wieder, dass sie harmlos sind und dass die Schauer, die mir den Rücken hinab rieseln, nichts mit ihnen zu tun haben. Plötzlich bin ich einer von ihnen.  Ein Insulaner. 

 

Sa 26.10.02    11:34

Was in all den Jahren noch nie war, und was ich mir immer gewünscht habe, war Sturm. Natürlich ist es manchmal windig. Auch habe ich schon erlebt, dass der Wind das Wasser bin ins Vogelschutzgebiet drückte, aber die wilde See, das schäumende Meer, das habe ich noch nicht erlebt. Ich weiß aber, dass es das gibt. Ich sehe es auf Fotos, ich lese davon in der Zeitung, ich sehe ein übers andere Jahr, was die Herbststürme wieder angerichtet habe. Sie fressen sich in die Dünen, versuchen, sich Teile der Insel einzuverleiben. Die Insulaner wissen das und kämpfen. Ein ganz besonderer Schlag, diese Insulaner. Umso mehr freue ich mich, einmal im Jahr auch dort sein zu können. Mein Meer. Meine Insel. Meine Dünen. Zickezackehühnerkacke!  

 

So 27.10.02    9:03

So liebe Lesende, während ihr noch die geschenkte Stunde verschlaft, sitzt der greise Professor im Wohnzimmer und schaut hinaus in den brausenden Herbst. Links steht Kaffee, weiter rechts hinten sein Vogel Karl, der um diese Zeit nur still und verhalten Kommentare abgibt, etwa: "Hermann, die Welt ist in entsetzlichem Zustand!" Worauf ich antworte: "Schon gut, Karl, komm, lecker, lecker!" So also die Versuchsanordnung dieses Herbstmorgens, der es sich nicht nehmen lässt, mit goldenen Blätter zu leuchten, oder mit satt roten Früchten eines Busches gleich links, dessen Name mir immer wieder entfällt. Seit einer Woche läuft meine Satz-für-Satz Aktion im www.literaturcafe.de , seit dem 21.10.02 um 8:19 bis heute früh um 5:24 hat man mir einundsechzig Sätze geschenkt, zu 42 Sätzen habe ich mich geäußert,  eine Quote über 50%. Mir macht das Spaß, und ich bin gespannt, wohin das noch führen wird. Danke und schönen Sonntag. 

10:50

Und hier sind 

Alle Sätze für Hermann Mensing

1. Sie hatte beschlossen, sich die Sache künftig einfacher zu machen: Rief die Datei mit dem Entwurf auf, verschlimmbesserte einen kleinen Fehler hinein, speicherte ab und druckte den Text aus. (Satz von Marlene Geselle, Hettingen) -
2.
Das Hexamethylentetramin verdaute die Rättin einige Wochen völlig problemlos, aber dann begann ihr Kompressor unerwartet, sich immer wieder zu verschlucken. (Satz von Malte Bremer, Villingen-Schwenningen) -  3. Der Winter war eingekehrt: In seinem Körper, in seinen Gedanken und in seiner Seele. (Satz von Petra Randschau, Hamburg) -
4.
Nachdem er neun Tage und Nächte lang ohne Unterbrechung geschlafen hatte, traumlos und betäubt, erwachte er in einer heißen Höhle, die von rötlichen Fackeln beleuchtet wurde. (Satz von Janna Ramm, Braunschweig) -
5.
Die Atmosphäre des Friedhofs schien ihn auf eine ungesunde Weise zu inspirieren, die eine neue zweifelhafte Lebens-Perspektive ins Spiel brachte...! (Satz von Marco Bellucci, Grossostheim) -
6.
Bevor er das Haus verließ, gab er, wie üblich, der Kleinen einen Satz Wohnungsschlüssel mit den Worten: "Der Rote ist für den neuen Kühlschrank, damit der Hund nicht wieder rangeht. Verstanden?" (Satz von Nikolaus Schick, München) -
7.
Sie schuettete den Sand aus der Urne und zeichnete mit dem Finger darin. (Satz von Cornelia Travnicek, Traismauer, Oesterreich) -
8.
Roter Wein , blauer Dunst , die Beine einer schönen Frau, ja auch ich, würde mich dafür kreutzigen lassen ! Bin ich Gottlos ? (Satz von Bodyguard©, 52222 Stolberg) -
9. Nichts glauben oder alles glauben sind extreme Haltungen, die beide nichts wert sind. (Satz von Soleilmoon Pupsnudel, Köln) -
10.
Mit Ausnahme eines Tisches und eines Stuhls war der Raum leer. (Satz von Ralf B., Lünen) -
11.
Endlich erblickte Tim die Zukunft, die sich - lange im Dunkel des Zweifels verborgen - jetzt endlich im strahlenden Schein der Erkenntnis zeigte...! (Satz von Marco Bellucci, Grossostheim) -
12.
Als Gregor eines Tages aus unruhigen Träumen erwachte, wusste er, dass sich sein Leben gravierend verändern würde. (Satz von Felix Welzenbach, Großheubach) -
13.
Das Ziel im Auge behaltend glitt die Spinne an ihrem seidenen Faden hinunter und landete unbemerkt auf der Glatze des Pianisten. (Satz von Antje Löwenberg, Hamburg) -
14.
Hätte es eine andere Farbe gehabt, wäre es einfacher gewesen - so aber schnürte ihm der Anblick des pechschwarzen, zählen Blutes, das aus der Wunde neben dem Sternhellen Auge floss, Hals und Magen zu. (Satz von Christine Regneri, Saarbrücken) -
15.
Sie ging auf ihn zu und sagte: "Du bist ein Trottel!" (Satz von Karl-Heinz Ganser, 52152 Simmerath) -
16. 
Man kann ohne liebe Holz hacken, Ziegel formen, Eisen schmieden. Aber mit Menschen kann man nicht ohne Liebe umgehen. (Satz von Stefanie Pott, Eggesin) -
17.
Er sagt zu ihr: "Weil du so viel redest, schaffst du es nicht, ausreichend zu denken!" (Satz von Susanne Schmincke, Vallendar) -
18.
Innere Leere war für sie wie ein Strich. Sie lebte geradeaus, dem Strich entlang,.. (Satz von Cecile Sommer, Russikon, Schweiz) -
19. 
Girls, Rockabilly und Psychopillen sind mein Leben! (Satz von Klaus Knapp, Regensburg) -
20.
Plötzlich stand die Sonne nebem dem Mond. (Satz von Denis und The Hao, Dauchingen und Bad Dürrheim) - 21. An einem schönen Juliabend kam der Fremde in unser Dorf. (Satz von Robin Kny, 78056 VS-Weigheim) -
22.
Morgens 5 Uhr, Nebelschwaden durchziehen die Straßen, und da geschah es, Jon Henrik`s schlug wieder zu. (Satz von Michael Castano, Villingen-Schwenningen) -
23.
23 Uhr, ich wollte gerade das Licht in meinem Zimmer ausknipsen, da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. (Satz von Nadine, Villingen-Schwenningen Klasse 8c) -
24.
Es war ein ruhiger Tag, kurz vor den Ferien. Niemand hätte gedacht, dass so etwas jemals passieren würde. Doch schon bald sollten sie feststellen, dass alles möglich ist. (Satz von Olga, Patricia, 78054Schwenningen) -
25.
Gestern um Mitternacht sah man eine dunkle Gestalt im Vollmondlicht über den Friedhof wandern. (Satz von Matthias S+Jonas K, Schwenningen) -
26. An einem wunderschönen Morgen, als es noch still und friedlich war, man hörte nur Vogelgezwitscher passierte das Unfassbare. (Satz von Alexandra und Maria, 78056 Schwenningen) -
27. Eines Nachts sprang eine faule Kartoffel aus der Biotonne, doch die Luft bekam ihr nicht gut und ihre Haut begann sich zu schälen. (Satz von Walter+Christopher Klasse 8c, Schwenningen) -
28.
Ich wollte mit meinem Vater in den Wald gehen, um rote, von der Sonne gereifte, Himbeeren zu pflücken, da heute zum 1. Mal seit 3 Wochen die Sonne richtig schien und es sogar total warm war. (Satz von Stefanie Kohler/Natalie Jakober, VS-Schwenningen) - 
29.
London, 22 Uhr, der Tower of London ragte düster in den Nachthimmel empor. (Satz von Nathalie, Jenna 8c, Villingen-Schwenningen) -
30. Ich weiß nicht mehr genau wie es passierte, anfangs war noch alles okay, aber dann wurde ein sonniger Herbsttag zum Alptraum... (Satz von Corinna + Veronique, Schwenningen + Weigheim) -
31. "Was würdest du machen, wenn die Erde plötzlich aufhören würde, sich zu drehen?", fragte er. (Satz von Stefanie, Britta; 8c, Villingen-Schwenningen) -
32.
  Jetzt ist es zu spät, um es rückgängig zu machen. (Satz von Angelina Lutscher, Shanna Hippe, Regina Mermann; Klasse 8c, 78056 VS-Schwenningen) -
33.
In den großen Sommerferien trafen sich Max und Thomas zum Zelten an einer alten Burg. (Satz von Alex und Steffen, VS-SCHWENNINGEN) -
34. Es schien alles in Ordnung zu sein, doch dann geschah es... Mark wurde gebissen. (Satz von Nicole Aichele, 8c, Villingen-Schwenningen) -
35.
Und plötzlich war da ihre Hand - diese warme Hand, die ihn beschützte und hielt. (Satz von Fryda von Ranzel, Niederkassel) -
36.
"Ich geh' jetzt aufs Klo", sagte er. (Satz von Aseret Reyah, Wien) -
37.
"Herzlich willkommen in der Hölle", sagte eine überaus verständnisvolle Stimme, "ich bin ihr Familientherapeut." (Satz von Nadine Englhart, München) -
38.
Und sie dreht sich doch! (Satz von S Greve, Bad Schwartau) -
39. Sie hatte ihm das Trommelfell demoliert, hatte ihn fortgeredet und es nicht mal bemerkt. (Satz von Horst Ditz, Ludwigshafen am Rhein) -
40.
Sie ging mit schnellen Schritten,als wüßte sie,wohin. (Satz von Stücklschweiger Melitta, Kleinsölk) -
41.
"Himmel, ist mir fad" sagte Gott und gähnte.(Satz von Sandrine Bauer, 3210 Unterweitersdorf) -
42.
Unlängst fragte mich Heinz-Harald: "Was wäre dir persönlich eigentlich lieber - dass das Universium implodiert oder dass es sich ewig ausdehnt?" (Satz von Karla Gerstner, 4221 Rottenegg) -
43.
"...wo die blauen Bienen gelbe Wolken trinken und lilafarbene Bäume mit dem Stamm nach oben wachsen... Warst Du schon dort?" (Satz von Jane T., SH) -
44.
Er wusste nun dass es Zeit war endlich loszulassen... (Satz von Michael Herold, Riesa) -
45.
Es war Nacht. Ich lag zusammen mit meinem Freund im Bett. Wir hatten heißen Sex. 9 Monate später hab ich ein Kind gegrickt das ich nicht will. Was nun? (Satz von Fischer Sebastian, Brandenburg) -
46.
Manchmal lebt es sich langsam vorwärts. (Satz von Giselheid J. Schwarz, Tübingen) -
47.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. (Satz von Konstanze Neber, Schärding) - 48. "Du, wir haben jetzt über 4 Millionen.....""Im Lotto gewonnen" ? unterbrach in Gerd. " Nein, Arbeitslose " beendete Kurt den Satz. (Satz von Roland Preuss, Mannheim) -
49.
Er sank auf den Stuhl, stützte den Kopf in die Hände und versuchte sich zu konzentrieren; darauf, dass die Stimmen der anderen, die er seit seiner Geburt in seinem Kopf hatte und die sein Schicksal besiegelten, endlich verschwinden würden. (Satz von Alexis Key, Berlin) -
50.
"Bleib hier sitzen, ich komme gleich wieder!", hatte sie gesagt, und nun wartete er seit Stunden vergeblich. (Satz von Bianca Hallbauer, Zöblitz) -
51. 
Und noch lange nach seinem Tod war sie von seiner ewigwährenden Liebe erfüllt. (Satz von Andrea Beser, Viersen) -
52.
Der Wind kam und trieb die Sonnensplitter weiter, zurueck blieben leere Aeste. (Satz von Cornelia Travnicek, Traismauer, Oesterreich)- 
53.
Das Leben ist wie ein Spiel - manchmal verlieren wir, bevor das Spiel begonnen hat. (Satz von Annett Manke, Berlin)-
54.
"Lass mich frei...",dachte sie"...ich will dich endlich für das was du mir angetan hast hassen können..." (Satz von Anja Eversberg, Wuppertal) -
55.
Die Examensphase mach mir nicht nur bewusst, wie abhängig ich von dem System bin, sondern auch wie allein man in der Globalität sein kann! (Satz von Michael Wagener, Siegen) -
56.
Da stand sie und lachte, so herzhaft, wie ich sie noch nie zuvor hatte lachen hören und ich schaute ihr zu und wollte einfach nur sterben. (Satz von Thomas Gringstetter, Gallneukirchen) -
57.
"Also weißt du, besonders geistreich ist das ja nicht, was wir da machen," brummte Bignose, als er mir den Benzinkanister reichte. (Satz von Sabine Hansen, Böttgersdorf) -
58. "Ist ja niedlich" sagte sie noch, röchelte dezent und war tot. (Satz von Helmut Mader, Walding)-
59. 
Um welche Uhrzeit es gewesen war, wer angefangen hatte, was überhaupt der Grund für ihre Auseinandersetzung gewesen war, erschien im Angesicht dessen, was als Konsequenz vor ihnen lag, so unwichtig, als wenn in Ostercappeln beim Schützenfest in Schüttes Bratwurstbude eine Bockwurst platzt. (Satz von Silke Reiner, Osnabrück) -
60.
"Sehnsucht", das war ihr Lieblingswort und sie sehnte sich nach einer Sucht. (Satz von Campina Hannover, Niedersachsen) -
61.
Nur wer warten kann, hat auch etwas zu erwarten. (Satz von Melanie B., Kaiserslautern)

Das gesamte Projekt finden Sie hier....

15:34

Ständiges Tatütataaa. Überall kracht es, wir, scheint es, bleiben verschont. Haben schon einen Spaziergang gemacht, haben dem grandiosen Konzert zugehört, hörten das Rauschen, das Rascheln, das Pfeifen, das Heulen, hörten die tausendfachen Nuancen der verschiedenen Reibungswiderstände im Wind, taumelten manchmal, warfen misstrauische Blicke hinauf zu den Bäumen, beeilten uns hier und da, weiter zu kommen, konnten im Großen und Ganzen aber genießen und wünschten uns an einen granitenen Tisch, allein und frei auf weiter Ebene, wünschten uns Kaffee und Kuchen, den wird dort zu uns nähmen, umbraust von diesem herbstlichen Tosen, dessen Takt mit jeder Sekunde wechselt, hinzu kämen noch die raffinierten Beschleunigungen, die Verzögerungen, der plötzliche Abbruch, der um so brutalere Ausbruch, das Wirbeln am Ort, all das um unsere granitene Tafel auf freiem Feld, mit Blick auf die Welt, die nur uns gehört, wieder nur uns.  

 

Mo 28.10.02    10:33

Ein vom Sturm gestraffter Morgenhimmel, die Patina der Orkans überall, eine Stunde vor der seit März gelernten Neuzeit, zwei Waschmaschinen schon hinter mir, ein Korb Wäsche gebügelt, zwei Sätze ins Land gejagt, Tee getrunken, gedacht, dass es gut ist, wenn es gut geht, und dass niemand größere Katastrophen erleben wird, wenn es scheitert. So gestimmt zünde ich die nächste Stufe der Tagesrakete: eine Seite soll heute werden, mindestens eine, nachdem gestern fast zwei ohne großes Federlesen entstanden sind. Also... 

 

Di 29.10.02    9:50

Dachte schon wieder alles verloren, fürchtete, die Profis würden den Rest des Abends unter sich ausmachen, ihre auf hohem technischen Niveau nicht selten totgeborenen Stücke spielen, als dieser Pianist auftauchte. Gekleidet wie aus einer Mülltonne, groß, ungelenk, setzte er sich und begann Georgia zu spielen. Alle starrten nur. Manchen flog ein Lächeln übers Gesicht. Schau, der Verrückte. Beim zweiten Stück traute ich mich hinters Schlagzeug. Ein Trompeter kam, ein Gitarrist. Die Bassisten standen und taten, als sähen und hörten sie nicht. Wir spielten ein Stück, dessen Namen ich nicht kannte. Zum Glück kann ich Strukturen hören. Brachen sie, setzen sie wieder zusammen. Brachen sie. Immer in Time, oft nur geahnt. Ich liebe das. Ich werde verrückt, wenn ich so spielen darf.  Geahntes. Umspieltes. Umkreistes. Wie wohl das tut gegen die Kontrollversuche der meisten. Gegen das Beamtentum der studierten Musik, das jedes Stück spielt, so lange es auf dem Papier steht. Dieser Pianist spielte wunderbar. So etwas habe ich lange nicht mehr gehört. Und das Schönste war, dass ich mitspielen konnte. 

10:08

Eigentlich wollte ich mich nichts mehr sagen.  Trotzdem: Russland raus aus Tschetschenien. Auch diesmal ist es das gleiche Muster: die Terroristen sind böse, der Staat ist gut. Wie und auf welche Art und Weise sich der Staat tschetschenisches Land angeeignet hat, spielt keine Rolle.  Putin sagt, der internationale Terrorismus wird immer dreister. Recht hat er. Fragt sich, wer dreister ist, der Terror der Terroristen oder der Terror der Staaten. 

 

Mi 30.10.02    14:39

Raubvögel tanzen am Himmel, Igel, unterwegs tot und lebendig, atemlos Sonne in leuchtendem Horizont.  Alle Vögel? schon fort, alle Felder? geerntet, die Wiesen noch immer bewohnt. Inmitten ICH und die Greisin, die heute von Menschen umringt ist, Menschen, wohin ich schaue, sagt sie und auf meine Frage, ob sie welche erkenne, sagt sie nein. Zu Hause warten Sätze auf mich. Täglich kommen neue und immer mehr. Ich werde Acht geben müssen. 

15:36

Variationen zum Thema ... raus aus....wütend deklamiert: Penis raus aus Vagina! Engländer raus aus Nord Irland! Mensing raus aus Vietnam!  Bären raus aus der Milch! Brennstäbe raus aus dem Reaktorkern! etc. pp. 

 

Do 31.10.02   9:42

Frisch. Der Himmel wartet. Andiamo....

21:33

Der Wahnsinn hat Methode. Die Sätze machen langsam müde. Viele scheinen um Hilfe zu rufen.  

 

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1. Uwe Timm "Rot" Kiepenheuer &Witsch, Köln 2001 // 2.  ebd. // 3. nach Frank Zappa
"We're only in it for the money..." //  4. E. T. A. Hoffmann "Die Elexiere des Teufels"
W.Goldmann Verlag, München  1971 // 4. Uwe Timm "Kopfjäger" Kiepenheuer & Witsch 1991 // 
5. Hermann van Veen in den 80igern //

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