Oktober 2012                                        www.hermann-mensing.de          

mensing literatur
 

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zum letzten eintrag


1.10.12 10:12

Der Schiedsrichter war nicht aufgetaucht. So etwas passiert in den niederen Klassen, wo Fussball mit Herzblut und dem Kater vom Samstagabend gespielt wird. Bauernfußball. Wenn da ein Trecker parkt, spielt Georg mit. Aber heute ist da kein Trecker. Und es nutzt auch nichts, zu warten, ob der Schiedsrichter doch noch auftaucht. Schließlich spielt nach der Zweiten die Erste, also muss jetzt jemand pfeifen. Jemand vom Verein. Er zieht sich ein orangefarbenes Leibchen über. Die gegnerische Mannschaft murrt, eh die erste Entscheidung gepfiffen wird, denn einem Schiedsrichter der Heimmannschaft traut man nicht übern Weg. Aber was bleibt denn? Man wird einen Bericht schreiben und an die zuständigen Stellen schicken. Zwei Linienrichter sind schnell gefunden. Mach du mal, heißt es und dann stehen sie an der Mittellinie herum und betrachten alles aus weiter Ferne. Abseits wird über die Daumen gepeilt.

Aber immerhin, beide Mannschaften sind bereit, der zweite der Tabelle spielt gegen den Vorletzten, das kann ja was werden. Man schwört sich ein, man ruft seinen Kampfruf, dann stellt man sich auf.

Anpfiff. Der Himmel spannt sich blass blau, die Blätter der Linden färben sich, auf der Tribüne ein paar Spielerfrauen mit Kinderwagen, eine Schwangere, auf den Bänken die Verletzten. Das Spiel geht hin und her, ohne dass irgendein System erkennbar wäre. Trotzdem steht es bald 1:0, typisch, sagt einer, nicht herausgespielt, reiner Zufall, Guerillataktik, sagt ein anderer, Chaosfussball. Dann fällt das zweite Tor. Drüben bauen sie den Grill auf. Gleich nach der Halbzeit schießt die Heimmannschaft das 3:0 und glaubt, nun sei alles in trockenen Tüchern. Sie stellt sich hinten rein, viel zu weit hinten, so dass es kein Wunder ist, dass die gegnerische Mannschaft bis auf 3:2 herankommt, und der Sieg eher erzittert wird als errungen.


14:33

Ich hätte nur nachschauen müssen. Aber wieso nachschauen, ich wusste, wohin ich wollte, ich radelte in die Stadt, duchquerte sie und fuhr ostwärts wieder hinaus, fast bis zum Kanal, 10 Kilometer. Das C meines Laptops war kaputt, d.h. eigentlich war nur die Halterung des Plättchens defekt, das man normalerweise mit einem Fingerschnipp lösen kann, es rastete nicht mehr ein.

Als ich den Computerladen meines Vertrauens erreicht hatte, stellte ich fest, dass er im Juni dieses Jahres umgezogen war. Die neue Adresse verwies auf den Südosten der Stadt, ziemlich weit. Als ich dort ankam, ahnte ich Böses.

Früher war mein Computerladen überschaubar klein, seinen unfreundlichen, Kette rauchenden Inhaber kannte ich und er kannte mich. Nicht, dass er mich deshalb überschwänglich begrüßt hätte, nein, so etwas hätte er nie getan, höchstens, dass er mal Ja oder Nein sagte und sich dann über meinen Laptop hermachte. Jetzt aber: neuer Laden. Großer Laden. Drei Theken mit Mitarbeitern, die ich noch nie gesehen hatte. Alles roch nach Umsatz, um die gestiegenen Kosten und die Investitionen wieder herein zu holen.

Zwei Wartende vor mir. Ein Wartender. Ich bin dran.

Ein Mitarbeiter wirft einen Blick auf den Rechner und sagt: neue Tastatur. Ich sage: dann lassen wir das. Es geht ja auch ohne, nur sieht der Rechner ohne das Plättchen für's C nicht so elegant aus. Moment, sagt der Mitarbeiter, ich frage mal einen Techniker. Er verschwindet. Zwei Minuten später ist er zurück. Das Plättchen für's C befindet sich wieder an Ort und Stelle. Was kostet das? frage ich. Der Mitarbeiter lächelt. Nichts, sagt er. Da bin ich aber glücklich, sage ich und mache mich auf den Heimweg.

16:06

Es gibt ja Naturgesetze. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm etwa, oder: was du heute kannst besorgen, das verschiebe ruhig auf morgen. Gerade hat mich ein weiteres ereilt. Es ist eines, von dem man hin und wieder hört, man weiß, dass es existiert, aber man begreift erst, wenn es zuschlägt.

Ich hatte vorletzte Woche eine Schublade mit altem, uraltem und ururaltem Computerzubehör entsorgt. Vorhin, das C-Plättchen war wieder an Ort und Stelle, versagte mein Akku den Dienst. Irgendein Wackler, der nicht reparabel scheint. Aber ich habe da doch noch einen, dachte ich. Dann griff das Naturgesetz ein. Schmeiße nie, nie, nie etwas weg. Du wirst es zwar nie mehr benötigen, so lange es da ist, liegt es dumm rum, aber kaum hast du's entsorgt, fehlt es dir.



Di 2.10.12 10:46

ein tag, viel licht,
der westen braut sich grau,
zwei herzen haben ein gewicht,
der tag vergeht, der tag ist schlau.

es fällt das erste bunte laub,
ich nehme es auf meine kappe,
ich sehe, höre, ich bin staub,
und auch der störer, den ich schnappe.

ich hätte gerne eine antwort,
und einen schicken neuen hut,
ich wäre dann an anderem standort,
und leckte meine wut.


Mi 3.10.12
11:44

Ich parkte neben zwei Charisma Concorde Wohnmobilen gestern abend, und fragte mich, wie man sich fühlt in so einem Luxusmobil auf so einem schäbigen Parkplatz beim Kiez am Hafen, an einer Kreuzung zudem, im Rücken die Gleise des Hauptbahnhofs, ringsum junge Menschen, die Bierflaschen herumtragen, in smartphones kichern und brüllen, fröhlich und entsprechend laut.

Die Fenster waren mit Jalousien blickdicht gemacht, die Satellitenschüsseln nach Südosten gerichtet. Beide Fahrzeuge hatten Mindener Kennzeichen. Bekannte also, dachte ich, Freunde, die aus Sicherheitsgründen beieinander stehen, eine Wagenburg.

Holz, Alu und Plastik, aus viel mehr besteht so ein Wohmobil nicht, Leder innen, vielleicht, je nach bezahltem Aufpreis. Natürlich ist alles isoliert, aber dass man darin eine ruhige Nacht an so einem Ort verbringen kann, bezweifle ich. Und dann ist da natürlich auch noch die Furcht vor Streunern, Betrunkenen, Nachtschwärmern.

Sind die so geizig, dass sie sich nicht einmal den Campingplatz vor der Stadt gönnen, ein idyllischer Ort an der Werse?, dachte ich.

So ein Wohnmobil ist doch teuer. Ein zehn Jahre altes Modell wird für 50.000 Euro inseriert, da kann man sich ausrechnen, was ein neues kostet. Wie oft ich für so viel Geld in besten Hotels logieren könnte, ohne mir Sorgen zu machen.

Aber sie standen da und standen noch immer da, als ich gegen Mitternacht wiederkam. Ich überlegte, ob ich einmal drumherum laufen und den Poltergeist geben sollte, ließ es aber. Sie würden auch ohne mich kaum ein Auge zu tun.

13:29

die sonne
fließt übers garagendach
und was nicht ist
kann werden
es ist nicht leicht
hier im danach
davor war böses sterben
ich leb für die, für den, für dich
ich frage mich zuviel
ich trage und ertrage mich
und sehe dich am ziel


18:02

gegebenenfalls ist wirrwarr möglich,
vielleicht ein aggregatzustand
in diesem fall wär ordnung löblich,
doch alle stehen vor der wand.


Do 4.10.12
10:40

Er kann Brunnen bohren, Dächer decken, er kann Gas Wasser Scheiße, links hält er die Säge, rechts den Bohrer, er
schlägt seine Frau und schickt den devoten Sohn vor, der sagen muss, Mutter hätte zwar um Hilfe geschrien, aber das sei nichts Ernstes, man kenne sie doch. Manche sagen, sie wandere in die Demenz, andere, sie sei schlicht verrückt geworden über das Leben mit diesem Mann, der heute früh in der Garage seines Sohnes stand. Baseballkappe, Friesennerz, in der linken Hand die Zigarre, die dort festgewachsen scheint, die rechte in der Hosentasche.

Er schaute auf den Regen, auf die Straße und hin und wieder auf seine Uhr. Manchmal beugte er sich vor, um jemandem hinterher zu schauen. Ich nahm an, man würde ihn abholen. Dann wurde ich abgelenkt, und als ich wieder aufschaute, war er fort.

Vor ein paar Jahren, ein Sommertag, saß ich auf dem Balkon. Unsere Katze lag auf meinem Schoß, ich kraulte sie. Plötzlich stand er vor unserem Balkon und sagte: wie der Herr, so das G'scherr. Ich war zu verblüfft, etwas zu entgegnen, und versuchte, ihn mit Missachtung zu strafen.

Wenn Schützenfest ist, wird an seinem Haus vorbei geflaggt, wenn getrunken wird, trinkt er nicht mit, und wann immer ich ihm begegne, wechsle ich die Straßenseite. Oft frage ich mich, wie das Enkelkind, ein mittlerweile acht, neunjähriger Junge, der mit Mutter und Vater unterm gleichen Dach lebt, aufwächst, denn noch nie habe ich ihn spielen sehen, noch nie habe ich gesehen, dass er mit anderen Kindern unterwegs wäre. Wenn ich ihn sehe, steigt er in einen der drei Mercedesse, die, tiptop gepflegt, hierhin und dorthin bewegt werden. Er ist immer sauber, wie alles immer sauber ist dort drüben.

14:19

Die Pfütze ist magisch. Da kann die Mutter, die das Kind vom Kindergarten abgeholt hat, rufen soviel sie mag. Das Kind steht vor der Pfütze und schaut hinein. Es sieht, wie die Regentropfen kleine Kreise bilden, wenn sie in die Pfütze fallen. Gleich wird es den linken Fuß heben und hinein treten. Es wird so fest in die Pfütze treten, dass es vielleicht sogar möglich ist, hinter den Spiegel zu schauen, denn da ist sich das Kind sicher, etwas, das einfach so da liegt, etwas so Schönes, muss mehr sein.

Die Mutter drängt. Das Kind beschließt, zwei, drei Meter zu folgen, dann bleibt es vor der nächsten Pfütze stehen. Das Kind ist ein Junge. Ich weiß nicht, ob auch kleine Mädchen Pfützen erliegen, ich weiß es nur von kleinen Jungen. Ich selbst erliege ihnen auch dann und wann, vorausgesetzt, ich trage festes Schuhwerk. Aber in so eine Pfütze zu springen, dass es spritzt, da hinein zu hüpfen und festzustellen, dass man nicht hindurch fällt und irgendwo anders wieder herauskommt, in irgendeinem geheimen Reich, das ist schon etwas sehr Erhabenes, und deshalb wagt es das jetzt, springt, dass es plitscht und platscht, und die Mutter, die das zwar nicht gern sieht, zeigt dennoch insgeheim Freude, dass ihr Kind so abenteuerlustig ist, obwohl doch die Zeit drängt, denn das andere Kind muss ja gleich noch zum Musikunterricht.


Fr 5.10.12
11:41

buntes, weißes, feines,
durcheinander,
aufgehängt, der dachstuhl ächzt,
wind vom westen
und ein anderer
der mein ich ist
und nach ruhe lechzt,
treibt den feinen apparat,
schlägt die renovierten tasten,
balanciert auf einem grat,
und hält nichts von hasten.

will nicht schweigen
will sich nicht verbeugen,
tanzt in diesem irren reigen,
will den einen augenblick,
und die waschmaschine heult vor glück.

draußen glühen blätter auf,
mit dem regen kommt die bunte zeit,
setz' mir einen kaffee auf,
und bin bald so weit.

habe vieles hinter mir,
und bin stolz darauf,
sage ich zu meinem wir,
und erwarte meinen ausverkauf.

20:00

Den Nachmittag mit einem Schulfreund verplaudert, den ich dreißig Jahre nicht gesehen hatte. Er verpasste Termine, ich kam nicht auf den Markt, und so musste ich das Essen für meinen Sohn und mich improvisieren. Was im Haus nie fehlten sollte, fehlte nicht. Nudeln, Speck, Eier, Grünzeugs. Daraus ließ sich in einer Viertelstunde was Leckeres zaubern. Jetzt ist er fort und mein Kopf schwirrt. Werde ihn aufs Sofa legen und ausdünsten.

22:41

Der Weg über die Düne zum Strand ist trist. Auch das Hotel auf der Düne rechts oben ist es, ein Plattenbau der Siebziger, lieblos, viereckig, Waschbetonsprengsel. Ich werde es sprengen, aber das ist eine andere Geschichte. In dieser sind vier Menschen unterwegs. Es ist noch früh, etwas Große steht an, deshalb sind sie aufgeregt und fröhlich. Zwei schwarze Frauen. Eine an der Hand eines weißen Mannes. Die beiden sind Mitte zwanzig. Die andere Frau trägt einen Strauß roter und schwarzer Rosen in einer weißen Manschette. Die Frau an der Hand des Mannes trägt einen vanillefarbenen, bis auf die Füße fließenden Rock. Er scheint gewickelt, denn wenn sie geht (noch hat sie die Highheels nicht angezogen, kann also gehen) liegt ihr linkes Bein bis zum Oberschenkel frei. Darum trägt sie ein weißes Band aus gerafftem Tüll. Einer der sie begleitenden Männer trägt Highheels, der andere einen Fotoapparat. Der Weg fällt ab zur See, das Gefälle beschleunigt sie. Die See ist grau. Es kann jeden Augenblick regnen. Die eine Frau zieht ihre Highheels an. Die andere albert und lacht viel und laut. Der Fotograf macht sich bereit. Der Mann und die Frau nehmen sich in den Arm und stellen sich in Positur. Sie stehen an der Ecke eines Strandpavillions. Möwen fliegen zum Strand. Am Horizont verschwimmt ein Windpark im fahlen Licht. Es beginnt zu regnen.


Sa 6.10.12
16:56

Heute kein Einfall.


So 7.10.12 13:04

Ich war mit dem Auto unterwegs, im Radio sprach der Leiter des Hanser Verlages über seinen Umgang mit Lyrik. Ein Gedicht zum Frühstück könne Lebensfreude für die nächsten Stunden bescheren, sagte er. Er klang symphatisch, also werde ich ihm zehn meiner Gedichte senden.

Aber welche?

Wenig später saßen M. und ich auf einem Sofa, mein Rechner stand aufgeklappt auf einem kleinen Tisch vor uns, und wir begannen, aus 150 Gedichten auszuwählen. Davon stehen 39 jetzt auf meiner Liste. Ich werde sie ausdrucken, und dann werden wir uns noch einmal zusammensetzen.

Während der Auswahl habe ich zweimal Wein umgeschüttet, einmal das Glas links vom Sofa, dann das rechts. Sie standen am Boden. Der Teppich ist rot, es war nicht das erste Mal, dass ich dort Wein umgeschüttet habe, wir lachten, aber er war schade um den guten Wein.

13:48

Dein liebestes Hirschgedicht

Einst kanntest du den größten Hirsch,
er hatte Schaufeln wie die Elche,
du trafst ihn auf der Hirschenpirsch,
er hielt dich für ne Elfe.

's war nämlich so, die Zwölfe hatte
seit Wochen ihn versetzt,
du wolltest, dass er dich begatte,
da hast du sie ersetzt.

Doch leider war im siebten Jahr,
die Balz vorbei und er ging fort,
dennoch, zumeist war's wunderbar,
nun ist die Welt ein fader Ort.


19:46

Das Schönste an Kindern ist, dass sie überraschen. Man fährt also mit den Enkeln in die Rieselfelder, hofft, dass die Graugänse, Schwäne, Kormorane und Fischreiher sie faszinieren, man steigt mit ihnen auf einen Aussichtsturm, was aber den Großen fasziniert, ist das Zählen der Stufen, er kommt bis elf, dann fantasiert er, man zeigt auf die fliegenden Canadagänse, er sieht die Windräder am Horizont, das wirklich Große aber kommt erst, nachdem man vom Turm steigt und er feststellt, dass der schmale Weg durch die Büsche auf den letzten Metern abschüssig ist. Den fährt er mit seinem Laufrad wieder und wieder hinauf und hinab.

Dann war da noch ein kaum zwei Euro großer braunroter Frosch an der Böschung, aber auf die Hand mochte der Älteste ihn nicht nehmen, das musste Opi tun, so hatte er mich genannt, als ich kam, da kommt Opi, hatte er gesagt. Sonst sagt er Opa Hermann.

Der andere, kurz davor, Laufen zu lernen, fand es umwerfend, vom mir unter die Achseln gefasst, mit Enekabenekabauz in die Luft gehoben und zwei drei Schritte vorwärts getragen zu werden, eh ich ihn wieder landen ließ. Und hoch oben auf meinen Schultern fand er es herrlich.

Der Älteste hielt die Heckrinder, die in den Riesenfeldern für Ordnung sorgen, für Ziegen, denn die Kühe, die er kennt, haben keine solchen Hörner. Sagt er jedenfalls.


Mo 8.10.12
9:50

Opa und Enkel, glücklich.





Mi 10.10.12
19:55

Mein Drucker ist kaputt. Ich habe alle mir bekannten Wege der Reanimation versucht, nichts hat geholfen. Um Kosten zu sparen, entschloss ich mich, bei e-bay zu suchen, wurde fündig, ein HP Deskjet 5145 für 7 Euro, schickte eine Mail an den Anbieter und erhielt vor etwa einer Stunde einen Anruf. Eine junge Frau, Svetlana, Russin, sagte, das Gerät funktioniere, sie wohne in einem Studentenwohnheim, Block F, vierter Stock, Zimmer ..., dort könne ich ihn abholen. Ich sagte, ich käme gleich und fuhr los.

Vor mir ein Audi SUV, der in der 70 Zone 50 fuhr, um zweihundert Meter vor der 50 Zone auf 40 herunter zu gehen. Ich fluchte, verwünschte den Fahrer, und niemand hätte hören dürfen, was ich sagte. Der Fahrer war eine Fahrerin, die in diesem riesigen Fahrzeug hinterm Lenkrad kaum sichtbar war.

Ich fand das Studentenheim. Mehrgeschossig, 500 Klingelknöpfe, ich klingelte, aber niemand meldete sich, dann ging jemand ins Heim und ich ging mit. Stieg die Treppen hinauf und kam schließlich in den Flur mit der angegebenen Zimmernummer. Trübes Licht in einem langen Gang, Spione in den Türen, aber Svetlana war nicht zuhause. Zwei Türen weiter hörte ich Stimmen. Ich klopfte. Ich dachte, vielleicht kann jemand mir Auskunft geben, aber kaum hatte ich geklopft, verstummten die Stimmen. Ich zog wieder ab.

Kurz hinter der Aa-Brücke derselbe SUV. 70 Zone, er fuhr 50. Ich schaltete herunter, zog mit aufheulendem Motor an ihm vorbei, sprengte das Fahrzeug mit Boden-Boden Raketen von der Straße und war glücklich, dass ich nie in einem Wohnheim habe leben müssen.


Do 11.10.12
11:13

Kaum zuhause klingelte das Telefon erneut. Svetlana fragte, ob ich noch käme. Ich antwortete, ich hätte bereits vor ihrer Tür gestanden, Block F, Zimmer 416. Nein, nein, sagte sie, Block E, da haben Sie sich verhört. Oh, sagte ich, und fragte, ob wir uns morgen sehen könnten. Morgen sei sie den ganzen Tag unterwegs, antwortete sie mit diesem russischen Akzent, wenn ich wolle, könne ich jetzt kommen. Gut, sagte ich, und fuhr los.

Block E war im Gegensatz zu Block F weniger trist, weil innen lindgrün gestrichen, dennoch ein Hühnerstall mit fünf Etagen. Fünfhundert Studierende auf engstem Raum. Wir heirateten sofort, es war Liebe auf den ersten Blick, schon der Name hatte mich fasziniert, so eine junge Russin mit so einem Namen, wer könnte da widerstehen. Ich jedenfalls nicht, und so sind wir nun ein Paar, Svetlana, 26, Hermann, fast 64 und der neue alte Drucker, der einen sehr soliden Eindruck macht. Fehlt nur noch die Druckerpatrone, die, würde ich sie als Originalpatrone kaufen, fast viermal so teuer wäre, wie der Drucker, aber das werde ich nicht tun. Ich lasse nachfüllen.


Fr 12.10.12
11:14

Der Verkäufer bei Prada ist klein, schwarzhaarig, ein Japaner, der korrekt gebrochenes Deutsch spricht, eine hübsche Marotte. Wir seien willkommen, uns umzuschauen, sagt er. Prada scheint sich an die Sechziger zu erinnern in dieser Saison, braunrote Kleider, rautenähnliche Muster, Karos, ein rosafarbenes Audrey Hepburn Gedächtniskleid mit drei großen, stoffbezogenen Zierknöpfen, dazwischen Taschen, auf denen Prada steht, gehobene Nuttenaccessoires. Im ersten Stock eine Endzwanzigerblondine mit gespritzten Lippen, die uns süßsauer mustert, während wir zuschauen, wie sich ein Mann in einen schwarzen Mantel schwatzen lässt. Drei Russen mit Coffee-to-go-Bechern zahlen mit Kreditkarte.

Bei Armani hängen ein paar süße Fetzen, und ein junger Mann in schwarzen Cordjeans mit Hosenträgern hilft einer etwa 40jährigen Kundin in eine bunte, grob gewirkte Wolljacke, während ein dunkel Gekleideter im Raum steht, nichts tut und seriös schaut. Treppauf findet sich Mode für Männer. Ein junger Mann kommt auf uns zu, fragt, ob er helfen könne. Wir sagen, wir seien nur neugierig, wir wollten schauen. Besser könne es gar nichts sein, sagt er, tritt zurück und beobachtet uns aus der Distanz. Ich finde einen umwerfend schönen Mantel. Er ist asymetrisch geschnitten, anthrazitfarbener Filz mit Kapuze für 1.200 Euro.

Wirklich schön aber, aufregend sogar, ist es bei Jil Sander. Da stehen zierliche Taschen mit Mut zu dezent eingesetzter, dennoch kräftiger Farbe, da hängt ein so umwerfend glockig fallendes Kleid aus nachtblauem Stoff, dass ich mir wünschte, ich könne es jemandem schenken. Ein junger Mann mit wildem Bart und gelocktem, auseinanderstrebenden schwarzen Haar dekoriert.


15:35

Keine Milch im Haus, aber Lust, einen Capuccino zu trinken. Aber Sahne ist da. Sahne ist ja verpönt, Sahne auf Cappuccino war, als der Deutsche anfing, sich in die italienische Kaffeekultur zu schaffen, da gab es das Sahnehäubchen. Ich wollte aber nicht auf meinen Cappuccino verzichten und begann, Sahne aufzuschäumen. Sie wollte nicht steif werden, sie verdickte nur, ich goß sie auf den gebrühten Capuccino und begann zu trinken. Was für eine Sensation. Kalte Sahne und heißer Kaffee. Köstlich.


Sa 13.10.12 11:35

Vor ein paar Tagen wäre ich fast darauf reingefallen. Ich war zwar skeptisch, aber um Zweifel auszuräumen, beantwortete ich die Mail von Ryanair, in der man mir mitgeteilt hatte, ich hätte in einer Lotterie 785.375,32 Euro gewonnen.

Schließlich stand in der Mail, man habe aus Kundendaten zwischen 2008 und 2012 ausgewählt, und ich war 2010 mit Ryanair geflogen. Natürlich ist das Schwindel, dachte ich jetzt, aber wenn es Schwindel ist, will ich doch sehn, wie es weitergeht. Also forderte ich den Sachbearbeiter von Ryanair auf, mich anzurufen.

Er rief nicht an.

Zwischenzeitlich war mir aufgefallen, dass die Absenderkennung der Mail auf UA endetete. Ich googelte: Ukraine. Schade, ich hatte schon zu rechnen begonnen. Es hätte doch sein können, oder, jeder hat ja mal Glück.

Am nächsten Tag kam eine Mail mit einem anhängenden PDF. Sehr amtlich, Swift-Bic, IBAN, Konto, Steuernummer, Bankinstitut, alles wurde nachgefragt. Ich dachte, ihr hättet geschickter vorgehen müssen, ihr russischen Schweinepriester, wohl wissend, dass die Ukraine nicht mehr zu Russland gehört.

18:00

Das Fantastische, das Surreale, das über das dargestellte Hinausgehende fand sich in der Malerei immer schon. Die Abstraktion aber, das sich Abwenden vom Figurativen, hat sich, behaupte ich, erst mit dem Aufkommen der Fotografie entwickelt. Es wäre ohne sie nicht denkbar.

Die Fotografie konnte Momente in Gänze festhalten, die Malerei konnte das nie. Mittlerweile gibt es längst wieder (und hat es in Nischen wohl auch immer gegeben) die figurative Malerei, aber sie hat meist andere Themen.

Letzte Woche sah ich Düsseldorf die Ausstellung des Fotografen Andreas Gursky. Der sagt, dass er seine Motive finde, nicht suche, und das sind Motive aus der wirklichen Welt. Ich sah sehr großformatige, digital bearbeitete Fotos, wahre Wimmelbilder darunter, den berühmten Wohnblock in Montparnasse, den 99Cent Store, aber auch Landschaft, Oberflächen von Wasser, Teppichböden, Fotos, in denen der Mensch nie im Vordergrund steht, sondern höchstens Teil des Ganzen ist, und da dachte ich, dass es schade ist, dass die zeitgenössischen Maler sich eher selten an so etwas herantrauen. Ein Ausflug nach Düsseldorf würde sich lohnen.


Mo 15.10.12 11:19

Grau alles. Man braucht Mut jetzt.


17:31

Doch noch Licht und Schatten.




Mi 17.10.12 10:28

Sitze an Gedichten über Tiere. Erste Reaktion eines Illustrators: zu kompliziert. Seltsam, dass sie mir überhaupt nicht kompliziert scheinen. Aber das liegt wohl an mir. Andererseits: es sind auch keine Gedichte für Kleinkinder. Vielleicht sind es sogar Gedichte für erwachsene Kinder. Aber wenn sie selbst für Erwachsene zu kompliziert sind, bin ich wohl zu kompliziert. Werde mein Epitaph ändern müssen. Bisher galt: Er hat es versucht. Jetzt heißt es: Er war zu kompliziert.

Der Hase

Meister aller Klassen ist er,
aber Ostereier bringt er nicht,
Mümmelmann, der schnelle Sprinter,
Hakenschläger, auf dem Stoppelfeld, im Licht.

Baut sich keine tiefen Höhlen,
schläft nur unterm Sternenzelt,
in der Sonne lässt er sich verwöhnen,
und ist gerne auf der Welt.

Seine Ohren, wie Antennen,
stehen hoch und schlafen nie,
raschelt's, sieht man ihn schon rennen,
Haken schlagen, er ist ein Genie.

Hase heiß ich, von nichts weiß ich,
braun wie Laub mit Ackerkrume,
kleine runde Köttel scheiß ich,
träum gern von der Ringelblume.


Do 18.10.12
10:10

Das angekündigte Schönwetter zieht auf, ich habe auf dem Balkon gefrühstückt und unvermittelt "sagt mir, wo kommt ihr denn her, aus Schlumpfhausen, bitte sehr" gesummt, ich nehme an, eine Reaktion auf die schnellste Absage aller Zeiten, die heute früh in meinem Briefkasten steckte.

Montag hatte ich eine Auswahl von zehn Gedichten an Michael Krüger vom Hanser Verlag geschickt.

Lieber Herr Mensing, schrieb er zurück, vielen Dank für Ihren Brief. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen diese Sendung gehört haben. Ich muß sie aber leider zurückschicken, da ich im Moment bei allem guten Willen nichts annehmen darf. Nichts! Meine Mappen sind voll und müssen abgearbeitet werden.

Holte mir daraufhin den alten blauen Strick, den ich 1990 auf dem Polenmarkt am Potsdamer Platz für meine Kinder kaufte, aus den Tiefen unserer Asservatenkammer und hänge nun pittoresk auf dem Dachboden.

Was die Sendung angeht, von der Krüger spricht, ich hatte ihn letzte Woche im Deutschlandradio über Lyrik sprechen hören, das hatte mir gefallen.

18:32

Heute nachmittag, (möglich, dass auch das eine versteckte Reaktion war) sprach mich bei Oxfam ein Kashmir Jackett mit perfektem Sitz an, Hugo Boss, 19 Euro. Ich war hingerissen. Wer braucht da noch eine Frau, dachte ich, als ich mit der Wange verträumt über den Stoff glitt. Ich, dachte ich, und machte mich auf den Heimweg, um unterwegs der Eisdiele noch einen Besuch abzustatten.

Und als ich da so saß, junge Menschen auf der Bank neben mir über die Mühsal ihres BWL Studiums lamentieren hörte, kam ein Paar vorüber, in der Mitte ein höchstens anderthalbjähriges Kind.

Ein Junge, nahm ich an, eher an den Händen seiner Eltern hängend als gehend, den Schnuller hektisch saugend, einen massiven, schwarzen Kopfhörer auf den Ohren. Was hört das Kind? dachte ich. Rolf Zuckowski? Oder noch ärger: Detlef Jöcker? Dubstep? Die neue Seeed? Das Kind begann zu jammern. Rammstein, dachte ich. Zuhause erzählte ich meiner verstorbenen Frau von dem Jackett, versicherte ihr meine Liebe und schenkte ihr einen Strauß gelber Rosen.


Fr 19.10.12
13:31

gebt mir ein wort,
nur eines, eins, das euch gehört,
schenkt mir ein herz, ein großes,
eins, das mich betört,
das mir den schmerz nimmt,
der seit jenem tag mit mir spazieren geht,
und das mich einspinnt,
wenn der frühlingswind ins zimmer weht,
lasst mich allein, haltet mich fest,
ich mag euch nicht, ihr seid die pest,
ich liebe euch, ich atme ein,
und werde trotzdem einsam sein.


Sa 20.10.12
11:34

Die Spinne

Ich gewinne, sagt die Spinne
und spinnt einen frischen Faden,
der von hier bis in den Laden
einer Metzgerei sich schwingt,
herrlich frei und zart, sie singt.

Ach, ich werde Fliegen fangen,
frisches Fleisch, gut abgehangen,
werde sogar Würstchen wickeln
und noch andere leck're Sachen schmickeln.

(Übrigens: Schmickeln sagt man in Holland, so wie schlickern bei uns, schnabbulieren und schmausen)

Tingeling, macht da die Glocke,
über Metzger Plenters Ladentür,
wenn ich jetzt ein Schnitzel locke,
denkt die Spinne, bleib ich immer hier.

Aber Schreck, oh Graus, da kommt wer,
Plenters Frau mit einem Besen,
und die Spinne hat es schwer,
zu verschwinden, als wär' nichts gewesen.

Wisch und weg, ihr Netz zerreißt,
und die Spinne, die Amalie heißt,
flucht entsetzlich und beginnt
neu zu spinnen, weil sie nun mal Netze spinnt.

18:36

rosengold der westen
und im osten oxidiertes blei,
sichelmond und stolze gesten,
glockenläuten, gott hat frei.

lieh mir seinen garten
gab mir äpfel, einen kuss,
trost von ihm für langes warten,
schelte für den dummen schuss.

sah ihm zu beim wasserlassen,
lachte mit ihm und vergaß,
grundlos weiter mich zu hassen,
eine biene summt ums glas.

jetzt fällt abend auf die nase,
spätherbst, letztes aufgebot,
eine rose in der vase,
gott ist die idee und tot.


Mo 22.10.11 14:43

Das Paar saß einem Tisch im Halbschatten unter einer Birke. Zwei Plätze waren frei. Die anderen Tische waren bestetzt. Es ist der vielleicht letzte schöne Sonntag des Jahres, der Essen und Trinken im Biergarten draußen vor der Stadt ermöglicht. Hin und wieder fahren Motorräder vorbei. Die einzigen, die heute arbeiten, sind Dienstleister und Bauern. Die sitzen in hochrädrigen Traktoren und fahren von hier nach dort.

Das Paar hat gegessen. Es trinkt Kaffee, als ein Mann fragt, ob seine Frau und er sich dazu setzen dürften. Natürlich, sagt der Gefragte. Ab jetzt müssen sie den Redefluss dieser Neuankömmlinge ertragen. Keine Sekunde sind sie still.

Der Kellner ist groß, sehr dünn, silbergrau, mit einem Gesicht wie eine etwas weltfremde alte Tante mit hoher Stimme. Er hat alle Hände voll zu tun, Essen auftragen, abräumen, hin und her, aber auf seinem Hemd ist nicht ein einziger Fleck. Wie er das wohl macht? Ein Gast will einen Kinderteller für sich, ein kleines Schnitzel mit Pommes. Das kann er nicht bekommen. Kinderteller werden nicht an Erwachsene verkauft. Kaffee gibt es nur in Kännchen, es sei denn, man trickst den Wirt aus und bestellt Cappuccino.


Di 23.10.12 9:54


harndrang, darmzwang,
hach, man wäre gerne frei,
geht auf anfang
und legt schnell ein ei.

macht das nest fein,
staub geht in die knie,
spült das dasein,
und sagt niemals nie.

schau, jetzt glänzt es,
die fassade ist poliert,
man entgrenzt es,
gänzlich ungeniert.


Mi 24.10.12
10:47

Ein Bussard kreist rufend, ein Bauer pflügt ein abgeerntetes Maisfeld, die Sonne lässt das Buchenlaub leuchten, überm Land bis zum Horizont fadenscheiniger Dunst. Der letzte Sonnentag, sagen die Meteorologen. Ein Mann und eine Frau gehen durch einen Buchenwald. Er trägt einen Korb, sie eine schwarze Tasche. Sie wollen Pilze sammeln. Kaum vom Kamm den Nordhang hinunter gestolpert, stehen sie verborgen zwischen Laub, kleine, caramelbraune Kappen, stehen ganz offen in langen Reihen, handtellergroß und milchig grau, sie wachsen auf alten Baumstämmen, sind lilafarben und schwärzlich und manche rot, aber den Pilz, den die sie suchen, den Hallimasch, finden sie nirgendwo.

Bei jedem, der sie vermuten lässt, dass es sich um den Gesuchten handeln könne, schlagen sie ihre Bestimmungsbücher auf, aber keiner der Pilze ist eindeutig zu identifizieren, und da ist er vorsichtig, da lassen wir lieber die Finger davon, sagt er zu ihr, dein Votum muss eindeutig sein.

Ein, zwei Stunden steigen sie so am Nordhang herum, hier und da sind tiefe Furchen, Löcher, Sandstein haben sie dort früher gebrochen. Ihr Korb könnte bis an den Rand voll sein, wäre jemand bei ihnen, der Kenntnisse hat, eindeutige Kenntnis über Genießbarkeit.

Schließlich finden sie Hallimasch, eindeutig Hallimasch, denken jetzt beide, aber dann doch wieder nicht, irgendein Detail des Pilzes stimmt nicht mit den Beschreibungen ihrer Bücher überein. Sie brechen ihre Suche ab, setzen sich an den sonnigen Waldrand zum Südwesten, essen und trinken ein wenig, rauchen, beginnen die Suche erneut, aber da sind sie schon auf dem Rückweg. Sie wollen einkehren, da, wo überwiegend Menschen mit Gehhilfen, Stützstrümpfen und Rollatoren beisammen sitzen, sie essen Kuchen und trinken Kaffee, wo Schinken unter der Decke hängen und Würste, wo man Bauernbrot kaufen kann und Sülze und was es an Hausgemachtem sonst gibt.

Am Abend dann sind sie sich einig. Ihre Strategie war falsch. Beim nächsten Pilzsammeln werden sie die deduktive Methode anwenden. Sie werden sich einen präzisen Überblick über die giftigen Pilze verschaffen. Es gibt nämlich gar nicht so viele. Die Essbaren sind weit in der Überzahl. So, denken sie, können sie das Risiko beträchtlich verringen. Dennoch ist nicht jeder ungiftige Pilz genießbar, aber da kann man den Schnelltest machen. Man schneidet ein kleines Stück heraus, man kaut es und schmeckt, sagt ja oder nein und spuckt es wieder aus.

Was nun den Namen Hallimasch anlangt, da gibt es einige etymologische Finten. Die einen sagen, er stamme wegen seiner heilenden Wirkung bei Hamorrhoiden von "Heil im Arsch" ab, andere leiten ihn von „hal (glatt, schlüpfrig) im Arsch“ ab, da die Hallimasche im rohen oder ungenügend gekochten Zustand eine stark abführende Wirkung haben. Es wird auch eine lautmalerische Ableitung vom "Hall" durch erzeugte Blähungen unterstellt.


Do 25.10.12
11:12

Das Bügelbrett ist unspektakulär, aber ich habe mindestens einmal die Woche mit ihm zu tun. Als ich vorhin die Schulterpartie eines Hemdes um die Rundung des Brettes zog, dachte ich, dass irgendwann jemand auf die Idee gekommen sein muss, ein Bügelbrett zu bauen. Wer bügelt, weiß, dass eine flache Unterlage, sagen wir ein Tisch, nicht viel nutzt. Klar, man kann darauf bügeln, aber die Ergebnisse lassen zu wünschen übrig.

Bei Wikipedia war nur zu erfahren, dass man in Skandinavien bis ins späte 19 Jahrhundert Walbein als Bügelbrett genutzt habe. Da der Wal ein großes Tier ist, könnte schon Verwertbares dabei gewesen sein. Sollte jemand aber Näheres wissen, vielleicht sogar den Erfinder des Bügelbretts noch persönlich gekannt haben, sollten seine Memoiren veröffentlich sein, dann bitte ich um Nachricht, denn mir macht Bügeln Spaß, allerdings sollte es nie länger als 45 Minuten dauern.


Fr 26.10.12 9:49

Als Nacktschläfer fühle ich mich mit Schlafanzug unwohl. Ich weiß, dass es seidenes Nachtzeug gibt, aber da ich im Bett alles fahren lasse, was fahren kann, wäre das unpassend. Wenn ich, was selten vorkommt, dennoch einen Schlafanzug trage und mich am Morgen im Flurspiegel sehe, erschrecke ich. Dabei gibt es eigentlich niemanden, der mir besser gefällt als ich, aber im Schlafanzug - nein, unmöglich.

Ein Nachthemd könnte angehen, eine arabische, weit fließende Galabiya, so eine, die ich mir in Luxor andrehen ließ, damals, als ich noch klein war, in einer Pension neben der Moschee wohnte und mir morgens, vom Muezzim geweckt, wünschte, ich hätte ein zielgenaues Gewehr.

Ich hatte keines, und so blieb mir nichts, als zum Fluss hinunter zu gehen, Tee zu trinken und hinüber zu schauen auf die andere Seite, Segelboote zu beobachten, auf denen groß gewachsene Männer die Ruder hielten, den Töpfern bei der Arbeit zuzuschauen, die fast mannshohe Krüge anfertigten, das ganze Ufer stand voll von ihnen.

An so einem Morgen geriet ich in die Fänge eines Händlers. Trotz heftiger Gegenwehr hatte er mir eine halbe Stunde später eine Galabiya verkauft. Galabiyas sind praktisch. Man steigt aus dem Bett und kann den ganzen Tag darin herum laufen, ohne Aufsehen zu erregen. Man spürt frischen Wind um sich, sehr praktisch ist das.

Aber Schlafanzüge! Hilfe.
Man möge mich auf alle Zeiten davor bewahren.
Pyjama people are boring me to pieces
Frank Zappa natürlich, Sie haben es längst erkannt.


10:51

Erste Kranich-Sichtung in diesem Jahr.
Sie sind vierzehn Tag früher als letztes Jahr (6.11.2011)
Kalter Winter???

12:31

Die nächste Sichtung.
Sie kreisen, rufen, finden wieder zur Formation und fliegen weiter.



Sa 27.10.12 11:26

Während wir die Stadt kreuzen, steigt Feuerwerk auf. Wir sehen die zerplatzenden Sterne. Wir hören den Widerhall. Er poltert herum wie Gewitter. Er knallt wie Krieg. Dann öffnet sich die Straße zum großen Platz, der lange Hindenburg Platz hieß, jetzt aber Schloßplatz genannt wird.

Es hat Streit gegeben darum. Die einen haben gesagt, der Stadtrat habe die Umbenennung bei Nacht und Nebel betrieben, was Unsinn ist und in parlamentarischen Systemen nicht geht. Dennoch haben sie protestiert und einen Bürgerentscheid für die Rückbenennung gefordert. Die Ergebnisse waren eindeutig.

Ich habe da nicht mit gewählt. Mir ist der Name dieses Platzes einerlei. Ich hatte kein Problem mit Hindenburg als politischer Figur, die involviert war in die Machtübergabe an einen gewissen Adolf Schicklgruber. Es waren andere Zeiten, die Menschen haben anders gedacht, und ich finde nach wie vor, dass man seine Geschichte nicht ständig auf die Gegebenheiten der Jetztzeit retouchieren kann.

Hätte er er Adolf Schicklgruber Platz geheißen, hätte auch ich protestiert, aber so. Ich hätte den Stadträten gewünscht, sie wären einmal durch London gelaufen, um zu sehen, wer da alles auf Triumphsäulen steht. Große Generäle werden sie genannt, dabei waren es imperiale Schlächter.

Wie auch immer: der Schloßplatz lag vor uns und auf ihm die in vielen Farben leuchtenden Karussels. Furchterregende Fahrgeschäfte, die aufräumen mit oben und unten, links und rechts, Ansager kokettieren mit diesem Brechreiz und rufen ihren Fahrgästen zu, ob denn noch einer gehe, oder ob sie schon so weit wären. Für so eine Fahrt zahlt man leicht fünf Euro, ich aber nicht. Ich habe meine letzte spektakuläre Fahrt in einer Dreierloop-Achterbahn vor mehr als zehn Jahren absolviert, und werde das nie wieder tun.

Ich wollte nur einmal herumgehen, weil auf so einer Kirmes Menschen unterwegs sind, die man in dieser Stadt eher selten sieht. Diese Stadt ist geprägt von Verwaltung und Theorieüberhang, gearbeitet wird anderswo, die jungen Menschen machen Party, Master und landen im Prekariat.

Aber es ist eine schöne Stadt. Zudem wollte ich J. treffen, ein Mann meines Alters, der damals, als manche sich Hippies nannten, seine sichere Bahn als Diplomhandelslehrer aufgab, um Silberschmuck herzustellen, den er auf Jahrmärkten verkaufte. Dabei ist es geblieben. Lange Jahre hat er die Republik bereist. Dann war dieses Geschäft nicht mehr lukrativ, so wie meines auch alles andere als lukrativ ist, ihm aber blieb nichts, er verkauft heute Suppen. Ich mag ihn, und als ich ihn traf, tauchte auch seine frühere Frau auf, A. Mit A. verbindet mich ein Abenteuer, also freute ich mich. Dachte, hat sich gar nicht verändert. Fand sie immer noch attraktiv.

Dann tranken wir Whisky im Rathlins, ein irisch-englischer Pub, früher zentrale Anlaufstelle der britischen Soldaten, heute eher ein Ort für junge Menschen, die dort dunkles Bier aus Kübeln trinken und Dart spielen. Wir tranken Oban und Arran und machte
n uns auf den Heimweg.

18:18

Sie nennen ihn Papi, die zwei, ein blondes Mädchen und ein dunkelhaariger Junge, sie fünf, halbsechs, er vielleicht schon in der Schule. Papi hat eingekauft, zwei Tüten Chips und Fanta. Der vierte, der vielleicht schon Papi sagen kann, vielleicht aber auch nicht, sitzt im Kinderwagen. Die Mütze ist ihm über die Augen gerutscht. Kannst ja nix mehr sehen, Theo, sagt Papi und zieht die Mütze zurecht.

Unsere Blicke treffen sich. Ich lächle. Theo lächelt zurück. Papi bleibt ernst. Seine zwei Großen sind die einzigen vor den Schlangen im Supermarkt, die fröhlich sind und sprechen. Der Rest ist tiefes Schweigen, Starren in Einkaufswagen und Warten. Die Kassiererin ist freundlich. Die blonde Frau mit dem dunkelhaarigen südländischen Mann legt vier mal 400 Gramm Bio-Hack, zweimal 400 Gramm Geschnetzeltes (wieso eigentlich nur 400 Gramm, erwartet man nicht ein Pfund in so einem Paket), Krautsalat, Tzatziki, ein Fünferpack Käsekekse, rechteckige mit punktuellen Vertiefungen, gelb verpackt. Glukosekeks? Na ja, egal.

Ich bin dran: zwei Schinkenpizzen, ein Paket Frikadellen, eine Flasche Bordeaux, eine Weisse Krisp von Ritter, ein Liter Milch. 8.78


So 28.10.12
11:04

Draußen traf ich die vier wieder. Übern Himmel zogen Krähen auf dem Weg zu ihren Schlafbäumen. Dem Mädchen quoll der Mund über, während der Junge keinen Ton sagte. Papi reagierte auf sie eher abweisend. Ja, sagte er, ja, ja. Er musste noch zum Bäcker, er konnte nicht ständig mit Staunen hören und kommentieren. Der Junge, der mit seiner Schwester durchs rostbraune Laub schlurfte, etwas, was auch ich für mein Leben gern tue, sagte plötzlich einen Satz und da war Papi hellwach. Hörte zu, antwortete.

Und ich dachte, da haben wir jetzt einen Klassiker. Papi liebt ihn mehr als mich, wird sich in ihr zusammenbrauen. Ich erzähle Papi so viel und Papi hört selten zu, wenn aber mein Bruder etwas sagt, hört er zu. Das wird sich über die Jahre verstärken, und wer weiß, irgendwann werden die beiden zusammen sitzen und sie wird sagen, ja, du, du warst ja auch Papis Liebling.

Dabei ist es viel einfacher. Sie hat einfach immer nur viel zu viel gesprochen. Kein Vater hat so viel Geduld und Aufmerksamkeit. Wenn es dem Jungen einmal gelang, einen Satz dazwischen zu schieben, hatte er naturgemäß größere Aufmerksamkeit.


Mo 29.11.12 9:05

Schon in aller Früh habe ich Wäsche aufgehängt, was sich komisch anfühlte mit dieser geschenkten Stunde. Auf dem Wäscheboden war es sehr frisch. Die Finger mochten das nicht, mein Rest auch nicht. Mal zwickte er an der Nierenseite, im Rücken, dann in der Magengegend. Mäandernde, körperliche Sensationen, eine Choreographie. Ich könnte eine Karte zeichnen, die verwirrend aussähe und Medizinern keinerlei Aufschluss gäbe. Ich deute dieses Irrlichtern kleiner Irritationen als elektrische Übersprungshandlungen verschiedener, über die Jahrzehnte intensiv genutzter Organe, Muskeln, Knochen etc., nichts Bedrohliches, aber wie gesagt: interessant. Im Augenblick: kein Schmerz, kein Stich.

Beim Spazierengehen gestern Reibschmerz zwischen den kleinen Zehen des linken Fußes. Gut, der Schuh hatte mir schon in Hamburg, wo ich ihn kaufte, Probleme bereitet, wie überhaupt Hamburg ein einziges Problem war, vorletztes Jahr, aber ich hatte gedacht, dass er mittlerweile eingelaufen wäre. Ich würde das gleich korrigieren, dachte ich, ich müsste nur die Socke ein wenig glatt ziehen, ich suchte eine sonnenbeschienene Ecke im Buchenwald, hockte mich auf einen Erdhügel, zog den Schuh aus, die Socke glatt und den Schuh wieder an.

Die ersten hundert Meter fühlten sich gut an, danach kehrte der Schmerz zurück. Ich war auf halbem Weg und würde so nicht weiterkommen, also wiederholte ich die Prozedur auf einer Bank am See mit Blick auf kreuzende Segelboote. Das half.

Während ich saß, paradierte viel Volk vorbei, junges und altes Volk, und vielen Gesichtern war anzusehen, dass man gerade verdaute. Ein Sonntagsessen kann üppig ausfallen, da geht man dann eben spazieren und am Ende des Spazierganges hat man schon wieder genügend Energie verbrannt, um ein Stück Kuchen nachzuschieben.

Das tat das Volk auch. Ich habe es selbst gesehen. Ich dachte intensiv über Pommes nach oder Bratwurst, aber beide Male waren mir die Warteschlangen zu lang, und ich dachte, im Kühlschrank zuhause wartet noch diese köstliche Herrencreme.

In der Eisdiele kaufte ich mir zwei Kugeln Eis und setzte mich zu zwei Frauen an einen sonnigen Tisch, Frauen meines Alters. Die eine sprach über ihren verstorbenen Mann. Dass sie es ihm recht gemacht habe, glaube sie, sagte sie, aber jetzt käme der Plunder weg. Die andere sprach über ihren Sohn, der nicht aus den Puschen komme. Aber was kann man da machen, sagte sie. Ich sag da nix mehr zu. Da muss er von selbst drauf kommen. Ich hatte mich mit dem Rücken zu ihnen gesetzt, um nicht aufdringlich zu wirken, hörte trotzdem jedes Wort und wünschte mir, ich wäre ein Aufnahmegerät.

Mein Bus hatte eine Viertelstunde Verspätung. Mein Bus war zum Bersten gefüllt. Aber er brachte mich bis vor die Tür. Ich musste mich nur noch aufs Sofa schleppen, um den Rest des Sonntags zu verdämmern, zu verlesen, ihn zu vertreiben, und das habe ich getan. Sehr erfolgreich, wie ich finde.

11:00

Seit Schichtbeginn wurden Autos zusammen geschraubt, Stahl wurden gegossen, es wurde konferiert, ge- und verkauft, im Büro des Schriftstellers M. jedoch geschah nichts. M. hat sich verboten, irgendeine ihm nicht sinnvoll erscheinende Arbeit auszuüben, und da bleibt natürlich nicht viel, denn womit sich die Menschen gezwungenermaßen jeden Tag auseinandersetzen müssen, ist nutzlos und wenig förderlich für den - na ja, wie soll man das nennen - den menschlichen Fortschritt?

Natürlich ist es schwer, so ein Arbeitsverbot auszuhalten, das ist die schwerste aller Arbeiten. Hin und wieder wird M. dafür sogar bezahlt, und dann ist er sehr dankbar und fühlt sich wie ein Jesus für Arme.

19:17

heute hebst du diesen vorhang nicht mehr,
jemand hat die stunde angehalten,
diese stille unter regenfalten,
liegt dir, und du liebst sie sehr.


Di 30.10.12
14:15

Gleich nach dem Aufstehen habe ich mit der Arbeit begonnen. Zunächst war über eine Stunde nichts zu tun. Das war anstrengend. Ich hatte mir vorgenommen, Nichts zu reinigen, aber damit hat es sich ja nicht, danach musste ich es wieder dahin stellen, woher ich es genommen hatte, und der Leser wird wissen, dass jede Veränderung, und sei sie noch so gering, anschließende Korrekturen all des anderen sich dort nicht Befindenden erfordert.

Das hielt mich bis 10 Uhr in Trab.

Danach rief ich niemanden an, was etwa eine halbe Stunde dauerte. Dann schellte das Telefon. Ich erschrak. Schließlich hatte ich alle Hände voll zu tun und wollte nicht gestört sein. Zum Glück war niemand am Apparat, um mir eine Arbeit im Dezember anzubieten, die ich, mutig und unternehmungslustig, wie ich nun einmal bin, sofort annahm.

Ich versuchte mir auszumalen, wie diese Arbeit wohl aussehen könnte. Ich müsste einige Kilometer fahren, um an den Arbeitsplatz zu gelangen, aber ich habe ja Zeit, dachte ich, nahm Karten zur Hand, große, geographische Werke, und studierte alle in Frage kommenden Wege. Fast eineinhalb Stunden brachte ich damit zu. Dann legte ich mich aufs Sofa und versuchte mich an sie zu erinnern, bis ich mir sicher war, dass ich den Ort fände. Das war eine schöne Tätigkeit, aber sie hatte mich so ermüdet, dass ich einen Mittagsschlaf einlegen musste.

Gerade wurde ich geweckt. Jemand hatte nichts gesagt und mir vorgeschlagen, dass es ewig so weitergehen könne, so, hatte er gesagt, sei es gerade richtig, das sei die perfekte Anpassung an den Augenblick, ich solle mir von niemandem anderes vorschreiben lassen. Das hatte ich auch nicht vor.

Natürlich gibt es hin und wieder Interventionsversuche. Menschen versuchen, mich zu nutzlosen Ausfahrten zu überreden, wollen mit mir hierhin und dorthin gehen, ohne rechtes Verständnis für meine verzwickte Situation aufzubringen.

Ich erfinde dann Ausreden. Ich sage, ich hätte zu viel zu tun, statt einfach zu gestehen, dass ich nichts zu tun habe und glücklich darüber bin, und dass es Tage gibt, an denen ich dieses Nichtstun mit nichts und niemandem teilen will, aber dazu bin ich zu feige.

Ich fürchte, dass die Menschen, die mich tatsächlich doch anrufen, etwa zwei, drei im Vierteljahr, nicht begreifen, dass meine Arbeit von größter Wichtigkeit ist und keine Störung erlaubt, das können sie einfach nicht, deshalb diese Notlügen.

Jetzt aber steht eine große Aufgabe vor mir. Ich muss aus dem Haus, ob ich will, oder nicht. Ich muss mich bevorraten. Ich kenne den Weg, ich kenne die Protagonisten, und ich weiß, dass ich daraus mitreißende Prosa schmieden kann, wenn ich will. Aber ich will nicht. Es ist genug gelogen. Die Wahrheit ist Nichts.


Mi 31.10.12
10:24

kugel mich, du rumbagöttin,
bis ich nichts mehr weiß
kugel mich quer durch altötting,
bis mir qualmt der steiß.

***
gestern abend nach einem Thread auf Facebook geschrieben, in dem es zunächst um Waldmeister, im Verlauf dann um Rumkugeln ging.

10:52

Der große Enkel ist skeptisch. Er will meine Mütze nicht aufsetzen, aber er findet es lustig, wenn ich sie auf dem Kopf drehe. Wir sitzen und essen. Er zählt seine Nudeln und kommt bis Neunzehn. Ich zähle nach und komme bis einundzwanzig. Der kleine Enkel ist todmüde. Er kriegt die Flasche, dann bringt Papa ihn ins Bett. Papa geht anschließend Fußball gucken. Die Preussen spielen im DFB Pokal gegen Augsburg.

Ich bin jetzt allein mit den beiden. Gegen halb acht wird Mama vom Pilates heimkommen. Bis dahin muss ich mir etwas einfallen lassen. Das Beste wird sein, ich passe mich dem großen Enkel an und schaue, was er am liebsten mag. Nach dem Essen putzt er sich die Zähne. Läuft mit der Zahnbürste in der Hand herum, steckt sie sich dann und wann in den Mund und spricht viel. Ausspülen will er nicht. Aber Pipi muss er noch. Ob er Hilfe brauche, frage ich. Nein, sagt er, schiebt sich eine kleine Bank vor die Schüssel, zieht die Hosen herunter und setzt sich aufs Klo. Muss auch A-A, sagt er. Als er fertig ist, ruft er. Die Kloschüssel ist voller Toilettenpapier. A-A hat er nicht gemacht.

Er wäscht sich die Hände, verschwindet und kommt mir einer fahrbaren Giraffe zurück. Damit fährt er herum. Ich lege mich auf die Erde, die Beine aufs Sofa. Da fällt dem Enkel ein Spiel ein. Er fährt mit der Giraffe über das Ecksofa, wechselt auf meine hochliegenden Füße, fährt über meine Beine, über meinen Bauch, über meine Brust, über den linken Arm wieder herunter und wieder aufs Sofa.

Ich kommentiere das wie ein Sportreporter, der ein Rennen kommentiert. Da ist Sie wieder, meine Damen und Herren, die schnellste Renngiraffe aller Zeiten, da, da kommt sie. Das findet der Enkel gut. Es befeuert ihn. Seine Runde werden immer schneller. Dann und wann variiert er sie, denn Opa (ich) kann auch Tunnel machen, sprich, die Beine so anziehen, dass er drunter herkriechen kann. Das Spiel ist entspannt und macht Freude. Ich bemerke gar nicht, als Mama kommt. Sie steht plötzlich im Raum. Sie lobt mich. Wenn sie wisse, dass ich auf die Kinder aufpasse, stelle sie sogar ihr Handy aus, sagt sie. Ich bin stolz. Ich bin ein stolzer Opa.

13:21

Die Kleiderfrage für die Lesung in Barentrup (Ostwestfalen) ist gelöst, die Strecke ist abgesteckt, ich habe mich für eine frühe Landfahrt entschieden, die kürzeste Variante vorbei an Freckenhorst Richtung Oelde, von dort auf die A-2, an Bielefeld vorbei und dann Richtung Lemgo, Barentrup. Zwei Stunden Fahrzeit, ich richte es so ein, dass ich vorm Dunkelwerden dort bin, dann kann ich die Fahrt genießen. Rückfahrt über die A30 und die A1. Dreißig Kilometer mehr, dafür Geradeausfahrt und kein Gegenverkehr. Bin gespannt. Werde, da es ein Gruselabend werden soll, eine Geschichte lesen, die ich extra für diesen Ort geschrieben habe, was sehr viel Spaß gemacht hat. Untote Cherusker werden den Ort bedrohen. Mal sehn, ob das funktioniert.

 

 



 

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