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So 2.10.22 bewölkt, recht mild
ich habe
was ich brauche
was ich nötig habe
hab' ich nicht
in stehe bis zum hals
im meer
eh's mich ergreift und bricht
zu strandgut macht
geheime schätze
die in wellen schleifen
die jahre fressen
eh sie reifen
während die sonne
steigt und fällt
das nächste jahr
ist längst bestellt
ob es mich fällt erhellt
vergeht wie alle
so hin und her
zerrisen in der falle
schwindet mein blick
nur eins ist klar
wenn etwas nicht mehr geht
wird etwas wahr
Fassung 15.10.22
ich habe
was ich nötig habe
nicht
in stehe in der brandung
dich mich bricht
während die sonne
steigt und fällt
wird eines klar
wenn etwas nicht mehr geht
wird etwas anderes wahr
Di 4.10.22 20:00 goldener Oktober
Rede zur Sache
Welche Sache? lautet die berechtigte erste Frage, die mich zur Sache bringen muss. Deine Sache, meine Sache? Unsere Sache? Die Sache all derer, die geboren sind. Viele unter prekären Umständen, ohne Aussicht auf Besserung. Was also wäre unsere Sache? Der Umsturz? Davon träume ich, aber ich weiß, dass es Traum ist. Die blutige Revolution führt zu weiterem Blut, und gehört nicht zur Sache. Zur Sache gehört, dass die Besserung nur Frucht tragen kann, wenn das Herz sie befördert hat. Das ist die Sache. Die Sache könnte Jesus sein, aber den hat uns die Kirche versaut. Die Sache könnte Gott sein, aber den hat uns die Wissenschaft versaut. Die Sache ist, dass der Geist, der Menschen gleich welcher Herkunft beseelen kann, in weiten Teilen der Welt zur Unterdrückung und Beschwichtigung instrumentalisiert ist. Was aber, wenn die Sache mit Jesus und Gott doch funktioniert, indem man sie anerkennt als nichtexistent und doch jederzeit anwesend? Die Sache ist verwirrend. Das ist keine neue Sache. Daran knabbern Philosophen, seit es Philosophen gibt, zurück bis in die Zeit der Höhlenzeichner. Das Schöne am Sein ist zugleich das Schreckliche: beides ist sinnlos. Die Sache ist, dass Sinn nicht vorkommt, und wenn doch, ist er an den Haaren herbeizogen. So eine Sache ist das. Man kann dran zerbrechen, aber da die Sache sinnlos ist, ist es besser, daran zu wachsen. Wobei wir bei einer Sache sind, die uns offenbar angeboren ist: Wachstum. Immer musste alles wachsen. Und wenn etwas nicht aufhören darf, zu wachsen, wächst es uns über den Kopf. Das ist die Sache. Die Sache wächst uns über den Kopf und keiner weiß, wie man das Wachstum stoppen und trotzdem gut leben kann.
Do 6.10.22 19:55 goldener Oktober
Liebe Annette,
gestern war ein grausliger Tag. Ich hatte Dienst im Rüschhaus. Ein Kollege und ich waren um halb zehn vor Ort, weil sich eine Gruppe von 35 Menschen angekündigt hatte, die aber nicht auftauchten. Keine Erklärung. Nichts. Um elf führte ich ein Paar durchs Haus, Ammerländer, einfache Menschen mit trockenem Humor, mit denen ich ein gutes Gespräch zustande brachte. Danach war niemand mehr so recht zu begeistern. Die beiden Holländer nicht, weil sie stocksteif und des Deutschen zwar mächtig, aber nicht so mächtig, dass sie meine Geschichten verstanden. Ein Bär mit nichts als Haar um den Kopf und im Gesicht, zusseliges Grauhaar, das in alle Richtungen wucherte, auf dem Kopf ein buntes Käppi, das wie eine verrutschte Krone jeden Augenblick wegzufliegen schien, ein gewaltiger Bauch unterm schmuddeligen Pullover, ein ständiges Zucken seines Kopfes zu rechten Schulter hin, dazu eine Covid Maske, die auf dem Bart lag wie eine seit Wochen nicht mehr gewechselte Decke. Sie gebeugt, in blauem, sich über Bauchwellen und tief hängenden breiten Brüsten spannenden Pullover, zerbeulten Jeans und wegzuckendem Blick. Schließlich der Mann, der seinen Hund draußen anband, ein sehr schöner, gut erzogener schwarzer Schäferhund, Herrchen mit einem Dreitagebart im mürrischen Gesicht, bisschen pummelig, rundes Gesicht, zurückgekämmtes Haar, schwarz gekleidet, vor der Brust eine Kamera mit dickstem Zoom, das er auf alles hielt. Gegen eine solche Wand anders gerichteter Interessen und mir fremder, nicht sympathischer Menschen anzuerzählen, ist nicht inspirierend. Wenn zu guter Letzt auch noch eine blonde Frau Anfang vierzig im Türrahmen steht und mich verächtlich mustert, bleiben mir die Worte im Halse stecken. Die Frau hatte beim Einlass verlangt (nicht gebeten), ich müsse sie umsonst reinlassen, sie habe ein Kombiticket auf der Burg gekauft, aber nicht dabei, das habe ihre Freundin wohl eingesteckt. Sie zeigte mir ein Foto der Burg, um zu beweisen, dass sie gerade daher komme. Oder vertraue ich ihr etwa nicht? Nein sagte ich nicht, aber sie wusste die Antwort auch so, sie musste bezahlen und begann mich zu hassen. So stand sie in der Tür des Schneckenhäuschens, während sich in mir ein schwarzes Loch auftat, mir schwindlig wurde und ich mich setzen musste. Zu wenig getrunken, dachte ich, o Gott, gleich falle ich um, aber dann fand sich ein Wort nach dem anderen wieder ein. Ich hielt die Geschichte kurz, so wie ich sie immer kurz halte, wenn ich auf wenig Interesse stoße, und sie doppelt so lang erzähle, wenn sie auf fruchtbaren Boden fällt, ich erwartete weder Trinkgeld noch sonst etwas, sondern komplimentierte die Gäste so schnell wie möglich aus dem Haus, ging in die Küche, trank einen Schluck Wasser, rauchte eine Zigarette und wartete darauf, bis es besser wurde. Zwei Führungen noch, aber angeschlagen, wie ich war, gelang mir nur ein müder Abklatsch dessen, was mir sonst gelingt.
Es gibt solche Tage. Und was dich angeht, Annette, ja, dann und wann verachte ich dich. Ich verachte dich, du bist Ober- , ich bin Unterschicht, Klassenneid, nennt man das wohl, aber ich kann es nicht ändern, er begleitet mich, und wenn du wüsstest, wie sich die Reichen der Gegenwart aufführen, würdest du mich mit meiner Verachtung vielleicht sogar verstehen, denn so hättest du dich nie aufgeführt. Weißt du noch, wie Jenny und du euch die Mäuler zerrissen habt über die aufgestiegenden Bürger Münsters, die alles versuchten, um es euch in Kleidung und Einrichtung gleichzutun. Es gibt Oben und Unten, Annette. Ich bin unten, aber nicht so weit wie viele andere Menschen. Ich bin nur materiell unten. Ansonsten bin ich unerhört oben. Aber du warst von Anfang an Oben. Du und deinesgleichen haben über Jahrunderte geherrscht, ein Clique miteinander sich verbündender oder bekriegender Fürstenhäuser, denen nichts weiter wichtig war, als ihr eigener Vorteil.
Damit musst du leben, Annette, ansonsten aber nichts für ungut. Ich kann mit dir leben, und letztlich profitiere ich von dir. Ich verdiene 1 Reichstaler pro Stunde. 6 Reichstaler pro Tag. Das kommt dir viel vor? Ist es nicht. Es ist zu wenig, Annette, wir Gästeführer leisten Schwerstarbeit, von uns hängt es ab, ob die Menschen mit den Geschichten über dich und das Haus etwas erleben, oder nur schulterzuckend nach Hause fahren und sagen, dass es sie nicht interessiert hat. Adieu. Morgen oder übermorgen ist der Mond voll. Ich werde die nächste Woche auf einer Insel in der Nordsee verbringen.
Mi 12.10.22 20:55
über die silberpappeln zu schreiben
ist mir nicht gelungen
also schreibe ich
über das scheitern
wenngleich ich noch weiß
dass ihre blätter dem wind applaudierten
und der stille ein rascheln zufügten
das lennon einforderte
als er mit den beatles
für das königshaus spielte
am tag darauf brach der volle mond
dem wind die flügel
die stille
wurde durch unverschämtes geschwätz gestört
aber das ist eine andere geschichte
Do 13.10.22 18:15
Leeuwarden ist keine große Stadt. Wenn man herumgeht, kann es sein, dass man den einen oder die andere mehrfach trifft, wie etwa den Bettler, der uns auf dem Platz vor unserem Hotel um einen Euro bat, ein großer, schlanker Mann Mitte dreißig in Trainingsjacke, Jeans und offenen Schlappen. Ich hatte nur noch ein wenig Kleingeld im Portemonnaie, das ich ihm in die Handfläche legte, aber er beschwerte sich, er bräuche mindestens einen Euro für Schlafen und Essen. Gut, sagte ich, dann geben sie mir das Kleingeld zurück, was er auch tat.
18:30
einer öffnet den mund
andere warten gespannt
aus dem mund strömt
mit buchstaben angereicherte luft
flugscharen hofft man
schwerter stattdessen
ein mund schließt sich
die anderen klappen auf
19:15
das dach könnte wegfliegen
wenn du nur so tust
wer kriegt's dann wieder rauf
und was für ein dach wäre das
Fr.14.10 16:35
kein zimmer
hatte von mir gehört
die spiegel
hatten nichts gesehen
das bett schlief
das klavier blieb stumm
der kopf wurde leicht
und leerte sich auf den teppich
dort wartete ich auf den dieb
So 16.10.22 21:15
Ich habe fünfundzwanzig Schweizer eineinhalb Stunden von der Burg erzählt, Lacher, Begeisterung und persönlichen Dank geerntet, aber nicht einen Cent Trinkgeld. Ich dachte immer, Holländer wären geizig.
22:35
wenn alles schweigt
und schön sein will
schlägt oft die angst
den mensch in bann
dass er nur noch den volume regler
hochdrehn' kann
den lebensfaden wieder aufzunehmen
und sich zurückzulehnen
bis alles wieder schweigt
noch lauter schreit noch mehr
& dann bist du bereit
23:25
Ansonsten Radtour, Kaffee, Maronen gesammelt und Quitten geerntet, eine Mispel gesehen.
Mo 17.10.22 17:00
Als wir vorletzten Freitag bei Boomhiemke in Hollum/Ameland in unser Ferienhaus eincheckten, fanden wir auf dem Tisch ein Servicepaket mit freundlichen Grüßen einer Natalie, ein Karton von der Größe einer Zigarrenkiste. Darin waren: ein 2cl Fläschen Spülmittel, 3 Tabs für die Spülmaschine, ein handtellergroßer, kaum keksdicker Schwamm, eine kleine schwarze Bürste und ein taschentuchgroßes Wischtuch. Wir waren begeistert. Auf der Toilette allerdings war kaum noch Papier, also ging ich, um mit Natalie eine Aufstockung unserer Bestände zu verhandeln, aber Natalie rückte nur eine Rolle raus, mehr war nicht drin. Die holländische Gastfreundschaft kann überwältigend sein.
Di 18.10.22 13:25
Angeblich hat sie Kraniche gehört. Seitdem rastere ich den Himmel, habe aber noch keine gesehen. Wenn sie auftauchen, werde ich es melden. Ansonsten bin ich noch mit meiner Rückkehr von der Insel beschäftigt. Sie hat sich seit meinem letzten Besuch vor 13 Jahren nicht wesentlich verändert, wenngleich am Duinpad, wo festinstallierten Wohnmobile älterer niederländischer Ehepaare standen, heute moderne, Finnbungalows genannte Häuser stehen. Sie stehen in bester Lage, aber in den Sitzecken hinter den Fenstern sitzen keine älteren Ehepaare mehr, er schaut fern, sie löst Kreuzworträtsel oder stickt, sondern Männer und Frauen in Funktionskleidung, die in Laptops tippen, Smartphones scrollen, aus chromglänzenden Maschinen Caffee-Latte melken und darauf achten, dass ihre Kinder der Welt nicht nicht zu nah kommen. Früher war dieses Areal ein idealer Ort für Kinder, um sich so weit wie möglich von ihren Eltern zu entfernen und Unsinn zu machen. Unsinn wird kaum noch nachgefragt. Stattdessen plant man Abenteuer, ein Oxymoron wie alter Knabe. Am Westend ist Küste weggebrochen, der Strandpavillion steht bei Flut auf hohen Stelzen im Wasser. Das ist auf Inseln nicht ungewöhnlich, immer bricht irgendwo etwas weg und wird woanders wieder angeschwemmt. Der Strandpavillion ist gesichtslos. Man dekoriert alle paar Jahre um, was die Sache nicht besser macht. Die Strandpavillions meiner Vergangenheit glichen Seeräuberabsteigen mit Fischernetzen und Ankern, mit Teppichen auf den Tischen und eingeborenem Personal. Heute kommt es vor, dass die Bedienung einen nicht versteht, wenn man Niederländisch bestellt. Arbeits- und Kriegsmigranten aus der Ukraine und sonstwo erledigen, was früher Friesen erledigten. Die Schönheit der Insel macht diese kleinen Veränderungen aber jederzeit wett. Alles ist nach wie vor weit und vom Trubel der Welt entbunden, so dass jetzt schon klar ist, dass ich die vierzig Jahre alte Tradition, im Herbst dort ein paar Tage zu verbringen, weiterführen werde.
19:00
die schatten legen
fahnen auf die bienenweide
zwei hasen ihre ohren an
der wind verharrt auf seine weise
am ende
wo er wild sein kann
links wartet jupiter
der mond zu überholen
protuberanzen schlagen kapriolen
ein starenschwarm verwebt
auf unglaubliche weise
den abendhimmel und den sinn
ein mann meidet die stadt
und leise
gibt er sich hin
wendet das blatt
hisst eine fahne für die reise
bedankt sich
und wird matt
vom dachfirst schaut die fette taube zu
vier strahlen grollen in den tiefen westen
in mückenwolken tanzen nur die besten
paar stunden
dann geht er zur ruh
19:30
die schatten legen
fahnen auf die bienenweide
zwei hasen ihre ohren an
der wind schläft auf der linken seite
am ende
wo er wild sein kann
von links wird jupiter
den mond gleich überholen
ein starenschwarm verwebt
in kapriolen
auf unglaubliche weise
den abendhimmel und den sinn
Mi 19.10.22 15:08
ich spiele schlagzeug und klavier
ich schreibe blind zehn finger
als handwerker hab ich ne schwache vier
eher mangelhaft und nicht der bringer
bewundere, wie nachbar n. sein dach neu deckt
erstaune dass j. 94 noch das autofahren checkt
wie g. knapp 67 seinen garten täglich neu gestaltet
und m. nach einem schlaganfall noch junge frauen faltet
wie elegant der junge mann von nummer 27 arbeit scheut
und der professor weiter unten sich an seiner bmw erfreut
die straße auf und ab genieß ich weltruhm
für meine linken hände und mein bummelantentum
der weltruhm fällt jedoch zu staub
eh ich ich zuhause bin
dann kommt die nacht und alle werden gleich
in ihren träumen sind sie jeder oder keiner
ihr bett mag hart sein oder weich
im grellen morgenlicht wird wieder alles größer
und nicht kleiner
Do. 20.10.22 12:08 hohe wechselnde bewölkung
ich spiele schlagzeug und klavier
ich dichte blind zehn finger
als handwerker hab ich ne schwache vier
verputzen nageln schrauben nicht der bringer
bewundere darum wie nachbar n. sein dach neu deckt
erstaune dass j. 94 noch das autofahren checkt
dass g. knapp 67 seinen garten täglich neu gestaltet
und m. nach einem schlaganfall noch junge frauen faltet
wie elegant der junge mann von nummer 27 arbeit scheut
und der professor weiter unten sich an seiner bmw erfreut
die straße auf und ab genieß ich weltruhm
für meine linken hände und mein bummelantentum
der weltruhm fällt zu staub in richtung brintrups gasthaus
eh ich ich zuhause bin
dann kommt die nacht und alle werden gleich
in ihren träumen sind sie jeder oder keiner
ihr bett mag hart sein oder weich
im grellen morgenlicht wird alles größer
und nicht kleiner
13:55
der dichterich spiele schlagzeug und klavier
ich dichte blind zehn finger
als handwerker hab ich ne schwache vier
verputzen nageln sägen blut am finger
bewund're wie der nachbar n. sein dach neu deckt
bestaune dass j. 94 noch das autofahren checkt
dass g. knapp 67 seinen garten täglich umgestaltet
und m. nach einem schlaganfall noch junge frauen faltet
wie elegant der junge mann von nummer 27 arbeit scheut
und der professor weiter unten sich an seiner bmw erfreut
die straße auf und ab genieß ich weltruhm
für meine linken hände und mein bummelantentum
der weltruhm fällt zu staub
eh ich zuhause bin
dann kommt die nacht und alle werden gleich
in ihren träumen sind sie jeder oder keiner
ihr bett mag hart sein oder weich
im morgenlicht werden konturen feiner
Fr. 21.10.22 22:00 mild, bewölkt, sonnig, leichter Regen
Drei Rüschhausführungen bei mildem Wetter mit zeitweisem Regen. Eine auf Niederländisch für ein Paar aus Antwerpen, der Stadt der Diamantschleifer, freundlich, großzügig alle beide, er sehr gelassen, mit sonorer Stimme und langsam sprechend, sie klein, eher schüchtern und ständig fotografierend, dann eine für eine rauchende Tante mit ihrer Nichte, die auf ihrem Gymnasium in Trier gerade die Judenbuche liest, schließlich eine für zwei Frauen Mitte 50, die sich für "royale Fragen" interessierten und alles von dir und der "Liebe" wissen wollten, dazu ein Paar Mitte sechzig, das kenntnisreiche Fragen stellte, die ich beantworten konnte. Die vier kamen auch untereinander ins Gespräch. Nächsten Mittwoch ist meine letzte Führung für diese Saison. Ich werde dich vermissen, Nette. Aber wir bleiben in Kontakt. Ich werde 74 sein, wenn wir uns wiedersehen. Und du 226. Bisschen alt für 'nen jungen Mann wie mich. Andererseits - Levin war auch 17 Jahre jünger.
So 23.10 17:58 mild, teils sonnig
Aprilia Sonntag: statt über Landwirtschaftswege zu mäandern, um zum Ziel zu gelangen, fuhr ich Bundesstraßen. Albachten, Bösensell, Appelhülsen, Buldern, Dülmen, Hausdülmen, Haltern, Halterner und Hüllener Stausee (ziemlich tiefer Pegel), Flugplatz Borkenberge, dessen Einfahrt auf militärische Nutzung schließen lässt, ringsum ein großer ehemaliger Truppenübungsplatz, dessen Betreten wegen Restmunition verboten ist. Schilder am Wald: Elbe. Weser. Rhein. Seltsam, dachte ich, aber das werden die Standortbezeichnungen gewesen sein. Wälder, Kiefern und Eichen, hier müsste alles voller Pilze sein. War aber zu faul, anzuhalten herumzugehen. Um den Haltener Staussee viel Sonntagstourismus. Es gibt sogar ein großes Seehotel, sehr groß. Vom Flugplatz weiter nach Seppenrade, hübsches Dorf, einmal durchgefahren, Kirche oben auf dem Hügel, Blick weiter über Land. Lüdinghausen, Senden, den Freund besucht, der deutlich an Gewicht verloren hat seit dem letzten Mal.
18:05
griff ihr noch
einmal an die quelle
wäre im fluss
röche den moschus
tränk den tau
legte das einmaleins
die saldi auf die waage
zöge mich still
und unerklärt zurück
verrecke doch
du miststück glück
ich feiere nur noch
mit teufeln nutten
saboteuren
die leben schwören
und es nehmen
wie es ist
weil nichts zu retten ist.
Mo 24.10.22 17:40 wechselnd bewölkt
Projekt für den LWL
Kleine Leute (1750-1970)
Johann (Jehan) Junkerdink
Geburtsdatum: unbekannt
Geburtsort: unbekannt - Westafrika / Ghana
Sterbedatum: 21.10.1758
Kammermohr auf Burg Hülshoff (ab 1698)
Organist St. Pantelon (Münster Roxel) ab 1711Im 17. Jahundert boomte der Sklavenhandel. Gefesselt, unter wüsten Flüchen und Peitschenhieben wurden sie u.a. in St. Elmina (Westafrika) von weißen Sklavenhändlern auf Segelschiffe getrieben, die sie einem ungewissen Schicksal näherbrachten. Einer gelangte 1698 auf die Burg Hülshoff. "Erzähl mir von ihnen, bitte", bat ihn Maria Katharina, geborene Hertz, seine Frau, schwer krank und dem Tode nah, im Oktober 1758. "Nein, ich kann nicht. Wir Bekwai glauben, dass Kummer, über den nicht gesprochen wird, nicht existiert. (1)
Dass er ein Bekwai war, eine Volksgruppe der Ashanti in Ghana, ist anzunehmen, aber nicht urkundlich. Sklaven waren ein begehrtes Handelsgut, ein hervorragendes Geschäft, das Millionen von Schwarzafrikanern die Heimat und viele das Leben kostete. Möglich, dass man sie mit einer Nummer tätowierte, Namen sind nicht überliefert.
Heinrich Johann I. von Droste Hülshoff, 1677 geboren, hatte ihn während einer Studienreise durch Europa (1697/1698)bei einem Agenten in Norditalien gekauft. Agenturen für afrikanische Sklaven gab es in vielen Hauptstädten Europas.
Sein Vater, Bernhard III. war entsetzt, als sein einziger Sohn einen Sklaven mitbrachte. Aber da er nun einmal da war, handelte er. Dass er ein Mohr war, ließ sich nicht ändern, dass er Heide war, schon. Man taufte ihn katholisch auf den Namen Johann Heinrich Junkerdink. In den Quellen taucht er auch als Junkering, Junckerdinck oder Junkerding auf, ein Verweis auf der Besitzverhältnisse.
Seitdem lebte er auf Burg Hülshoff und in Roxel.
Man hatte ihn in ein Land verschleppt, dessen Namen er noch nie gehört hatte und dessen Menschen ihm unheimlich gewesen sein müssen. Den Ashanti galt die Farbe Weiß, die Farbe der Uburuni, wie sie die hellhäutigen Sklavenhändler nannten, als Unheil bringend. Die Sprache der Westfalen, das Plattdeutsche und die Hochsprache bei Hofe, die Flora und Fauna, und nicht zuletzt die feuchte und dunkle Jahreszeit, all das war ihm fremd, wie er den Einheimischen fremd war. Er würde lernen müssen, damit zu leben.Kontakte zu anderen Sklaven, Landsleute, mit denen er sich hätte austauschen können, sind nicht überliefert. Die Menschen bei Hofe waren entweder Herren, die man entsprechend behandeln musste, oder Bedienstete wie er, Mägde, Knechte, Diener, das Gesinde. Täglich umschwirrten ihn Anweisungen, was als nächstes zu tun war, wem er dies bringen oder bei wem er jenes abholen solle. Er wird schnell gelernt haben, und aus seinem beruflichen Werdegang kann man schließen, dass er gelehrig war.
Adolf Risse erwähnt ihn 1961 in seinem Beitrag in der Zeitungsbeilage "Auf roter Erde", die im Aschendorff Verlag erscheint. Er nennt ihn den Hülshoff Exot.(3) "Schwarze Teufel, edle Mohren" ist der Titel eines im Jahr 1993 erschienen Buches, das sich mit dem Auftauchen von Afrikanern im mitteleuropäischen Raum auseinandersetzt. (4)
Johann wurde als Exot bestaunt und als schwarzer Teufel (swatten duivel) verspottet, aber das wird nur einer von vielen Spottnamen gewesen sein, die ihm die Einheimischen gaben. Bei Hofe war er der edle Mohr, der herausgeputzt in einer farbigen Livree vorstellbar mit Turban, höfischen Festen eine besondere Note verlieh. Ein Leibeigener, der den Hülshoffs etwas verlieh, das man heute Alleinstellungsmerkmal nennt.
Die Hülshoffs schätzten ihn. Als die Roxelaner sich weigerten, für die Orgel, die die Hülshoffs St. Pantaleon geschenkt hatten, einen Organisten zu bezahlen, beschlossen sie, die vakante Stelle mit ihm zu besetzen.
1711 wird er Organist an der "Mohren Orgel" (3).
Im Dorf kannte jeder den Swatten Jehann. Ein Zeuge wird knapp 100 Jahre später sagen, er habe von seinen Eltern vernommen, "dass die Orgel zu Roxel anno 1711 von damaligen Freyherrn von Droste zu Hülhoff geschenkt sey. Der erste Organist, den ich gekannt habe, nannte sich Joan Junkerdink, er hatte meines Vaters Schwester zur Frau. Dieser Organist hat aufm Hause Hülshoff gedient, war von Geburt ein Mohr, und vom damaligen Herrn von Droste zu Hülshoff zum Organisten bestellt." (5) Ein anderer sagt: "Der erste Organist, den ich gekannt habe, war ein Mohr, und wenn ich nicht irre, ist dieser mit dem Herrn von Droste aus der Fremde gekommen. (5) Aus einer Quelle geht hervor, dass er im März 1757 und im April des gleichen Jahres einmal 8 und dann 12 Reichstaler "von das orgell zu schlagen" erhält. (2)Schwarzafrikaner waren in Europa bis zum 8. Jahrhundert kaum bekannt. Im 13. Jahrhundert änderte sich das, als der Staufenkaiser Friedrich II. aus Sizilien kommend mit einem prächtigen Hofstaat in Magdeburg einzog. Er hatte exotische Tiere dabei und Afrikaner. (4)
Die Tatsache, dass ein Mohr Organist in Roxel wurde, Profimusiker, wie einige Afrikaner an deutschen und europäischen Höfen jener Zeit (4), könnte man eine Karriere nennen. Eine glückliche Fügung ist es auf jeden Fall, denn am 11. Oktober 1728 heiratet Johann die Tochter des damaligen Küsters, Maria Katharina Herz. "Sust doch nich gliäwen." (1) hieß es im Dorf. Aus dieser Ehe stammen fünf Kinder, drei Mädchen, zwei Jungen.
In den Werken der 49 Jahren später auf der Burg geborenen Annette von Droste zu Hülshoff taucht nur einmal ein Mohr auf. Der fragt einen Fuhrmann nach dem Weg nach Lasbek. Er hat Briefe zu besorgen. Da entlang, weist ihn der Fuhrmann an. "Kann ich denn nicht dort hinunter?" sagte er, auf einen Fußweg deutend, der dieselbe Richtung direkter nahm. "Das möchte gar nicht gut sein", sagte der Fuhrmann. "O Herr! das soll der Herr wohl nicht wagen, da steht ein Kruzifix." (6)Kruzifixe auf dem Weg von Burg Hülshoff nach Lasbek (bei Havixbeck) gibt es einige. Die Burg Hülshoff, vom Center for Literature seit 4 Jahren bespielt, Ort kultureller Auseinandersetzung mit den Werken der Annette von Droste zu Hülshoff, ist ein beliebter Ausflugsort, den man besichtigen kann, sie ist aber eben auch der Ort, an dem Johann Junkerdinks Geschichte begann. Die weite Allee, über die 1698 die Kutsche holperte, in der der verängstige junge Afrikaner die Burg erreichte, gibt es ebenso noch wie den Kirchplatz rund um St. Pantaleon, auf dem er und seine Frau begraben sind. Dort befand sich der alte Friedhof, der um 1900 eingeebnet wurde.
Autor:
Hermann Mensing
Literatur:1
Hermann Mensing
Mein Prinz -
Eine historische Liebesgeschichte
2005 Aschendorff Verlag Münster2
Stadtarchiv Münster
Gerichtsarchiv
Vormundschafssachen Nr.345
darin u.a. 2. Quittungen von Heinrich Johann Junckerdinck
3
Adolf Risse
An der Mohren-Orgel zu Roxel
Der Hülshoff Exote Johann Junkerdink
in Zeitungsbeilage "Auf roter Erde" der Westfälischen Nachrichten, Nr. 32 vom 30.09.1961 Seite 44
Peter Martin
Schwarze Teufel, edle Mohren
Afrikaner im Bewusstsein und Geschichte der Deutschen
1993 Junius Verlag Hamburg
Hamburger Institut für Sozialforschung5
Archiv Hülshoff, Akte 5566
Annette von Droste Hülshoff
Bei uns zu Lande auf dem Lande
in: A.v.Droste Hülshoff
Sämtliche Erzählungen
Insel Taschenbuch Frankfurt/Leipzig
22:10
wenn jemand durch die tür käme
sich an mein klavier setzte
über major7 akkorde zu improvisieren begänne
und der wäre nicht ich
würde ich sagen
lass die finger von meinem tasten
sonst hack ich sie dir ab
dann wirst du schon sehen
ich hab eisenfinger sagt er
spätestens dann hätte ich zweifel
ich würde ihn für einen clon halten
einen clon mit eisenfingern
und herz aus diamant
wenn ich ihn loswerden wollte
müsste ich ihn totschießen den kerl
also schieß ich ihn tot
sein diamant zerspringt klirrend
ich schleife ihn aus dem zimmer
und mache die tür zu
jetzt soll noch mal einer kommen
jetzt improvisiere ich
in a silent way
da will ich nicht gestört werden
ich will überhaupt nicht gestört werden
nicht von söhnen. nicht von frauen.
nicht von enkeln.
ich will nicht gestört werden
ist das so schwer zu begreifen.
Do 27.8.22 20:55 meist sonni
Aprilia: Roxel, Longinus, Billerbeck, Kloster Gelewe, Coesfelder Berg, Coesfeld. Sirksfeld. Stockum. Tungerloh Capellen, Gescher, Stadtlohdndewick, Vreden, Wenningfeld Flughafen, Vreden, Ahaus, Asbeck, Darfeld, Höpingen, Havixbeck, Hohenholte, Roxel.21:00
ein schatten
legte sich unter ein ahornblatt
er bekam keine luft
jedenfalls nicht genügend
soviel war klar
also hob ich das blatt
dass er atmen
und verschwinden könnte
aber er legte sich wieder
unter das blatt
bis eine krähe
darauf rumhackte
eine wolke
die das beobachtet hatte
schob ihre brust vor
und rettete ihn
22:15
ein schatten
legte sich unter ein ahornblatt
ich hob und drehte es
damit er mehr licht bekäme
aber er blieb am boden
ich zerbröselte das blatt
der schatten
wurde meine hand
die zu tanzen begann
verwundert setzte ich mich
auf eine bank
und drehte meinem schatten
und mir eine zigarette
So 30.10.22 15:46 prächtig
Kranichgroßflugtag. Quitten werden zu Gelee. Gestern Salsa Therapie gegen Verspannung.
16.48
kraniche ziehen nach südwesten
trompetend und in reih und glied
die krähen bügeln ihre westen
im kirschlaub
komponiert der spatz ein lied