Oktober 2024                   www.hermann-mensing.de      

mensing literatur 

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zum letzten eintrag

Di 1.10.24 10:16 Regen, Heizung an

als es
neulich nieselte
wieselte ein marder übern damm
zug kam
und zerteilte
leben schnell enteilte

13:06

Regentage führen nicht zur Verzweiflung, wenn sie beginnen, wie dieser. Ich hatte im "Grünen Kleid" gelesen, um zu schauen, ob er mir noch gefällt, denn ich arbeite augenblicklich ja nicht, ich vermeide jede Annäherung an "Frauen auf Zebrastreifen". Und als ich so las, dachte ich, ich mache einem Verleger mal einen Vorschlag.

Guten Morgen, schrieb ich,

ich weiß, wir sind noch nicht einmal über "Mitten im Geschwätz" überein, aber vor ein paar Tagen erfuhr ich, dass eine Anthologie, an der ich mit einem Gedicht beteiligt bin, bei ihnen erscheint, ich dachte an uns und deshalb schicke ich Ihnen heute ein Exposé. Der Roman ist knapp 230 Seiten lang.

Als Appetizer ein paar Zeilen aus dem 1. Kapitel

Als es die Autobahn noch nicht gab und sie über Landstraßen trampten, haben sie hier gestanden, bis schließlich die Nacht anbrach. Sie hatten unter einer Brücke Schutz gesucht, hatten Schlafsäcke dabei, und im Schutz dieser Brücke hatten sie ihre geheimen Plätze derart beglückend besucht, dass dem Fluss nichts anderes blieb, als stillzustehen, und die Fische verwirrt ihre Köpfe aus dem Wasser reckten, um nachzusehen, was der Grund wäre, und als sie die beiden so sahen und nicht ausmachen konnten, wer eigentlich wer sei, hatten sie sich geschuppt vor Glück, denn so etwas Schönes hatte sie noch nie gesehen, aber dann war das Glück schon wieder vorbei, wie gesagt, es ist ein flüchtiger Gast, und überall hoffen die Menschen, dass es auf einen Sprung zu ihnen kommt, und da hat es natürlich alle Hände voll zu tun. Das Wasser begann wieder zum Meer zu strömen, die Nacht ging vorüber, niemand spürte sie auf, sie mussten nicht hungern, sie verdursteten nicht und am nächsten Tag schafften sie es nach Amsterdam.

Zehn Minuten später hatte ich eine Antwort.

also das gefällt mir und macht mich sehr neugierig ... und jetzt tue ich etwas, was ich aus den schon einmal geschilderten Gründen eigentlich gar nicht tun darf: Könnten Sie mir vielleicht eine etwas größere Leseprobe schicken ...? Wenn ich den Stapel mit nicht gelesenen Manuskripten sehe, darf ich diese Frage wirklich nicht stellen - aber so 20, 30 Seiten, das wäre überschaubar, die würde ich heimlich am Stapel vorbeischmuggeln können, denke ich ...


13:29

das wetter will mich nicht
das klavier will mich nicht
ich will mich
weiß aber nicht
wo ich bin
ich könnte nachschauen
meine verstecke sind zahlreich
das würde mühsam
und zum schluss
fiele ich noch von der leiter
also brüh ich mir einen kaffee
zähle die tropfen
und bin den umständen entsprechend
tatsächlich ein glücklicher mensch
das bist du
sagt godot
und wenn er's nicht gesagt hätte
hätte ich's nich mal bemerkt


Do 3.10.24 16:02 wecheselnd bewölkt, trocken, spürbarer Nordost

es liegt
wohin man schaut
geschunden
mit verbrannter haut

es steht nicht
hatte heimat
die es nicht mehr hat
nur explosionen
überall und tag und nacht

22:35

Fuhr zu Klabautschke, um die Esskastanien zu prüfen. Fast alle waren hohl. Trank in Tilbeck Kaffee und sprach mit einer Frau an meinem Tisch, die über ihrem McBook brütete. Sie war keine Kollegin, sagte aber, sie käme oft morgens her und spränge auf dem Luftkissen. In Herkentrup streunte ich in den Wald, sah ein paar Kartoffelboviste und reihenweise spitzkegelige Kahlköpfe, psilozibinhaltig. Aß ein Achtel. War wohl zu wenig. Versuch es die Tage nochmal.


So 6.10.24 9:49 sonnig, 6 Grad

Als wir am 4.10.23 in der Haard waren, fanden die Pilze uns. Sie standen am Weg. Nach zehn Minuten war unsere Tasche voll. Am 4.10.24 fanden wir nicht einmal die Stelle am Weg. Wir fuhren einmal hoch und runter, wir waren uns einig, dass sie irgendwo zwischen Weganfang und Windrad liegen müsse, weit vor dem Rad allerdings, denn an das erinnerten wir uns nicht. Wir kreuzten weiter die Haard, hielten Ausschau nach Stellen ohne Unterholz, Eichen, Buchen, Moos und Kiefern, überall nur Kartoffelboviste. Und dann stand ein ausgewachsener, prächtiger Steinpilz vor mir. Hier! rief ich, Martina, komm schnell! Sie kam. Wir fanden ihn von Schnecken zerfressen. Abends habe ich mit der Tanzmaus im Hot Jazz zur Livemusik von Renau Gardica-Fons Tango getanzt. Auch aufs Basssolo. So geht Tango, fanden wir. Den Samstag schwer ermüdet vertrödelt. Gleich aber Tango auf dem Leonardo Campus. Und morgen checken wir die Davert.





21:10

auf drei
wenn es muss
eins bleibt frei
mit der drei die so knallt
kommt die fee aus dem wald
und plingt missetäter
verräter schurken
musk und das übrige gesocks
auf den mars
dann kommt die eins
und pulverisiert ihn


Mo 7.10.24 16:43 sonnig

Prächtiger Tag. Mit dem Rad Richtung Schapdetten. Kurz vor Tilbeck gaben wir den Plan in den Baumbergen nach Pilzen zu suchen zugunsten eines Kaffees in Tilbeck auf, beobachteten Kinder der inklusiven Münsterland Schule auf dem großen, luftgefüllten Hüpfkissen und fuhren durch Herkentrup Richtung Hülshoff. In einem Wald am Weg ein paar essbare Röhrlinge, zwei gemeine Steinpilze, nicht essbare rosablättrige Egerlingsschirmlinge, Zinnober-Täublinge, Walfdfreund Rüblinge unf psilocibinhaltige spitzkegelige Kahlköpfe. Aß einen, das liegt jetzt zwei Stunden zurück, und habe keine Wirkung bemerkt. Habe aber ein paar mitgenommen, die trocknen jetzt und dann wiederhole ich das Experiment. Ich bin 75. Ich kann jeden Augenblick sterben. Die Welt ist ein Arschloch. Also, was soll's.

23:43




Mi 9.10.24 13:49 bewölkt

Im Mai Mal hatte der Urologe eine verhärtete Stelle an der Prostata erstastet, eine Gewebeprobe angedacht, verworfen und mich heute einbestellt. Um 9:40 noodle ich in der Küche, trinke Kaffee, checke Posts, lese Zeitung. Heute stand ich um 9:40 an der Rezeption, um zu erfahren, dass ich zu früh bin. 11:40 sagte die schüchterne, in einer Ecke an einem kleinen Tisch hockende Rezeptionistin. Och nöö, sagte ich. Doch. Wollen Sie warten? Nö. Jetzt gehe ich am 6. Dezember wieder hin, dann kann er meinen Sack mitchecken. Ich kreuze die Stadt, sitze eine Weile im Marktcafe, die Cactus-Gründerin taucht mit zwanzig Afrikanern auf. Hii, sach ich. Trommelst du noch? fragt sie. Ich nicke. Sie gibt mir einen Prospekt. Ghanaisch-deutsches Projekt, Tanztheater. Trommeln hat ja in Afrika Tradition, sagt sie. Ja, sage ich. Hatte es. Damals. Ich gehe Matjes essen, den ich auf Niederländisch bestelle. Bei Oxfam will ich nach Mänteln sehen. Ich habe wunderbare Woll- und Kashimirmäntel dort gekauft und selten mehr als 20 Euro bezahlt, aber ein einfacher, zweireihiger Baumwollmantel kostet mittlerweile 50 Euro. Brot bei Tollkötter gekauft. Die Prinzipalmarkthaltestelle ist außer Dienst, der Domplatz auch, also nochmal quer durch die Stadt zum Bült. Der Bus kommt in 8 Minuten. Er hält er an der ersten Haltestelle. An der zweiten, wo er normalerweise hält, steht der Bus nach Coerde. Ich stehe auf und laufe der 1 entgegen. Die fährt schon wieder an und der Fahrer reagiert nicht auf mein Zeichen. Weitere 20 Minuten warten. Was tun? Stick drehen, sich wundern, dass sich 18jährige Lippen aufspritzen und Nasen bearbeiten lassen. Wäre ohne ganz hübsch. Selfie machen. Hochladen. Bus kommt. FB gratuliert zum 100sten Klick meines gestrigen Thomas Brasch Post. Scheinwelt. Heimfahren. Den Bolero in allen Tonarten spielen. Nickerchen.


Do 10.10.24 14:55 wechselnd bewölkt

Seit gestern warnt die Wetterapp vor Starkregen und Wind. Heute war sie voller Ausrufezeichen. Um zehn geht es los, hieß es, ging aber nicht. Dann vielleicht um viertel Zwölf. Starkregen. Hmmm. Wer weiß. Da ich nachher mit den alten Männer Musik mache und bei derartigem Wetter weder Rad noch Roller fahren will, habe ich mir ein Auto gemietet. Der letzte Starkregen hätte um 13:45 beginnen sollen. Stattdessen. mildes Herbstwetter mit wechselnder Bewölkung. Wer zahlt jetzt für das Auto? Kann ich Wetter.com verklagen?


Fr 11.10.24 leicht bewölkt


In der Davert. Herrlicher Tag.




Austernseitlinge





 

23:27

sie schieben
ihr rad in den zug
fahren eine station
steigen aus
warten
steigen ein
fahren zwei stationen
schieben ihr rad raus
steigen auf
fahren los
kaufen wasser
mohn- und rosinenstriezel
überqueren die b54
fahren in die davert
steigen ab und gehen
im wald herum
stundenlang
finden dies finden das
staunen und essen
das staunen zu abend


Sa 12.10.24 22:46 bewölkt, soweit ich mich erinnere

Da Herr M. nicht arbeitet und eine Frau im Haus ist, die er gern bei Laune hält, putzt er. Er staubsaugt, bis dem Sauger die Luft ausgeht. Er nimmt eine Zahnbürste, um Badezimmerarmaturen sauber zu kriegen. Aus der Toilette kann man trinken. Er schruppt den Boden der Pfanne so lange, bis er wieder silbrig glänzt. Dafür kocht sie ihm leckere Sachen. Der Afrikaner hinter der Kathedrale von Palma, mit dem Herr M. sich unterhielt, als er auf die Frau wartete, die beim Friseur saß, hatte gesagt, wenn die Frau glücklich ist, ist das gut für den Mann. Das sieht Herr M. auch so. Verstehen kann er sie nicht. Das ist Liebe, die muss man aushalten.

Zu Mittag Mittag ließ Herr M. es gut sein, schnappte sich einen Wäschekorb und ging auf den Dachboden, um die Ernte von der Leine zu nehmen. Sie hing dort seit zwei Wochen. Dann kochte er Kaffee und die Frau und er machten sich an die Arbeit. Die guten ins Töpfchen. Knapp vierhundert Gramm sind dabei rausgekommen. Was machen sie bloß damit? Plätzchen? Die Frau ist ganz aufgeregt. Sie recherchiert das Verhältnis der natürlichen Zutaten. Das wird ein schönes Weihnachten.


So 13.10.24 14:16 bewölkt, windig, trocken

ein sonntag
legt sich auf die welt
und zweifelt teufel an
der samstag habe ihm bestellt
montag fings wieder an
bis dahin schwiegen
worte waffen wahn
und wo man hinschaute
gäb's käse wein und brot
die schießstände würden zur achterbahn
aus blut
würde ein rosenrot

jedoch
die konjunktive lügen
dass die tassen klirren
dass hirngespinnste überm esstisch flirren
am montag kehrt die gegenwart zurück
das gottverfluchte dumme geile stück
und alle alle irren


Mo 14.10.24 13:36 bewölkt 10 Grad

Soll ich mich sorgen, weil zwischen halb acht und neun der Himmel voller Kampfjets war, hoch oben, nur hörbar. Weil der Dorbaum nach Abzug der Engländer Jahrzehnte verwaist, als militärisches Übungsgebiet reaktiviert ist? Weil sie sich auf allen Ebenen vorbereiten. Ja, vorbereiten müssen, denn wenn es losgeht, müssen die Kommunikationsstrukturen klar sein. Ich habe beschlossen, mich nicht zu sorgen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der gute Kern in Allen siegt. Hört sich unglaublich an, ich weiß, aber es gibt ihn und er hat großen Einfluss.

23:38

bitte gestatten sie,
dass ich mich vorstelle
ich bin ein Luftikus
ein Holdrio
Hallodri
Schlenkerich
Windbeutel
Landstreicher
Taugenichts
Galgenstrick
Herumtreiber
Windhund
Faulenzer
Strolch
Windbeutel
Schlenkerich Leichtfuß
Galgenvogel
Spitzbube
Haderlump
Schelm
Pfiffikus
Windhund
Libertin
Tunichtgut
windiger Bursche
Windbeutel
loser Vogel
lockere Vogel
Liederjan
Bruder Leichtsinn
Bruder Leichtfuß


Mi 16.10.24 20:01 milder, ab Mittag sonniger Tag

Im Bus ohne Fahrradticket erwischt, kann, muss aber nicht teuer werden, da wir im Besitz eines gültigen Zeitfahrausweises waren, wir werden das morgen bei den Stadtwerken klären. Vier Stunden in der Hohen Ward. Bestes Wetter. Ruhte mich zeitweilig auf einem Moospolster aus. Fanden sechs Däumling-Steinpilze, die morgen erwachsen gewesen wären und die ersten Pfifferlinge die wir je gefunden haben auf unseren Touren. Ich spürte einen Pfefferöhrling auf, den ich anfangs für die Däumling hielt, aber der Stil war nicht nach außen gewölbt. Ich probierte ihn. Er war sehr scharf. Zwei Maronen. Ansonsten das Gefühl, wir waren zu früh. Morgen wäre der richtige Tag. Bei Krautkrämer anschließend Kaffee und Kuchen. Der Kaffee war erbärmlich. Der Kuchen gut. Seltsam dieses Hotel am idyllisichen Ort. Ein bisschen aus der Zeit gefallen. Ich glaube, die leben von Seminaren, die dort "in Abgeschiedenheit und Ruhe" stattfinden. Die Bedienung war freundlich. Die Rolling Stones haben 65 mal da gewohnt. Da war es die erste Adresse in Münster. Heute ist es ein "Best Western" Hotel. M. und ich waren mal in einem in Kaunas. Alles Teak-Holz. Wir fühlten uns, wie auf einem Ozeandampfer. Im Keller war eine Bar, ein Flügel stand auch da und ich durfte spielen.


Do 17.10.24 12:38 bewölkt, sehr mild

Bisschen müde vom Herumstapfen im Wald.


22:59

ich habe die nase
ich mache mich (kein knall)
ich mache mich (kein bild)
ich weiß (keine ahnung)
(was überhaupt)


Fr 18.10.24 15:31 sonnig

Gegen elf mit dem Rad in die Bauerschaft Herkentrup. Dort gibt es einen Wald, der versprechend wirkt. Fand Braunkappen, Schafporlinge, gemeine Waldfreund-Rüblinge, Herbstlorchel und auf dem Heimweg am Fuß einer Eiche zwei sehr große gemeine Steinpilze.


Sa 19.10.2415:42 trüb, feucht, mild

16:30

die tauben
haben nach langen diskussionen
ihr nest verlagert
und brüten
es geht etwas vor
und sie wissen es

17:42

Ich

Betr: EBE Nr.: 45079563

Am 16.10. 24 um 12.37, wurden ich in der Linie 1 nach Hiltrup auf meinen Fahrausweise kontrolliert. Ich zeigte mein Deutschlandticket. Man fragte nach dem Radticket, das ich nicht vorweisen konnten. Ich war mir nicht bewusst, dass man eines braucht, denn ich nutze die Busse der Stadtwerke in der Regel ohne aMitnahme eines Rades. Ich besitze die Plus-Card seit Jahren und bitte aus Kulanzgründen, um eine Verminderung der Geldbuße.

Stadtwerke

Sehr geehrter Herr M.

Ihren Widerspruch vom 18. Oktober 2024 gegen das Erhöhte Beförderungsentgelt (EBE) haben wir in der Sachbearbeitung erhalten. Am 16. Oktober 2024 nutzten Sie um 12:37 Uhr die Buslinie 1. Bei der Fahrscheinkontrolle konnten Sie unserem Prüfpersonal kein gültiges Ticket für Ihr Fahrrad vorweisen.In Ihrer E-Mail geben Sie an, dass Ihnen nicht bekannt war, dass die Fahrradmitnahme mit dem Deutschlandticket bzw. mit dem 90-MinutenTicket nicht möglich ist. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass in den Medien und auch auf unserer Internetseite eindeutig darauf hingewiesen wird, dass es keine Fahrrad-Mitnahmeregel mit dem Deutschlandticket bzw. dem 90-MinutenTicket gibt. Nach Prüfung Ihres Widerspruchs sind wir dennoch bereit, aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, das erhöhte Beförderungsentgelt auf 7,00 Euro zu reduzieren.

Überweisen Sie den Betrag von 7,00 Euro bis zum 01. November 2024 auf unser Konto bei der Sparkasse Münsterland Ost mit der IBAN DE10 4005 0150 0000 0003 64. Geben Sie als Verwendungszweck die EBE Nummer 45079563 und Ihren Namen an.


So 20.10.24 12:39 bedeckt

Ich weiß nicht, warum ich mir den Straßennamen nie merken konnte, obwohl ich dort oft unterwegs bin, jetzt weiß ich ihn. M. hat mir eine Eselsbrücke gebaut: Heide, die Welsingheide also, gestern abend kurz nach acht. Es ist mild. Im Südosten ein käsebleicher Mond auf Diät. Paar Sterne. Diffus. Eine Silhouette mit leuchtenden Scheinwerfern kriecht über ein Feld am Weg. Der Maisdschungel fällt. Der Blick hat wieder den ihm zustehenden Platz. Er findet das Land dunkel und leer. Wälder am Blickrand. Dunkle Scherenschnitte. Das Land hat vergessen, was heute war, es reicht ihm, da zu sein. Ich bin auf dem Weg zum Tango im Haus der Begnung Albachten. Ein nüchterner, aber nicht unangenehmer Ort. Ich setze mich, trinke ein Bier und beobachte. Die erste Tanda tanze ich mit einer Vertrauten, das brauche ich, um mich einzutanzen. Bei der nächsten hakt es ein wenig. Bei der übernächsten auch. Sie ist schön, lässt sich aber schwer führen. Ganz zum Schluss, der Saal leert sich schon, tanze ich eine Tanda mit einer, mit der alles gelingt. Auf dem Heimweg ruft ein Kauz.



17:42

en passant....




14:22




Fr 26.10.24 22:31 sonnig und warm

so kam es
dass nichts übrig blieb als lügen
und keiner mehr sein lachen fand


Mo 28.10.24 16:33 bedeckt bis jetzt, am morgen windig

Als Sonntagnacht die Uhren zurückgedreht wurden, ging ein Ruck durch das Universum. Alle außer den Humanoiden wissen seit Äonen, dass Zeit, so wie der Erdling sie dreht und wendet, nicht der Realistät entspricht. Selbst in den entlegendsten Winkeln des noch immer sich ausbreitenden Nichts gab es nur verständnisloses
Kopfschütteln, falls man über Köpfe verfügte und nicht nur als Algorithmus existierte. Die Diskussionen, ob man nicht endlich Schluß machen solle mit dieser Spezies, flammten wieder auf. Es bedürfe doch nur eines Augenblickes, war man der Ansicht, und dann herrsche wieder Ruhe und Frieden.

16:49

Es beginnt zu dunkeln. Blätter tanzen. Der Mais ist vom Halm, die Erde wird umgebrochen, das geht Ruckzuck mit großen Maschinen, dann ist Weihnachten. Herr M. hatte schöne Tage auf der Insel. Sie gehört zu ihm, seit er 18 war. Auf dem Zeltplatz in Nes hat er seine erste Freundin kennengelernt, die älter war als er und ihm vieles erklärt hat. Danke, Carina. Kaum zurück auf dem Festland musste er lesen. Er war Teilnehmer eines Leseabends mit westfälischen Autoren, was er sich schlimm vorgestellt hatte. Herr M. glaubt nämlich, dass er der Beste ist, stellte aber fest, dass zwei der zehn Vorlesenden auch nicht schlecht waren. Heilsam ernüchtert fuhr er heim. Gestern machte er sich auf den Weg zu einer Milonga in Bad Oeynhausen, der dritte einer Fahrgemeinschaft in einem Mini Cooper. Beide Frauen vorn, er hinten, da hatte er Ruhe. Der Cooper hat hinten Minitüren. Um ein und aussteigen zu können, musste Herr M. sich lang machen wie ein Brett. Das Kulturzentrum alte Druckerei ist ein angenehmer Ort. Die Tänzer und Tänzerinnen kamen aus Bielefeld, Osnabrück, Hannover, aber von allen hat ihm nur eine Spaß gemacht, Vera aus Cloppenburg, ein Name, der ihm seit 1961 vertraut ist, da war 11 und hatte sich in eine Vera verliebt, zu der noch immer Kontakt hat. Vera tanzte, wie Herr M. sich Tango vorstellt. Ansonsten bleibt ihm nichts, als sich zu zerstreuen, anders kann er das universelle Schlamassel nicht mehr ertragen. Ulysses liegt geöffnet auf Seite 306 auf der Sofalehne.. Vor dreißig Jahren hat er damit angefangen, jetzt scheint es zu klappen. Ansonsten schaut er Komödien. Sein Manuskript ruht, da schaut er nicht rein. Das muss noch so lange warten, bis er wieder der Beste ist.

21:34

Der Verleger hat die ersten beiden Kapitel von Das grüne Kleid gelesen, sie gefallen ihm sehr. Also habe ich ihm heute das ganze Manuskript geschickt, knapp 240 Seiten lang. Ende November, wenn ich von der Insel zurück bin, werden wir reden. Ich bin von großer Zuversicht, dass es im nächsten Jahr ein Buch gibt.


Mi 30.10.24 23:25 bewölkt heute, mild

Was gestern war, weiß ich nicht mehr. Vielleicht fällt es mir morgen ein, wenn ich vergessen habe, was heute war.


Do 31.10.24 22:36 mild, bewölkt

Als ich über Land fuhr, legten sich Nebelbänke wie feuchte Tücher aufs Windshield und erschwerten die Sicht. Ich fuhr entsprechend. Ich hatte mich früher von der Session verabschiedet, weil ich den Tag über müde war und immer noch bin. Gestern war ein wundervoller, aber anstrengender Tag, denn wir waren im Josef Albers Museum in Bottrop, ein Bauhauskünstler. Mit der Regionalbahn fuhren wir über Coesfeld, Maria Veen und Dorsten nach Bottrop. Iglo baut um Maria Veen Rotkohl und Porree an. Rotkohlfelder sind beeindruckend schön. Und hat man so einen Kohlkopf erst einmal halbiert, möchte man ihn in einen Rahmen tun und an die Wand hängen. In Bottrop stiegen wir in einen Bus, der uns einmal durch und rund um die Stadt fuhr, vorbei an Arbeiterhäusern aus den 20ern des letztens Jahrhunderts, häufig für zwei Familien, dunkelbrauner Backstein, Fachwerk, mittig ein Giebel, in den Außenbezirken Wohnbau der späten 60er, nicht schön und nicht häßlich, hier eine Grünanlage, eine Kirche, da der Blick auf das Oktaeder, quer durch die Industriegebiete schließlich am ZOB, wo wir, wären wir gleich mit dem richtigen Bus gefahren, nach fünf Minuten gewesen wären. Wir hatten knapp eine Dreiviertelstunde gebraucht und mussten jetzt noch einmal umsteigen, um zum Museums Quartier zu gelangen. Ein lichter, flacher Bau übers Eck, an den ein massives, anthrazifarbenes Hauptgebäude anschließt. Wir waren der Kunst wegen gekommen, Sheil Hicks, eine renommierte Textilkünstlerin, die augenblicklich auch in Düsseldorf gezeigt wird, aber sie hat uns eher enttäuscht, so dass wir uns nächste Wochen stattdessen Gerhard Richter anschauen, Arbeiten ausschließlich aus privaten Sammlungen, die sonst nie zu sehen sind. Bei Tschibo haben wir Kaffee getrunken und ein Stück Kuchen gegessen und sind mit der Bimmelbahn heimgefahren.