September 2011 www.hermann-mensing.de
mensing literaturBücher von Hermann Mensing bei: Amazon.de
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Do 1.09.11 9:11
Gestatten Sie mir, dass ich den September mit einem alten römischen Fluch eröffne, der sich an all jene richtet, die sagen, die Welt müsse sein, wie sie ist.
Auf dass sie weder pissen, kacken, reden, schlafen oder wachen können, weder Wohlergehen noch Gesundheit haben!
15:57
Die Worte sträuben sich, eine Weile habe ich wider besseren Wissens versucht, sie zu zwingen, aber das mögen sie nicht. Sie vertrösten mich auf morgen. Sie sagen, bügle doch, und ich bügle. Sie sagen, staubsauge, und ich sauge Staub. Zwischendurch rufe ich sie dennoch auf, aber sie bocken noch immer. Mach Wäsche, sagen sie. Putze. Leg dich hin, mach einen Mittagsschlaf. Die Sonne scheint. Die Worte sind faul, was kann ich da machen. Nichts kann ich machen. Aber die Worte zwinkern mir zu. Und da bin ich beruhigt.
Fr 2.09.11 9:54
Während sich unsere Oberen noch scheinheilig fragen, wie Schnellfeuergewehre der Qualitätsmarke Heckler & Koch nach Lybien gelangt sein mögen, antworte ich einfach mal vorschnell: mit Fedex vielleicht, oder mit UPS? Vorkasse natürlich, denn bei derart schnell schießenden Gewehren kann es sein, dass der Empfänger schon tot ist, eh er sie in die Hand nehmen kann.
Genehmigte EU Waffenexporte nach Lybien im Jahr 2009: 344 Millionen Euro.
Scheißt doch die Wand an, ihr Volksvertreter. Wenn er ihr wenigstens dicke Eier hättet, das könnte man noch ertragen, statt dessen Eiertänze, wohin man schaut.
13:18
Vier Seiten, das lässt sich sehen, eigentlich könnte ich Feierabend machen, zumal das Kapitel beendet ist. Da ein neues Kapitel bedacht sein will und das Bedenken sitzend nicht fruchtbar ist, sondern eher nach Bewegung ruft, Radfahren, Spazierengehen oder hübschen Frauen nachschauen. Hier ist Brutgebiet, hier ziehen sie hin, um ihre Kinder abseits von den Verwerfungen schlechterer Stadtviertel aufzuziehen, vier Kindergärten gibt es, jeder hat einen großzügigen Spielplatz, und da sind die jungen Frauen mit ihren Kinderwagen natürlich ständig unterwegs, die modischen Muslima ebenso wie die offenherzigeren im Blumenkleid mit pinker Umhängetasche und Handy am Ohr, die alle paradieren vorüber, und wissen gar nicht, dass sie mir Zeit vertreiben, der Freitag hat Sonne satt, also, Herr Mensing, nur zu, die Worte laufen nicht weg, die Geschichte braucht Fleisch auf den Knochen, wer weiß, vielleicht fliegt mir auf dem Wochenmarkt wieder etwas zu, was dazu passt und dann werde ich keinen Augenblick zögern.17:40
Zwanzig Jahre war da immer dieses Grundbrummen, wenn ich Vinyl hörte, zwanzig Jahre, was'n Scheiß, hab ich gedacht, wieso krieg ich das nicht weg, bin ich nicht richtig geerdet, habe hier Stecker gezogen und da welche eingesteckt, aber das Brummen blieb. Gerade saß ich mit Franz auf dem Balkon und erzähl ihm davon, und er sagt, nimm doch mal das System raus, das sind bestimmt die Kontakte. Mit Kontaktspray? fragte ich. Nee, einfach rausnehmen, reinstecken, richtig festmachen, das reicht meist. Jetzt ist das Brummen weg. Natty Dread von Bob Marley liegt auf und klingt, wie gestern eingespielt.
Sa 3.09.11 9:44
Alle hatten die Hoffnung aufgegeben, dann kam die Sonne. Selbst abends konnte ich noch im T-Shirt draußen sein, das war am Vortag nicht möglich. Ich saß im Rathausinnenhof, der für ein paar Tage mit rotem Teppich ausgelegt ist und zur Nacht von Lichtkünstlern illuminiert wird.
Eine Band spielte. Ich kenne die Musiker. Seit fünfzehn Jahren treffen sie sich einmal die Woche und jammen, improvisieren auf einfachen Harmonien. TripHop, dachte ich, das ist Trip Hop. Als ich das dem Schlagzeuger erzählte, lachte er, Trip Hop kannte er nicht, er ist von Hause aus Jazzer, ein sehr guter Trommler. Die Stücke beginnen, es ist ein gemeinsames Schwingen auf tanzbaren Grooves, Soli sind verboten. Der Sänger singt, als sänge er Englisch, aber das kann er gar nicht.
Da der Westfale schwerblütig ist, und es Jahre dauert, eh er seinen Arsch zum Tanzen bringt, mir aber nach Tanzen zumute war, fragte ich eine groß gewachsene Blonde, die nicht weit vor mir stand. Sie sagte, sie traue sich nicht. So kamen wir ins Gespräch. Saßen am Bühnenrand und sie erzählte, was sie gern tut und was nicht, dass Musik ihr viel bedeutet, und dass sie einmal einen Mann kennen gelernt habe, lecker lecker wäre der gewesen, sie wären zum ihm gefahren und der hätte nur ein Kofferradio gehabt, und das ginge gar nicht. Eine Stunde saßen wir, vielleicht sogar länger. Sie ist Heilpädagogin, arbeitet mit Roma Kindern, liebt ihren Beruf, und ist froh, dass die Ferien zuende gehen. Zum Abschied sagte sie, wie schön das gewesen wäre, umarmte mich, sagte, sie ginge jetzt zu Bett und schaute so. Aha, dachte ich, ging noch eine halbe Stunde Salsa tanzen und machte mich durch die Nacht auf den Heimweg.
So 4.09.11 11:35
Ich war kein Mal Schwimmen diesen Sommer, habe das Meer nicht gesehen, ich war segeln, gut, aber nicht auf dem Meer, und jetzt ziehen schwere Wolken heran, so dass ich davon ausgehe, dass nachher was runterkommt und danach der Herbst beginnt.
Der Roman liegt still und arbeitet. Ich bin zuversichtlich, dass ich ihn hinkriege. Aber er drängt nicht, er ruft mich zur Muße, anders, sagt er, lasse ich nicht mit mir verhandeln.
Hörte gestern abend Arien vorm Erbdrostenhof, auf dem Roten Platz dann die swingende Band meines münsteraner Lieblingsschlagzeuger Ben Bönninger. Ich saß still vor der Bühne, bis die Mutter einer Schülerin aus meiner kurzen Lehrerkarriere auftauchte und mich in ein langes Gespräch über Pädagogik verwickelte. Als wäre ich Fachmann. Sie hatte keinen Schimmer, weshalb ich letzten November von einem Tag auf den anderen das Feld räumen musste. Die Taktik der Schulleitung hat also funktioniert. Scheinheilige Lügner und Vertuscher.
Höre seit zwei Tagen nur noch Vinyl.
Einziger Nachteil: ich muss alle fünfzehn Minuten aufstehen, um die Platte umzudrehen.
22:15
der dichter raucht der dichter kifft
allein und bummsfallera, bummsfallera, bummsfallera,
der dichter hat, was das betrifft
humor zum umfallera, umfallera, juchheissassa.
Danke.
Vielen Dank.
Vielen vielen Dank. Das wäre nicht nötig gewesen.
Also wirklich.
Mo 5.09.11 9:08
Fühle mich meiner Mobilität beraubt, seit Samstagmorgen der Schlauch des Hinterreifen meines Fahrrades platzte. Ich war auf dem Weg zum Wochenmarkt, es war sehr warm, ich hatte das Rad vorher aufgepumpt, nehme an, ein paar Schläge zuviel, es knallte und ich stand da wie der Ochs vorm Berg auf nicht mal halbem Weg. Bat einen Freund, mich abzuholen. Gleich bringe ich das Rad zur Reparatur. Es ist mir an den Arsch gewachsen, dieses Hollandrad, ich mache fast alle Wege damit, hoffe, dass es bis heute mittag fertig ist.
Di 6.09.11 11:32
Das Fenster stand sperrangelweit offen, Wind brauste ums Haus, das Gartentor quietschte in den Angeln. Ich kuschelte mich unter die Decke, mein Herz schlug schnell, ich hatte ein Kapitel geschrieben, vielleicht war ich zu mutig, dachte ich, aber ich muss mutig sein, alles andere ist vergeblich, Herbst, dachte ich, jetzt geht der Herbst los, ich hatte mir beruhigenden Tee gekocht, verfluchte das Alleinsein und liebte es gleichermaßen, dachte, verlass dich auf niemanden mehr, Freunde sagen, sie kommen und kommen doch nicht, sagen, wir machen dies und dann wird nichts draus, scheiß drauf, dachte ich, es bleiben die Söhne, die Schwester, der Enkel, alle anderen rühren ihren eigenen Brei und fürchten, dass ich ihnen die Wahrheit sage. Ich könnte das auch. Ich habe Prognosen für sie, ich weiß um die Vergeblichkeit aller Anstrengungen, meine nicht ausgeschlossen, ich bin kein Prophet, ich beobachte nur und das schon seit über sechzig Jahren. Gute Nacht, sagte ich, und dachte, das mit den Selbstgesprächen nimmt zu, der Tag, an dem ich es nicht mehr bemerke, kommt näher.
Jetzt fahre ich zu Rogers Beerdigung.
Roger hat zwei Jahre gelitten. Es ist gut, dass das vorbei ist.
Glückauf Roger.
Als ich ihn das letzte Mal sah, bat ich ihn, Chris zu grüßen, falls er sie träfe.
Er sagte, das mach ich.
es fand sich niemand
der mich retten wollte
denn jeder hat genug mit sich
trotzdem gelang mir eine volte
ich rette mich nun ohne dich
ich sage gut wenn jemand fragt
ich lächle es fällt gar nicht auf
ich habe einmal dich gewagt
und keine lust auf einen neuen lauf
16:43
Er ist mittelgroß, hat nussbraunes Haar, wilde Wirbel im Nacken, seine Haut ist ledern, seine Unterlippe stülpt sich weit, seine Hände sind gepflegt, er trug eine blaue Windjacke, eine dunkle Bundfaltenhose, er hatte ein Stofftaschentuch in der rechten Hand und fuhr sich damit dann und wann über die Augen, manchmal seufzte er tief, als ob sie gleich ausbrechen wollte, die Trauer, aber er kennt den Toten gar nicht, ich habe ihn wiedererkannt, in den letzten zehn Jahren war ich drei- oder viermal auf diesem Friedhof, um Freunde zu beerdigen, bei Bill sah ich ihn zum ersten Mal, wir sahen ihn, Chris und ich, und wir sprachen über ihn, denn schon damals waren wir sicher, dass er weder zur Familie, noch zu den Freunden zählte, er muss eine seltsame Sehnsucht haben, dachten wir, vielleicht braucht er die Illusion, mit anderen trauern zu können, sich zugehörig zu fühlen zu etwas, das er nicht hat, er sieht dumm aus, debil, auch ohne diese hängende Unterlippe sähe er so aus. Als der Trauerzug die Halle verließ, um Roger zu seinem Grab zu begleiten, brach er links aus und verschwand eilig zwischen hohen Kiefern und Birken, die diesen Friedhof dominieren, ein schöner Platz, fast würde ich wünschen, auch einmal dort zu liegen, auf dem Areal finden sich Hünengräber, erzählte mir jemand.
Mi 7.09.11 8:30
Die letzten Tage waren stürmisch. Nicht nur des Wetters wegen, sondern vor allem wegen des Romans, an dem ich arbeite. Er dominiert. Ich kenne das. Ich werde aufpassen müssen, dass er mich nicht fort trägt. So ein Roman schreddert den Schlaf, er breitet sich im Kopf aus, alles ist fokussiert, jedes Ereignis klopft er auf mögliche Verwendung ab, ich weiß Bescheid, Roman, du willst mir nichts Böses, aber ruhiger Schlaf ist wichtig, und ich bin nicht in Eile. Ich schleife einen Diamant, da ist jede Facette wichtig, ich benötige eine Lupe, um genau sehen zu können, und wie das bei Lupen so ist, manches erscheint größer, als es in Wirklichkeit ist. Jeder Tag beginnt mit der Prüfung dessen, was ich am Vortag geschrieben habe. Ja. Ich denke, dass es gut ist. Ich schaue wieder und wieder hin und denke, ja, es ist gut, weiter so. Ich glaube. Ich bin ein Gläubiger. Ich könnte auch hereinfallen auf das Jenseits, denke ich, schiebe aber den Roman vor und glaube lieber daran.
17:45
Wo ist bloß das Geld geblieben, dachte ich, als ich mein Konto checkte. Was sind das für Beträge, die da abgebucht wurden. Ruhig Blut, dachte ich, da ist Platz, da geht noch was, aber wenn, dachte ich, und versuchte, das wenn wegzuschieben, aber wenn, dachte ich, wenn das nicht passiert, dachte ich, wird es düster, wenn es passiert, wird es gehen. Wir werden sehen, dachte ich, wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Morgen nicht weit.
22:23
Wieder ein Kapitel. Morgen früh geht es auf den Prüfstand, für heute lass ich es gelten.
Do 8.09.11 8:59
11,7 Grad, das wärmt Herz und Seele, Glocken läuten, Kinder mit Schultüten gehen vorbei. Mir war Schule zuwider, ich täuschte mit plötzlichem Bauch- und Kopfschmerz, die Hackordnung machte mir Angst, guten Tag, Tag, sage ich, habe um 4:23 beschlossen, dass eine Episode von gestern nicht haltbar ist, ich schmeiß sie jetzt raus, werde mich warm anziehen und mit dem Rad eine Runde drehen.
13:02
Lesefutter aus der Stadtbücherei besorgt. Der Schock über die finanzielle Lage hat sich gelegt. Man überschläft es, weiß wieder, dass es halb so schlimm ist, dass man trotz allem einen soliden Haushalt führt und noch Spielraum bleibt.
16:32
ich löste ihr konto auf, fuhr zu klinik,
klopfte beim radiologen, trat ein und schoss.
er konnte nichts dafür, aber es tat gut, jemanden zu töten
der nichts dafür kann
ich fuhr nach hause, ich aß linsensuppe,
legte mich aufs sofa und wartete, bis sie kamen
sie stolperten in sprengfallen
nun sind wir tot, und das gönne ich uns.
19:35
Während ich mit dem Rad zur Stadtbücherei unterwegs war, fiel mir ein, was ich a: rausschmeißen, b: nachtragen oder c: weil gerade erst erfunden, noch einbauen muss. Wieder zuhause warf ich Nuendo an und produzierte das obige Hörstück, legte mich in die Wanne, las ein wenig aus Alan Bennetts hervorragender Novelle Die Souveräne Leserin, und hatte noch eine Idee: mit einem simplen Trick nämlich den Bogen vom Anfang zum Ende zu schlagen, die von mir erzählte Geschichte der Geschichte des zu Anfang nur namentlich erwähnten Protagonisten am Ende gegenüberzustellen. Es war also ein guter Tag. Sozusagen Urlaub.
Fr 9.09. 8:21
Strahlender Spätsommer, 13,9 Grad, die Strandliegen stehen in Reih und Glied, während die Menschen noch beim Frühstück sitzen, Bougainvillen leuchten auf blütendweißen Terrassen, ja, Freunde, man kann alles träumen, aber wenn man erwacht, sitzt man vor einem Schreibtisch, die Deutschlandflagge des Nachbarn schlappt feucht vom Mast, die vorherrschende Farbe ist grau, Müllmänner randalieren.
Ich bringe heute eine Geschichte zu Ende, die vor einem Jahr begann. Damals verlor ich meine Lesebrille auf Ibiza. Nachforschungen nach meiner Rückkehr ergaben, dass sie in meinem Mietwagen gefunden worden war. Auf meine Bitte, sie zurückzusenden, erhielt ich die Nachricht, das müsse ich selbst organisieren, die Brille läge zur Abholung im Büro der Autovermietung bereit, ich solle UPS beauftragen. Ich fand das befremdlich. Ich fand, dass es zum Service einer Autovermietung gehört, so eine Brille in einen Umschlag zu stecken, zu frankieren und nach Deutschland zu schicken. Aber nichts da. Man rührte sich nicht in Spanien, und UPS hätte fast 60 Euro gekostet. Ich besorgte mir eine neue Brille.
Letzte Woche fuhren Freunde nach Ibiza. Ich hatte sie gebeten, der Autovermietung einen Besuch abzustatten. Einer der beiden ertrank fast, weil er sich bei schwerer See zu viel zugemutet hatte, er überlebte. Seine Frau (meine Agentin) schaltete Antonio ein. Antonio ist die gute Seele des Hotels, in dem ich voriges Jahr wohnte. Der telefonierte, und jetzt liegt meine Brille abholbereit in Essen.
Gleich fahre ich los und hole sie.
Sa 10.09.11 17:44
Schönes aus der Wissenschaft: Melodie mit Schwanzfedern. (SZ 10.09.11)
Es geht, wie anders, um Mann und Frau. Männer imponieren Frauen mit Geräuschen ihres Schwanzgefieders. Interessant, dachte ich und las weiter. Männer, hieß es, greifen zu allen erdenklichen Mitteln, um Frauen zu beeindrucken und sich fortpflanzen zu können. Das war mir nicht neu. Aber dann: Sie prahlen mit langen Federn, grellen Farben und lieblichem Gesang. Hm hmmm, dachte ich, doch dann wurde es ganz und gar fantastisch, plötzlich öffneten sich Perspektiven, denn manche Männer erzeugen während aktrobatischer Sturzflüge sogar mit ihrem Schwanzgefieder Töne, um die Frauen zu betören. Die Beschleunigung, die sie dabei erreichen, könne denen in Kampfjets gleichen. Die einzelne Schwanzfeder des Mannes erzeuge durch die vorbeistreichende Luft je nach Größe und Form unterschiedliche Töne. Durch das Flattern benachbarter Schwanzfedern könne sogar ein Akkord erklingen, der die Frauen beeindrucke. Sagen Sie selbst, haben Sie das gewusst? Also ich nicht. Ich werde jetzt gleich einmal so einen Sturzflug ausprobieren und schauen, was die Frauen davon halten.
So 11.09.11 9:46
Manchmal fängt man einen Nebensatz auf und denkt, hm, das hört sich gut an, das probiere ich aus. So war das gestern, als ich mit meiner Schwester im Marktcafé saß. Wir sprachen über gesunden Nachtschlaf. Mir schmerzt morgens schon seit geraumer Zeit das Kreuz, und ich wusste, dass es mit meiner Matratze zu tun hat. Sie ist zu weich.
Ich hatte mich längst kundig gemacht und liebäugelte mit einem Futon: sechslagig mit Schafwolle, Kork, Latex, für Hartschläfer. Das Problem war der Preis. Ich habe ein enges Budget und dachte, wenn das Radio meine Geschichte kauft, besorge ich einen. Meine Schwester erzählte, dass sie ihre Matratze regelmäßig umdreht. Von unten nach oben, von hinten nach vorn undsoweiter. Meine Matratze hat eine Winter- und eine Sommerseite. Ich schlief bis gestern auf der Sommerseite. Als ich heute nacht ins Bett stieg, drehte ich die Matratze um, legte mich hin und wusste sofort, dass es so besser war.
Dass ich dennoch schlecht schlief, hatte mit dem Vollmond zu tun und den Kräuterzigaretten. Mein Kreuz hingegen schmerzt kein bisschen. Das sind gute Nachrichten . Ich muss mein Budget also nicht mit Sonderausgaben belasten.
Ich werde mich jetzt auf den Balkon setzen und warten, bis die Teilnehmer des Münster Marathon vorbei hasten. Der Ablauf ist immer gleich. Zuerst tauchen zwei, drei Afrikaner auf, dann kommt eine Weile niemand, dann kommen die ambitionierten Europäer, dann wieder niemand, und schließlich schleppt sich der leidende Rest heran. Ich habe kein Mitleid mit diesen Menschen, denn sie machen das freiwillig.
Diejenigen unter Ihnen, die sich heute erinnen wollen, klicken bitte hier:22:13
Unzählige Male habe ich in den letzten Tagen das siebte Kapitel durchforstet. Irgendetwas war nicht richtig, so viel war klar. Nach und nach fand ich Sätze, die zwar interessant, aber der Geschichte nicht dienlich waren. Also schmiss ich sie raus. So etwas schmerzt. Es waren gute Sätze, aber eben nicht dienlich. Ein Roman wird erst dann gut, wenn alles Überflüssige raus ist. Morgen geht es ans nächste Kapitel. Jetzt gleich geht es ins Bett. Ich freue mich auf meine umgedrehte Matratze. Schon heute mittag habe ich ein Stündchen gelegen, es war herrlich.
Mo 12.09.11 12:07
Bei mir ist es wie an der Börse. Eine gute Nachricht, schon schnellt alles in die Höhe, ein schiefer Blick, schon stürzt alles ab. Heute schnelle ich in die Höhe. Grund ist eine angefragte Lesewoche durch die Büchereien des Landes Niedersachsen. All expenses paid. Letzte Woche eine Anfrage für Lesungen in einem Gymnasium am Niederrhein. Fazit: ich fliege und mache mir einen schönen Tag. Der Roman soll warten. Ich habe alles, was ich bisher geschrieben habe, heute noch einmal gelesen, ich finde es gut, ich weiß, wie es weitergeht. Also. Herzlichen Glückwunsch Herr Mensing.
17:09
Über Westfalen reiben sich Wetterfronten, es ist schwül und ein heftiger Wind probt Herbst.
Di 13.09.11 18:54
Nach der Pizza im Dreiklang flatuliert, kurz zur Session im Hot Jazz, weil ich dachte, ich könne dort trommeln, aber die Band gefiel mir nicht, nach Hause und den Montagsfilm angeschaut, ein albernes Re-Make der Körperfresser mit Nicole Kidman und Daniel Craig. Heute früh den Rechner angeworfen und geschaut, ob das, was ich gestern geschrieben hatte, etwas taugt. Ich saß da und saß über zwei Stunden, eh ich begriff, was zu tun ist, und dann tat ich es. Mittags machte ich eine kleine Tour über Land. Es ist schön heute, immer noch windig, ich sollte am Meer sein. Nachmittags erneuter Check-Up. Jetzt ist das Kapitel fertig. Morgen beginne ich ein neues. Ich werde Tag für Tag besser. Ich streiche mehr, als ich schreibe. Die Fetzen fliegen, es ist eine Pracht. Und jetzt wird auch klar, wofür mein Webtagebuch gut ist. Manchmal reicht ein Satz daraus, um die dahinter stehende Geschichte aufzurollen. Ich denke, es wird Weihnachten werden, eh ich fertig bin.
Mi 14.09.11 11:05
Die Blätter rauschten. Es hörte sich an, als wüssten sie, wie es weitergeht, aber sie wollten es nicht verraten. Der große Hund schien es auch zu wissen, ständig drehte er sich nach mir um, aber sein Frauchen, die, wie viele Hundebesitzer, ihrem Hund sehr ähnelte, riss ihn jedes Mal fort. Ich pflückte eine Brombeere, am weißblauen Himmel jagten Wolken, ich kam heim, ich dachte, heute geht gar nichts, heute müssen Übersprungshandlungen her, Fenster müssten geputzt werden, das wäre eine Tat, dachte ich, um den Tag hinter mich zu bringen, nicht krampfen jetzt, besser, ich freue mich auf den Abend, heute abend werde ich tanzen, und dann geht es von vorn los, mit jedem Satz geht es von vorn los, und so weiter und so weiter.
Do 15.09.11 12:58
Tanzte gestern mit einer Freestylerin. Sie groovt, kann aber nicht Salsa tanzen. Die Band spielt und wir hüppen rum, ich dreh sie, sie flutscht mir fast weg, ich schnapp sie, wir lachen uns schlapp, und dabei wäre mir um ein Haar die oberen Zahnprothese herausgefallen. Sie sagt, Zähne noch drin. Ich sage ja. So etwas finde ich groß. Ich wette, die meisten hätten geschwiegen und gedacht, i bäää, so alt ist der schon.
Feiner Abend, ich lasse es heute ganz ruhig angehen, der Roman läuft nicht weg, zumal ein Ereignis alle anderen überstrahlt. Herr Mensing ist zum zweiten Mal Opa geworden. Das Kind ist ein Junge, es heißt Milan, es ist gesund, was will der Mensch mehr.
21:27
Mitten im Garten des Altenheims steht eine Bushaltestelle. Ist das perfide oder genial? Wahrscheinlich ist weder das eine noch das andere, sondern eine pragmatische Lösung, von den dort arbeitenden Pflegern erdacht. Sie wissen jetzt, wo sie ihre Ausreißer abholen können.
Fr 16.09.11 18:10
Jesus Mutter, präziser: Maria. Wenn ich immer so viel Erfolg hätte, wie mit meiner letzten Statusmeldung bei Facebook, wäre ich längst aus dem Schneider. Als Idiot meldete ich gehorsamst, ich sei wieder Opa geworden. Und nun? - Selbst aus Bratislava erreichen mich Glückwünsche. Wildfremde Menschen tun so, als freuten sie sich.
Die Welt ist verrückt. Die Welt ist pleite, nicht nur die Griechen sind's, alle sind's, und alle tun so, als wären sie's nicht. Mir drängt sich immer nur eine Frage auf: wer leiht den Staaten das ganze Geld? Die Banken, sagen sie jetzt, aber: woher haben die das? Gibt es überhaupt Gegenwerte für diese Summen? Kann man ein Land mit seinem Bruttosozialprodukt als Kreditsicherheit angeben? Ich meine, können unsere Politiker das? Dürfen die das? Ich plädiere für die sofortige Insolvenz aller. Wollt ihr den totalen Unsinn? rufe ich, und alle antworten: Jawoll ja, das wollen wir. Gut, sage ich. Wir haben es nicht anders verdient.
Sa 17.09.11 14:35
Bei Herrn M.
besteht eine ventrikuläre Extrasystolie,
die phasenweise gehäuft
in den Tagesstunden ohne höhergradige Kopplungen auftritt.
Die gute Belastbarkeit
bis über die Ausbelastungsfrequenz hinaus
ohne pectanginöse Beschwerden
oder ischämische Endstreckenveränderungen
mit weitgehender Rückbildung der Extrasystolie
spricht gegen eine KHK als Ursache der Arrhythmien.
Elektrokardiographische
und echokardiographisch-morphologische Hinweise
für eine Myokarditis ergaben sich nicht.
Auch die blanden Laborwerte
enthielten keine Hinweise auf systemische
infektiös-entzündliche Erkrankung.
Die Schilddrüsenparameter lagen im Normbereich.
Die vom Patienten vermutete
vegetative Komponente der Arrhythmiegenese ist
möglicherweise zutreffend
Ja, ja, sagt Herr M.,
ich bin pumperlgesund,
nur du fehlst mir .....
So. 18.09.11 11:09
Es ist grau. Es ist kühl. Ein Kapitel ist fertig und das nächste angedacht. Ich habe getanzt. Ich könnte gar nicht so viel tanzen, wie ich müsste, um meine Trauer zu vergessen. Ich bin Opa, ich habe Verantwortung, aber ich kann nicht teilen, die Oma fehlt. Ich hatte eine Phase, in der ich ihre Fotos kaum noch anschauen mochte. Im Augenblick schaue ich sie mir gern an. Jedes Bild erzählt eine Geschichte und jede sagt, ja, das war gut. Es war gut. Manchmal hasse ich sie. Manchmal sage ich, wie konntest du nur? Habe ich es dir nicht immer gesagt? Aber das ändert nichts. Es ist grau. Es ist kühl. Heute nachmittag werde ich mit dem großen Enkel spielen, damit der Vater in Ruhe mit der Mutter und dem neuen Enkel zusammen sein kann. Mehr ist nicht zu tun. Alles andere bleibt, wie es ist und es ist nicht zu ändern.
21:45
Ich bin Großmeister der Alberei. Ich kann Geräusche machen, das glauben Sie gar nicht, und mein Enkel findet sie geil. Allerdings denkt er, ich wäre im Fernsehen. Wahrscheinlich ist Fernsehen noch zu abstrakt, denn als die erste Hochrechnung zur Berlinwahl kam, und ein Kommentator auftauchte, sagte er Opa. Ich hielt darauf eine längere Rede. Er sagte nämlich auch, Claudia Roth wäre Mama. Also sprach ich über Mann und Frau. Unter anderem. Und führte das Wort gefährlich ein. Er nannte es fährlich fährlich. Immer, wenn er zwischen Sofa und Tisch hangelte, das linke Bein auf dem Tisch, das rechte in der Luft, den Oberkörper auf dem Sofa, sagte ich gefährlich und er: fährlich fährlich. Zudem übte ich alle Vögel fliegen hoch, aber das ist auch noch zu früh. Besonder erfolgreich waren meine Lautimprovisationen, zu denen er einen Bagger über Tisch bis an den Rand schob. Fährlich, fährlich. Woraus Sie ersehen mögen, dass ich einen sehr angenehmen Nachmittag verbrachte. Kleinkinder, machen mir großen Spaß und offenbar macht es auch ihnen Spaß, Zeit mit mir zu verbringen. Sie finden mich überhaupt nicht peinlich. Ich darf mundfurzen, ich darf Nasen verzaubern, und meist ernte ich ein nochmalnochmal. Ein sehr schönes Wort.
Mo 19.09.11 19:05
Vorgestern fiel mein M-Audio Interface vom Schreibtisch. Es war nicht das erste Mal, diesmal aber brach der Klinkenstecker ab, da bammelte etwas rum, und ich dachte, verdammt, das wird kosten. Heute telefonierte ich mit diesem und jenem Händler, um mich zu erkundigen, wer in der Lage wäre, so einen Apparat aufzuschrauben und gegenbenenfalls zu löten, ohne dass es gleich sechs Wochen dauert. Ich hatte das letzte Gespräch gerade beendet, als mir auffiel, dass die Spitze der Klinke unterm Schreibtisch lag. Ich folgerte, dass unter Umständen gar nicht gelötet werden müsse, sondern eine neue Stereoklinke schon reiche, und tatsächlich, der Erwerb einer solchen für € 3,50 beim örtlichen HIFI-Dealer meines Vertrauens versetzt mich nun wieder in der Lage, täglich ein neues, beeindruckendes Hörstück zu produzieren, fall so etwas gewünscht ist.
Ansonsten stilles Brüten überm Roman. Unruhiger Schlaf mit halbwachen Träumen ganzer Passagen, die am Morgen nicht erinnert werden können. Das Übliche also. Hinzu kommt, dass die Supermärkte seit einer Woche voller Weihnachtsramsch sind, insofern herrscht an gegenwärtigem und zukünftigem Blues kein Mangel.
Di 20.09.11 10:37
Ich weiß, wie alt ich bin, aber ich mag die Nähe zu jungen Menschen. Ich fühle mich bei ihnen meist besser aufgehoben als bei den vielen Menschen meines Alters. Ob dahinter Halstarrigkeit steckt oder Verkennung von Tatsachen, mögen andere entscheiden, es ist einfach so, aber gestern abend wurde mir schockartig klar, wie alt ich tatsächlich bin. Wir waren zu Dritt, zwei Junge und ich. Anfangs hielt ich noch mit, da ging es um Iphigenie auf Tauris und Woyczek, die beiden saßen mit mir im Wohnzimmer und sprachen über die Schule, dann aber kamen sie auf ihre Lieblingsfilme, Serien und Comics zu sprechen. Ab da hatte ich keine Chance mehr, mitzureden. Nicht eine. Ich konnte keine dieser Erfahrungen teilen, wurde älter und älter und älter, und als ich ins Bett ging, dachte ich, für wen schreibe ich eigentlich? Gute Frage, anschließend wieder unruhiger Schlaf.
Mi 21.09.11 8:42
Alles grau wie gehabt, aber heute ist Urlaub. Ob ich gleich Rad fahre oder zu Fuß in die Stadt gehe, weiß ich noch nicht, aber ich weiß, dass ich einen Bogen um den Roman mache. Die letzten Tage waren anstrengend. Gestern habe ich bis Mittag gebrütet und mich gefragt, wieso ich mir das eigentlich antue, dann öffneten sich plötzlich Perspektiven, und alles ging schnell. Nach knapp 100 Seiten heute also kein Kaffee, viel frische Luft, vielleicht ein Besuch hier und da, ich werde schon sehn. Das muss sein, sonst geht mir der Nachtschlaf flöten.
16:45
Schönes aus dem Leben der Erfolgreichen:
Ich dümpelte auf dem Sofa, der Tag klang aus, ich hatte wieder viel Geld gescheffelt, als das Telefon klingelte. Wiethöfft, sagte jemand. Wiethöfft? Ach ja, der erste Vorsitzende des Heimatvereins. Guten Abend Herr Mensing, sagte er. Störe ich? Nein, nein, sagte ich. Also - ich hätte da ein Problem. Wir wollen für nächste Ausgabe des Heimatboten etwas über ihr Buch machen. - Welches Buch? - Na, über diesen Mohren da. - Mein Prinz? - Ja, ja, mein Prinz, richtig, sagte Herr Wiethöfft erleichtert. Und? fragte ich. - Nun, ich habe mein Exemplar verlegt, ich finde es nicht, und da wollte ich fragen, ob Sie noch eines haben. - Eines, ja, sagte ich. Ob er sich das mal ausleihen könne, fragte er. Ja, sagte ich, kein Problem. Könnten Sie es vorbei bringen? Gern, sagte ich, denn als Erfolgreicher weiß ich natürlich, dass der Kunde, und sei er noch so knickrig, König ist. Morgen gegen 10, sagte ich, und stand heute um 9:30 vor der Tür. Er will mich zu einem Kaffee einladen, aber ich sage, danke, ich habe zu tun und gebe ihm mein Leseexemplar. Ich will ehrlich zu Ihnen sein, sagt er verschwörerisch, Sie sind eigentlich Lückenbüßer, wir haben da noch etwas Platz in der nächsten Ausgabe. Schon gut, sage ich gerührt. Als Erfolgreicher bin ich natürlich dankbar für jeden, der auf der Suche nach Lückenbüßern an mich denkt.
Ja, das war also mein schönstes Erlebnis heute. Vor November übrigens werde ich meinen Roman, falls überhaupt, nicht zurück erhalten. Herr Wiethöfft fährt nämlich in Urlaub. Ich nehme an, er hat All Inclusive für Rentner gebucht und lässt es krachen.
Do 22.09.11 10:20
Beste Stimmung. Habe gerade die letzten drei Kapitel gelesen und muss sagen, sie sind gut. Eh ich mit dem nächsten beginne, werde ich noch ein wenig trödeln, das habe ich verdient. Das Efeu auf Nachbars Garagendach wird bunt, die Kastanien fallen, unser Balkon gleicht einem Urwald, mein Sohn gärtnert und ich liebe die Pflanzen, die er da hoch zieht, ich habe einen einsamen Abend hinter mir, habe mich mit einem langen Telefonat gerettet, habe Reiseberichte gesehen und war versöhnt mit mir, denn ich bin ja auch um die Welt gefahren und konnte die Erfahrungen teilen, die diese Reisenden gemacht hatten. Die Welt ist nicht so, wie sie aus den Nachrichten in unsere Wohnzimmer kommt. Die Menschen sind gut, die meisten jedenfalls, Hass und die Niedertracht sind oft nichts als das Ergebnis nackter Verzweiflung, geboren aus Unterdrückung, Verfolgung und Missachtung. Ja, so ist das, dachte ich, sehnte mich noch ein bisschen und legte mich schlafen.
Fr 23.09.11 9:19
Hermann happy
23:36
den tag vertändelt
heiter in die nacht
vier frikadellen
möhren, paprika, salat
verzehrt und nicht daran gedacht
dass 62 schon in vielen fällen
kein spaß ist für den alternden primat
Sa 24.09.11 00:02
Ich denke gern an meine schöne Frau
17:44
Sonne
Sonne und Sehnsucht
den ganzen Tag und kein Ende in Sicht.
So 25.09.11 10:31
Habe mir gestern endlich auch ein Smartphone zugelegt, das neue HEN von Samsung, ein Modell, das sich bewusst abgrenzt vom Tagesdesign, um jeden Verdacht des Plagiats von vornherein auszuschließen.
20:53
man trinkt kaffee
mit aufgeschäumter milch
hat papst und sarkozy aufs brot geschmiert
erwartet froh den stuhlgang und man friert
bei 10 grad findet sich kein reim auf ilch
man liest noch dies und das, bleibt ungerührt
man hat die welt ja nicht erfunden
man hat für heute ein paket geschnürt
fünf seiten gestern, man hat sich geschunden
signale wie in jericho sind nicht zu überhören
der sprint zum thron wird unausweichlich
man hockt, so kann man niemanden betören
und gibt von sich und allem reichlich
der tag hebt ab, und schon ist man erleichtert
man wirft noch einen letzten blick
man rümpft die nase, leicht erheitert
und denkt, was für ein genialer trick
nachdem das alles dann erledigt ist
hat man noch jede menge zeit
der himmel hängt noch tief und trist
dennoch, man ist bereit ...
Mo 26.09.11 9:43
Funkloch war Gestern
13:02
So. Ich bin an einem entscheidenden Punkt meines Romans angelangt. Jetzt heißt es erst einmal lesen, lesen, lesen, und dann sehen, wie es weitergeht. Bin off und möchte nicht gestört werden.15:09
Kleine Pause. Seit Monaten ist mir keine neue Musik mehr ins Haus gekommen, jetzt plötzlich sind da zwei Bands, die ich allen ans Herz legen muss: Elbow, eine Band aus Manchester, mit build a rocket, boys und Trixie Whitley mit ihrer Band Black Dub, produziert von Daniel Lanois. Elbow, traurig und erhaben, Black Dub rau, trotzig und voller Energie.
20:16
Feierabend.
Di 27.09.11 11:28
ich stehe auf
ich strecke und ich wasche mich
ich geh hinaus ich liebe dich
ich hol die zeitung setze wasser auf
ich brüh kaffee die welt geht ihren lauf
ich schmier ein brot ich lese zeitung
ich schreibe dies gedicht mehr will ich nicht
ich liebe dich
Mi 28.09.11 10:18
es geht nicht
dachte der analyst
nachdem er lange gewartet hatte
ich überlasse das geschäft anderen
halte mich im hintergrund
und komme nur aus der deckung
wenn ich gefragt werde
es wäre vernünftig
ins bett zu gehen und auszuschlafen
unter der decke hemmungslos zu furzen
zu schnarchen und glücklich zu sein
wer weiß wo ich morgen aufwache
wer weiß wer an meinem bett steht
wer weiß ob die bäckereien nicht über nacht
auch in die finanzkrise stürzen
oder doch noch telefonieren
noch ausgehen
nein es ist bitter kalt
alles kommt näher
da muss man sich schützen
und dann hörte er
dass ein abzug klackte
er sah mündungsfeuer
und danach hörte er nichts mehr
14:26
Heute wird rumgehangen und nachgedacht, wenngleich Rumhängen den Denkprozess vordergründig eher lähmt, aber weil man ja nicht ewig rumhängen will und einem vom Rumhängen irgendwann fad wird, steht man auf und tut Dinge: man wäschte Wäsche, man geht zum Bäcker oder zur Bank, und kaum hat man das Haus verlassen, scheint es, dass das Rumhängen doch Früchte trägt, wahrscheinlich während des Rumhängens gereift, fallen sie einem jetzt vor die Füße, so dass man Sorge hat, man könne sie unterwegs wieder verlieren, aber einmal aufgehoben ist aufgehoben, man erledigt, was zu erledigen war, kehrt heim, und da man weiß, dass so ein voller Korb noch sortiert werden muss, legt man sich erst wieder einmal aufs Sofa.
Man könnte jetzt Zeitung lesen, aber Zeitunglesen wird auf Dauer auch fad, es steht immer das Gleiche in Zeitungen, seit man denken kann, steht das Gleiche darin, nur die Akteure sind andere, sie heißen mal so und dann so, sie leben da und dort, aber alle und überall schwätzen sie dumm, ganz gleich, ob sie gefragt werden oder nicht, bliebe also noch ein Projekt, das zu erledigen wäre, der Kauf einer elektrischen Zigarette, möglich wäre das, denkt man, aber dann müsste man in den Fachhandel, der ist in der Stadt, die Sonne scheint, es ist wundervoll, man könnte mit dem Rad fahren, aber dann siegt doch die Faulheit, eine der großen Errungenschaften, fast so wirkungsvoll wie ein stilles Gebet, man verschiebt also auch das auf den Tag oder die Tage danach, man weiß noch nicht, wie man das nächste Kapitel schreiben könnte, aber man weiß, was drin vorkommt, also dreht man sich eine Zigarette, kocht sich einen Kaffee und eh man sich versieht, liegt man auf dem Sofa und freut sich.
17:27
Während ich also so liege, hält sie mir das Ungeziefer vom Leib.
Do 29.09.11 9:46
Meine Maus spielt verrückt. Sie macht das täglich. Der Cursor saust herum und versteckt sich in den Ecken meines Displays. Ich nehme die Maus, schlage sie mit dem Bauch auf den Schreibtisch, sie erschreckt und läuft wieder normal. Meine Katze interessiert sich nicht für sie. Meine Spinne auch nicht. Der Himmel spannt blaue Seide, die Autobahn summt ihre hochfrequente Melodie, ich bin ein wenig erschöpft, denn ich habe getanzt. Dieses Tanzen hinterlässt mich oft mit Wehmut, denn hin und wieder gerate ich an Tänzerinnen, die ich entzückend finde. Ich weiß, entzückend ist ein sehr aus der Mode gekommenes Wort, aber ich wüsste kein besseres. Die Goldschmiedin etwa, die ist entzückend. Sie tanzt gut und lacht so glücklich, was mich freut. Natürlich ist sie zu jung, oder anders: ich bin zu alt, aber so lange meine Physis mitspielt, werde ich tanzen. Tanzen ist sehr zu empfehlen. Tanzen ist viel besser als Romane schreiben, es sei denn, man gerät an eine gezierte Hochleistungstänzerin, die nur gut aussehen will. Die rauche ich in der Pfeife. Gerade kam dieser junge Postbote, der ungeachtet jedes herrschenden Wetters eine Mütze trägt, über die er seine verspiegelte Sonnenbrille schiebt. Moin Moin sagt er, und ich antworte ebenso. Er bringt Post vom Finanzamt. Das Finanzamt meint es gut mit mir. Das Leben auch. Ich habe einen schweren Verlust überlebt, ich trage meine Frau im Herzen, ich behandele sie wie einen Schatz, den mir niemand mehr nehmen kann, ich trauere um sie, jeden Tag, und trotzdem gefällt mir das Leben. Es ist leer, aber es gefällt mir.
19:58
Herr M. raucht jetzt E-Zigarette, schaut in den Abendhimmel und denkt.
Fr 30.0911 8:42
Nun ist es also heraus, die Bundesrepublik hat mit Kanzlermehrheit entschieden, dass sie den Schriftsteller Hermann Mensing mit 211 Milliarden Euro unterstützt, damit er weiter schreiben kann und sich nicht sorgen muss. Die Bundesrepublik tut das, damit sie Märkte nicht zusammenbrechen, denn die von Herrn Mensing verbreitete Literatur ist derart lebensfördernd, dass es, bliebe sie aus, zu eben jenem Zusammenbruch führen könnte, der jetzt täglich in düstersten Farben ausgemalt wird. Herr Mensing hat in ersten Stellungnahmen verbreiten lassen, dass er die Entscheidung seiner Freundin Angela schätzt, sie sich aber nicht einbilden solle, dass er ihr deshalb in den Arsch krieche.
Um ein wenig zu feiern, wird Herr Mensing nun seine E-Zigarette aktivieren (LED leuchtet), ein paar Züge nehmen und sich zum Kauf dieses modernen Nikotinverdampfers gratulieren, denn er erübrigt das Verbrennen von Tabak mit all den beunruhigend ungesunden Stoffen, die nicht gut für die Lunge sind.
PS. Dieser Nikotinverdampfer funktioniert ganz ähnlich wie eine Börse.
13:49
Seit drei Tagen doktere ich am 13 Kapitel herum, dass nicht zufällig das 13 ist. Ich hab es mit allen mir bekannten Tricks versucht, aber es gefiel mir nicht, und vorhin dachte ich, weg mit dem Mist. Jetzt steht die 13 allein und wartet darauf, dass mir etwas einfällt. Mir wird etwas einfallen, aber nicht heute.
18:01
Zwei Mädchen schlendern Hand in Hand, die Arme schwingend, vorbei. Sie sind blond, höchstens dreizehn. Eine sagt: Was ist mit Yannick? Och jaaaa, sagt die andere. Darauf die eine: Er hat schöne blaue Augen.
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