September 2020                     www.hermann-mensing.de      

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Di 1.09.20 22:05

Ab heute zähle ich die Krise klein. Gestern war Tag 170, heute ist Tag 169, also endet die Krise am 17. Februar 2021.


Mi 2.09.20 15:20 / nur noch 168 Tage bis Krisenende am 17.02.21 (Aschermittwoch) / prächtiges Wetter (172)

Endlich ist die Talsohle durchschritten. Ob die ergriffenen Maßnahmen notwendig waren, kann ich nicht beurteilen, es gibt Paradoxien, die sich einem erst nach Ende einer Krise offenbaren. Hätte man, wäre es, hätte man nicht, wäre es was? Was wäre es geworden? Niemand fordert, die Feuerwehr abzuschaffen, nur weil es im letzten halben Jahr nirgendwo gebrannt hat. Ich habe mich am Samstag also mehr als gewundert, wer da Seite an Seite in Berlin unterwegs war. Wenn es morgen eine Demo in Münster gegen die Maßnahmen zu Covid19 gäbe, ich ginge nicht hin. Nicht, weil ich Angst hätte, mich anzustecken, aber ich demonstriere nicht mit Nazis und Menschen, die an abstruse, bizarre Dinge glauben. Ich will nicht in ihrer Nähe sein. Dass die Krise tatsächlich in 168 Tagen, am 17. Februar 2020, vorbei ist, ist eine Behauptung, die mich erheitert. Jeden Tag dieser Krise habe ich durchgezählt, jeden Tag habe ich dieses geglaubt und jenes nicht, aber es gab nicht einen Tag, an dem ich gedacht hätte, wir setzen jetzt alle die Masken ab und gut ist. Ich hatte sie vom ersten Tag an auf und setze sie erst wieder ab, wenn es tatsächlich gut ist, aber jetzt läuft mein Countdown. Ich hoffe, dass ich recht behalte.


Sa 5.09.20 16.42 / noch 165 Tage bis Krisenende / wechselnd bewölkt, zwischendurch Regen, mild (175)

Das Leben eines HONK ist entbehrungsreich und kostpielig, denn er versucht vieles, und vieles misslingt. Letztens war er mit seinem Mopped im ersten Nebel unterwegs, um Fotos zu machen. Das kann er sehr gut. Das Mopped hatte beim Start nicht das getan, was von ihm erwartet wurde, der HONK hatte sich einer seiner herausragendsten Fähigkeiten erinnert, hatte eine Weile auf seinem Gefährt verharrt und ihm gut zugeredet. Kein Wunder, dass es schließlich ansprang, wenngleich dem HONK klar war, dass etwas Grundlegendes nicht stimmen konnte.

Als der Motor an einer Stoppstraße aus ging, beim Neustart aber sofort wieder an, fuhr er beruhigt in die Baumberge, ein beeindruckender Höhenzug, der den Kölner Dom an einer Stelle fast überragt, stellte den Motor ab, bockte das Mopped auf und fotografierte Kühe im Nebel. Als er wieder starten wollte, blieb es stumm. Der HONK hatte sein Mobiltelefon zuhause gelassen, weil er es selten mitnimmt und noch seltener braucht. Zudem arbeitet er konspirativ, und will vermeiden, dass man ihn ortet, und die installierte Covid19 App würde hier oben ohnehin keine Verdachtsfälle melden. Hätte das Mopped sich nicht besonnen, er wäre verratzt gewesen in dünner Luft, ein HONK weitab der Zivilisation.

Der Spezialist diagnostizierte eine kaputte Batterie. Eine neue wurde bestellt. Nun hieß es, die alte auszubauen, und die neue einzusetzen. Der Raum, den Aprillia dafür vorgesehen hat, ist sparsam ausgelegt, so dass der HONK die alte Batterie nur mit Mühe heraus- und die neue mit noch viel mehr Mühe hineinbekam. Froh über diesen Erfolg startete er, aber das Mopped klackte nur. Der Spezialist holte es ab. Die Vermutung, der Anlasser könne defekt sein, bestätigte sich nicht. Es war der Vergaser. Ein neuer ist nun eingebaut, aber der Spezialist hatte eine Frage, die der HONK nicht beantworten konnte.
Wie, fragte er, ist es dir gelungen, beim Einbau der Batterie den Pluspol abzubrechen?
Diese Frage steht im Raum und bedrückt den HONK sehr.


Mo 7.09.20 10:30 noch 163 Tage bis zum Ende der Krise / strahlender Tag (177)

Die Bademantelmaus (männlich) hockt bei strahlendem Wetter vorm Rechner. Man rät ihr, die Wohnung umgehend zu verlassen. Das wird sie tun. Sie wird die Welt erobern, weiß aber noch nicht, welchen Teil dieser Welt, den, der atomaren Gewissheiten, oder den der dunklen Materie?


Di 8.09.20 13:10 noch 162 Tage bis zum Ende der Krise / bewölkt, mild (178)

Meine Lebensgefährtin hat lange Integrationskurse für Ausländer geleitet. Eine Perserin besucht uns hin und wieder. Sie duzt nicht, sie könne das nicht, sagt sie, und so nennt sie meine Lebensgefährtin Frau Martina. Letztens war sie bei uns, wir waren in der Küche, sie kochte für uns, und nannte mich Hermann. Erst später fiel uns auf, dass sie höchstwahrscheinlich glaubt, ich heiße Mann, also nannte sie mich Herr Mann. Wir haben herzlich gelacht, und uns wurde wieder einmal klar, wieviel Fallstricke und Irrtümer es gibt, wenn man sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden versucht.


19:20

Als wäre ich wieder Kind, so fühlte ich mich, als ich die Äpfel, die ich gestern bei einer Moppedtour durch die Baumberge von an den Straßenrändern stehenden Bäumen gepflückt hatte, schälte und halbierte. Hin und wieder kroch ein Ohrenkneifer heraus, der unter einem fast furchterregendem Ruf litt, jedenfalls unter uns Kindern, ich fand von Würmern gegrabene Gänge, all das musste herausgeschnitten werden, aber die Äpfel schmecken unvergleichlich gut im Vergleich zum Supermarktapfel. Ich hatte bei Essen und Trinken ein Rezept gefunden. Essen und Trinken müsse es sein, hatte meine Lebensgefährtin mir eingeschärft, und da war es auch schon eines, das mir gefiel und mich verblüffte. Acht Eier bräuche es, stand da, dreihundertfünfzig Gramm Butter, 160 Gramm Mehl, 250 Gramm gemahlene Haselnüsse, 1,5 Kilo Äpfel, Weinsteinbackpulver, einen Teelöffel Zimt, eine Prise Salz. Alle Zutaten waren vorrätig. Ich begann zu rühren. Ich rührte eine halbe Stunde, Teig, Ei für Ei hob ich unter, schließlich gab ich den Rest Mehl und die gestampften Walnußkerne hinzu, Haselnüsse hatte ich nicht. Ich legte das Backblech mit Papier aus, verstrich den Teig gleichmässig, drückte die halbierten, angritzten Äpfel hinein und schob das Blech in den auf 190 vorgeheizten Backofen. Ich habe schon Brot gebacken, dies würde mein erster Kuchen. Ich hatte keine rechte Vorstellung davon, wie aus so vielen Eiern und so wenig Mehl ein Kuchen werden sollte, aber es wurde einer. Er war von von flockiger Konsistenz und schmeckt vorzüglich. Nicht einmal die Lebensgefährtin konnte mir ihr Lob vorenthalten, obwohl sie im frühen Entstehungsprozess mit einem Lebensgefährtinnen oft inhärenten Ton des Besserwissens noch angemerkt hatte, Eier und Butter seien gestockt. Nix da, Baby.


Mi 9.09.20 15:17 noch 161 Tage bis zum Ende der Krise / wchselnd bewölkt, windig, recht mild (179)

Wie Herr Mann da bei etwa fünf KmH in einer Rechtskurve, in der das Vorderrad in einer matschigen Pfütze wegrutschte, vom Roller rollte, rechtes Knie, rechter Arm voran, über die rechte Schulter abgerollt und wieder auf den Beinen, das hatte schon eine gewisse Eleganz, ohne dass sie intendiert war. Sein Körper schien mehr zu wissen, als sein Geist, und selbst, wenn es umgekehrt gewesen wäre, er hätte keine Zeit gehabt, nachzudenken. So muss Herr Mann also davon ausgehen, dass es außer der intellektuellen Geistesgegenwart auch eine körperliche Gegenwart gibt, und das ist gut. Setzte bei einem Sturz ganz gleich welcher Heftigkeit auch noch ein Diskurs über Flugbahn und Abrollwinkel ein, man hätte verloren. So blieb bis auf den Windschutz alles heil, so dass nun ein neuer her muss. Bis dahin fährt der Herr Mann ohne, und das ist etwas ganz anderes als mit Windschutz zu fahren, da spürt er plötzlich den Sturm bei 80, da rauscht alles um ihn herum und er hört nicht einmal mehr den Motor. Wie das wäre, wenn es kalt wird, darüber will er gar nicht erst spekulieren, die Glocken erfrören und alles andere mit ihm. Aber er muss schon zugeben, dass das Fahren ohne eine Reiz hat, eine Wildheit, die er als Herrenreiter hintem hohen Windschutz so nicht erlebt. Seit gestern also denkt Herr Mann darüber nach, ob er in den Sommermonaten nicht ohne, im Herbst besser mit fahren soll, im Winter bewegt er das Fahrzeug sowieso selten. Und dann fällt ihm sein Freund aus Berlin ein, der letzten Sommer zu Besuch kam. Es war ein heißer Tag, er schälte sich aus seiner Montur, darunter trug er noch zwei Schichten wärmender Funktionskleidung. Er hatte seine Guzzi bis zu 200 KmH schnell bewegt. So etwas würde Herr Mann nie tun.


Fr 11.09.20 8:04 noch 160 Tage bis Ende der Krise / klar / (181)

Mein Tanzlehrer sammelt historische Vespas, und je nach Laune fährt er damit herum. Als ich im vorigen Jahr die Aprillia kaufte, war er einer der ersten, der sie inspizierte und für gut befand, was mir gefiel. Letzten fuhr er mit einer großzylindrigen BMW vor, very basic, ein schwarzes Motorrad ohne die üblichen Verkleidungen, die Motorräder aussehen lassen wie Spacemobile. Wow, sagte ich. Wir fachsimpelten ein wenig, wobei ich erfuhr, dass er semiprofessionell Rennen gefahren ist.

Gestern erzählte ich ihm von meinem Ausrutscher in der Kurve. Er meinte, wäre ich schneller gefahren, wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Stimmt. Rotierende Energie, wir hatten darüber gesprochen, lässt sich nur schwer kippen, versuchen Sie einmal, einen schnell rotierenden Kreisel umzuwerfen. Das ist Physik. Ich erzählte ihm auch, dass sich das Fahren ohne Windschutz fundamental vom Fahren mit Windschutz unterscheidet, und ich ab 80 KmH das Gefühl hätte, nun werde es stürmisch, immerhin nähere man sich Windstärke 10. Ach, sagte er, er fahre dann und wann 200, 250 gar. Ob er sich da nicht flach übern Lenker legen müsse, um nicht wegzufliegen, fragte ich, und er sagte, nein, daran gewöhne man sich, nur mit dem Helm müsse man achtgeben. Den Eindruck hatte ich schon bei 90.

Gestern nun stand ein riesiges Paket vor der Tür, darin mein neues Windshield und jede Menge Knallfolie, die ich den Kindern im Haus zum Zertreten schenkte. Das Zusammenbauen funktionierte einwandfrei, als HONK war ich ein wenig stolz, die Verletzungen, die ich mir regelmäßig zuziehe, wenn ich mit Werkzeug hantierte, beschränkten sich auf eine kleine Wunde am inneren Handgelenk, ein Ausrutscher mit dem Schraubenzieher und ein Sturz vom Bordstein. Gegen 18:00 war das Windshield installiert. Nun bin ich wieder ein älterer Herr und kann 100 fahren, ohne mich zu fürchten. Aber das tue ich eher selten. 80 g
enügt völlig.


Mo. 14.09.20 21:00 noch 157 Tage bis Ende der Krise / schöner Tag, warm / (184)

ich bin im himmel
und da muss ich nichts
nur höllenkinder müssen
ich sinn ums sinnen
und ich singe
und werde nie mehr
nichts beginnen

 

21:07

Ich habe drei Wochen überlegt, ob ich mit dem Hörtestergebnis der HNO Ärztin zu einem Hörgeräteakkustiker gehen soll. Heute morgen hab ich's getan und seit etwa 13:00 trage ich Hörgeräte. Die Stadt war plötzlich sehr laut. Das brauchte ich nicht unbedingt. Aber dann fuhr ich heim und kam durch den Zoowald. Die Vögel sangen und ich konnte jeden orten.
Ich fuhr heim, hörte mir Shrink von the Notwist an, und war von den Socken, was alles britzelte, knarzte und klang. Ich werd sie behalten. Ich bin jetzt ein älterer Herr mit Hörgeräten.

 

Fr 18.09.20 12:55 noch 153 Tage bis Ende der Krise / sonnig / (188)

die querdenker
jammern ihrer verlorenen freiheit nach
hocken am rand ihrer erdscheibe
und starren ins nichts
während die morianer
vor feuer und tränengas fliehen
sie hatten geglaubt europa sei freiheit
sie kamen über land
beschossen bedrängt missbraucht
haben auf see ihr leben riskiert
für die hoffnung auf leben
stattdessen ist da ein wirtschaftsblock
der sich wegduckt und klein denkt
wir hocken vor unseren bildschirmen
und lassen es zu
man wird uns zur rechenschaft ziehen
wir werden zahlen müssen
dabei wäre es einfacher
freiwillig und mit großem herz
jetzt zu zahlen
aber nichts da
das ego regiert
dem ego wird applaudiert
das ego ist präsident
und die querdenker jammern noch immer
althippies die von verschwörung faseln
wie ich sie verachte
wir die neuen nazis
desinfizieren unsere hände in unschuld

Mo 21.09.20 12:15 /150 Tage bis Ende der Krise / (191) sonnig

Ort der Handlung: ein Schrebergarten. Wetter: wundervoll. Anwesende: M., selbsternannter Dichter, M., die Gärtnerin. Der Plan: M. will seinen Roman weiterschreiben. M. ihren Garten bearbeiten. Mögliche Hindernisse: M. hat keine Ahnung, wohin ihn das führt. M. (die Gärtnerin) leidet unter Nikotinenzug. Man kann also sagen, alles ist, wie es sein muss, offen. Andiamo.

13:15

Die Gärtnerin wirkt unruhig. Nikotinentzug macht sie unleidlich. M. hat hier und da Sätze gestrichen, neue hinzugefügt, aber Überzeugendes hat er noch nicht geleistet. Über allem liegt die paradiesische Ruhe des Gartens. Die Überfülle an Schönheit.


Mi 23.09.20 18:38 / 148 Tage bis Ende der Krise / (193)

Der Herbst ist da. Zaghaft zwar, aber deutlich. Wir bereiten uns jetzt auf das Fest vor. Ein Glück, dass wir nicht singen müssen, das klänge wegen der Masken nicht schön. Dass es keine Geschenke mehr gibt, stört mich nicht, wo eh alles kollabiert und man an jeder Ecke aufpassen muss, nichts eins über die Rübe zu kriegen. Die Polizei schlägt jetzt auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Und alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, pöbelt die Polizei an. Die Versorgung mit dem Notwendigstens ist gesichert, aber keiner weiß, wie lange noch. In manchen Städten haben Milizen die Macht. Hier nicht. Hier ist das platte Land. Da ist die Kuh. Da ist der Bauer. Der Bauer konnte schon schießen, bevor die Milizionäre überhaupt wussten, was ein Gewehr ist. Insofern kann man nicht klagen. Es ist Endzeit, schade um die Enkel, aber gut für den Planeten.


Fr 25.09.20 10:32 / 146 Tage bis Ende der Krise (195) wechselnd bewölkt, frisch

Anfang des Monats hatte ich geglaubt, der Untergang der Welt sei zu verhindern und eine Trendwende markiert, nur um drei Wochen später zu lesen, dass überall in Europa die Infektionszahlen wieder nach oben schnellen. Nichtsdestotrotz habe ich die Nase gestrichen voll von einer Seuche, die ich nirgendwo sehe. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich halte sie nicht für einen Fake, ich unterschätze ihre Gefahr nicht, aber ich will sie nicht mehr. Sie hängt mir zum Hals heraus. Also bitte, Seuche, mach dich davon.

11:23

es gab tage
an denen der dichter
nur den mund öffnen musste
und schon flogen worte hinaus
die sich auf möbel setzten
in betten krochen
oder durchs fenster davon flatterten
seit einiger zeit
stellt der dichter jedoch mit bedauern fest
dass all die nichtsnutzen
schönen und bösen
die paarungswilligen und solitären worte
sich hinter einer maske lieber mit viren paaren
da hílf kein schreien
da hülfe nur mord
aber wer mordet schon gern


Di 29.09.20 18:12 Krise Tag 199 bewölkt, feucht

Alles Wünschen war umsonst. Vor drei Wochen habe ich den Countdown der Krise begonnen, obwohl ich wusste, dass es nicht stimmt, weil der Bürger sich in den Flieger setzt, weil er feiert, weil er (wie ich) die Nase voll hat von Krise, gestrichen voll, da passt nichts mehr rein, kein Flüchtling, kein Trump, keine Revolution, das alles geht ihm und mir beidseitig am Arsch vorbei, aber da es nun amtlich ist, da die Zahlen wieder steigen (es ist ja nur eine mittelschwere Grippe) wird mir nichts bleiben, als mein kleines Leben weiter zu betreiben wie einen Kiosk, in dem ich Dinge feilbiete, die kein Mensch will, Hauptsache, ich biete feil und bekämpfe damit das Virus. Ich könnte sagen, ich kann nicht mehr, buhääääää, aber ich halte mich an die Regeln, und könnte morgen ein kleines Fest feiern, 200 Menschen in meiner Wohnung, 200 Tage Krise. Darauf könnte man einen lassen als Tribut für die Klimakatastrophe. Schönen Abend. Wir schaffen das.

20:12

Heute mit der Aprilia ins nördliche Ruhrgebiet zum Schiffshebewerk Henrichenburg. Ich war dort seit 1963 nicht mehr, damals, Schulausflug, war es noch in Betrieb. Heute ist es im Kontext mit dem neuen und einem weiteren alten, deren Schleusenbecken Teil eines Fußweg durch den vom LWL betriebenen Industriepark ist. Viel nietenbesetzter Stahl ist verbaut, da stehen Türme für die Seilwerke, zwei von ihnen wie Obelisken mit Weltkugeln obenauf und einer Speerspitze zum Himmel. Gleich zu Anfang meines Rundgangs sitzt ein Mann mit gelber Pudelmütze und starrt mir entgegen. Er starrt auf eine Weise, die mich irritiert, bis ich näherkomme und denke, der ist nicht ganz dicht, aber auch nicht gefährlich, der guckt halt nur so, dafür kann er nichts. Auf gleicher Höhe sage ich "Guten Tag. Ich bin Tourist." "Ach ja", sagt er, und jetzt denke ich, vielleicht ist er doch dicht und tut nur so, weil er nicht anders kann. Ich suche dringend einen Platz zum Pinkeln, aber zunächst kommt mir eine Ehpaar entgegen, und dann hockt auf dem Eingang eines Stollens, den Bergleute während des Krieges zum Schutz der Waltroper gegraben haben, ein Mann Mitte Fünfzig, hat zwei Flaschen Bier vor sich steht, grüßt, und als ich sage, das wär' ja ein feines Plätzchen, und ob schon Feierabend wäre, sagt er, Feierabend wäre sowieso.