Januar  2002                                         www.hermann-mensing.de                      

mensing literatur  


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Di 1.01.02

Der Jahresrückblick 2002...

12:50 

Es ist wohl nur dem rührenden Einsatz dieser beiden unerschrockenen Ostfriesen zu verdanken, dass ich das neue Jahr hier begrüße, denn die übrigen 2840 Besucher dieser Aufzeichnungen haben es nicht für nötig gehalten, sich in der ein oder anderen Weise zu äußern. Sie werden also, da ich jeden Besucher mit einem für mich entwickelten Programm erfasse und speichere, demnächst Post von mir erhalten. Und nicht nur das. Ich werde ihnen den Zugang zu diesen Seiten sperren und sie stattdessen ins dunkle Reich der Internet-Pornografie umleiten. Das haben Sie nun davon.

13:00

Das alte Jahr liegt in zerplatzen roten Papphülsen in brüchigem Schnee, der leichte Schmerz überm linken Auge hat sich nach einem Spaziergang verflüchtigt, der Weihnachtsbaum wurde abgetakelt und des Zimmers verwiesen, wo eben noch blauer Himmel war, treiben nun dichte Wolken den nächsten Schnee übers Land. Wir werden uns nicht mehr bewegen.

PS: Ihr Ostfriesen, die ihr ins Horn stoßt und Luftsäulen in Töne verwandelt, ihr Ostfriesen, von Geburt eher grüblerischer Natur, ihr hinterm Deich, vor dem das große Meer schwappt und nur darauf wartet, euch eines Tages fortzuschwemmen,  seid gegrüßt als Retter.

16:39 

"Woher rührt die Leidenschaft, ja, Grausamkeit, alle anders denckenden und glaubenden Menschen, und mögen sie auch im Irrthume befangen seyn, zu hassen, zu schmähen und zu verfolgen? Ist nicht die eigene Leidenschaft mehr als jeder Irrthum des Nächsten der hauptsächliche Grund für die Verfolgung? Und wer mag zu entscheiden, ob er nicht selbst derjenige sey, der irrt? Alleyn unser Hass und unsere Grausamkeit scheinen mir die Empfindungen zu seyn, denen ohne Tolerance zu begegnen ist. Denn mögen wir Menschen auch unterschiedlichen Culturen angehören, so ist uns doch Allen ein Sinn für das Ungerechte und Gewissenlose gegeben. (1)

20:03

Gegen Mitternacht sprengte J. einen aus Zeichenkarton nachgebauten Twin Tower. Er hatte vier Böller der Klasse Bam II an den oberen Ecken befestigt, da er jedoch keine sie verbindende Zündschnur besaß, zündete er nur einen. Der Erfolg sei beängstigend gewesen, erzählte er später. Der Böller habe die obere Turmhälfte fast völlig zerfetzt. Ringsum explodierten zur gleichen Zeit Knallfrösche, Heuler krepierten im Schnee, Raketen stiegen auf und frierende Menschen riefen "Prost Neujahr", ohne diese kleine politische Demonstration zu beachten,  geschweige denn, sie zu verstehen.

Dabei handelte es sich um nichts weniger als eine Demonstration des Überdrusses an den Werten der westlichen Gesellschaften, die ohne jeden Grund alles Machbare ausführen und dann in verzweifeltes Grübeln darüber geraten, dass man sie derart in Frage stellt. Größere Dummheit herrschte nie. 

 

Mi 2.1.02     8:15

Prognostizierter Sonnenschein: 1 Stunde 37 Minuten. 

14:21  

Ja, ich will leiden. Schicken Sie mir ein Einbürgerungsformular für die Bundesrepublik Deutschland. Ich bin Neger, habe nur ein Bein und spreche kein Wort Deutsch.  

 

15:49  

Ja, ich will leiden. Schicken Sie mir eine Bibel. Bin Muslim, aber bereit für das Christentum. Freue mich schon auf das Kreuznageln. - Macht man das mit zwei Frauen und zwei Männern? Wer liegt oben, wer unten? Bei uns darf man Frauen ja nicht einmal nackt sehen. Bin sehr aufgeregt. 

 

Do. 3.01.02  9:02

Wie das Jahr fliegt! Schon der Dritte. Heute sollen Sätze werden. Vielleicht markiere ich sogar den Anfang vom Ende. Also. An die Arbeit. 

Meine Euro-Transaktionen sind ohne Zwischenfälle verlaufen. Hier und da gab es eine kurze Irritation, was den Wert einer Münze betraf, aber im Grunde genieße ich das neue Geld. Versuchte meine Mutter ein wenig auszufragen, schließlich hat sie vier Währungen hinter sich, aber sie konnte sich nicht erinnern. Meiner Tante klappte vor Staunen die Kinnlade herunter, als ich ihr erklärte, sie könne nun bis Spanien fahren, ohne einmal Geld wechseln zu müssen. So hatte sie sich das nicht vorgestellt.  

11:58

Eisiger, strahlender Tag. Könnte Tote zum Leben erwecken. 

15:17

Gehen Sie zur Galerie, klicken Sie auf 21, kehren Sie hierher zurück und lesen den Text 20:03 vom 1. 01.02.

17:28

Gehört: kuck mal Omi, das ist jetzt das neue Viermarkstück. Gibt ihr eine Zwei-Euro Münze. Vier Mark? - Ja, und das sind zwanzig Pfennig. Gibt ihr ein 10 Zent-Stück.  - Da steht aber doch zehn drauf! - Ist aber zwanzig. - So? - Ja. - Hm. Das muss ich mir dann aber noch mal genauer ankucken. 

 

Fr 4.01.02   8:47

dämliches aus dem hause men-sing:

In Nablus und Ramallah sind alle Balla Balla. In Haifa und Jerusalem ist jedermann Plem Plem.   

Mehr davon  ......  noch mehr?  noch mehr   und noch mehr

11:07

Literatur? Da wird mir übel. (2)

14:58

Romane bestehen zu 100% aus Wille, lat. voluntas, die "Fähigkeit zu Handlungen auf Grund bewusster Motive, im Unterschied zu Triebhandlungen. Der Wille wird in der traditionellen Psychologie entweder als eigenes Seelenvermögen oder als durch andere psychische (Vorstellungen, Denken, elementare Gefühle) oder physiologische Vorgänge (Organempfindungen - z.B. Furz quer liegen ) bedingt aufgefasst. Der Wille ermöglicht auch gegen Widerstände und Hemmnisse (z.B. Müdigkeit) Handlungsziele über längere Zeit zu verfolgen."

 Nichts davon heute bei M. 

17:35

menschen: m. fragt, ob sie wieder tipps für das essen am wochenende geben solle. schweinerückensteaks gäbe es zum beispiel bei ihnen. gut, wie spät sollen wir kommen? frage ich. tiere: fröstelnde amseln, dick aufgeplustert auf dem garagendach. dohlen auf schornsteinen neben gerade aufsteigendem rauch. yorkshire-terrier, die in den schnee pissen und dann versuchen, ihre quietschgelbe markierung zu tarnen. sensationen: der tag. dass er überhaupt kam und verging. die sterne. dass sie nun am himmel hängen und aus der tiefen vergangenheit in die gegenwart leuchten. das erreichen des 24. kapitels. bimbam. der heilige bimbam. 

 

Sa 5.01.02  11:33

Ein wenig spät, aber besser jetzt, als gar nicht.


So 6.01.02     14:57

Zuversicht süsze Lüge.

 

Mo 7.01.02  10:56

Vom Eise befreit sind Hundeschiss, Zigarettenkippe und Präservativ. Vom Eise befreit auch: die Coladose, der Chinaböller, der  Sektflaschenhals. Vom Eise befreit atmet die Erde auf, überzieht Feld und Tal mit dichtem Nebel und Zweifeln. Keiner kommt durch. Keiner weiß was. Keiner liebt. Jeder will nur besitzen.  

12:03

Das zur Ästhetik des Tauwetters. 

Nun zum Überleben: nötig ist eine Espresso-Kanne, nötig sind Scheuklappen, möglichst große Scheuklappen, nötig ist, zu vergessen, dass unsere grünen Pappkameraden Pazifismus neu definieren, weil sie an der Macht sind und ihnen ergo nichts anderes übrig bleibt, nötig ist, durchzuatmen und auf all das zu scheißen. Dann könnte es gut gehen. Dann könnte es tatsächlich gut gehen. Dann käme vielleicht auch der Euro ins Haus, und das ewig schlechte Gewissen, das Gefühl der Minderwertigkeit würde verfliegen wie äh - weiß ich jetzt nicht - sagen wir, wie der Duft von Parfum, und dann stünde man da und stänke wie man so stinkt mit 52 und hätte es für den Augenblick geschafft. Aber nicht länger. 

20:29

Zum Abend dies. Das freut den Meister

hallo herr mensing!

ich hab ihr buch "große liebe nr.1" zu weihnachten geschenkt
bekommen. und obwohl solche bücher sonst eher nichts für mich
und andere jungs in meinem alter (14) sind, finde ich dieses buch,
wenn ich mich mal so ausdrücken dürfte, endgeil. es ist echt eins von
den besten büchern, die ich je gelesen habe. und das soll bei mir schon
was heißen. ich lese für mein leben gern. zu meinen "favourits"
gehören unter anderem "staring at the sun" von jan drees, "ein dach in
brooklyn" von unni nielsen, "der gelbe vogel" (den autor kenn ich leider
nicht.), "crazy" von benjamin lebert und "schattenkinder" von haddix.
ach ja, und "als die steine noch vögel waren" von doris meissner-johannkecht
ist auch super.  und eben ihr buch. das klingt jetzt sicher echt bescheuert,
aber ich erkenne ein gutes buch immer erst, wenn ich es ausgelesen habe.
wenn es wirklich gut war, bin ich danach irgendwie benebelt oder so.
ich weiß nicht, wie ich das richtig ausdrücken soll. jedenfalls muss ich
mich dann
erstmal zurücklehnen und und so fünf bis zehn minuten dran denken, was so
alles in dem teil passiert ist.
und da krieg ich immer so ein gefühl im bauch. so wie die bekannten
"schmetterlinge". allerdings bin ich natürlich nicht in das buch verknallt.
*ggg*
aber es kribbelt dann immer so bei mir.
dann klappe ich es einfach nochmal an irgendeiner stelle auf, und lese dann
wieder ein bisschen rein. mal nur ein paar absätze, manchmal aber auch
ganze seiten oder kapitel. und wenn ich das mache, dann kann ich sagen:
das buch war geil! so ist das bei mir. und bei den vielen, vielen büchern,
die ich
gelesen habe, lese und auch noch lesen werde, passiert das nicht oft.
doch bei ihrem buch war das der fall. es ist wirklich toll!!!!!!

ich würde mich freuen, wenn sie mir auch mal schreiben würden,
bis dann, ihr benny quirico.

PS.: SIE MÜSSEN "DIE GROSSE LIEBE NR.1" UNBEDINGT (!!!)
FORTSETZEN!!!!!!!!!!!!!!!!!!

 

Di 8.01.02     8:10


Man hört, das soll helfen: 

saft aus 2 apfelsinen und einer zitrone mit mineralwasser mischen und trinken // 3 minuten zu nirvana/pearl jam/hendrix/sex pistols luftgitarre spielen und headbangen//
mindestens 5 liegestütze machen// 3 mal nachrichtengucken ausfallen lassen// 

Wir versuchen das.

12:22

Kommt frohe Kunde? Ja, frohe Kunde kommt. Ein Vorschuss rollt übers Euroland und die erste Lesung fürs neue Jahr ist fast unter Dach und Fach. - 

Noch etwas? - 

Ja, heute früh beim Spaziergang kommt plötzlich ein schwarzer Hund aus dem Wald auf mich zu, knurrt, springt mich an, saut mich ein, und dann kommt aus gleichem Wald die Besitzerin und ruft "Tima kommst du wohl her!" - Aber Tima kommt nicht. - Ich bleibe still stehen und spreche streng mit dem Hund, trotzdem springt er mich weiter an. - Schließlich bringt sie ihn zur Raison. - "Was hat er denn?" frage ich. - "Ach, er mag keine Männer." - "So?" sage ich. "Sie sollten ihn aber besser trainieren. Stellen Sie sich vor, ich hätte Angst vor Hunden. Übrigens - den Mantel muss ich reinigen lassen, das kostet sie 20 Mark." - 

Da war's. Nicht 10 Euro, nein 20 Mark sage ich. - 

Was lernt uns das? - 

 

Mi 9.01.02  15:18   (9.01.1978 - Münster-Kairo)

menschen: obwohl ich auto fahre und er meinen horizont nur gegen das licht kreuzt, erkenne ich sofort, dass es ein junge ist. ein kleiner junge noch. er hat einen schulranzen auf. ein schattenriss. er läuft schnell. gerade hat ihn der schulbus abgesetzt und ich stelle mir vor, wie er genießt, ohne zu wissen, dass er es tut. wie er die schneenester am grabenrand in sich aufnimmt, die wintersaat links und rechts von ihm, felder seiner vaters womöglich, wie er den weg in und auswendig kennt und das wäldchen grüßt, auf das er zuläuft, schnell, immer schneller, mit freudigen schritten. ich kann sehen, dass er jeden baum mit namen kennt und dass das haus, das sich inmitten des wäldchens verbirgt, das haus seiner eltern ist. seine innere landkarte ist geprägt von dem sanften hügel, über den sich der weg zieht, von der windkraftanlage, deren flügel sich an diesem mittag nur mäßig drehen, von dem himmel, der heute wie mattes silber ist und dass er die schritte zählt, und dann mutter ruft, vater, mutter ich habe, vater... tiere: die papageien im altenheim, die mich mit schräg gestelltem kopf anschauen und versuchen, meinen finger zu schmecken, die papageien, in deren sprache ich spreche und die mir antworten. aber nur fragend. die drängenden rufe, die freude, das mittun, das hört man von ihnen erst, wenn im speisesaal nebenan zu mittag gegessen wird. dann schreien sie wie die kinder so laut und so unbändig. sensationen: wieviel eine lesung koste, wurde ich gestern von der mitarbeiterin einer stadtbücherei gefragt, und ich sagte 500 mark, und sie sagte, sie plane zwei lesungen hintereinander und das sei aber doch teuer und ich sagte, nun gut, dann sagen wir achthundert plus fahrtkosten für beide und sie sagte in ordnung, und erst viel später fiel mir ein, dass ich meine preise ja neu berechnen muss. 800 mark sind 410 euro. und da bin ich beim thema: nehme ich jetzt statt fünfhundert mark zweihunderfünfundfünfzig euro oder nur zweihundertfünfzig. zweihundertfünfzig klingt besser, sind aber nur 488 mark. das muss noch entschieden werden. in diesem sinne: das leben bleibt aufregend.  

18:02

Der Sohn unserer Nachbarn, ein Dreijähriger, will Straßenfeger mit sechs Besen werden. Er räumt allerdings ein, dass es auch fünf sein dürften. Weniger nicht.

 

Do 10.01.02    8:53  (10.01.1978 Kairo-Bombay)

flashback:  kairo 7:23 gestern spät flirrten die lichter der großen stadt unter mir. ich dachte an den midan al tahrir, an meine pension dort, die ich mit nutten teilte. ich dachte an die in schwarze tücher gewickelte puffmutter, deren goldzähne herrisch leuchteten. sie trank gern tee mit mir und stellte mir ihre mädchen vor: füllige, schwarzhaarige frauen, die mich bestaunten wie einen edelstein und albern waren und freundlich. daran dachte ich, und wie naiv ich war, dass ich die ersten tage gar nicht bemerkte, wo ich gelandet war, während sich der nil wie eine nächtliche schlange unter uns wand und das flugzeug an höhe verlor. wie freundlich man mich behandelte. ich dachte an die bronzefarbenen hände dieser frau und daran, dass der besitzer der pension mich vor polizeispitzeln warnte, die versuchten, touristen haschisch zu verkaufen. und nun bin ich wieder hier. weitab vor der stadt habe ich die nacht in einem hotel am flugplatz verbracht, ein trostloser ort in einer verlotterten wüste. gleich fliege ich fort. fort nach bombay.

 

12:27 

Es ist die zierliche Meise, die in uns den Glauben an das Frühjahr erweckt, obgleich der Frost noch alles in seiner eisigen Hand hält. Ja, die zierliche Meise, die im höchsten Ast  ihr "pitüüüt pitüüüt pitüüüt tüüüt" ruft. Kann sie den Frühling sehen? Weiß sie, dass man ihn jetzt wieder denken kann, jetzt, wo jeder Tag ein paar Minuten länger ist als der vorherige? - Ich jedenfalls verdanke meine Zuversicht ihr. Und ich kann alle nur dringend ermutigen, es mir nachzutun. Kraft für das Leben zu schöpfen, liebe Wichser vorm Herrn. Denn es ist schön. Ja.

13:32

menschen:  es schellt. im treppenaus steht ein windiger kleiner mann in graublauem kittel, angeklatschtes haar, raucher. er hat getrunken, das riecht man sofort. tag, sagt er, er käme aus dem alten land und hätte äpfel, lagerfähige äpfel, ungewachst. hier, schauen sie mal.  aus seiner speckigen kitteltasche nimmt er zwei äpfel und schneidet mir stückchen zum probieren. cox orange, sagt er, boskop, eltstar, zwei euro das kilo, 100 kilo kisten hätte er draussen, vier das kilo, hätte ich die nächsten drei monate vitamine im haus. ich lache. er auch. nä lassen sie mal, sage ich, ich kann die nicht lagern. er könne auch kleiner, sagt er, 10 kilo. nä danke, sage ich, wir kommen nicht ins geschäft. 

 

Fr 11.01.02   9:54  (11.01.1978 Bombay)

Feierten gestern den Kauf dieses Bildes. Heute daher ein wenig gealtert.  

Klaus Geigle nach Corregio.

 

flashback: bombay 22:43 vom roten meer schwingen wir östlich richtung   rub al khali, überqueren die saudische leere bis sharjah, landen, atmen die wüste und sind schon wieder fort. noch kann ich mich in sicherheit wiegen, aber schon wenige stunden darauf, während die sonne auf der rechten flügelspitze verglüht, geht es tiefer und tiefer hinab und als das flugzeug mit kreischenden reifen indischen boden berührt, die motoren gegenschub heulen und das flugzeug in seine parkposition rollt, als die türen geöffnet werden und schwere, ölige luft hereinströmt, gilt nichts mehr. der asphalt des rollfelds gibt unter den füssen nach, flutlichter auf dem abfertigungsgebäude sorgen für scharfe kontraste, im halbdunkel ragen palmen auf, düstere gestalten. auf dem weg vom flugplatz in die stadt durch ein meer von abfall, exkrementen, menschen... 

 

Sa 12.01.02    00:59  (12.01.1978 Bombay)

flashback: ....in wellblech, holz, pappe, abflussrohren. unter freiem himmel. aufrecht. mit fehlenden gliedmaßen. linker arm. stumpf. von lepra zerfressen. stumpf. große reklametafel: there's nothing like a charminar (ind. zigarettenmarke) kühe. tatsächlich. unüberschaubare bewegungen auf kreuzungen. garküchen. ich. du nicht. 

1:05

Wasser abschlagen. Zähne putzen. Schlafen bis nachher.

23:01

Meier ging ins Haus und legte sich auf sein Bett. Hatte er vorhin  noch von Versöhnung geträumt, standen jetzt alle Zeichen auf Angriff. Zur Not würde er diesem Saxophonisten das Mundstück seines Instruments in den Rachen schrauben, bis kein Ton mehr raus kam. Zur Not würde er durch ihr Küchenfenster steigen, sie in seinen VW zerren und mit ihr auf und davon gehen. Ciao Bella! würde er sagen, den negativen Sturz seines 68er Käfers ausnutzend um die Kurven preschen, auf und davon. Ciao Bella! Was immer dir dieser Westentaschenpapagallo ge­blasen hat, damit ist es vorbei. Nich Bella, ich dresch dir die Flausen aus. Ja, Bella. Das sind meine Arme. Das ist mein Mund, mein Schwanz. Du gehörst mir und nicht ihm. So ungefähr. Mein wüster Herzschlag. Du und ich fort von hier nach New York. Ich kenne den ein oder anderen Platz hoch über den Straßenschluchten. Von dort stoße ich dich, stößt du mich, stoßen wir uns, ganz wie du willst, Bella. Und dann Flug. Und dann Basta die Scheiße, die freie Liebe, das Gefängnis, die Hoffnung auf Irgendwas oder die Wirklichkeit Garnichts. Nich Bella, das is was anderes, als Saxophonkoffer zu tragen und schmachtend vor Bühnen zu stehen, bis er dir seine Kanne zuwendet und einen Lauf für dich röhrt, dass die Hose dir feucht wird. Und dann, Bella, streiten wir weiter, streiten ein Leben plus Bonuswoche für gutes Betragen, streiten Tag und Nacht, bis endlich einer die Schnauze voll hat und sagt, hör zu, ich habe nichts mehr zu verlieren, und so wie ich die Sache sehe, du auch nicht. Warum also hören wir nicht damit auf. Schließen Frieden. Machen Kinder. Richten uns ein. Werden wie .... Aber du wolltest ja anders sein. Hast du dir quere Vögel an Land gezogen: Eddy, den Sohn eines Gaswerkdirektors, der sich schon am Morgen die Venen voll pumpte; Söhne wie mich, die von der Vision göttlicher Pausen zehren; halbgare Saxophonisten; diesen Neger, der dich in der Toilette des Intercity Paris-Hamburg vögelte und von dem du dich hast vögeln lassen, um dir zu beweisen, dass du nichts gegen Neger hast; schwule Tänzer, die einherstolzieren konnten wie Pfauen und springen wie Gemsen: Söhne, die auf dich abfärben sollten, dich wärmen mit ihrer Kunst, am wirklichen Leben haarscharf vorbei in die Ferne zu leben. Bella! Schönaug Hoffnung dein Name. Der Gipfel weiblicher Gewalt. Der Gipfel an Hingabe. Trotzdem ist es dir nie gelungen, auch nur eine Sekunde zu sitzen, ohne die Füße übereinander zu stellen, gerade so, als fürchtetest du, dass jemand unbefugt in dich dringt. Dass ich nicht lache, Bella! Du hattest doch immer ein Faible für ein wenig Gewalt in der Liebe, obwohl alle glauben, du seist der zärtlichste Engel unter der Sonne. Ein Engel, Bella, mein Engel, deine Gewalt und mein wüster Herzschlag, wie wär's. Your room or mine? (3)  

 

So 13.01.02    11:12   (13.01.1978 Arambol-Goa )

Wäre heut nicht der 13.te, müsste Sonntag sein. Und was stünde dann an der Wand? - Nun, das werden Sie wissen. Wenn nicht, rätseln Sie.

 

Mo 14.01.02    9:24  (14.01.1978 Arambol)

Zunächst hinaus, dann mitten hinein. So viel zu den Vorhaben des Tages. Möglich, dass ich am Ende einen Roman zu Ende gebracht habe.  

flashback: bombay. ratten groß wie katzen huschen über die straße. europäische junkies, bettelnd. die stadt stinkt. ein taxifahrer brachte uns zu einer opiumhöhle. in einem düsteren hinterhaus stiegen wir in den zweiten stock. männer lagen auf pritschen und rauchten. chinesen bedienten. mir war unheimlich. ich beschloss, nur zuzusehen. trank tee. meine begleiter ließen sich pfeifen stopfen. einer wurde nach der zweiten pfeife kalkweiß und konnte nicht mehr gehen noch stehen. wir schleppten ihn zum taxi und sagten dem fahrer, er solle ihn ins hotel fahren. wir selbst machten uns zu fuß auf den heimweg. auf den gehsteigen schlafende menschen. knurrende hunde an straßekreuzungen. ein düsterer traum das alles. mitten in dieser welt. 

 

Di 15.01.02    9:03   (15.01.1978 Ajuna - Goa)

Sprang Pirouetten und hätte gestern fast zu früh alles Pulver verschossen. Heute mache ich den entscheidenden Schuss. Ich werde den Ball so anschneiden, dass er sich erst in der letzten Sekunde ins Tor senkt. 

10:10

Südamerikaner im Jatz: nette Jungs, die "Caliente" rufen, wenn Rhythmen ihnen gefallen, sich aber, was ihre musikalischen Fähigkeiten angeht, sehr überschätzen. Rafael, ein Schwarzer aus Venezuela, glaubte, Mundharmonika spielen zu müssen und geriet dabei derart in Verzückung, dass er gar nicht mehr aufhören mochte. So blieb mir nichts, als so lange zu warten, bis er schließlich fertig war und die Bühne frei für die, derentwegen ich gekommen war: Dirk an der B3, Uli an der Gitarre, seine Schwester am Tenorsaxofon. Und wie es immer so ist auf Sessions, wenn ich mich nach zwei, drei Stücken warm gespielt habe, wechselt die Besetzung. Zurück durch den nächtlichen Lichttunnel, vorbei an tonnenschweren Fata - Morganen, die in den Norden irrlichtern.  

13:11

Endspiel. Die letzte Halbzeit. 

15:43

Habe fertig. Siehe.

 

Mi 16.01.02   10:38  (16.01.1978 Calangute-Goa)

Und nun sitzt er da und wartet. Lobt man ihn, wird er misstrauisch, lobt man ihn nicht, trauert er, sagt man ja, denkt er nein, sagt man vielleicht, fordert er Sicherheit. Und nun sitzt er da. Denkt an das nächste und übernächste Projekt, träumt von dem Preis, den er nun endlich will, und dem Geld, das ihm zusteht. Und nun sitzt er da, hat drei Monate jeden Morgen die Windmühlen bekämpft. Und nun sitzt er da, die Flügel liegen zerschlagen am Boden, nichts deutet auf Licht oder Wärme, nichts auf Freude, nichts auf Ärger. Und nun sitzt er da. Es ist Morgen. Er wird bügeln. Er wird Heizkörper lackieren. Er wird. Dass ihn nur niemand lobt. Dass ihn nur niemand tadelt. Dass ihm bloß niemand sagt, was er tun soll.  

13:53

Helfen könnten nur Leser. Menschen, die sich für dieses und gegen jenes Buch entscheiden. Menschen, die wissen, was gut und was schlecht für sie ist. Wie etwa die, die ihn für eine Lesung im später November engagierte, und nun hundert Exemplare seiner "Große Liebe" ordert, um sie in vier Klassen ihrer Schule zu lesen. So etwas hilft. Kritiker sollen einen Bogen machen um ihn. Einen weiten.    

16:40

dämliches aus dem hause men-sing:

auch gern gereicht wird schädelweh  // mit einem viertel roten // erholt sich der patient nicht gleich // erfährt er's bei den toten //

 

Do 17.01.02    13:42  (17.01.1978 Arambol-Goa)

The headaches are all gone and it is morning in this song....

17:13

Neues aus der Welt des Sports: 

Der Herminator scheut das Risiko: Österreichs Ski Superstar Hermann Mensing sagt Olympia ab. Knapp vier Monate nach seinem schweren Motorradunfall beendete der Herminator Mensing gestern in Kitzbühel alle Spekulationen über seine Teilnahme.  //  Tennis: Auch der russische Vorjahressieger scheidet aus: Nach Lleyton Hewitt, Gustavo Kuerten und Andre Agassi traf es gestern auch den an Nummer vier gesetzten Russen Jewgeni  Mensing. Der Olympiasieger aus Russland unterlag dem amerikanischen Qualifikanten Hermann Mensing mit 3:6, 5:7 und 3:0  Mensing darauf: Ich schäme mich. //  Mensing muss erneut pausieren: Die Leidenszeit von Spielgestalter Rodolfo Esteban Mensing beim HSV nimmt kein Ende.  Er klagt erneut über Knieprobleme. // Spruch des Tages: "Es ist schön, wenn die meisten Athleten sagen, sie hätten keine Bedenken wegen möglicher Terroranschläge während der Spiele. Ich jedenfalls habe totale Angst", sagt Eisschnelläuferin Anni Mensing. //

 

Fr 18.01.02   8:40  (18.01.1978 Arambol-Goa)

Erwachte um 3:29 mit tierischem Ärger über Und dann streitet er sich mit seinem Trainer rum (...).  Der Satz ist einer von fünf  Sätzen, die meinen Roman "Flanken, Fouls und fiese Tricks" im Verlagsprospekt dieses Frühjahrs charakterisieren. Mal davon abgesehen, dass es - neben Fußball - um Sündenböcke, falsche Freunde, Verrat und rassistische Anfeindungen geht, gefällt mir der Ton nicht. Tuxe streitet sich nicht "rum". Sich "rumstreiten" heißt, jemand streitet, weil er nichts besseres zu tun hat. Tuxes Streit mit dem Schiedsrichter aber hat Gründe. Schwerwiegende Gründe.  

 

flashback: arambol - goa 18.01.1978 - wir sind wegen der drogen hier. ausreden zählen nicht. an jeder ecke hocken wir, schamlos gekleidet, jede regel der einheimischen missachtend, nackt am strand, während in den dünen geile dicke inder mit ferngläsern sitzen. wir sind von sinnen,  und geben vor, geheimen indischen weisheiten auf der spur zu sein: der buddhistischen leere etwa, die wir uns mit chillums einzuhauchen versuchen. es war richtig, dass ich 1972 in den westen gereist bin. damals wäre der osten zu gefährlich für mich gewesen. jetzt bin ich gewappnet. ich trete einen schritt zurück und schaue mir zu. natürlich rauche ich schweren, schwarzen manali und kerala gras. aber ich bin vorsichtiger als viele. ich weiß, was ich nicht will. dabei bin ich gerade eine woche fort, fort vom bleiernen grau eines halbgaren januar, sitz unter palmen jetzt, die, das weiß jeder sofort, das paradies markieren. ich schlafe am strand, und wenn meine kohletabletten nicht bald zu wirken beginnen, werde ich mich zu tode scheißen.     

17:49

dämliches aus dem hause men-sing: 

pfeif aus dem letzten loch nur e-musik // lass niemals unterhaltung fahren // riecht die entlass'ne luft zu dick // musst du bei der ernährung sparen // 

 

Sa 19.01.02   2:03  (19.01.01 Arambol - Goa)

Fuhr mit einem iranischen Taxifahrer. Auf sechs Kilometern zwischen Centrum und Dorffeldstraße kamen wir folgendermaßen überein: 1.  90% aller die Welt erschütternden Konflikte sind Folgen der Kolonialpolitik. // 2: Es sei unbegreifbar, dass ein Engländer stolz sein könne. Aber immerhin hätte der Engländer Politik gemacht. // 3. Der Amerikaner hingegen sei fett, ernähre sich wie ein Schwein und wisse nichts von der Welt. // 4. Der Anschlag auf die Twin Towers tue uns für die betroffenen Menschen leid, aber die Amerikaner könnten uns. (Mittelfinger). Zum Abschied sagte er, er sei stolz, einen Fahrgast wie mich befördert zu haben.  

10:18

Uns Deutschen, hieß es in einem Gespräch mit ähnlichem Tenor, das ich 1974 am Strand von Alexandria mit einem Rechtsanwalt aus Kairo führte, uns Deutschen komme zugute, dass wir sechs Millionen Juden aus der Welt geschafft hätten. Da möchte man dann unsichtbar werden.  

13:43

Bück dich Fee, Wunsch ist Wunsch.

16:09

Lieber Herr Handke,  die Besprechung ihres Romans "Bilderflut oder Durch die Sierra de Gredos" in der FR endet wie folgt: Sein neuer Roman stellt endlich wieder eine Herausforderung für die Kritik dar. Und nicht nur für den politischen Kommentar. Wie schön für die Kritik! 

17:55

Erfuhr aus glaubhafter Quelle, dass Meisen niemals Pitüüüüt Pitüüüüt rufen. - Was habe ich dann aber vorletzte Woche gehört. Den Pleitegeier? Den rastlosen Flöter? Die dumme Dudel? 

 

So 20.01.02   17:56  (20.01.1978 Arambol - Goa)

Es war die rachsüchtige Tröte!  

 

Mo 21.01.02    11:00  (21.01.1978 Arambol - Goa)

flashback: arambol - goa. am strand liegt ein rettungsboot, eines, das man auf großen schiffen findet. es gehört andreas aus gelsenkirchen. er ist anfang 20. er sagt, er habe das boot in karatschi gekauft, einen mast gesetzt, den diesel repariert, am bug eine hütte aus bambus errichtet und sei dann allein über die arabische see hierher gefahren. der kiel muss kalfatert werden. danach will er damit zu den malediven. ich werde mitreisen. als smutje. als zahlender gast. wir werden die küste entlang segeln. außer mir sind dabei: collin und jim, australier, doris und jojo aus berlin.    

13:15

Schwimme im leeren Becken. 

Die Frage: where do I get my poodle clipped?

15:32

Alles wieder auf Null. Alles wieder von vorn. 

17:31

Rezession!!! meine Einnahmen in 2001 sanken um 25%. 

Faulheit? Hochmut? Lotterleben? 

Nein. Zu hohe Gewinne der Arbeitgeber!

 

Di 22.01.02    12:04  (22.01.1978 Arambol - Goa)

Statt an langer Weile zu sterben, werfe ich mich ins nächste Projekt. Ich verwandle die "Sackgasse 13" in ein Hörspiel. Online unter in arbeit demnächst in diesem Theater.  

21:36

Die Zeit kapriolt. Wolken jagen. In Zwischenräumen das kalte Licht ferner Sterne. Zur Nacht eine Miniatur von hohem choreographischen Reiz, bei dem ein Zuckertopf durch die Luft fliegt, den ich spülen wollte, der aber wohl fort will, vielleicht zu den Sternen, wer weiß. Ich aber greife nach ihm, ergreife ihn: einmal, ihn zweimal ihn dreimal, doch immer entgleitet er meinen Händen, kommt Stufe um Stufe dem Fußboden näher, um dann, unerreichbar für ein viertes Mal, darauf zu zerschellen. War's das, was er wollte. 

 

Mi 23.01.02   13:42  (23.01.1978 Arambol - Goa)

Habe im vergangenen Jahr fast 8000 Bücher verkauft. - Ist das gut? Ist das schlecht? - Habe meine Mutter besucht. Fühle sie fern von mir. - Ist das gut? Ist das schlecht? - Werde demnächst 53.  

flashback: arambol-goa. beim nächsten vollmond stechen wir in see, sagt andreas. ich liege im schatten. vor mir dreht sich die welt. fischer legen ihre netze in großem bogen zum ufer. menschen ziehen sie an den strand. sie singen. und eins - holt ein - und zwei.... das netz wird geöffnet. seefrüchte ergießen sich zappelnd auf den strand. haie, armlange haie. ich kaufe zwei. da! graue wasserschlangen, die auf sand ihre eleganz verlieren. man warnt mich, als ich eine anfasse. giftig, heißt es, sehr giftig. ich bin fort. ich bin hier. ich sehe: männer turnen auf seilen zwischen kokospalmen. sie sammeln tau aus blüten und brennen schnaps daraus: toddy. in schwindelnder höhe hangeln sie von einer krone zur nächsten. ich schaue zu. mehr bringe ich nicht zustande. ich bin zahlender gast im zirkus goa. vor mir die welt. in mir das entsetzen des humanen westens. heute abend ist hochzeit im dorf. 

21:01

Morgen früh gegen zehn bin ich hier. 

 

Do 24.01.02  11:45  (24.01.02 Arambol - Goa)

Tatsächlich aber bin ich hier.

 

Fr 25.01.02    9:29  (25.01.02 Arambol - Goa)

Die Erkenntnis ist alt. The medium is the message. 

Der ein oder andere erinnert sich vielleicht an die fanpost zur "Großen Liebe", die ich vor einer Weile erhielt. Sein Verfasser nervt seither mit mails, in denen er mich entweder bewundert und nett findet, oder enttäuscht fragt, warum ich nicht zurück schriebe, er habe sich wohl in mir getäuscht. 

16:42

Freundliche Worte ans Lektorat 
15:34
 
habe gerade ein paket belegexemplare bekommen und stoße auf seite 6 auf eine geringfügige änderung, von der zwar die welt nicht untergeht,  die mich aber dennoch sehr ärgert.
es heißt da: "Traf er gut, drehte er sie ins Tor, noch bevor der Torwart etwas gemerkt hatte."
dann käme umbruch und folgender satz: Tuxe legte sich den Ball zurecht.
Der Satz brächte uns direkt ins imaginierte Geschehen.
Im Buch steht aber "Tuxe legte sich dann den Ball zurecht", was auf die vergangene Situation verweist, und die imaginierte Gegenwart unterläuft.
Im Grunde also verändert das doch mehr als man auf den ersten Blick glaubt.
Und über so etwas ärgere ich mich. Und zwar heftig!
Schönen Gruß
 
16:16
oder eine Seite weiter, am Ende.
"Ich weiß", sagte Mama. "Lass ihn nur in Ruhe."
Es sollte aber heißen: "Lass ihn einfach in Ruhe."
Sie wissen, dass ich jederzeit bereit bin, über Texte zu sprechen, aber ich explodiere bei so kleinen Sachen.
Lassen Sie das. Sie werden ja Gründe haben, wenn Sie so etwas ändern, dann fragen Sie auch, rufen Sie an, aber machen Sie's nicht unter der Hand, ich merke es sowieso.
kotzgrün jetzt
hm
 
16:27
weiter auf seite 11: "jetzt war die zeit!" sollte es heißen, und nicht "jetzt war die zeit gekommen".
giftgrün
hm
 
16:34
seite zwölf, ziemlich weit unten, der regen pieselt alle nass.
und dann sage ich: unangenehm das.
sie machen draus: unangenehm war das.
aber das ist nicht mein stil, wissen Sie. Ihrer vielleicht.
Meiner nicht
hm 

16:50
Darüber ärgert sich der Autor. Nicht dass es nachher heißt, Autoren wären die glücklichsten Menschen der Welt, nur, weil man sie druckt. 

26.01.01   12:57 (26.01.1978 Arambol - Goa )

Die Kinder spielen jetzt, wer zuerst alle Münzen der Euro-Länder beisammen hat. Gab unserem Eiermann, der immer samstags kommt, ein Zwei-Cent Stück aus Griechenland. Das würde seinen Sohn freuen, sagte er. 

13:06

Noch zehn Zugriffe bis 3000.  
flashback: vollmond. wir verlassen arambol. wir werden nach panjim segeln, proviant bunkern und dann die arabische see unsicher machen. sechs halbnackte zivilisationsflüchtlinge, stoned von früh bis spät, über den daumen gen süden.  


So 27.01.01   12:25  (27.01.1978  auf See)


Nur noch Lüftchen jetzt, in der Nacht waren es wütende Wirbler, Rattler und Heuler, die durch die Vorstadt jagten und an allem rissen, was nicht niet- und nagelfest war. Schlief darüber den tiefen Schlaf, den man schläft, wenn man sich warm und geborgen glaubt. 



20:15
 
an mein Lektorat:
mir klappen sich die zehnägel hoch, wenn ich "war gewesen" höre, lese oder nur davon erfahre.
den rest machen wir mündlich.
hm

28.01.01   8:20 (28.01.1978 Panjim)

Wer mich heute anruft, seinen Namen sagt und mich bittet, ihm eine bestimmte Stelle aus einem meiner Romane vorzulesen, dem lese ich vor. Also, Leute, der Tag ist noch jung.   02534/7880

10:04

flashback:  (28.01.1978 auf see) - stand gestern abend bis zur brust im schäumenden wasser der brandung und hielt das boot an einem seil, weil collin und jim noch nicht an bord waren. fühlte, dass sich etwas um meine beine wand. dachte an eine wasserschlange. schrie. andreas, der vielleicht keine angst kennt, der dumm ist oder ein geborener selbstmörder, andreas lachte und zog eine zweites, über bord hängendes seil aus dem wasser. collin und jim kamen schwimmend an bord. wir stachen in see. tiefe nacht. sternfische zappelnd. hatte angst. wurde seekrank. dennoch das gefühl, an einem sinnlosen, großartigen abenteuer teilzuhaben. ein kopfloses selbstmordkommando. am nächsten morgen liefen wir panjim an und bunkerten gemüse, reis, obst und wasser. sechs junge europäer in einem boot von gut zehn meter länge. während sie mit voller kraft voraus den hafen verlassen, lässt sich andreas über bord fallen und an einem seil hinterm boot herziehen. 

13:53

Keiner verlässt seine Haut.
Ich lüge. Du lügst. Er lügt. Sie lügt. Es lügt. Wir lügen. Ihr lügt. Sie lügen.

15:01

Und jemand, der anrufen sollte, tut es nicht. Feigling!

18:11

Die Aktion ist abgeschlossen. Jetzt nicht mehr anrufen. 


Di 29.01.02   12:18   (29.01.1978  auf der arabischen See)


Hiermit gestatten wir Herrn M. einen Faultag. Er muss heute gar nichts tun. Er darf auf dem Sofa liegen. Er darf sich Gutes und anderen (vor allem mit ihm konkurrierenden Schriftstellern) Schlechtes wünschen. Er darf auch wunschlos bleiben.

30.01.02   8:47 (30.01.1978 auf der arabischen See)

und fand den tag nicht, denn der weg dahin war schwer // und fand den weg nicht, denn die nacht lag in der quer // und fand die nacht nicht, denn das licht hatte sich frei genommen //  und fand das licht nicht, denn das licht war nie hier angekommen // 

14:10

flashback: an bord - das schiff hat weder namen noch flagge. collin sitzt am ruder. andreas brutzelt pfannkuchen. jojo und doris tun das, was sie am besten können: sich streiten. windstille. nicht weit von uns liegen dhaus. die flaute macht sie bewegungsunfähig. wir haben den diesel. fischer in einbäumen kommen längsseits und bitten uns, sie an land zu schleppen, der wind würde noch länger ausbleiben. andreas schlägt die bitte ab. einen tag und eine nacht noch, dann laufen wir mangalore an. ich werde von bord gehen. ich ertrage das nicht länger. ich bin kein seemann.

14:56

Tolerantes Amerika, unser Lieblingsreiseland:

Washington, 29. Januar (kna).
Eine halb nackte Statue der "Justitia" hat der US-Justizminister John Ashcroft verhängen lassen. Der strenggläubige Pfingstler habe nicht länger vor der Figur in der großen Halle des Justizministeriums auftreten wollen, wo traditionell Pressekonferenzen abgehalten werden, berichteten US-amerikanische Zeitungen.
Für umgerechnet 9000 € sei nun ein Vorhang angeschafft worden, um "Justitia" und ihren Gefährten, den nur mit einem Lendentuch bekleideten "Majesty of Justice", zu verdecken. 

23:52

Hermann Mensing. Weil ich es mir wert bin.


Do 31.01.02   9:15 (31.01.1978 Mangalore)


Und wie ein Gott beginnt der Tag die königlichen Flüge,  meint Mörike, sagt M. Ich schließe mich an. Wenngleich Restzweifel bleiben. Wenngleich Gesprächsbedarf besteht.  Etc. 

11:03

Ich erinnere mich an Reisen in Nihilon. War Alan Sillitoe ein Prophet, der wusste, dass nur die totale Verweigerung, die Lust an der Zerstörung, das "Ich töte, also bin ich", die Losung des neuen Jahrtausends ist, oder ist das alles so alt wie die Welt? - Ich glaube, es ist so alt wie die Welt. 

11:34



Ja. Du großes A. Ja. Dich will ich ehren. Ja. Du geistvoller Führer der freien Welt. Dir will ich folgen. Ja. Du grandioser Fürst Hollywood, deinen Trugbildern will ich Glauben schenken, dein schnelles Essen verschlingen, deine Zuckerbrause bis zum Erbrechen trinken. Ja. Du große Nation, die du der Welt täglich neues Glück bringst, geheiligt werde dein Name und selig seist du alle Tage. 

15:35

Ja. Du kleines I. Wie wir erfahren, haben die, an deren Tropf du hängst, beschlossen, die heiligen Stätten mit allem Pipapo in T. nachzubauen.*** Das Klima dort gleicht dem euren, und so stünde einem Umzug nichts mehr im Wege. Euer geschundenes kleines Land gehörte dann wieder denen, denen es schon immer gehörte, ihr könntet ungestört euren Glauben leben und müsstet nicht länger faschistischen Terror verbreiten. - Na, wäre das nichts? - Endlich im gelobten Land, dort , wo das tumble-weed über weite Flächen taumelt.  
***keine Angst, die bauen alles nach, und es sieht auch immer fast genau so aus wie das Original. 

17:47

Nichts zustande gebracht. Nicht einmal gefaulenzt. 

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1. Michael Roes "Leeres Viertel - Rub'Al Khali" Roman Gatza bei Eichborn,  Frankfurt 1996 // 2. Nina Hagen "TV Glotzer" Nina Hagen Band 1978 // 3. Hermann Mensing "Meier der Große" Roman 1994 //

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