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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Liebe Annette,

kaum elf standen dreizehn Menschen vorm Rüschhaus und wollten, dass ich von dir erzähle. Wie es dir ergangen wäre mit all den fertigen und unfertigen Arbeiten, mit den Hoffnungen auf Veröffentlichungen, die sich - anfangs konkret - dann aber doch wieder zerschlugen, und ob du denn auch mit dem Gesinde zusammen gehockt hättest, wenn es mit dem Schreiben nicht voran ging, und was für eine du denn eigentlich gewesen wärest, adlig, ja, aber im Grunde ohne festes Einkommen, sieht man davon ab, was Werner dir Jahr für Jahr zugestand. Und wieso du über all die Jahre zwischen 1820 bis 1937 nie mehr in Haxthausen warst? Hätte das mit "dieser Sache" zu tun. Welche Sache, frage ich, weil ich gern nachfrage und noch lieber erzähle, wenn ich spüre, dass die Gäste nicht nur eine Station auf ihrer Tour durch die westfälischen Adelshäuser abhaken. Na diese Männergeschichte, sagte eine Frau. Welche, hakte ich nach, denn ich wollte Genaueres wissen. Na die, sagte die Frau, da war doch so eine Geschichte. Die mit Straube und Arnswald? fragte ich. Ja, ja, die... Eine hundsgemeine Intrige war das, sagte ich, und spürte, dass die Spindel zu surren begann, so dass ich schließlich von Höksken auf Stöksken kam, und die Frau nach Ende der Führung zu mir kam und sagte, sie habe soviel darüber gelesen, und nichts verstanden, aber jetzt, jetzt, sagte sie, begreife ich es. Das freut mich, sagte ich. Unten standen die nächsten Gäste. Diesmal nur zwei, auch sie höchst interessiert. Und als dann um eins Mittagspause war, und der Regen einsetzte, ahnte ich, dass keine Gäste mehr kommen würde. Ich hatte zu lesen. Ich hatte zu Essen. Ich kochte Kaffee, dann überkam mich eine große Müdigkeit und ich überlegte, wo ich mich ausruhen könne. Ich probierte zurückgelehnt auf dem Bürostuhl in der Remise, die Beine auf dem Schreibtisch, aber das alles war nicht zielführend, so dass ich es mir schließlich nebenan in der abgedunkelten Bibliothek auf einem Tisch so gemütlich machte, wie man es sich auf einem stabilen Tisch gemütlich machen kann. Ich nahm die Fötusstellung ein und schlummerte bis zwei. Keine Gäste. Dauerregen. Zurück in die Fötusstellung, den Wecker auf kurz vor drei. Drei. Keine Gäste. Zurück in die Fötusstellung. Eine Kollegin kam vorbei. Ach, so vedienst du dein Geld? sagte sie lachend. Ich nickte. Sie habe schon überlegt, einen Liegestuhl mitzubringen, sagte sie. Keine schlechte Idee, sagte ich.

PS. Ich habe kurz überlegt, mich in dein Bett zu legen, aber das ist verboten.

PPS. Gerade finde ich in Arkadien einen Zettel, auf dem steht, dass du nichts dagegen gehabt hättest. Hmm, trotzdem, die Denkmalschutzbehörde hätte etwas dagegen, mein Arbeitgeber sowieso, außerdem ist es viel zu kurz. Also, nichts für ungut, aber ich werde, wenn keine Gäste kommen, mit dem Tisch vorlieb nehmen.

 

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