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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Liebe Annette

ich weiß
um deine Sehnsucht, Nette,
um deine Trauer und den weiten Bogen,
den du nach Straube um den Bökelhof gemacht hast,
dein tiefes, inneres Verzehren,
das Wehren
und das abgrundtiefe Wogen,
um deine Tränen, und die Wette,
die Arnswald damals in den Raum gestellt hat,
ach, Nette, heute ist für mich ein Tag,
an dem ich all das fühlen kann,
ob ich es will, ob ich es mag,
danach fragt niemand, aber es ist wahr,
dass ich schon früh am Morgen traurig war,
und diese Trauer geht ins elfte Jahr,
sie kommt und geht, doch niemals ganz,
dennoch gibt die Verstorbene mir Glanz,
der mich ich bei aller Wehmut fängt,
und hoffen lässt, wenn ich bedrängt
an all die Jahre denke, wie wir eins war'n,
wie sehr hätt ich dir so ein Glück gewünscht in deinen Jahren,
ich weiß, dass du mich gut verstehst, verzeih,
das Leben ist kein Zuckerschlecken
und ist so schnell vorbei.

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