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Hermann Mensing

Briefe an Annette von Droste Hülshoff

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Lieber Hermann,

seit du mir schreibst, wird mir eure Welt klarer. Was für ein Desaster, und das, obwohl Menschen doch immer versucht haben, ein gutes Leben zu leben. Ein Glück, dass die Dinge mit Greta in Bewegung geraten sind. Endlich eine weibliche Heldin. Ich war keine. Ich habe mich zurückgehalten, nur in Bökeldorf habe ich das Maul aufgerissen, und in meinen Versen. Trotzdem waren mir die Hände gebunden. Ich bin eine Frau, ich bin klein, nicht attraktiv, ich habe oft schlechte Laune, selbst, wenn ich fröhlich bin, ich bin kränklich, bipolar, sagt ihr, und das merkwürdige "Adelige Fräulein", wie du mich liebevoll nennst. Wäre ich ein Mann, wie ich es mir "Am Thurme" wünsche, hätte ich eine andere Rolle spielen können. Mein Vater und ich haben uns, als er während der Franzosenzeit Maire von Roxel war, oft gefragt, wie weit es der Franzose noch treiben kann, eh seine Macht zerfällt, so wie ihr euch fragt, wann dieser vulgäre Amerikaner und seine Klone sich in Luft auflösen.

Ich wünsche dir, allen, die du liebst und die dich lieben das Beste, nur - versprechen kann ich euch nichts.
Mit Versprechen habe ich schlechte Erfahrungen. Außerdem habe ich da, wo ich bin, auch keine tiefere Einsicht.

Schade, dass unsere Zeit bald zu Ende geht und die dunkle, oft bedrückende Stille wieder ins Rüschhaus sinkt. Ich habe es schon oft überstanden, ich werde es wieder überstehen, aber Spaß macht es nicht. Deine Stimme wird mir fehlen. Und mein Klavier. Es ist so schmerzlich verstimmt. Kennst du keinen Klavierstimmer?

Herzlich
Annette


Doch, Annette. H.


Hermann,

wusstest du, dass du manchmal ein bisschen spucktst, wenn du von mir erzähltst. Und wie das Tempo wechselst, um Spannung aufzubauen! Du m
achst, was du willst, und sie hören dir zu, lachen und staunen. Deine Stimme ist warm, dein Humor kann poltern, pointiert und manchmal ein bisschen schräg sein, aber ich mag das, das bringt Leben ins Haus, und macht mich lebendig. Menschen zu begeistern ist schwer, ich sehe ja, wie du kämpfst dann und wann, du bist unterbezahlt, aber ach dir nichts draus, manche manchen nur Sightseeing, haben nie etwas von mir gelesen, und falls, nichts verstanden. Genau wie die Schreier, die meinen ersten Gedichtband sinnlos, unverständlich und peinlich nannten.

Irgendwann würde ich leuchten, das habe ich immer gewusst, so wie du leuchten wirst.

Denke in der dunklen Jahreszeit an mich.

Oh, wie ich den November liebe und hasse. Aber noch bleiben ein paar Tage, an denen du durch das Haus streichst. Ich höre deine Schritte. Ich höre, wie du mit dir redest. Leg dich in der Mittagspause ruhig in mein Bett.Tu, was du willst. Sei nachdenklich, fröhlich und traurig.
Ich bin glücklich, daß wir uns kennen.

Danke, deine Annette

PS. Kommst du nächstes Jahr wieder?

Liebe Annette,

ja, so Gott will. Und danke für deinen Brief.
Ich fand ihn unterm Walnussbaum, als ich ein Eichhörnchen beobachtete, das von Ast zu Ast sprang.

Warst du das?

PS.

Ich rechne mit posthumem Leuchten.

dein Hermann
Dichter der Gegenwart


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