Juni 2004                                        www.hermann-mensing.de                        

mensing literatur

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Di 1.06.04    7:58

dämliches aus dem hause men-sing

die plempe wächst, die letzten zähne sind gezogen
unser gesicht gleicht täglich mehr dem eig'nen arsch
die komplizierten jahre haben uns so sehr verbogen
dass wir uns manchmal schon in eine kiste wünschen und dann marsch.

10:09

Nun zu einer weiteren froh stimmende Nachricht:

Sehr geehrter Herr M.,

mit Ihrem Schreiben von Anfang Mai überließen Sie uns das Manuskript Der Vogel und der Zauberer. Da wir aber keine Verwendungsmöglichkeiten in unseren Sendereihen ... und ... sehen, schicken wir es Ihnen anliegend zurück. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir für nicht bestellte oder abgesprochene Programmangebote keine ausführliche Rezension erstellen können.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. ...

Aber gern'. Natürlich. Bitte. Keine Ursache.

 

Do 3.06.04   11:03

Schön ist es auf der Welt zu sein, sagte die Biene zu dem Stachelschwein.... oder ging das anders? Ich weiß nicht, jedenfalls stimmt es.


Gestern im Studio.

 

Fr 4.06.04  10:30

Herrlichstes Regenwetter. Meister M. wird es nutzen, seine Motive zu erforschen. Hat er all die Romane vielleicht nur geschrieben, um berühmt zu werden? - Ging es ihm gar nicht um seine Klientel - die Kinder? Sind seine Geschichten unter Umständen nur verunglückte Romane für Erwachsene? - Soll er sich noch einmal aufraffen oder in Rente gehen? - Soll er Brände legen und Verantwortliche mit Terror überziehen? -
Sie sehen, der Fragenkanon ist groß und denkbar ist vieles.
Zunächst aber wird Meister M. ein wenig den schönen Träumen nachhängen, die ihm seine zahlreichen Lesungen machen - Träumen von Kinder-Literatur, die nicht verblödet, nah am Alltag und dennoch fantastischer ist als viele fantastische Romane.
Und sich durchsetzt.
Wenn er das zur Genüge getan hat, wird er sich freuen, dass er drei Tage in einem Studio war und mit zwei jungen Musikern elf Lieder aufgenommen hat. Darunter ein verwegenes Potpourri aus "Auferstanden aus Ruinen, Freude schöner Götterfunke und Highway to Hell" von AC/DC.
Um dieses Werk digital dokumentieren zu können, waren insgesamt fünf Takes notwendig.
"Großes Tennis" nannten seine Mitmusiker - die Working Worms - das Ergebnis. Ein Superlativ, dass Meister M. bislang nicht kannte, aber dankbar in seinen Wortschatz aufnehmen wird.
Großes Tennis kann alles sein. Das Wetter, die Politik unter transatlantischen Freunde oder der letzte G-Verkehr. Nächste Woche wird er mit den Working Worms "live" im Feldschlösschen spielen, und es bleibt zu hoffen, dass die Attitüde dieses Auftritts die gleiche bleibt - entspanntes Musizieren nämlich, wie sie es im Principial Studio praktiziert haben.
Wie er sich schon freut, die "Biene Maja" zu spielen, oder "Smoke on the water".

PS.: Im Stillen bereitet Meister M. bereits die größte Offensive aller Zeiten vor.

 

Mo 7.06.04    11:59

Welche Freude, als er heute früh bei einem Telefonat mit einem der größten deutschen Verlage sofort erkannt und an entsprechenden Ort weitergeleitet wurde, eine Dame, die dort die Veröffentlichung von zweien seiner Romane als Taschenbuchausgabe betreut, und die sich nun erbot, seine neue Arbeit unter Umgehung der üblichen Warteschleifen direkt auf den richtigen Schreibtisch zu befördern.
Das war nach den düsteren Träumen der vergangenen Nacht wohltuend und trieb das Stimmungsbarometer des Meisters sofort wieder in stratosphärische Höhen, wo er sich hoffentlich nicht erkältet.
Besagte Offensive hat also begonnen. Meister M. kneift nicht. Im Gegenteil. Sein Traum war nur ein böser Traum, insofern hilfreich, tief sitzende Ängste quasi im Schlaf zu erledigen.
Vorwärts und nicht vergessen, heißt die Devise....

19:40

Heute in die Umlaufbahn geschossen:
Der Elefant
, ein Geschichte zum Vorlesen, Mein Prinz, ein historischer Liebesroman, Tilli, Geige und die Birkenbande, ein Detektivroman an zwei Verlage, Der Vogel und der Zauberer, ein Hörspiel an drei Sender. Und glauben Sie nicht, das wäre das Ende. Nein, es ist erst der Anfang, denn meine Festplatte quillt über vor unveröffentlichten Texten. Die meisten sind druckreif. Vielleicht muss hier noch ein wenig geschnitten und dort hinzugefügt werden, aber das macht Meister M. sozusagen mit links.
Habt ihr gehört, ihr Scheißer!!!

 

Mi 9.06.04   9:02

Während in verschiedenen Weltgegenden aus fadenscheinigen Gründen ausgebeutet, unterdrückt und gemordet wird, während Menschen hungern und auf der Flucht sind, ergriffen Meister M. und seine Muse gestern die Gelegenheit, tankten erbeutetes Superbenzin, setzten sich in ihr schon etwas älteres Auto und fuhren schnurstracks zum Meer.




Es lag da, als hätte es seit dem letzten Jahr nur auf sie gewartet. Glatt wie ein Spiegel, bereit, sie zu tragen.
Die Daseinsfreude war groß und währte sechs Stunden, dann machten die beiden sich auf den Weg zurück ins tiefe Westfalen.
Gut, dass es Autos gibt, dachten sie.
Gut, dass das Meer in drei Stunden erreichbar ist. Dahin fahren wir, so lange es eben geht.

11:42

Nachzutragen wäre, dass uns auf unserer Reise erstaunlicherweise nur zwei Idioten begegneten.
Einer war Niederländer und zeigte uns aus unerfindlichen Gründen den Vogel. Möglich, dass er sich - wie es Niederländer immer noch gern tun - plötzlich daran erinnerte, wie unsere Vorväter die Niederlande besetzten. Auch möglich, dass ihm schmerzlich bewusst wurde, dass es in der niederländischen Nationalhymne heißt "...wir sind von deutschem Blut", schließlich kann es auch sein, dass er schon an das in der nächsten Wochen stattfindende Schicksalsspiel Deutschland - Holland dachte, das die Niederlande in einen orangefarbenen Taumel versetzen wird, wobei ich den Niederländer gern daran erinnere, dass eben dieser Willem von Oranien von deutschem Blut war.
Der zweite Idiot fuhr uns fast bis auf die Stoßstange auf, machte dann Anstalten, rechts zu überholen, unterließ das, weil ihm in seiner geistigen Umnachtung wohl doch noch aufgefallen war, dass das vielleicht zu weit ginge, hängte sich dann wieder an unsere Stoßstange und blendete auf.
Worauf ich (in einem Anfall erzwungener Idiotie) zweimal kurz anbremste. Wenig später verließ ich besagte Bundesstraße 54a und mein Hintermann zog erbost hupend vorbei.

16:56

Angenommen, ihr Meer wäre mehr als drei Stunden von Ihnen entfernt, hier ist die Möglichkeit, es dennoch zu sehen: www.bergenaanzee.com

 

Do 10.06.04   10:44

Zu meinen schönen Erinnerungen an Fronleichnam gehört die Fahrt mit dem Rad hinaus zur Alstätter Straße, damals eine Straße am noch fernen Ortsrand meiner Heimatstadt. Sie wurde von Linden gesäumt und war ein wohl riechender Blättertunnel. Links und rechts hatte man weiße, mannshohe Fahnenmasten in den Boden gesteckt, daran rote, weiße und blaue Wimpel.
Ich fuhr dorthin, um der Prozession zuzuschauen, die irgendwann auftauchte.
Voran die Priester unter einem von vier Männern getragenen prachtvollen Baldachin. Dem voran Messdiener in weiten Gewändern, die Gefäße mit THC-haltigen Weihrauch schwenkten, unterm Baldachin jemand, der die Monstranz trug, dahinter betende Gläubige.  
Da ich Protestant war, waren mir Katholiken fremd und das, was sie taten, war mir unverständlich.
Heute bin ich kein Protestant mehr. Aber verstehen kann ich immer noch nicht, wie man glauben kann, die Hostie sei der Leib Christi (Realpräsenz).
Wir Protestanten (und nicht nur die) verballhornten den Fronleichnam gern als "Happy Kadaver Day".

14:39

Realpräsenz. Ich finde, man sollte sich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen. Er ist tatsächlich hier. In dieser Bratwurst. In diesem Stück Brot. In diesem Schluck Wein. Einmal als Fleisch. Das andere Mal als Blut. Tatsächlich. Real präsent. Nicht eingebildet. Nicht im Sinne von: wir stellen uns jetzt mal vor, liebe Katholiken, diese Bratwurst stünde für den Herrn Jesus Christus, dies ist sein Leib etc. pp., nein, nix da vorstellen, real präsent sein ist angesagt, also praktisch als Bratwurst hat er sich materialisiert, oder - weil es damals, als man sich diesen Humbug ausdachte, noch keine Bratwürste gab - eben als Hostie.
Geweiht von meist leicht senil wirkenden älteren Männern, die prächtige Hüte tragen, wobei man wissen muss, dass je höher der Hut, je geringer der Selbstwert, denn hohe Hüte waren schon immer ein Zeichen dafür, dass da jemand glaubte, größer wirken zu müssen, als er in Wirklichkeit war.
Realpräsenz also. Heute vielfach zelebriert und durch murmelnde Beter begleitet.
Der Christ ist ein Trottel. Aber natürlich liebe ich ihn in seiner Einfalt. Ich will auch nichts besseres sein. Mir reicht die Realpräsenz. Für dieses Leben. Für nicht mehr und nicht weniger. Vor allem für kein DANACH.

17:57

Nach dem Konzert mit den Working Worms habe ich die meiste Zeit des Tages im Halbschlaf verbracht. Soviel zu meiner Realpräsenz. Das Konzert gestern abend wurde erst in seiner letzten Phase so, wie es von Anfang an hätte sein können, wäre da nicht der Großnörgler X. gewesen, schon von weitem am gelangweilten Gesicht mit eingraviertem Missmut zu erkennen.
Als er fort war, ging ein Ruck durch die Band.
Wir haben also etwas gelernt. Wir haben gelernt, uns beim nächsten Mal nicht kirre machen zu lassen von Typen wie X., Y. oder Z., die immer ein Haar in der Suppe finden.

 

Fr 11.06.04   9:45

Aus der Serie:

Kleine Leute, kleine Sorgen


An die Leitung des
Kultursekretariats NRW

Guten Tag Herr ...

als ich Ende 2002 davon erfuhr, dass das Kultursekretariat meine Lesungen 2003/2004 fördern würde, war ich höchst erfreut. Im Februar 2003 feierten wir die gute Nachricht in der Stadtbücherei Krefeld mit einem kleinen Empfang anlässlich der Veröffentlichung des Autoren Readers. Knapp zwei Monate später kam dann schon der erste Dämpfer: die Förderung sei wegen der schrumpfenden Landesmittel in Gefahr.
Dennoch konnte ich 2003 ca. 25 Lesungen mit Hilfe des Kultursekretariates durchführen. Es gab während dieser Zeit nie ein organisatorisches Problem.

Seit April dieses Jahres ist das anders. Schon mehrfach haben Veranstalter mich angerufen und sich über Verzögerungen und Unklarheiten seitens des Sekretariats bei der Vorbereitung für eine Lesung beklagt. Jedes Mal stand ich als Autor da wie jemand, der seine Kunden an einen Partner verwiesen hat, der nicht korrekt arbeitet. Erst vorletzte Woche sprach ich deshalb mit Herrn ... und bat ihn um eindeutigere und klarere Auskünfte gegenüber den Veranstaltern.

Gestern nun rief mich ein Veranstalter an, den ich gebeten hatte, für eine Lesung im September Kontakt mit dem Kultursekretariat aufzunehmen. Er sagte mir, er habe von Herrn ... erfahren, dass der Etat für weitere Lesungen ausgeschöpft sei.

Ich bitte Sie nun, sich vorzustellen, wie dumm ich als Autor dastehe, der noch vor einer Woche ca. 50 Briefe an Schulen und Stadtbibliotheken verschickt hat, in denen er eine Lesung anbietet, die vom Kultursekretariat gefördert wird.

Hätte Herr ... mir bei unserem letzten Gespräch gesagt, wie es um die Förderung für das laufende Jahr steht, hätte ich mich zwar geärgert, aber eingesehen, dass in Zeiten knapper Kassen so etwas passieren kann. Das aber ist nicht geschehen und ich finde es ungeheuer, dass er mich so vor die Wand laufen lässt. Ich bin mit der Art und Weise, wie hier mit einem Autor verfahren wird, ganz und gar nicht einverstanden und protestiere aufs Schärfste gegen diese Art von Nicht-Information.

Was soll ich Veranstaltern nun sagen? Tut mir Leid, mein Fehler?

Ich habe die Angebote für meine Lesungen bis Ende 2004 im Glauben verschickt, dass das, was im Autoren Reader "Schreiben Lesen Hören" ausgelobt wurde, auch den Tatsachen entspricht.
Offenbar ist das nicht so.

In der Hoffnung auf ein gutes Ende verbleibe ich dennoch

mit freundlichem Gruß

Hermann Mensing

Hier die Antwort vom 15.Juni 2004

 

Sa 12.06.04 12:06

Ein paar Sätze zum Feldschlösschen, der Kneipe, in der ich mit den Working Worms am Mittwochabend spielte. Ein seltsamer Ort für zu großen Teilen improvisierte Musik, denn eigentlich ist die Kneipe Hochburg der örtlichen Schalke Anhänger. Hier wird samstags Premiere geguckt. Und getrunken.
Die Kneipe liegt in einem gutbürgerlichen Viertel am südwestlichen Stadtrand, vornehmlich Einfamilienhäuser in gepflegten Gärten, geschützt durch 30 KmH-Zonen, der Zoo ist nicht weit, der Aa-See auch nicht, dann verliert sich das Viertel in Wiesen und Feldern.

Die Wirtsleute, herzensgute Trinker, hatten mit dem Pianisten und Gitarristen der Band, die sich einmal ziemlich spät noch auf ein Bier in die Kneipe gewagt hatten (unschlüssig, ob sie so, wie sie aussehen, willkommen wären) Freundschaft geschlossen. Im Verlauf hatte sich nämlich herausgestellt, dass sie in einer Rockband spielen und der Wirt Rockmusik liebt. Seine Frau auch. Dritter im Bunde mit den Wirtsleuten ist ein junger Franzose, der im Keller der Kneipe lebt. Er ist für den Grill zuständig und veranstaltet hin und wieder französische Abende, auf denen er das Waschbrett spielt.
Gehört haben das bisher aber nur wenige.

An jenem Abend kam es zu ersten vagen Absprachen für einen Gig mit einer Jazz-Band, die noch gar nicht existierte. Eigentlich gibt es sie immer noch nicht, denn wir proben ja nie. Wir sind ein Spaß-Projekt. Ein höchst musikalisches allerdings.
Der Gitarrist und der Pianist - Freunde meines ältesten Sohnes - erfanden den Namen der Band: Albert Early Bird and the Working Worms.
Dann riefen die beiden mich an und fragten, ob ich Lust hätte, mitzumachen.
Ich sagte zu.

Als wir am 1. Mai im Feldschlösschen auftraten, hatten wir gerade mal eine halbe Stunde in meinem Schlafzimmer miteinander geprobt. Der Auftritt fand mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Freunde und Verwandte waren da. Ein paar versprengte Gäste kamen später hinzu. Wir spielten von mittags bis abends, aßen, tranken und verbrachten einen sehr entspannten Nachmittag. Die Wirtsleute waren begeistert, denn wir hatten u. a. Smoke on the water gespielt und auf Nachfrage die Biene Maja in einer High-Speed Version.
So wurden wir für einen zweiten Gig am vergangenen Mittwoch gebucht.

Gespielt wurde wieder im Biergarten. Dieses Mal war er rappelvoll. Aus unerfindlichen Gründen waren sie aus ihren Einfamilienhäusern gekommen, um bei herrlichem Wetter Gegrilltes zu essen und dazu zu trinken.
Die Wirtin versteckte ihr mit Weißwein gefülltes Wasserglas in einer Kühlbox, in der sie auch den Kartoffelsalat aufbewahrt, der Wirt trank offen mit seinen Gästen, wie er es immer tut, der Franzose trinkt auch, man sieht nur nicht, wann. Ich kann nicht sagen, ob die drei schon vorher betrunken waren oder sich erst im Verlauf betranken, sicher aber ist, dass sie im Trubel bald den Überblick verloren.
Aber sie lieben ihren Job. Es scheint sie zu begeistern, dass plötzlich zwei, drei, vier Tische von langhaarigen Freunden des Brudes unseres Pianisten belegt sind, während die guten Bürger weiter vorn sitzen.
Aber auch die schienen sich an der Musik zu freuen. Jedenfalls gab es viel zugeraunten Zuspruch auf dem Weg zur Theke oder zur Toilette. Schöne Musik macht ihr, sagten sie.

Wir spielten unter einer mächtigen Kastanie. Manche der jungen Leute kifften, wovon die älteren wohl nichts ahnten. Gegen Mitternacht kam die Polizei. Es muss leiser werden, sagte sie. Wir waren sowieso beim letzten Set, spielten Freude schöner Götterfunke und zum Abschluss Der frühe Vogel fängt den Wurm. Die Wirtsleute hatten glasige Augen. Wir erhielten unsere bescheidene Gage. Wir hätten auch umsonst gespielt, denn vorrangig ging es um unseren Spaß. Vielleicht werden wir sogar noch einmal eine Band, die probt. Könnte sein. Man soll, wie man sagt, nie nie sagen...

 

So 13.06.04 12:45

Ich saß beim Frühstück, als die große Schwester kam, um mir ihr Leid zu klagen. Ich hatte vor Wochen an ihrer Schule gelesen. Und noch immer hatte das Kultursekretariat ihr den Förderungsantrag nicht geschickt. Viermal habe sie deswegen schon mit Herrn X. gesprochen, viermal habe der sie vertröstet, einmal dies zugesagt, dann jenes. Diesem hoch qualifizierten Mitarbeiter gelingt es offenbar nicht, zwei Vorgänge gleichzeitig zu bearbeiten. Er scheint zu dumm.
Sollten Sie mich also immer noch für eine Lesung buchen wollen, vergessen Sie alles, was ich je über die Förderung des Kultursekretariats gesagt habe. Niemand hat wirklich Interesse an Leseförderung. Das sind alles Lippenbekenntnisse. Man baut lieber Prestigeobjekte, vor denen man sich fotografieren lassen kann. Große Museen, schicke Musikhallen, so etwas. 15.000 Euro für Leseförderung für ein Land die NRW (aufgeteilt auf sechs zu fördernde Autoren) sind da schon das höchste der Gefühle.
Herzlichen Glückwunsch, kann ich da nur sagen.

 

Mo 14.06.04 10:00

Guten Morgen liebe Leser,
ich habe heute früh Kreide gefressen, anders lässt sich meine Stimmung kaum erklären. Dabei hätte ich doch allen Grund, schreiend davon zu laufen. Ich müsste nur aus dem Fenster sehen, wo pastellfarbene Unterwäsche neben orangenem Nachtzeug hängt, wo eine mit Blumenhose (dreiviertel) bekleidete Nachbarin darauf wartet, mich in Wortkaskaden zu ersäufen und eine verhangene Sonne über all jene lacht, die es nicht einmal fertig bringen, eines ihrer Grundrechte wahrzunehmen, das Wahlrecht, das sicher weit über fünfzig Prozent der Menschen dieses Planeten gern besäßen.
Stattdessen werden sie europaweit weiter nörgeln und sagen, dass man doch nichts ändern kann.
Wie falsch sie liegen.
Wie groß ihre Macht wäre, würden sie sie nur nutzen.
Guten Morgen also.
Ich schloss gestern meinen ersten Vertrag für eine Lesung mit einem rein kommerziellen Veranstalter ab und hoffe, dass er ein Erfolg wird.
Ich blätterte gerade durch den Herbst Katalog meines Verlages (oder sollte ich sagen: Ex-Verlages) und hatte das gleiche Gefühl wie jedes Jahr: verschnarchtes Design.
Träume große Träume.
Werde morgen früh in einer katholischen Bücherei lesen.
Ab dafür.

14:33

Da Kurzsichtigkeit verhindert, Drogen zu legalisieren, ist es der Drogen-Mafia u.a. gelungen, den THC Gehalt des von Natur aus eher harmlosen Cannabis derart hoch zu züchten, dass man von seinem Verzehr abraten muss. Es ist nicht gesund.
Stellte man sich nun vor, dass alle Drogen legal zu erwerben wären, unterlägen sie einer strengen Genussmittelkontrolle, auf den Verpackungen wären Hinweise auf Wirkung, Zusammensetzung, man wüsste, was wie und wie lange wirkt, man wäre in der Lage zu entscheiden, ob man (wie z.B. beim Alkohol) heute vielleicht einmal etwas Kräftiges (z.B. Whisky) konsumieren möchte, oder lieber etwas Sanftes.
Da die Legalisierung jedoch Utopie bleiben wird, werden wir manche unserer Kinder auch in Zukunft an skrupellose Drogen-Kriminelle verlieren, statt sie mit Bedacht, verbunden mit sozialen Ritualen, über den Konsum von Drogen aufzuklären und in entsprechendem Alter einzuführen.
Stattdessen ermöglichen wir Kriminellen weiterhin horrende, noch dazu unversteuerte Gewinne, die sie zu weiteren kriminellen Geschäften verwenden oder mit Hilfe korrupter Banker waschen.
Ein nicht ungefährlicher Zustand.

 

Di 15.06.04 8:14

Vor der Lesung ist nach der Lesung. Oder wars anders rum? - Na ich weiß nicht, jedenfalls werde ich gleich kleine Premiere mit dem Vampir Programm feiern. Ich bin gespannt, ob die Geschichte funktioniert.

13:15

Premieren sind gefährlich. Jedenfalls meine Premieren, denn ich bereite mich ja aus Prinzip nicht vor. Ich will ja, dass es gefährlich wird, ich will, dass mir der Schweiß auf die Stirn tritt und das existentielle Nichts vor mir gähnt, wenn etwa die Unterschenkel der Zuhörer beginnen, vor und zurück zu schaukeln oder sie anfangen, ihre Köpfe zusammen zu stecken.
Ich will spüren, wo ich zurücknehmen muss, nachlegen, auslassen, vielleicht sogar übertreiben.
Anschließend spüre ich meist so etwas wie post-koitale Trauer. Der ein oder andere wird sich erinnern.

Ich las fast bis Seite 60.
Im anschließenden Gespräch wurde deutlich, dass der Text funktioniert. Aber natürlich habe ich wieder den Fehler gemacht, den ich immer mache, wenn ich mit etwas Neuem beginne: ich habe zu schnell gelesen.
Erst in den letzten fünfzehn Minuten hatte ich das im Griff; ab da wurde es sofort spürbar dichter.
In jedem meiner Lese-Exemplare steht auf der ersten Seite: langsam lesen, Hermann, langsam...., aber bei Premieren vergesse ich das. Bei Premieren neige ich zu kopflosem Davonstürmen, das wird kaum zu ändern sein.
Unterm Strich war es also eine befriedigend-ausreichende Lesung.
Zwei- dreimal noch, dann werde ich wissen, wie ich diese Geschichte am besten in Szene setzen kann.

Der Roman steht im Gegensatz zu meinen vorigen Arbeiten im Präsens.
Dahinter steckt meine Überzeugung, dass das Präsens die bestmögliche Annäherung an die Fantasie des Zuhörers ist, die ja - wenn es gut ist und mitreißt und spürbar wird - alles in Gegenwart verwandelt.

Anschließend habe ich Teile der Gage mit C. im Café des Picasso Museums verfrühstückt. Danach war es mit der post-koitalen Trauer schon viel besser. Dann habe ich mir die Bert-Brecht Sandale gekauft, die ich schon vor Monaten gesehen, aber wegen knapper Finanzen zurückgestellt hate.
Was für ein blöder Name für eine schöne, robuste Sandale. Und was für ein unverschämter Preis.

 

Mi 16.06.04   7:49

Hin und wieder veranstaltet die Westfälische Wilhelms Universität Literarische Abende zu menschlichen Themen. Der 16. dieser Reihe fand gestern statt. Hin und wieder - wenn auch selten - fühle ich den Intellektuellen in mir und gehe - wider besseres Wissen - zu solchen Veranstaltungen.

Man trägt dort gern dick auf, weiß ich, denn ich war schon mal da, man sieht Männer mit rechts oder links knapp über den Schläfen angesetzten Scheiteln, die ihr silbergraues Haar von dort unter Zuhilfenahme härtester Substanzen links bzw. rechts über den ansonsten kahlen Schädel verteilen, andere tragen marineblaue Zweireiher mit Goldknöpfen, Damen mögen gern faustgroße Ohrclips und allerlei Ketten, aber auch junges Volk ist da, strebsame Studenten und sogar Gruftis.
Auch ein Nachbar sitzt nicht weit, und ich frage mich, was ihn hertreibt.

Der Titel - Zeit - sonst nichts?

Der begrüßende Professor Dr. W.E. B. jedenfalls glaubt, mir und den anderen unterstellen zu dürfen, ich (wir) hätten eine gute Wahl, die gegen den Fußball, getroffen. Er irrt. Jedenfalls irrt er, falls er mich meint. Mein Plan ist es, rechtzeitig zu verschwinden.

Als erste spricht die Professorin Dr. C.D. vom Institut für angewandte Physik über Realitv viel Zeit - Zeit ist relativ: Zum Zeitbegriff in der modernen Physik.
Ich lerne, dass die Frage lautet: Wie ist die Zeit?
Nicht: was ist die Zeit.
Das hat mir gefallen.

Im zweiten Vortrag sprach die Professorin Dr. K. W vom romanischen Seminar über die gerettete Zeit.
Victor von Bülow hätte sie Satz für Satz zitieren können, und die Menschen hätten sich gebogen vor Lachen. So aber sehnten sie sich nach dem Ende ihrer Rede. Vor allem ich, denn die Zeit rückte vor und ich traute mich nicht, aufzustehen und quer durch den rappelvollen Saal des Alexander von Humboldt Hauses Richtung Anpfiff zu eilen.
Stellen Sie sich also meine Not vor.
Frau Professor Dr.K.W. schwärmte gerade von einer Textstelle, die sie nun lesen wolle. Diese Stelle sei Kult für all jene, die den großen Schriftsteller ... verehrten.

"Gleich darauf führte ich, bedrückt durch den trüben Tag und die Aussicht auf den traurigen folgenden, einen Löffel Tee mit dem aufgeweichten kleinen Stück Madeleine darin an die Lippen. In der Sekunde nun, als dieser mit Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen und war wie gebannt durch etwas Ungewöhnliches, das sich in mir vollzog. Ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt bliebt, hatte mich durchströmt. Mit einem Schlage waren mir die Wechselfälle des Lebens gleichgültig, seine Katastrophen zu harmlosen Mißgeschicken, seine Kürze zu einem bloßen Trug der Sinne geworden; es vollzog sich damit in mir, was sonst die Liebe vermag, gleichzeitig aber fühlte ich mich von einer kostbaren Substanz erfüllt: oder diese Substand war vielmehr nicht in mir, sondern ich war sie selbst. Ich hatte aufgehört, mich mittelmäßig, zufallsbedingt und sterblich zu fühlen."

Ich atmete auf, aber zu früh, Professor Dr. K.W. begann, die Kultstelle mit allen Tricks der Interpretation aufzuarbeiten.
Aha! dachte ich.
Warum bin ich bloß nicht selbst drauf gekommen...
Wär' ich doch bloß zu Hause geblieben.

PS.
Der große Schriftsteller, der Zeit seines Lebens versuchte, durch sein Werk Zeit zu retten, kränkelte. Auch sonst litt er gern und viel. Sein Werk ist Frau Professor Dr. K. Westerwelle bestens bekannt. Sie kennt es fast noch besser als er.

Ob sie Guidos Schwester ist? -

Sie redet und redet. Es wird es 20:28 Uhr.
Während ich fürchte den Anstoß zu verpassen, drängt sich mir ein schrecklicher Gedanke auf:
Sie ist seine Schwester. Auch, wenn sie es nicht ist, sie ist seine Schwester. 
Genau der gleiche, oberlehrerhafte Ton dieser pinkeligen Intellektuellen-Schisser, die ihre Stimme bebend erheben, wenn sie französische Zitate einfließen lassen. Fehlt eigentlich nur der Schmiss.

Oh, es ist 20:32.
Ich werde den Anstoß verpassen.
Aber um 20:36 Uhr kommt sie wider Erwarten zum Schluss, man applaudiert höflich und ich bin weg.

Die Pause, in der Gelegenheit bestand, bei einem Imbiss miteinander ins Gespräch zu kommen, erlebte ich schon nicht mehr. Da eilte ich durchs fett-grüne Westfalen heimwärts, hörte im Radio, dass in der zweiten Minute vorm deutschen Tor einiges los war, dachte mir meinen Teil, erreichte das heimatliche Sofa und war fortan recht angetan von dem Schicksalsspiel.

13:30

In dieser Welt fällt sofort auf, dass etwas nicht stimmt...

 

Do 17.06.04   10:00

Als ich gestern am frühen Nachmittag in der Eisdiele saß, wurde ich Zeuge dieser kleinen Welt-Erklärung. Links neben mir nämlich saß eine junge Frau mit zwei etwa 10jährigen Mädchen. Ob beide ihre Töchter waren, weiß ich nicht, aber das ist für die Erzählung auch unwichtig.
"Duuuu?", sagte die eine, "wenn Männer sich lieben, sind die schwul."
"Stimmt!" sagte die Frau ein wenig überrascht.
"Und wenn Frauen sich lieben, sind die lesbisch", sagte das andere Mädchen mit Expertenmine.
"Woher wisst ihr das?" fragte die Frau.
"Hat Hannah gesagt", sagte das erste Mädchen. Dann kicherte sie und fügte hinzu: "Und weißt du, was die tun?"

Die Frau schüttelte den Kopf. Ich nehme an, sie hatte nicht richtig zugehört. Vielleicht hätte sie besser genickt, um sich das nun Folgende zu ersparen. Das wird nämlich im Brustton der Überzeugung laut und deutlich vorgetragen, so dass man es noch fünf Tische weiter hören kann.
"Die stecken sich den Pimmel in den Po!"
Kreischendes, erfreutes Gelächter der beiden Mädchen, kurzes Zusammenzucken der Frau, dann sieht man, dass sie darüber nachdenkt, die Informantin, Hannah, einmal genauer in Augenschein zu nehmen.

Soviel für heute.

13:00

PS. Weiß niemand, wer der Meister war, der Madeleines in Tee tunkte?

 

Fr 18.06.04 10:10

Der aktuelle Kosmetiktipp:

Liebe Herren fortgeschrittenen Alters (also ab 40).

Denken Sie auch manchmal vorm Spiegel, das kann doch nicht ich sein?
Diese schlabbernden Haut unterm Kinn?
Nun, ich weiß Abhilfe.
Der Trick ist so simpel, dass Sie ihn mir kaum glauben, aber er funktioniert: lassen Sie sich einen Drei-Tage-Bart stehen. Achten Sie aber darauf, dass aus dem Drei-Tage-Bart, wie ihn ja heute jedes Arschloch tragen darf, kein Pennerbart wird, der den Vorteil der Halsstraffung kontert und Ihnen Vertrauenswürdigkeit nimmt. 
Sie glauben das nicht?
Schauen Sie sich dieses Fotos an, aufgenommen vor etwa zwei Jahren.

Und nun dieses. Es wurde gestern aufgenommen.

.

 

15:45

"Gut, dass wir nie Mütter werden können!" sagt ein Mann Mitte 20 glücklich zu seinem gleichaltrigen Begleiter beim Verlassen des Marktcafés, auf dessen Terrasse ich sitze.
"Aber Väter!" rufe ich, bleibe jedoch ungehört, was mich veranlasst, diese nicht ganz richtige Einschätzung der jungen Männer öffentlich zu machen, denn das Vater-Werden ist viel leichter als das Gebären eines Kindes, die Folgen aber sind lebenslang, was sich, wie ich weiß, junge Männer kaum vorzustellen vermögen.
Ich selbst bin nach über 20jähriger Vaterschaft (doppelt) ja immer noch nicht in der Lage, Auskunft über die Motive zu geben, die mich blauäugig das Lager wechseln ließen.
Allerdings ist es wichtig zu wissen, dass ich es nie bereut habe. Das Gegenteil ist der Fall. Die Vaterschaft war und ist größte Bereicherung meines Lebens.

 

Sa 19.06.04 11:35

Und wie stolz Väter sind, hat man sie erst einmal überredet. Wie sie ihre Brut in Baby-Born-Tragesäcken vorm Bauch präsentieren, als wäre sie ihnen höchstpersönlich aus der Gebärmutter gekrochen. Und wie sie mit ihr reden. "Das gehört der Mama. Wehe, der Papa geht da dran." Schockierend! Was soll das Kind bloß denken?

 

Mo 21.06.04 8:50

Manchmal spreche ich mit ihm. Sage ihm, dass er mich haben kann, wann immer er will. Dann lacht er. Dann sagt er, dass er schon wisse, was er wann wo zu tun habe, dass er mir danke für mein Angebot, dass ich mir aber darüber nicht den Kopf zerbrechen solle. Kommt Zeit, kommt Rat, sagt er. Gut, antworte ich, ich meinte auch nur und spüre, dass mein Herz wieder langsamer schlägt. Wieso es das tut, weiß ich nicht. Nichts weiß ich. Nichts über die Gründe meines Hierseins und noch viel weniger über die Gründe meines bevorstehenden Weggehens. Nichts über Sinn und Zweck irgendeiner je von mir ausgeführten Tätigkeit, nichts über Sinn und Zweck der biologischen Geschehnisse, die es ermöglichten, dass ich das Licht der Welt erblickte. Nur Vermutungen habe ich. Die Vermutung, dass das Leben Schuld sein könne. Dass das Leben Preise fordere. Etwa den, es mit allen Verwirrungen zu überstehen. Es zu genießen, wenn es genießbar ist. Es nicht einmal dann zu verfluchen, wenn es unerträglich scheint. Das - könnte sein - weiß ich. Dass der Fluß, in den das alles mündet, gnädig ist - könnte sein - weiß ich auch. Einzig der Übergang könnte schwer werden. Aber den haben vor mir noch alle geschafft. Große Sünder, Heilige und Huren. Der Fluß nimmt sie und fragt nicht. Der Fluß trägt sie. Man darf also sorglos sein. Man darf, und könnte den kleinen Rest seiner Sorge, den, der ständig fragt, ob man Schmerzen haben wird oder Angst, ob es schnell gehen wird oder sich hinzieht, den könnte man getrost abschreiben, denn man hat ja gesehen, wie das geht, man hat es bei der Mutter gesehen, bei der Tante, man hat es beim Vater gesehen, und zum Glück hat man - genau wie sie - keine dieser 2000jährigen religiösen Phobien, etwa die Angst vor der Hölle, mit der Seelenfänger versuchen, Menschen gefügig zu machen für ihren weltlichen Anspruch auf Macht. Ein Glück, dass man von Mann zu Mann mit ihm sprechen darf. Ein Glück, dass man ohne die Vermittlung unverheirateter, vom Alltag nichts Wissender unter brokatenen Mitren und kunstvoll bestickten Umhängen auskommt, dass man ganze Sonntag seelenruhig verschläft, ohne je ein schlechtes Gewissen zu haben. Nur eine Gewissheit gibt es. Jeder weiß das. Warum als sich sorgen. Er ist gnädig.

13:10

Men-Sing Pickelharte Therapie bietet:

Fernsehen auf zwei Fernsehgeräten zur gleichen Zeit. Während wir die Vorberichterstattung über uns ergehen lassen, Chips, geschnittene Möhren, Gurken, Lakritze und Getränke konsumieren, bereiten wir uns auf die gleich beginnenden Spiele vor. Links läuft Portugal-Spanien, rechts Griechenland-Russland. Als kompetenten Verleumder, Besserwisser und Pöbler haben wir unseren jüngsten Sohn eingeladen, eine Kapazität. Seine Sprüche sind so unter jeder Gürtellinie, wie Sie es kaum jemals gehört haben.
Daher bieten wir diese Therapie nur Hartgesottenen an und sehen Sie als Ergänzung zu unseren übrigen Angeboten der Lebensbewältigung für Menschen, die sonst alles haben und vor Langeweile umkommen.
Buchen Sie frühzeitig, die wenigen Therapieplätzung sind erfahrungsgemäß schnell ausgebucht. Ein Abend kostet 500 Euro.
Wollen Sie die den Spielen folgende familiäre Auseinandersetzung und das finale Hinausweisen des jüngsten Sohnes auch noch erleben, wollen Sie sehen und hören, wie er wegen nichts und wieder nichts tobt, sich ereifert und aufführt, als hätte er den Verstand verloren, erhöhen sich die Kosten auf 750 Euro.

17:10

Weitere Vorschläge hier.....

 

Mi 23.06.04   11:15

Gestern kam die Frage auf, wer für wen der Richtige sei und wenn ja, warum.

Der Dialog ging ungefähr so:

Eine Leserin:

Auf meine Frage nach Ihren musikalischen Darbietungen haben Sie gar nicht reagiert! Warum?

Darauf ich:

Nun, was die musikalischen Darbietungen anlangt: Sie könnten morgen Abend in den Hot Jazz Club kommen, dort findet eine Jazz-Session statt, und falls nicht zu viele Trommler anwesend sind, werde ich dort spielen. Was allerdings die Working Worms angeht, da gibt es noch keinen Termin, außerdem glaube ich, dass Sie dafür nicht die Richtige sind.

Darauf diese Replik:

Hätten Sie vielleicht Lust mir zu sagen, wofür ich die Richtige bin, ob oder was das überhaupt heißt?

Ich:

Sie wollten eine Antwort. Das war eine Antwort.

Ergänzend dazu noch einmal ich:

Nachdem meine Mail offenbar für Verwirrung gesorgt hat, entwickelte ich einen für den westdeutschen Sprachraum unter Berücksichtigung der Nähe zu den Niederlanden repräsentativen Fragenkatalog, der Ihnen schnell sagt, ob sie die Richtige/Falsche sind.

1. Jimi Hendrix starb an verdorbenen Hamburgern - Richtig - Falsch - Weiß Nicht

2. John Lennons Arsch war schöner als der von Yoko Ono - Richtig - Falsch - Weiß nicht

3. Ich konsumiere hin und wieder Cannabis Richtig - Falsch - Weiß nicht

4. AC/DC ist eine Fluggesellschaft Richtig - Falsch - Weiß nicht

5. Bestimmte Gitarren haben zwei Hälse Richtig - Falsch - Weiß nicht

7. In meiner Jugend konsumierte ich Halluzinogene Richtig - Falsch - Weiß nicht

8. Ich bin ein Arbeiter-Kind Richtig - Falsch - Weiß nicht

Sollten drei ihrer Antworten Falsch lauten, haben Sie verloren.
Lauten Sie Richtig, bedeutet das auch nichts.
Lauten sie Weiß nicht, deutet das vielleicht auf ein Defizit hin.
So, und nun prüfen Sie sich auf Wissen und Gewissen und stimmen Sie ein, wenn es heute Abend wieder heißt: Deutschland Deutschland über alles, über alles in der Welt.....

14:23

Hier nun erste Antworten aus der weiten Welt, diese von Malte B.

1. Jimi Hendrix starb an verdorbenen Hamburgern - Falsch
2. John Lennons Arsch war schöner als der von Yoko Ono - Richtig
3. Ich konsumiere hin und wieder Cannabis - Falsch
4. AC/DC ist eine Fluggesellschaft - Falsch
5. Bestimmte Gitarren haben zwei Hälse - Richtig
7. In meiner Jugend konsumierte ich Halluzinogene - Falsch
8. Ich bin ein Arbeiter-Kind - Falsch

 

Do 24.06.04 13:43

stunkfille

debröppelt sitzt Herr M. und hadert
mit
mittelmäßig großer lust am li
mit
seines weltdervruss
es
denkt: lass es
schließlich muss
es
nicht gleich heute
sein
vielleicht ist morgen
auch noch fein
jedoch ohn'
sückricht auf die keiterheit
hat sich ein
klotz ans bein hegängt
der jeden schritt
mit klotzsegang schebenkt
was wiederum die heiterkeit
beschränkt

 

Fr 25.06.04 9:13

Auf dem Weg zum Schulzentrum war Meister M. tief in düstere Gedanken verstrickt. Wie weh die entzogene Unterstützung eines Verlages tut, dachte er, wie sehr sie das Selbstvertrauen erschüttert, wie lang man doch braucht, um so einen Schock zu verwinden.
Zwei Lesungen standen heute auf seinem Programm und M. wusste nicht recht, was zu lesen wäre an so einem Morgen, in so einer Schule, in so einem Viertel, das so einen schlechten Ruf hat im Beamtenarsch Münster.
Ich werde auf Nummer Sicher gehen, dachte er, während er seinen Wagen durch den Morgenverkehr lenkte.
Vor einer roten Ampel gähnte auf der Nebenspur links von ihm ein junger Mann in einem Golf sitzend herzhaft. M. schickte ein solidarisches Lachen herüber, ein Nicken kam zu ihm zurück.
Wenn du wüsstest, dachte M.!
Schließlich musste er keinem Büro seine Aufwartung machen, keinem Chef dienen.
M. diente nur sich selbst und seinen Motiven. Eines ist Eitelkeit, dachte er beschämt.

Als er den Schulhof betrat und die vor der Schultür auf ihn wartenden Kinder sah, zerfielen seine dunklen Gedanken mit einem Schlag. Sofort begann er Pläne zu schmieden. Er würde nicht auf Nummer Sicher gehen, nicht lesen, was er las, wenn er eine sichere Bank brauchte, er würde auf Risiko setzen.
Und so las er aus seinem neuen Roman, dem Vampir Programm.
Las sitzend, während er sonst gern herum geht. Las, wie er es auf die erste Seite notiert hatte: Langsam, lies langsam, Hermann. Er las, schaute herum, betonte, schmeckte, versuchte zu fühlen.
Weg war die Dunkelheit und er wieder einmal gerettet.

In der Pause vor der zweiten Lesung kam die Direktorin ins Lehrerzimmer und bat um Aufmerksamkeit:
Herrn M., dem Vater einer Schülerin, werde heute ein Bescheid zugestellt, in dem ihm das Sorgerecht für seine Kinder entzogen wird, sagte sie. Seine Familie, die er über lange Zeit terrorisiert habe, sei in sicherer Verwahrung.

Herr M. - ein gebürtiger Iraner - habe aber jetzt angekündigt, dass er sich rächen wolle. Rächen am deutschen Staat, rächen an der Schule, rächen an allen. Er sei etwa 180 groß, wirke intellektuell, sollte er also auftauchen, bitte sie darum, sofort die Polizei zu benachrichtigen. Ein Streifenwagen kontrolliere das Viertel, man wisse Bescheid, nach einem Notruf werde es kaum fünf Minuten dauern, eh Beamte vor Ort wären.
Alle Anwesenden des Kollegiums waren besorgt - nur Frauen, wie häufig an Grundschulen.
M. trank noch einen Kaffee machte sich auf zur zweiten Lesung.

Diesmal las er aus Voll die Meise, eine Geschichte, die, so erinnerte er sich, ihn bei den ersten Lesungen viel Kraft gekostet hatte, denn es ist eine Geschichte, die sich langsam entwickelt, die Zeit will. Drei, vier Lesungen lang hatte er geglaubt, dass sie bei den Kindern nicht zünde, dann aber hatte er begriffen, dass das Gegenteil er Fall war.
Und auch diesmal wieder: aufmerksame Kinder. Ein lebendiges Gespräch danach.
Kein Grund zu zweifeln!

Als er nach Ende der Lesung mit der Lehrerin auf dem Weg zum Lehrerzimmer über den Schulhof ging, kam ein Mann auf sie zu. Etwa 180 groß, dunkelhaarig. Die Lehrerin zuckte zusammen. Auch M. fürchtete, dass das der Mann sein könne.
Was kann ich für Sie tun? fragte M., als sie aufeinander getroffen waren. Der Mann roch nach Alkohol und sah als, als hätte er in seiner Kleidung geschlafen.
Er wolle die Direktorin sprechen, sagte der Mann.
Wie er denn heiße, fragte M. und der Mann sagte seinen Namen. Es war nicht der Name des Gesuchten.
Dann warten Sie bitte hier, sagte M., ich werde der Direktorin Bescheid sagen.
Die Lehrerin an seiner Seite atmete auf. Kaum hatten M. und sie das Schulgebäude betreten, sagte sie, ich glaube, wir bräuchten doch Männer an dieser Schule, Männer regeln so etwas anders.
M. lächelte. Die Rektorin war noch im Unterricht. M. ging zu dem Mann zurück und sagte ihm, er möge in einer Viertelstunde wiederkommen. Der Mann nickte und ging.
M. erhielt sein Honorar und fuhr hocherhobenen Hauptes davon.

 

Mo 28.06.04    8:44

Ich stand bei den Frauen, die Kartoffelpuffer brieten, vier oder fünf Frauen in Kittelschürzen wie meine Mutter sie trug, alle um eine große Pfanne mit Ausgießen, Herumdrehen und Herausnehmen der Puffer beschäftigt, ich hatte gerade gesagt, Apfelmus fehle, als mir jemand von hinten kommend eine Hand unter meinen linken Unterarm legte, diese mit seiner anderen Hand schloss, wie eine Handschelle fast, mich mit sanftem Druck vorwärts schob und sagte: "Ich bin der Pastor".
Kein Wunder eigentlich. Schließlich war ich als Autor Gast eines Pfarrfestes.
War noch keine Viertelstunde da und alle meine Befürchtungen hatten sich schon beim ersten über den Platz gehen bestätigt. Es gab eine Hüpfburg, eine Feuerwehrkapelle musizierte bierernst, es gab ein Kasperlespiel, einen Kinderzirkus, es gab Kaffee und Kuchen und die Bierwagen wurden von Männer mit geröteten Gesichtern umlagert. Zwischen all dem sausten Kindern verschiedenen Alters herum.
Und hier sollte ich lesen??
"Ach", sagte ich.
"Kommen Sie!" sagte er.
Der Pastor und ich gingen in die kleine Bücherei, sprachen über unsere Berufe, und als ich sagte "ich lese für mein Leben gern", entgegnete er, "und ich predige gern".
Das klang überzeugend, wenngleich ich ungern von Fremden angefasst werde.

Am Morgen, ich saß gerade vorm Computer, um mir für die Presse (falls Presse anwesend wäre) ein Informationsblatt ausdrucken zu lassen, hatte das Telefon geklingelt.
Frau K., die Organisatorin, war am Apparat. Im Hintergrund tobte die Kapelle.
Ob ich Sie auch nicht vergessen hätte, fragte sie.
Ich überlegte, einen meiner Sonntagmorgenscherze abzuschießen, wahre Knaller trockenen Humors, etwa die Frage: Wer sind Sie denn?, ließ es aber, denn sie schien sehr besorgt.
Ob es nicht vielleicht besser wäre, ich läse schon um 14:30 statt wie verabredet um 15:00 Uhr? fragte sie.
Woher soll ich das wissen, fragte ich zurück, aber wenn Sie möchten, ich bin fertig, ich könnte auch jetzt schon kommen.
Nein, nein, sagte sie, ich dachte nur, ich weiß ja nicht, wie lange die Kinder da sind.

Um kurz nach zwei überlegten wir, wie man es am besten anstellen könnte, die Kinder aus dem Trubel zu lösen und in die Pfarrbücherei zu locken. Frau K. würde Mütter ansprechen, schließlich kannte sie alle. Der Küster würde eine Ansage machen, aber plötzlich fiel jemand ein, dass zur gleichen Zeit der Kinderzirkus auftreten würde. -
Stimmt, das hatte Frau K. übersehen.
Also würde die Lesung doch erst um 15:00 Uhr beginnen. Oder um 14:45 Uhr?
Gut also, um viertel vor.

Die Musik war verstummt, der Kinderzirkus beendet, ich trat ans Mikrofon und sagte, dass die Geschichte, die ich gleich vorlesen würde, für Kindergartenkinder geeignet wäre. Es gehe um eine Wunschmaschine, mit der ein Junge, der Ärger mit seinen Eltern hatte, seine Eltern wegzaubere. Und dass diejenigen, wie wissen wollten, wie so etwas ausgeht, jetzt bitte gleich sofort in die Bücherei kommen sollten.

Der Autor als Rattenfänger.
Wird das gesondert abgerechnet?

Ich las Die weggezauberten Eltern. Dreißig Kinder hörten zu. Die Binsenweisheit, dass ein Autor nur so gut sein kann wie die Kinder, bewahrheitete sich wieder einmal. Meister M. war höchst zufrieden. Der Pastor brachte ein Stückchen Torte und die Kinder bekamen Autogramme.

Zur zweiten Lesung waren Grundschulkinder gefragt. Auf dem Kirchplatz las ich die ersten Sätze der Sackgasse 13 und forderte dann alle Interessierten auf, mir zu folgen. Wir gingen in die kleine Bücherei, zogen die Vorhänge zu, knipsten das Licht aus, und dann ging es mit Volldampf in dieses Haus, um das selbst Hunde einen Bogen machen, wenn sie sich ihm nähern.

Als alles vorüber war, überreichte mir der Pastor eine große Tüte voller Naturalien. Selbstgemachte Holunder- und Erdbeermarmelade, Gurkensalat im Glas, Brot, Brötchen, Leberwurst. Allen waren höchst zufrieden mit mir. Der Pastor sagte, alle hätten ihm gesagt, es wäre sehr schön gewesen.
Das fand ich auch. Zwei wundervolle Lesungen hatte ich hingekriegt, trotz meiner Befürchtungen. Bücher hatte ich verkauft, und mein Selbstbewusstsein für die kommende kalte Jahreszeit gestärkt.
Jetzt durfte der Sommer beginnen.
Ich fuhr über Land nach Hause, über dieses in Grün ertrinkende Land mit seinen Gerüchen nach Erde, brusthoher Gerste, Linden, Buchen und Schweinepisse, über dieses Land, dass ich so sehr liebe.

 

Di 29.06.04   9:32

Würde ich mein Leben opfern dafür? - Nein. Nie. Unter keinen Umständen.
Bereitet es mir schlaflose Nächte, etwa im Sinne von: denk ich an Deutschland in der Nacht .... etc. - Nein.
Fehlt es mir, wenn ich woanders bin? - Ja, nach einer gewissen Zeit.
Fühle ich Dankbarbeit, wenn ich daran denke? - Nein.
Fühle ich mich ihm verpflichtet? - Nein.
Bin ich stolz darauf? - Nein.
Würde ich in meinem Garten je eine Nationalflagge
hissen? - Nein.
Liebe ich es also? - Ja.

16:03

Ich liebe die Nachbarn, die sägen und fräsen,
die hämmern und bohren
und mähen und so.
Ich
schieße sie ab und nagle die Ohren
ans Fenster von außen und freue mich froh.
Dann füll ich die Nachbarn gehäckselt in Dosen,
so sind sie mir lieb als Zwischengericht,
ich ehre sie still, pflück für sie rote Rosen,
wie ruhig sie jetzt sind, es ist ein Gedicht.

 

Mi 30.06.04  9:05

Hei Kuh, sprach der Ochs
schiss auf Feld Sieben und ging
stolz seines Weges.

12:00

Vier Dinge, die mich nicht beeindrucken (...) sind Einheit, Harmonie, Ewigkeit und Allgemeingültigkeit. In meiner Ethik kann ein Mann nicht mehr tun, als aus seiner Sicht recht zu haben. Es gibt keinen allgemeinen Grund, warum er sich überhaupt die Mühe machen sollte, seine Sichtweise zu verteidigen, geschweige denn von jemandem zu erwarten, sie sich zu eigen zu machen, aber er kann nichts anderes tun, als danach zu handeln, weil es nichts anderes gibt. Er muß damit rechnen, mit Menschen oder Institutionen in Konflikt zu geraten, die aus ihrer Sicht auch recht haben, aber deren Sichtweisen andere sind als seine. (1)

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1. John Barth: Tage ohne Wetter, liebeskind, München 2002 (New York 1958)

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