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mensing literatur
 

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Mo 1.06.09   8:04



Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

16

sprach mit dem mond,
letzte nacht,
saß auf dem balkon
trank,
und er -
bisschen von feinen wolken umflort -
sagte:
hab geduld,
wirst schon sehen,
wie die dinge sich wenden,
bis ich wieder voll bin,
wirst sehen,
die wunder, die auf dich warten,
bis dahin tue ich, was ich kann,
bis dahin gebe ich alles her,
wir alle sind für deine liebste und dich da,
wir lassen euch nicht allein.
wir kämpfen mit und für euch.
also ... (hören)

10:20

Ein Psalm...(hier)

21:06

Ich will eine Schale holen, damit sie sich die Zähne putzen kann. Ich gehe zum Personalzimmer. Da steht ein großer Mann, sicher an die zwei Meter, Glatze, Lonsdale-T-Shirt, schwarz-rot-goldenes Schlüsselband um den Hals, tätowiert an Armen und Hals (sichtbar), sicher aber auch sonst überall, die Ohren rundum mit Ringen gepierct, gefleckte Tarnhose, schwarze, nur zur Hälfte geschnürte Militärstiefel, in der Rechten hält er eine Infusionsflasche, von der ein Schlauch in einem Verband an seinem linken Unterarm verschwindet.

Er klopft, ruft, Hallo, Entschuldigung. Die Schwester, die ich um Hilfe bitten wollte, kommt heraus. Sie ist gute 30 Zentimeter kleiner als er, eher vierzig. Sie schaut zu ihm hoch. Er fragt, ob es hier ein Raucherzimmer gäbe. Nein, sagt sie, rauchen können Sie nur draußen, aber das sollten Sie eigentlich nicht, Sie sollten liegen. Ich kann schon rauchen, sagt er, ich stehe ja. Und - wie bin ich denn eigentlich hergekommen und warum? Die Schwester antwortet, mit dem Notarztwagen, mehr wisse Sie nicht. Wo denn seine Sachen wären? Es wären keine Sachen da, sagt sie, bis auf seine Versicherungskarte. Ob er denn mal telefonieren könne wegen seines Hundes? Sicher, sagt sie, haben Sie denn die Nummer? Nein, sagt er.

21:52

Liebe ist die Grundlage des Lebens. Sein Gegenteil führt zu Zerstörung. (Max Bill)


Di 2.06.09  7:11

Bügeln jetzt, dann zum Angriff übergehen. Den Ärzten Feuer untern Arsch, der arabischen Ärztin (herzlos, hält sich nicht an Absprachen) das Vertrauen entziehen, auf sofortigen Therapiebeginn pochen, ansonsten mit Beschwerde bei der Ärztekammer drohen, aber das nur, wenn weiter verzögert wird. Zunächst aber bügeln, einkaufen, danach Gespräch mit der Hausärztin, anschließend verlege ich mein Büro in die Klinik und arbeite dort an Das schwarze Buch, ein Roman für Kinder, der zur Veröffentlichung ansteht.

9:23

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

17

helfer sind da,
sie kommen aus unvermuteten ecken
und spenden trost,
meine
kraft kehrt zurück,
mein mut,
zwei drei tage war ich am ende,
jetzt heiße ich wieder zuversicht.
jetzt heiße ich: mit uns nicht.
nicht mit uns.
ihr seid schief gewickelt.
so nicht. nicht so.


Mi 3.06.09  00:08

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

18

die diagnosen
die apparate,
vier wochen falsche gewissheit
und hoffnung.

die neue hoffnung ist groß.
man handelt
mit leben und tod.

gott ist ein witzbold
mit grausamen scherzen. 

15:09

Noch einmal, weil wichtig (hier)


Do. 4.06.09 8:41

Wäre ich allein, ich würde verrückt.
So halte ich mich an die, die ich habe.


9:33

Moin Franz,

dein Brief tut mir gut.

Noch ist Pop Life nicht da, wo wir (du, ich, alle übrigen Beteiligten) glauben, dass er hingehört.
Das Problem eines jeden Produktes ist die Wahrnehmung durch Multiplikatoren.
Und das (du weißt das) ist schwer.
Aber ich bin voller Hoffnung, denn die bisherigen Reaktionen sind sehr gut.

Wir, Chris, ich, meine Jungs, befinden uns in einem Strudel von Augenblick zu Augenblick wechselnder Stimmungen. Wir tun, was wir können, aber unterm Strich bleibt nur die Hoffnung.

Ich bin nicht gläubig, dennoch glaube ich.
Ich lese sogar die Bibel.
Es gibt Tage, an denen ich das Gefühl habe, nun sei alles vorbei. Alle Energien aufgebraucht, alle Kraft dahin. Dann wieder fühle ich mich stark.

Ich bin jeden Tag in der Klinik, und jetzt, nach einem fast fünfwöchigen Diagnose-Karussell, hat endlich die Therapie begonnen.

Nichts sonst ist von wirklichem Interesse, ich lese kaum Zeitung, ich sehe nicht fern, alles ist weggerückt, zweit-, dritt- letztklassig, Pipifax zu dem was jetzt für uns zählt: Leben oder Tod.

Als dein Paket kam, habe ich mich sehr gefreut.
Schöne Tassen sind das, nur Multitalent müsste für meinen Geschmack nicht drauf stehen.
Habe sie heute früh eingeweiht, allerdings mit Lavazzo, denn ich habe keine Kaffeemühle.
Werde sehen, dass ich eine auftreibe. Wäre aber nicht schlecht, wenn es den Uno auch gemahlen gäbe, wenngleich frisch gemahlen sicher besser schmeckt.

Was hältst du von Gedichten auf Verpackungen?
Könnte dir tonnenweise Text liefern, wir müssten das absprechen: Nachdenklich, Fröhliches, Kalauer, alles wäre möglich. Denk mal drüber nach.

Wenn du willst (und Zeit hast) bist du willkommen.
Melde dich nur kurz. Was das Essengehen anlangt, das muss noch warten.

Bete für uns.

Herzlich Hermann

18:40

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

19

wenn not ist,
sind kleine schritte groß.

sie machen die not kleiner,
weil nur der augenblick zählt.

ideen sind nichts
taten sind alles.

1 schritt
und der nächste.

wenn not ist,
bleibt der tod außen vor.

tod kommt zu jedem.

sterben ist leicht,
leben in not ist viel schwerer.

wenn not ist
erwacht das leben zu großer kraft.

wenn not ist,
wird unmögliches MÖGLICH.

ist die not dann vorbei
wird man kaum glauben,
was alles war
& dass man es überstand.

so oder so.

22:25

Freue mich schon auf die Session.
Der genaue Termin ist noch nicht fest, aber wir alten Männer werden uns zum Vollmond oder ein paar Tage später treffen und eine Nacht lang Radau machen.


Fr 5.06.09 g  11:05

Wieder ein Tag im Leben.

16:32

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

20

wir kennen dich jetzt
wir wissen, wo du dich versteckst

wir sind viele:

neurologen
radiologen
onkologen

alle bekämpfen dich.
alle glauben, dass sie es schaffen.

ich habe kontakt
zu instanzen
die größer sind als du.

wir fürchten dich nicht mehr.
wir können wieder lachen.

wir wissen, was du vor hast,
aber glaub nicht,
dass wir das zuließen.

wir rechnen mit allem
wir sind vorbereitet
aber wir werden gewinnen.

wirst schon sehn, feige sau,
wir werden dich ohrfeigen,
wir werden dich durch die manege schleifen.

wir machen pipi drauf, arschloch.
wir scheißen auf dich.

hast du nicht mitgekriegt,
dass schon wieder strom fließt?

du weißt doch, was man mit mördern macht.

also.

du wirst uns kennenlernen.
unterschätze uns nicht,
wie wir dich nicht unterschätzen.

20:13

Moin mein Freund,

das war eine Begegnung der Extraklasse in Gronau!!!
Übergeordnete Kräfte werden dafür sorgen, dass es auch mit Deiner lieben Frau gut geht.
Bis auf bald grüßt Dich alter Freundschaft,

Dein Elmar

Sa 6.06.09  16:09

Fan Post

Pop Life ist ein Vergnügen.
Wenn man sich auf das Stilelement der Zeitversetzung einlässt, ist man gespannt auf den nächsten Rückblick- die nächste Vorschau. Auch findet man in deinem Buch aufrichtige Lebensweisheiten, die den Selbstzweifel nicht außer Acht lassen, ohne ihn zu glorifizieren, wie viele deiner Kollegen nicht müde werden es zu tun.

Auch kommt dein Buch ohne Hass und Brutalität aus.
Glücklicherweise bemühst du dich nicht, dem Leser spirituelle Weisheiten oder neu interpretierte Religionen anzubieten.

Das Buch genügt sich und dem Leser. Bravo.
Mit einem gehörigen Schuss Protektion hat das Buch das Zeug zum Bestseller. Weiter so.


Franz N. (Freund aus Schultagen)

22:02

Es geht ganz einfach, auch wenn ich es eigentlich nicht darf, hat die Schwester gesagt, wegen der Versicherung. Ich bereite alles vor. Ich entferne die rechte Lehne des Rollstuhls, ich nehme die Fussrasten heraus, ich ziehe meiner Frau den Bademantel an, ich stütze sie beim Aufsetzen, drehe sie, stelle ihre Füße auf den Boden, fixiere sie mit meinem quer davor gesetzten rechten Fuß, fixiere ihre Unterschenkel mit meinem rechten Oberschenkel, sie beugt sich vor so weit es geht, legt beide Arme um meine Schultern, ihren Kopf legt sie auf meine rechte Schulter, sodass ihr Gewicht auf mir lagert, ich greife unter ihr Gesäß, kippe mit ihr zurück und bugsiere ihn in einer halben Drehung in den Rollstuhl.

Wenn sie da sitzt, ist alles in Ordnung.

Dann setze ich die Fussrasten ein, sehe zu, dass ihre Füße richtig stehen, ich nehme den Urinbeutel und hänge ihn seitwärts, ich lege ihr Decken um die Füße, und da es vorhin heftig regnete, sie aber dennoch hinaus wollte, lege ich ihr noch eine weitere Decke um die Schultern, so dass sie aussieht, wie ein Indianer.

Die Schwester, ein sonniges Mädchen, kommt und sagt, "ihr Mann trägt sie auf Armen".

Meine Frau lacht. Wir sind glücklich. Wir erobern die Welt.
Wir fahren mit dem Aufzug sechs Stockwerke abwärts, die automatischen Türöffner ebnen uns den Weg, wir sind draußen, wir sind in der Welt, es regnet, aber das macht nichts, wir sind draußen, entkommen für eine Stunde vielleicht, wir gehen durch den Park, die Amseln singen für uns, wir sind die einzigen um diese Zeit, wir suchen uns einen Platz unterm Vordach des Pavillons auf der kleinen Insel, wir drehen uns Zigaretten und sitzen und sprechen oder sprechen nicht, alles ist da, wir sind zusammen, das einzige, was jetzt fehlt, ist Gesundheit, aber die kommt, die braucht Zeit, und die Zeit geben wir ihr.

Es ist alles ernst, aber wir sind albern.
Wir waren nie näher beieinander.
Das Leben ist gewaltig und wir sind Teil davon. Das ist schön.


So 7.06.09   11:44

Neues Lied, hier...

12:20

W. arbeitet nachts, schon seit über einem Jahrzehnt. Zu Mitternacht frühstückt er, und über die Jahre hat er vergessen, dass andere um diese Zeit längst schlafen könnten. Ich lag also auf dem Sofa, hatte mir die Decke bis zur Nase gezogen, die Katze lag auf meinem Bauch und wer weiß, vielleicht hätte ich dort die Nacht verbracht, bis dann das Telefon schellte.

Gejagt sprang ich hoch, denn Telefon um diese Zeit kann alles bedeuten. Die Katze war beleidigt. Ich rannte zur Station und nahm an. Hermann, ich weiß Bescheid, sagte W. Sollen wir denn trotzdem Musik machen? Ja, antwortete ich, das tut mir gut. Okay, sagte er.

20:37

Wir gehen in den Park. Wir setzen uns auf unsere Bank. Da sind Eichhörnchen, Rotkehlchen, Zaunkönige, Enten mit Jungen, Wasserhühnchen auf reptilienartigen, gelbgrünen Beinen, gelbgrün wie die Schlange, die ich einmal in Südindien sah, da sind Eichen und Eschen, Ahorn, Platanen und Trauerweiden, und manchmal liegt eine Schildkröte auf einem Uferstein und sonnt sich.

Da sitzen wir mitten in unserem namenlosen Schrecken, atmen und sind glücklich. Ja. Glücklich. Wie immer das ausgeht (es geht gut aus, wir wollen das und wissen das auch), wir werden diese Zeit nie vergessen. In allem Schrecken liegt eine Intensität, die ich nie vorher erlebt habe.

Ich bin dankbar, dass ich es erlebe, wenngleich man natürlich denken würde, dass es besser wäre, die Krankheit wäre nie gekommen. Aber nun ist sie da und die Mediziner arbeiten daran. Ich bin für die Seele zuständig. Für das Herz. Die Stationsschwestern tun was sie können. Manche besser, andere weniger gut. Das ist nicht zu ändern. Es gibt eben Menschen, die wohl tun und Menschen, die weniger wohl tun. Ich versuche, auszugleichen. Ich versuche, Atmosphäre zu schaffen. Wir sprechen über alles. Wir lassen nichts außen vor. Und wir werden, so Gott will, im Herbst auf Ameland sein. Das ist unser Ziel.


Mo 8.06.09   16:33

Da stehe ich vor diesem Automaten und denke, na, ob das geht. Meist geht es nicht, aber einmal ist es schon gegangen, einmal habe ich meinen Führerschein durch einen Schlitz gezogen, damit der Apparat feststellen konnte, dass ich alt genug bin, und danach hatte er funktioniert.

Dieses Mal aber funktionierte er nicht, ich hatte genau die gleichen Schritte getan, schließlich mit Mühen einen 5 Euro Schein in einen viel zu hoch und verdeckt angebrachten Schlitz geschoben, der Apparat hatte den Schein schließlich eingezogen, aber die Waren verweigert, und als ich dann versuchte, mein Geld zurück zu bekommen, kam nur ein Euro.

Zum Glück hatte ich mein Mobiltelefon bei mir.
Der Apparat hatte eine Identifikationnummer, und irgendwo ganz unten stand auch eine Telefonnummer. Dort rief ich an, schilderte mein Problem, und man sagte mir, man werde mir das Geld zusenden. Ich bedankte mich, glaubte aber nicht wirklich daran.

Heute nun die Überraschung. Ich bekam einen Brief, in dem man sich für die Fehlfunktion des Automaten entschuldigte. Auf dem Brief hatte man einen 5 Euro Schein geklebt. Darüber freut sich der Mensch.

23:00

Langer ruhiger Abend mit HP., der früher bei den Lightnings spielte, damals in Gronau.


Di 9.06.09   12:16

Achterbahnfahren ist schrecklich und schön.

20:21

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

21

viel schlaf,
sagt sie, schlaf und
nichts sehen.
keine fragen,

keine mitbringsel,
nichts.

hab genug zu tun, sagt sie,
genug mit mir und der ewigkeit,
das alles ist mehr als genug.
fast zuviel.

ich freue mich diebisch,
wenn sie so spricht,
denn zeichen sind zeichen,
jedes zählt und ist gut.

unser ziel:
die insel im herbst.
das lassen wir nicht aus den augen.


Mi 10.06.09   13:33

Heute kam Nachricht.
Die Nachricht hätte gut oder schlecht sein können.
Die Nachricht war gut.
Eine gute Nachricht im Taumel der niederschmetternden Nachrichten der letzten Woche, was will der Mensch mehr.

Gestern war ich am Boden.
Ich rief meine Schwester an. Sie kam zu mir und half.
Heute schaffe ich es allein.


Do 11.06.09   8:40

Sprachen von was anderem, gestern Abend. Das tat gut.
Sprachen zum Beispiel darüber, dass die Buddhisten, trifft man sie in Gruppen, wie etwa C., der gerade von einem vierzehntägigen Buddhistentreffen aus Spanien zurückgekehrt ist, nichts anderes tun als alle anderen organisierten, um spirituelle Erkenntnis bemühten Gruppen: sie arbeiten mit Unterdrückung von Meinungen, sie mobben einander, sie bauen Macht auf und nutzen sie schamlos aus, kurz: sie tun alles, was Menschen tun, wo man doch vermutet hätte, dass gerade sie es nicht täten.

Das ist ernüchternd, aber bei näherer Betrachtung nicht erstaunlich.
Wer sich um spirituelle Erkenntnis bemüht, sollte das am Besten mit sich und seiner jeweils akuten poetischen Metapher ausmachen, in direktem Weg, von Du zu Du, ohne menschliche Vermittler einzuschalten. Menschliche Vermittler tun eben die oben genannten Dinge, das liegt in ihrer Natur.

12:42

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

22

wenn man
eine tablette auf einen löffel legt,
den löffel flutet,
und dem probanden in den mund schiebt,
rutscht die tablette um ein vielfaches besser.

das ist leicht gesagt,
aber man muss erst mal drauf kommen.

und so gibt es noch vieles zu lernen.
kleines und großes.

13:15

Sicher werden Sie aus der Presse erfahren haben, dass sich internationale Verlage um mich bemühen. Das freut den Autor, aber ich habe Prinzipien, die ich nicht so einfach über Bord werfe. Untergeordnet spielt natürlich auch Geld eine Rolle, denn meine zu erwartende Rente sollte schon noch ein wenig noch oben korrigiert werden.

So kann ich also (ohne indiskret zu werden) verraten, dass ich mit dem augenblicklichen Höchgebot für meine Arbeit (15.000.000) nicht recht zufrieden bin und in Absprache mit meinen Beratern darauf baue, dass auch von staatlicher Seite noch ein wenig draufgelegt wird, schließlich sind wir Autoren diejenigen, die eine Industrie mit vielen hochmotivierten, häufig ahnungslosen und eitlen Mitarbeitern in Lohn und Brot halten.

Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln.
Wenn Sie bedenken, dass meine Berater 20 Prozent dessen erhalten, was ich erhalte, werden Sie begreifen, dass da schon noch was kommen muss, nicht wahr.

18:29

Nie haben wir mehr Zeit miteinander verbracht als gerade jetzt, in der Krise.
Bis zu sechs Stunden täglich sitzen wir beieinander, manchmal schiebe ich mir einen Schemel neben ihr Bett und lege mich zu ihr, halb im Bett, halb auf dem Schemel, dabei schmerzt die rechte Schulter zwar ein wenig, aber es ist schön, ihr so nah sein zu können, wie es geht.

Draußen haben wir Lieblingsplätze. Die Ironie will es, dass wir auf einem schon vor 24 Jahren saßen, als unser jüngster Sohn geboren wurde. Bei Regen ist es fast am Schönsten. Da geht niemand hinaus in den Park. Wir aber hocken unterm Dach des kleinen Pavillons, schauen fickenden Tauben zu oder Wasserhühnchen, die mit vorgerecktem Hals Dohlen vom Rasen vertreiben, wir sehen Eichhörnchen und Kaninchen, haben uns und hoffen.

Neuerdings gehört auch der Balkon zu unseren Lieblingsplätzen. Dort haben wir heute zu Mittag gegessen.

22:11



Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

23

die soll wegziehen,
soll zahm werden,
aufhellen,
die hängt
als tuch,
das den atem schnürt.

die soll wegziehen,
zahm werden,
soll aufhellen,
hängt, franst aber schon,
und wenn die nacht vorüber ist,
war sie nur ein spuk.

noch aber ist erst abend
und ich habe angst.


Fr 12.06.09  8:29

Ich sehe kaum fern. Ich verbringe Abende auf dem Sofa, auf dem Balkon, ich lese, ich schaue in den Himmel, ich trinke ein Glas Wein oder Bier, ich gehe zeitig ins Bett, ich stehe zeitig auf, die Wohnung ist aufgeräumt, ich tue, was wichtig ist, alles Ü
brige ist nicht von Belang. Immer wird irgendwo geredet, immer ist irgendwo Musik, immer und überall ist irgendetwas. Dem entziehe ich mich. Ich drücke einfach nicht auf die entsprechenden Knöpfe.

18:04

Erschöpft.


Sa 13.06.09   8:34

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

24

ich wäre so gern wieder normal,
ich säh wetten dass und freute mich
ich läse die zeitung von hinten nach vorn
ich wär in gesprächen und fände sie interessant
ich hätte wieder speckrollen links und rechts
ich könnte wieder an alles mögliche denken und nicht nur an das
ich wäre so gern wieder normal und wüsste, wo mir der kopf steht.

19:19

Aus Träumen spuken mir tausend Geschichten im Kopf, die willst du doch hören, oder? Nein, sage ich. Ich will hören, dass du die Zehen wieder bewegen kannst. Ach, sagt sie, das dauert noch. Und mit den Geschichten, das dauert auch noch. Ich muss jetzt aufpassen, dass ich nicht verrrückt werde. Ich muss alle Kraft in den Körper schicken, das muss ich. Sie haben das ja gesagt, da unten, die Radiologen, sie haben ja gesagt, dass schwarze Tage kommen.

Ich weiß, sage ich.

Heute habe ich ihren schwarzen Tag umgedreht. Sieben Stunden habe ich daran gearbeitet. Gegen Abend hatte ich sie. Gegen Abend wollte sie sogar, dass ich ihr vorlese.

So ein Glück.

Ich trete hinter mich zurück, sonst funktioniert das nicht.
Wenn ein Ego dazwischen kommt, mein Ego, ist alles im Eimer.
Mein Ego ist ganz und gar überflüssig.

Das Einzige, was zählt, ist schwarze Tage umkehren.
Das Einzige, was zählt, ist Energie und Energie kann man herstellen.
Das ist harte Arbeit. Aber Arbeit die lohnt.
Energie-Arbeiter, das ist es, was ich im Augenblick bin.

Wenn ich sieben Stunden Energie herstelle, bin ich erschöpft.

Also Herr Mensing. Kopf hoch. Sie sind wichtig.

Und morgen das gleiche. Und übermorgen. Und so lange, bis der Wind dreht.

21:24

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

25

kenne eine poetische metapher,
weiß einen engel mit uns,
kenne den feind
und seine gegner.

kenne mich. kenne sie.
weiß, was wir wollen.
also... was fürchte ich den Schiffbruch, wenn Gott der Ozean ist!


So 14.06.09   8:59

Ich erinnere mich an einen dicken Mann im Flugzeug nach Athen. Das Flugzeug stand seit etwa 30 Minuten auf dem Rollfeld, weil der Pilot auf ein Slot wartete, die Genehmigung, zu einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Route und Höhe sein Ziel anzufliegen. Es war ein warmer Tag. Obwohl die Klimaanlage auf Hochtouren blies, war es stickig und vor allem beunruhigend eng.

Der dicke Mann saß - durch den Gang getrennt - neben mir. Er war eingestiegen, hatte seine Sachen verstaut, hatte sich gesetzt und war sofort eingeschlafen. Er schlief während des gesamten Fluges. Wie ich ihn beneidete.

Auf ihn trifft die letzte Zeile den 25. Gedichtes zu, auf mich nicht.

12:18

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

26

gut, es regnet,
darauf haben die pflanzen gewartet,
gut, es ist kühl,
aber wir werden decken mitnehmen.

wir haben einen platz,
da mag es regnen wie es will,
da sitzt sie,
und die vögel singen,
und die blätter rauschen vielleicht,
das macht sie ruhig,
und das braucht sie,
wie ich sie brauche.

ich werde liegen,
ausgestreckt auf der bank,
eine decke als kopfkissen,
ich werde sitzen, meinen kopf an ihrer schulter,
und so wird der tag langsam verstreichen.

gleich fahre ich los
ich freue mich schon.

12:59

Sie hat auf Schlafen gestellt. Reifen zischen auf nassem Asphalt, das Haus grundsummt, Dohlen streiten in Baumkronen. Es ist mild, im Grün vom Fenster im 6 Stock sehe ich über die Stadt, ich weiß, dass sie das ist, aber sehen kann ich sie nicht, sie hat sich verborgen.

Sie schläft und ich sitze und schaue ihr zu, weiter nichts, bis zum Abend.

13:30

Mein Nachbar hat mir ein Buch geliehen. Damit du etwas zum Lachen hast, hat er gesagt.
Aber ich lache doch auch, habe ich geantwortet.
Ja, schon, aber ...

Während sie schläft, lese ich in diesem Buch.
Und lache laut.
Und sehe, dass mein Lachen in ihren Schlaf kriecht.
Und dort mitlacht. Das freut mich.

Das Buch ist ein Bilderbuch. Cartoons.
Der Autor: Bernd Pfarr.
Das Buch: Eines Tages war Zeus das Blitzeschleudern leid.
Sehr zu empfehlen.

13:45

Der Doktor kommt und erklärt, wie das geht mit dem Zerstören von bösartigen Zellen und dass es nicht ganz ohne das Zerstören auch guter Zellen abgeht. So hat Medizin schon immer funktioniert. Man zerstört, um den Organismus zur Rekonstruktion zu bewegen. Man fügt Schmerz zu, um zu heilen.

Und wie, frage ich, kommt das Zerstörte aus dem Körper?
Er erklärt. Enzyme. Bakterien, die aufnehmen und verdauen.
Säfte. Körperflüssigkeiten. Ausscheidungen.

Ein tägliches Wunder in und um uns.

14:30

Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen, sagt sie, dabei schläft sie doch, seit ich hier bin.
Schlaf ist gut, denke ich. Schlaf dich gesund.
Sie ist ein Wunder. Sie hat alles, was mir fehlt.

17:10

Natürlich gibt es Fortschritt. Beim Liegen, dass sie seit Wochen nur bei ca. 45 Grad Neigung ertrug, beim Sitzen, beim Atmen, beim Schlucken, beim Schmerz. Es geht langsam, aber es geht. Wir sind voller Hoffnung.

17:20

Sie erwacht.
Sie will mit mir auf dem Balkon zu Abend essen.
Keiner ist glücklicher als ich.
Jetzt nicht drängen, Hermann, entschleunigen, das lehrt mich die Krankheit, entschleunige dich, übe Demut, Geduld, Andacht.

Und dann, nach dem Essen, fahren wir in den Park, ja? fragt sie.
Natürlich fahren wir in den Park.

Wir sind ein Paar.
Der Tod könnte uns trennen, niemand sonst.


Mo 15.06.09   9:33

Habe es mit Zerstreuung probiert, gestern abend. Saß eine Weile beim Landsmann, trank ein Bier, aß Pommes und Currywurst, schaute über den Hafen, hörte, wie sich eine Pink Cover Band von hinten anhört, schlenderte übers Gelände zum Hot Jazz, traf E. (den ich bedrückt fand, nicht zufrieden mit sich und der Welt) und T. (der mich nicht vergessen hatte, sondern einfach nur bis zum Hals in Arbeit steckt), saß am Wasser und dachte, immerhin, aber dann wollte ich doch wieder fort, fort von der Oberfläche, dahin, wo ich für mich sein kann, wo mein Sohn ist, wo wir spät noch in der Küche sitzen und den Einkaufsplan ausbaldowern, den ich jetzt ausführen werde.

10:47

Verstehen kann ich das alles nicht. Aber ich bemühe mich, in der Gegenwart zu bleiben.

11:52

Mein Plan, irgendwann die Bibel zu lesen, ist alt. Ich dachte, da es ein ein theologisches, historisches wie literarisches Werk ist, sollte ich mir das nicht entgehen lassen. Jetzt habe ich damit begonnen. Hier und da hole ich mir Rat. Frage nach interessanten Stellen.

Augenblicklich lese ich die Prediger. Und da stehen Dinge, die (für alle, die Gott mit Kirche assoziieren und sofort blocken), jenseits von Kirche wahr sind, Menschenverstand reflektieren und mich berühren.

Zum Beispiel:

Es ist besser, du gelobst nichts, als dass du nicht hältst, was du gelobst. (Prediger 5.4)

Oder:

An guten Tagen sei guter Dinge, und an bösen Tagen bedenke: Diesen hat Gott geschaffen wie jenen, damit der Mensch nicht wissen soll, was künftig ist. (Prediger 7.14)

12:12

Die Bücher, in denen es um Kampf, Vertreibung, Vergeltung geht (vor allem im alten Testament), mögen für Historiker interessant sein, mir liegt, was vor dreitausend Jahren im Nahen Osten war, einfach zu fern.

16:09

Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. (1.Johannes 4,18)

20:15

Fatigue nennt man den Zustand, in dem sie nun ist. Tiefe Erschöpfung. Mattheit.
Die medizinischen Erklärungen für Fatigue sind vage. Typisch für Mediziner. Dies kann Ursache sein und das. Natürlich. Man malträtiert den Körper mit Strahlen. Man zerstört.

Mir erscheint logisch, wie der Körper entscheidet. Er registriert und zieht seine Schlüsse. Er weiß mehr als der Verstand. Er schaltet zurück.Der Patient dämmert. Aber der Körper gestattet auch Wachphasen. Die abzupassen ist meine Aufgabe. Immer dann werde ich da sein. In den Schlafphasen braucht sie mich nicht.

Ich habe mich entschieden, wieder zu essen, sagt sie.
Ich habe mich entschieden, mir die Haare schneiden zu lassen, sagt sie.
Gut, sage ich. Und wieso essen? Hast du darüber die letzten zwei Wochen meditiert?
Ja, sagt sie.
Und die Haare?
Ich will sie kurz, sagt sie. Ich will nicht ungepflegt aussehen.
Gut, sage ich.
Wenn du da bist, sagt sie, bin ich glücklich.
Ich erst, sage ich.
Sie machen das klasse, sagte Schwester Irene und fasst uns an.
Ich heule los wie ein Schlosshund.
Das Leben ist gut. Es ist gut, ganz gleich, was die Leute sagen.

21:17

So sah ich denn, daß nichts Besseres ist, als daß ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil. Denn wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm geschehen wird. ( Prediger 3.23)

22:12

Wenn es dämmert, gehe ich los und pflücke Blumen für sie...




Di. 16.06.09 8:12

Tach Vatti,
heute ist dein Geburtstag.
Du würdest 99, stell dir vor.
Und in ein paar Tagen würdest du Urgroßopa.
Toll, oder!!!

Ich denke an dich.

Letzte Woche stieß ich auf ein Foto von dir.
Weißt du noch, du hast Theater gespielt, damals, 1953.

Schau mal ...



Gleich fahre ich zu Chris, die du so gemocht hast und frühstücke mit ihr.
Ich glaube ja nicht an den Himmel, trotzdem, setz dich für sie ein ...
Und grüß Mutti. Danke.

13:12

Auf dem Stationsflur sprach mich eine Sozialarbeiterin an.
Wie das denn nun ginge, zuhause, wenn meine Frau nach Ende der Bestrahlung in eineinhalb Wochen heim käme.
Wie - heim käme? frage ich entsetzt, danach ist doch der Tumor dran, hat Dr. R. gesagt.
Ach, sagt sie, das wusste ich nicht. Da sprechen wir doch gleich mal mit Dr. Th., der läuft da gerade über den Flur.
Ja, wie, nein, das wusste Dr Th. nicht, dass Dr. R. vor drei Wochen gesagt hatte, dass erst der Rücken dran wäre und dann die Bronchien.
Ja, Dr. Th., sage ich, das ist aber so besprochen.
Aha, sagt er. Hm. Hm.

Soviel zum Deutschen Gesundheitswesen.
Bei diesen Ärzten braucht man Nerven.

20:35

Möglich, dass Ärzte helfen, aber ob sie auch denken?

Heute nachmittag hatte sie gesagt, sie sei unruhig. Kein Wunder, wenn man Tag für Tag bestrahlt wird und matt davon ist. Zack, hatte man ihr Tropfen gegeben. 10 gleich, Hämmer offenbar, so dass wir unser gemeinsames Abendessen, unsere schönste Zeit nach dem Morgen und Mittag, nicht gemeinsam genießen konnten, weil sie nicht dazu in der Lage war. Sie dämmerte tief. Ich habe verboten, ihr weiter solche Dosen zu geben.


Mi. 17.06.09   6:22

Neue Lied (hier)

6:52

Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen, und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei. (Prediger 4,12)

15:05

Kein größerer Schmerz ist denkbar, als sich im Unglück zu erinnern an die Zeit des Glücks. (Dante, Die Hölle)

15:30

Chris ist gestorben.


Do 18.06.09
10:59

das schönste kleid reicht nicht,
das schönste kleid muss schöner sein,
schöner, noch schöner.

ich sah es.
es strahlte.
ich wusste:
sie wird es tragen
wenn alles überstanden ist.

jetzt ist es überstanden.
aber anders, als erhofft.

wir trauern um chris. wir fassen es nicht. es ist gut so?


Fr 19.06.09
9:36

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

27

sie liegt da
dornröschen könnte's nicht besser haben,
sie hat aufgehört,
wo sie ist, weiß ich nicht.

wir laden freunde ein,
wir spielen ihre musik,
wir trinken auf sie,
wir weinen, wir lachen,
wir wachen.

morgen
verlässt sie das haus,
dann ist es gut.

wir hatten zeit,
uns auf die jahre danach
vorzubereiten.

gott.

meister grausamer scherze,
meine verehrung trotz allem.
es ist gut und ich danke.

22:09

Allein mit ihr. Nur noch bis morgen. Und dann?


Sa 20.06.09   8:28

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

28

möglich,
dass alles gesagt ist,
geweint ist es längst nicht,
schmerz ist überall noch,
reißt im kreuz, reißt im bauch
reißt löcher leer.

möglich,
dass alles geliebt ist,
mit uns ist nichts vorbei,
mit uns nicht, wir sind immer,
ich weiß nur nicht mehr, wo.

möglich,
dass morgen alltag ist,
mein alltag kann das nicht sein,
mein alltag ist tot,
ich muss einen neuen suchen.

file under:

seltmitleid. arschloch. angst.

22:37

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

29

der ruft an,
der hat lange nicht angerufen:
ich erzähle ihm die geschichte.

die ruft an,
die kenne ich kaum,
die sagt, woher ich sie kennen könnte,
ach ja:
ich erzähle ihr die geschichte.

der ruft an,
das hätte er sich sparen können,
er mag mich ja doch nicht:
ich erzähle ihm die geschichte.

die kakerlak, sagt der onkel, der anruft,
kommt der auch?
weiß gar nicht, wovon er spricht:
erzähle ihm die geschichte.

die ruft an,
die mit katzen,
hunden und tauben lebt,
die kein geld hat und keinen mann,
die ruft an:
der erzähle ich die geschichte.

die geschichte ruft an:
der erzähle ich die geschichte.

die geschichte, der plan,
die feier am montag,
die erzählt die geschichte
zum letzten mal.

dann beginnt das leben danach.

wenn es bleibt, wie es ist,
bleibt auch sie noch bei mir bis dahin.

sie wird schöner und schöner.
ich habe sie fotografiert.
ich würde es sonst nicht glauben.


23:51

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

30

und dann ruft der an,
auf dessen anruf ich lange gewartet habe.
ihm erzähle ich keine geschichte.
er erzählt seine.

die geschichte von neuem leben.

das gibt mir die kraft, sie gehen zu lassen.

der opa muss leben.
die oma ist tot.

gott
ist meister unbegreiflicher finten.

ich danke, dass ich erlebe.
ich bin trauer und freude.


So 21.06.09   12:25

Sie hat die Wohnung verlassen, nicht mich.

16:58

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

31

auf dem weg
in ein anderes krankenhaus
auf dem weg,
den enkel zu sehen
und das leben danach aufzunehmen
versagt das auto in einer kurve den dienst.

zündverteiler, sagt der adac.

es reicht.
ich habe die nase voll, hörst du.
noch was, und ich zünde kirchen an.

ps.

auf besonderen wunsch von k.,
die kontakt hat zum unbegreiflichen, nur katholische.


Mo 22.06.09   13:27


Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

32

sie werden fragen,
wie es mir geht.
ich werde nicht antworten.

sie werden mir die hand geben und kraft wünschen,
aber mein wunsch wird nie in erfüllung gehen.

sie werden sich abwenden
zu ihren begleitern werden sie sagen:
wie schade. zu früh. unbegreiflich.

ich werde versinken, um nicht zu schreien.

ich lebe. sie nicht.


14:52

Fand das vorhin in der Tasche,
die sie immer mit zur Arbeit nahm ...

"Mach dir keine Sorgen.
Auch wenn du mit einer Seele behaftet wärest,
sie wünscht sich nichts als tiefen, traumlosen Schlaf ...

Mach dir keine Sorgen,
alles wird vergebens gewesen sein -
wie bei allen Menschen vor dir.

Eine völlig normale Geschichte."

22:06

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

32

das bin ich nun
ein witwer
ein opa
ein hinterbliebener
(mit anspruch auf hinterbliebenenrente)

ein mann
gerade 60 geworden
bis zum rand voll mit liebe
aber ohne gefäß

was nun?
wohin?
wer sagt, was man tut,
wenn man ist, was ich bin?


Di 23.06.09   9:12



Ich verschenke.

Deine Lieblingsstiefel hat Lisa, deinen schönsten Rock auch.
Deinen Trenchcoat hat Christine, die Pastorin.
Deine schwarzen Highheels hat Jasmin.
Die türkisfarbenen Stiefel hat Maike.
Deine Schlangenschuhe hat Midley.

Ich halte Ausschau, hörst du.
Es gefällt mir, dass Menschen, die du mochtest, Dinge von dir besitzen, die sie an dich erinnern.

Es waren so viele Menschen da, gestern.
So eine große Gesellschaft.

Alles tut mir weh, Chris.
Ich muss jetzt rauskriegen, wer ich ohne dich bin.


17:17

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

33

du bist asche,
ich bin fleisch,
du bist tot,
ich bin, was ich nicht will,
du bist vergangenheit,
ich bin gegenwart,
du hast frieden,
ich hab dich nicht.

22:23

Es ist etwa vierzehn Tage her. Chris und ich kamen aus dem Park. Ich schob ihren Rollstuhl. Auf dem Gang der Station liefen zwei ältere Menschen. Ein Mann, eine Frau. Die Frau trug ein Kopftuch. Chemo, dachte ich.

Als wir sie überholten, sahen wir, dass es unsere Gemüsefrau vom Markt war.
Eine Frau mit knappem, trockenen Humor, die uns mochte und die wir sehr mochten.
Sie auch hier? sage ich. Ja, sagt sie. Dann mal alles Gute, sage ich. Hoffen wir, sagt der Mann.
Eine Stunde später, ich war auf dem Weg nach Hause, schaute ich bei ihr rein. Gab ihr die Hand. Wünschte ihr Kraft. Sagte, dass ich ab und an reinschauen werde.

Am Morgen vor Chris Tod sah ich sie aus ihrem Zimmer kommen.
Um ihre Augen waren tennisballgroße, fast schwarze Hämatome.
Ich erkannte sie kaum. Ich erschrak.

Ich weiß nicht, ob sie heute noch lebt.
Ich weiß aber, dass ich froh bin, dass meiner Frau dieser Schrecken erspart blieb.
Unsere Schrecken waren schrecklich genug.

Als der Radiologe letzten Mittwoch, ich war gerade damit beschäftigt, das Zimmer für Chris Rückkehr nach Hause mit der Aussicht auf palliative Versorgung herzurichten, anrief, sagte er nicht, Herr Mensing, ihre Frau ist gestorben. Er sagte: Herr Mensing, ich muss sie dringend sprechen, kommen Sie bitte sofort.

Genug davon.

Es gibt Grund zur Hoffnung. Das Leben ist schön.
Und es gibt eine neue Rezension zu Pop Life.

Mehr dazu hier....


Mi 24.06.09   9:50

Seh mich schon morgen im Gustav Adolf Haus, wo die evangelische Gemeinde zum meditativen Kreistanz einlädt. Werde die Trombosestrumpfhose anziehen, die sie Chris verpasst haben, wie sie so gut wie jedem, der sich in ein Krankenhausbett legt, aus umsatztechnischen Gründen zunächst so eine Hose verpassen, vielleicht stopfe ich mir ein paar Chiffontücher in die Ärmel, die ich mir bei einsetzender Trance dann heraus zupfen kann, um die anwesenden Mitwitwen und wer da sonst tanzend im Kreis meditiert, zu verzücken.

Ja, das Leben des 60jährigen Witwers ist aufregend.
Wenn man mal eine Stunde nicht weint, denkt man schon, es ginge aufwärts.
Aber das ist weit gefehlt. Abwärts hat gerade erst begonnen.

11:09

Der Arzt sagt, sie wäre zuhause besser aufgehoben. Sie sagt, heute wolle sie keine Bestrahlung. Morgen wieder. Ich weiß nicht, ob ich die Hoffnung fahren lassen soll. Sie kriecht in sich. Sie sagt, ich solle ihre Sachen in eine Plastiktüte packen und herbringen, damit sie sie bei sich habe. Wozu das gut sein soll, frage ich, wir brauchen sie doch? Sie schaut mich an. Als ich ihre Hand nehmen will, zieht sie zurück.

(Mittwoch 17.06.09 10:20)


Sie trinkt Capuccino. Sie raucht. Ringsum Lebenslärm.

(Mittwoch 17.06.09 10:40)

Ich muss Tante Lissi anrufen. Ich muss Marijke anrufen. Sagt sie.
Ich will, dass der Enkel kommt, damit sie ihn sehen kann.

(Mittwoch 17.06.09 10:45)

Auf der Eichhörnchenbank. Der Frosch quakt.
Gesehen habe ich ihn noch nicht.
Sie sagt: ich glaube, der hat Moos am Hintern.

(Mittwoch 17.06.09 11:20)

Ich bin nur noch Begleiter.
Jetzt schlaf ich mal in Ruhe, sagt sie.
Ihre Hand soll ich nicht halten.


(Mittwoch 17.06.09 11:50)


15:30

Um halb vier ist sie gestorben. Ich habe sie gewaschen. Ich habe sie eingecremt. Ich habe sie gekämmt. Ich habe ihr das Kleid angezogen. Ich habe die Söhne angerufen.

(Mittwoch 17.06.09 16:10)

22:48

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

33

zu nah
sollten sie mir nicht kommen,
ich will nicht
gebunden werden.

ich will warten,
bis ich das gespenst
dem man mich vorgeworfen hat.
nicht mehr fürchte.

bis dahin bleibe ich flüchtig.

seit geburt ist mein fluchtimpuls groß.

die einzige,
die ihn bändigen konnte,
ist ja fort.
die kommt nicht zurück.

ich würde hingehn zu ihr,
wenn ich wüsste, wo sie ist:

ist sie in ihren kalendern?

ich mache mir aus ihrem kleid ein kissen
ihre strickjacke liegt neben mir
und ich suche.

in meinem gesicht habe ich nichts zu lachen.
aber das komt schon, das kommt.
mit der zeit.


Do 25.06.09   9:01

Jede Geschichte beginnt.
Leider erkennt man das oft erst in der Rückschau.
Es ist Dezember 2008. Chris hat Mittagspause. Sie geht in die Stadt. Ihr wird schwindlig. Sie muss sich gegen eine Hauswand lehnen. Sie sieht für Augenblicke nur noch schwarz-weiß.

Ein Neurologe macht einen Kern-Spin vom Kopf und findet nichts.

Im März 2009 gehen die Schmerzen los. Der Rücken. Die Rippen.
Keiner weiß nichts Genaues, schon gar nicht die Hausärztin, die verschreibt Antibiotika, während Chris vor Schmerz nicht mehr in der Waagerechten schlafen kann.

Dabei wollen wir doch nach Wien.

Ein Orthopäde spricht von "degenerativem Verschleiß", ein zweiter setzt Spritzen in die Rippenbögen und fragt, ob Chris wisse, dass sie einmal einen Rippenbruch hatte?
Nein, wusste sie nicht, aber die Spritzen helfen für ein paar Tage.
Wir fliegen nach Wien. Unsere letzte gemeinsame Reise.

Danach geht alles rasend schnell.
So schnell, dass es uns fort wirbelt und wir kaum noch wissen, wo uns der Kopf steht.

Unsere Hausärztin tut immer noch so, als ließen sich diese Schmerzen mit Antibiotika behandeln.
Schließlich schickt sie Chris zu einem Röntgentermin für die Lunge.
Da sei alles in Ordnung, sagt die Ärztin. Immerhin, wir atmen durch.
Die Schmerzen aber, diese höllischen Schmerzen, hören nicht auf.

Dann erzählt uns ein Freund von der Kompetenz seiner Ärztin.
Am nächsten Tag sind wir bei ihr. Noch am gleichen Tag (5.Mai 2009) wird Chris in die Raphaels Klinik eingeliefert.

Wir sind froh, dass endlich etwas geschieht.

In den folgenden zehn Tagen wird sie von oben bis unten untersucht.
Man findet einen "Platzhalter" in den Bronchien, ein Arzt spricht von Krebs, alle Untersuchungen, MT's, CT's und wie sie sonst heißen, sprechen aber von "unauffälligen" Befunden.
Nur eine Bronchoskopie kann im Raphael nicht gemacht werden.
Man überweist Chris an die Lungenspezialisten im Clemens Hospital.

Sie wird entlassen, ist ein paar Tage zu Hause, sie kommt ins Clemens, man macht eine Bronchoskopie, man sagt, die Ergebnisse bräuchten 4-7 Tage, bis dahin könne Chris wieder nach Hause. In diesen wenigen Tagen zuhause verschlechtert sich ihr Zustand rapide. Ihre Beine funktionieren nicht mehr. Stuhlgang, Urin, nichts ist kontrollierbar. Wir wissen nicht mehr weiter. Unsere neue Hausärztin weist Chris wieder ins Clemens ein. Dort liegt sie (Pfingsten steht vor der Tür) fast vier Tage, eh etwas geschieht.

Dann endlich die Ergebnisse der Bronchoskopie.

War vorher alles unauffällig, wird jetzt nicht mehr von "Platzhalter" sondern von einem bösartigen Bronchialkarzinom gesprochen, das Metastasen in vier Brustwirbeln gebildet hat.
Therapievorschlag: Bestrahlung der Metastasen (ca. 3 Wochen), dann will man sich mit dem Bronchialkarzinom beschäftigen.

Wir schaffen das, sagen wir.
Wir schaffen das, haben wir noch bis einen Tag vor Chris Tod gesagt.
Aber wir haben es nicht geschafft.
Chris wurde nach jeder Bestrahlung matter und matter und matter, und so ist sie ermattet gestorben.

13:49

Ihr seid Tausende, geht endlich los, kauft meinen Roman.

15:56

Ich habe Malin dein Rad geschenkt. Sie ist stolz. Ich bin glücklich.

20:36

Chris Pinnwand im Büro



Unser Wohnzimmer: jetzt




Fr 26.06.09   7:43

Ich bin gern allein, ich sitze und weiß nicht recht, bin ich entspannt oder traurig, ich weiß nur, dass die letzten Wochen mit Chris bei allen Schrecken die intensivsten waren, die wir je hatten, und dass die Tage, die sie bei uns aufgebahrt war, wundervolle Tage waren.

Max saß oft an ihrem Kopfende, schlief auf dem Boden neben ihrem Bett, während ich auf dem Sofa schlief. Wir haben gewacht. Wir haben sie nicht aus den Augen gelassen, keine Minute. Wir haben von Mittwoch bis Sonntagmorgen viel erlebt, so dass ich, fragte jemand, wie es mir geht, antworten könnte: es ist mir lange nicht mehr so gut gegangen, denn ich weiß Chris in Sicherheit, ich weiß, dass sie keine Schmerzen mehr hat.

Alles Weinen hat sich in den letzten zwei Tagen beruhigt und in mir eine Stimmung hinterlassen, die ich noch nie erlebt habe.

Ich habe keine Worte.
Ich bin gespannt, wie das weitergeht.

Ich bin froh, dass nicht Winter ist oder Herbst.

10:24

Ich denke darüber nach, Hausmeister zu werden. Dann könnte ich die Miete für die Wohnung, in der wir seit 1983 leben, die also Heimat ist, die ich liebe, auch in Zukunft bezahlen. Meine Vermieterin, zu der ich sehr guten Kontakt habe, will meine Idee unterstützen.

Now to something (not so) completely different: die Rechnung für's Sterben.

Meine Eltern hatten ihre Beisetzungen zu Lebzeiten mit einem niederländischen Unternehmen geregelt. Als dann erst mein Vater und Jahre später meine Mutter starb, hat dieses Unternehmen die Beisetzung sehr stilvoll arrangiert. Mit der Rechnung hat man sich sechs Wochen Zeit gelassen.

Bei uns ist das anders.
Bei uns wird gestorben, beigesetzt (in Chris Fall kremiert), dann schickt man die Rechnung.
Und nun schätzen Sie, was das kostet?

11:52

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

34

streckt mich nieder,
legt mich in einen blauen kiefersarg,
mit poliertem beschlag
843
stattet ihn innen aus
125
stellt wagen und träger,
bringt mich nach hause
175
holt mich,
wenn die frist verstrichen ist,
sonntags: 150
sargt mich ein: 60
stellt mich kühl: 40
fahrt mich zur rechtsmedizin
und zum friedhof: 180
bereitet das fest vor: 100
überführt mich zum ofen nach holland: 340
habt ihr alles erledigt: 140
habt noch ausgelegt, vorgestreckt: 659
märchensteuer,
hätten wir fast vergessen: 409,07
habt noch fragen?
nein.

dann geht jetzt
dann lasst mich
ich bin tot:

ihr aber lebt.

15:34

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

35

und?
fühlst du dich besser?

erst sie,
dann mein auto,
und jetzt
nimmst du ihm
nach nur drei wochen probe den job:

auftragsvolumen
nicht wie erwartet gestiegen.

was willst du?
zeigen wie groß du bist?

wussten wir vorher.

wussten auch,
dass du dafür nichts kannst,

aber hallo,
irgendjemandem muss
man es ja in die schuhe schieben,
oder?

also verzeih.

21:00

Großes Glück, unfassbar das alles ...



Papa, Opa, Enkel, Onkel ... aka: ältester Sohn, Vater, Enkel, jüngster Sohn:

Chris: das ist für dich.

22:07

Wie so ein Kind glücklich macht. Es hat noch
keine Konzepte, keine Pläne, es lebt den Augenblick, wir könnten das auch, aber wir haben's verlernt, stattdessen hat man uns vollgestopft mit unnützem Wissen und Ängsten, und dann nehmen wir so ein bezauberndes kleines Wesen auf dem Arm, erinnern uns und sind glücklich.


Sa 27.06.09   9:03

Samstagmorgen, und ich denke,
Weihnachten ist nicht mehr weit,
wenn ich gleich Gelenke schwenke,
tu ich's für die Heiterkeit.

Tu ich's gegen Heulattacken,
endlich wieder sämig kacken,
tu ich's, weil ich's tuhen muss,
komm, Geliebte, gib mir einen Kuss.

Du bist jenseits, fernab aller Fragen,
diesseits ich, schwer angeschlagen,
traumlos, halb betäubt und ohne
Antwort, ob noch irgendetwas lohne.

Aber Halt, Herr M., Sie ticken doch,
ihre Nasenspitze schaut schon wieder aus dem Loch,
ihre Morgenerektionen sind geflaggt,
ihre Koffer für das neue Leben schon gepackt.

Samstagmorgen,
Sie allein auf dem Balkon,
werfen ihre Sorgen
ohne Furcht davon.

Hoffen, dass nichts wirklich ist,
alles kommt und geht und kommt,
hoffen, dass Sie nicht der Teufel frisst,
sondern Liebe sie besonnt.

Sagen Sie doch: Guten Morgen,
Sagen Sie: ich wünsch dir einen schönen Tag,
Sagen Sie: es gibt nicht einen Grund zu sorgen,
Alles kommt so, wie es kommen mag.

14:33

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

36

fuhr in die stadt,
saß, den rücken gestreckt,
die ellenbogen auf stuhllehnen gestützt,
fingerspitzen aneinandergelegt,
wach,
ließ gesichter fluten,
versuchte den buddha trick,
nicht schlecht,
dieses kommen und gehen
nichts anhalten, festhalten, werten,
nicht schlecht,
dachte,
da bin ich also,
10 tage nach ihrem tod,
könnte dies tun und das,
täte es aber lieber mit ihr.

20:59

Brief an das Beschwerdemanagement des C. Hospitals. (etwa 4 Wochen alt)

Eine Krebserkrankung ist, ganz gleich, wie Sie einen Patienten und damit eine Familie trifft, immer hart. Darüber müssen wir nicht sprechen. Über die Art und Weise, wie diese Erkrankung von Ärzten und Personal mit Betroffenen und Angehörigen kommuniziert wird, schon. (weiter lesen)


23:51

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

37

die gute chris,
schreiben sie, liebe chris,
süße chris,
nie vergessen werden wir sie,
stapeln sich briefe
süße chris,
liebe chris, süße chris,
oh du liebe,
ja
und ich?
arschkarte
arschkarte, arschkarte.


So. 28.06.09 9:32

Tut mir der Fuß weh, ist es Fußkrebs, juckt das Ohr, Ohrenkrebs, huste ich (wie ich im Augenblick huste, denn ich habe mich - als ich während der Totenwache bei geöffneter Balkontür auf dem Sofa schlief - erkältet) ist es Lungenkrebs. (Nasenkrebs. Haarwurzelkrebs. Arschkrebs. Fingerspitzenkrebs ...)

Meine Trauer mutiert.


11:22

Fakt ist:
    
... sie kommt nicht wieder.
... dass ich sie jeden Augenblick herbeisehne und nicht weiß, was ich ohne sie tun soll.
... dass ich wütend bin. Ich mache ihr Vorwürfe. Wie konntest du mich verlassen? sage ich.
... dass der Horror der vergangenen Wochen in mir wütet.
... dass ich noch lange nicht über'n Berg bin. Ich bin noch nicht mal im Tal.

File under: Selbstmitleid.

21:25

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

38

alles selbstmitleid,
denn nicht ich bin gestorben,
ich sitze ja hier,
ich schreibe,
ich kann tun und lassen was ich will,
ich bin frei.
sie hat das leben verlassen.

vor drei wochen riet sie mir,
ich solle mit M. sprechen,
mit der kannst du reden,
hat sie gesagt, das weiß ich,
die versteht dich,
aber keinen sex,
hörst du.

so groß war sie.
von solcher größe kann nur ich träumen.

trauer ist freude darüber, dass das leiden vorüber ist.

also trauere ich.
habe zuversicht.
weiß, dass verlust neuer anfang ist.
stimmt? stimmt.

und dann?

nichts und dann.

der augenblick zählt.
nicht DAS MORGEN.
morgen ist ungewiss.
jetzt ist sonntag, 21:36
ich lebe.
jetzt ist sonntag, 21:37
ich lebe immer noch.

NIEMAND weiß,
wie lang das noch geht.

also, lebe ich.


Mo 29.06.09 14:00

Grauenhaft schwül. Hoffentlich bricht es gleich los.

15:46

Räume auf, schmeiße weg.
Denke, könnte ja auch jederzeit tot umfallen, und dann?
Wohin mit all den über fast vier Jahrzehnte gesammelten Sachen?
Weg, weg, nicht weg, weg ...

16:50

Kaufbefehl:
Pop Life. Hermann Mensing.
Luftschacht Verlag, Wien.
Himmel Herrgott nochmal.

17:43

Danke liebes Universum, dass ich so viele Pop Life Bücher verkaufen werde.

18:18

Werde morgen mal versuchen, ob das Romanschreiben noch funktioniert.
Lust habe ich eigentlich nicht, aber Arbeit ist immer gut, oder? Ja, glaube wohl.

18:50

Seit neue Nachbarn eingezogen sind, flitzen wieder Kinder ums Haus, vier, acht, je nachdem, wer dazu stößt, sie schreien, sie spielen, wundervoll, wieder Leben ums Haus, wie damals, als unsere Kinder klein waren.

19:54

Laden Sie doch mal einen Witwer ein, dessen Frau an einem Bronchialkarzinom mit Metastasen vom 4 bis zum 8 Brustwirbel gestorben ist. Während er Ihnen die Geschichte erzählt, dürfen Sie rauchen, Sie können ihn bemitleiden und sich großartig fühlen, Sie dürfen ihn sogar anfassen, er wird für Sie weinen ( Aufschlag), nach angemessener Zeit gehen und Ihnen das Gefühl geben, ewas zutiefst Menschliches getan zu haben. Der Witwer kommt gern. (300 Euro die Stunde, zahlbar bar und sofort)


Di 30.06.09   8:24

Seit ich in der Navigationsleiste Werkstatt durch Blog ersetzt habe, boomt das Geschäft.
Ich kann mich nicht erinnern, je so einen Zulauf gehabt zu haben. Aber bitte, wenn's der Wahrheitsfindung dient. Blog ist modern, der Mensch glaubt's und arbeitet mit allen erdenklichen Ablenkungsmanövern, um sich bloß nicht selbst zu begegnen.

Ich kann Ihnen aber garantieren, dass der Tag kommt, an dem Sie sich nicht mehr ablenken können. Es wäre daher klug, wenn Sie einmal darüber nachdächten. Der Tag kann nämlich heute sein. Der Tag kann auch erst in zwanzig Jahren sein. Wann er kommt, weiß niemand. Aber er kommt. Und dann zählen keine Ausreden mehr.

PS.
Sorry, wollte Sie nicht erschrecken.

Schöner Morgen, ca. 20 Grad, 70% Luftfeuchtigkeit.

Vor etwa zehn Minuten hat mich ein die Straße hinab jagender Radfahrer nur um Zentimeter verfehlt. Rief ihm ein aufmunterndes "blödes Arschloch, pass gefälligst auf!" hinterher, worauf er mir den Mittelfinger entgegenreckte, und ich drohte, ihm "die Fresse" zu "polieren."

Nicht gut für mein Karma, werde mich dennoch lieben.

Heute gegen Abend endlich das schon vor Wochen angekündigte Treffen der Real Fullmooners.
Stay tuned.

10:19



Gestern mit Julius.
Schauten gemeinsam England - Deutschland.
Was für ein intelligentes, einfallsreiches Spiel.

11:22

Aus dem Zyklus: Ich weiß nicht, was es bedeutet

39

1 augenblick später
fehlt der sinn,
ich kann nicht erinnern,
ich fürchte zu zerbrechen,
ich beschwöre die liebe,
dabei weiß ich längst nicht mehr,
was das war.

(blödsinn)

ich tue dinge,
die ich nie getan habe,
ich rede mir dies ein und das,
obwohl ich weiß,
dass dies und das täuscht.

(verkackter hirnriss)

ich bin
eingesponnen,
ich muss aufpassen,
keine langen fahrten im auto,
ich sollte tot sein,
das wäre vernünftiger,
aber das bin ich nicht.

sie ist tot.

(huhuhuuuuu)

ich erschrecke ich:
ich bin sogar glücklich,
obwohl ich nicht weiß,
warum und was glück ist.

ich schäme ich mich:
ich muss traurig sein,
obwohl ich nicht weiß,
warum und was trauer ist.

pass auf dich auf,
hat winfried nach der feier gesagt.
pass auf dich auf.

ich pass auf mich auf,
aber ich weiß nicht, ob's hilft.
ich pass auf mich auf,
aber ich weiß nicht, worauf.
auf mich kenn ich nicht.

auf mich liegt nicht bei mir.
hätte es bei mir gelegen,
wäre sie noch hier.

file under: ich weiß, dass ich nichts weiß.
file under: nichts neues.
file under: illusion.















































































 

 

 

 

 

 

 

 

 



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