Mai 2005                                     www.hermann-mensing.de                         

mensing literatur


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So 1.05.05   19:02

Sonnenbrand nach Radtour. Frühe Jahres-Müdigkeit. Rickie Lee Jones singt im Wohnzimmer.

Mo 2.05.05    9:02

Horror Vacui

© Jan Mensing

11:30

N. ist Feuerwehrmann. Keiner von den Freiwilligen, nein, N. ist Profi. Er ist mein Nachbar, wohnt ein paar Häuser weiter. Gestern hat er sich gedacht, 1. Mai, da wird es nicht brennen, da torkeln alle im Grün, da leihe ich mir den Leiterwagen und fotografiere mein Haus, wäre vom Flugzeug zu teuer.
Er parkte das feuerrote Fahrzeug auf dem Parkplatz des seit über einem Jahr geschlossenen Supermarktes B., fuhr die hydraulischen Stützen aus, bestieg die Kanzel der Leiter und gondelte in schwindelerregende Höhen.
Unten hatten sich Nachbarn versammelt.
Während es also in und um Münster nicht brannte, bzw. brennen durfte, fotografierte N. sein Haus und die Häuser der Nachbarschaft. Ich nehme an, er könnte die Fotos zu guten Preisen verkaufen. Da er aber ein lieber Nachbar ist, wird er das wahrscheinlich nicht tun und die Abzüge zu handelsüblichen Preisen abgeben.
Eine Ausleihgebühr für den Leiterwagen der Feuerwehr wird er nicht gezahlt haben.
Angenommen, er hätte zahlen müssen, wäre das teuer gekommen. Sicher um einiges teuerer als ein Rundflug mit einer Cessna. Aber die Verhältnisse in der Provinz sind nicht so. Menschlichkeit prägt uns, einer wäscht den Arsch des anderen, das tut gut.

Di 3.05.05   10:55

M. hat ein Konzentrationsloch. M. hockt vorm Schreibtisch, starrt auf Geschriebenes, im feuchten Grau hallen elektrische, kalt geschmiedete Schläge, es gießt. Ob es daran liegt? Oder wäre ein Gnadenschuss besser?

17:20

M. atmet ein. M. atmet aus. M. legt sich hin.

 

Mi 4.05.05   7:53

M. findet Gutachten über M. Darin heißt es u. a.:

M. war ein kontaktfreudiger und sehr kameradschaftlicher Lehrer.
M.'s pädagogische Einstellung ließ es nicht zu, aufkommende Unruhe unter den Schulern durch geeignete Maßnahmen einzudämmen.
Interessierte M. ein Unterrichtsgegenstand, war er sehr engagiert.
Ansonsten zeigte M. keine Eigeninitiative.
Angesichts der ausgesprochen hoch entwickelten Fähigkeit M.'s, Schüler anzusprechen und zu motivieren, hätte ein verstärktes Engagement in dieser Richtung durchaus noch bessere Ergebnisse möglich erscheinen lassen.

8:55

M. stellt fest, dass sich seither nichts verändert hat.
Ein Glück, dass er Hausmann und Dichter geworden ist. Anderes hätte ihn nie interessiert.

10:35

M. wird sich wegen einer 400 Euro Stelle (Literaturwerkstatt) bald mit der Direktorin einer Realschule treffen.
Ob das klug ist? - M. wird sehen.

M. fährt morgen ans Meer.
Ein Zimmer ist gebucht. Es hat einen Balkon.
Dort werden M. und seine Frau sitzen und die Zeit fließen lassen.

Mehr darüber finden Sie hier , hier und hier.

11:45

M. beobachtet die Arbeitswelt:

Gegen acht heute früh traf der erste LKW der Stadtwerke ein. Ein LKW mit Ladefläche und Baggergreifarm. Er parkte vorm Küchenfenster. Der Fahrer begann zu frühstücken, die Bild zu lesen, zu rauchen, Kaffee zu trinken. Im Verlauf der nächsten halben Stunde tauchte ein Bagger auf. Im weiteren Verlauf kamen drei Ford Transit. Einer von ihnen führte einen Generator mit. Dann kamen noch zwei Ford Fiesta. Ihnen entstiegen Verantwortung tragende Männer, die schauen mussten, wie was vor sich ging. Jetzt sind noch 8 Männer vor Ort. Sie stehen um ein von ihnen im Verlauf der letzten dreieinhalb Stunden gegrabenes Loch. Es ist etwa so groß wie die Oberfläche eines geräumigen Küchentisches, und so tief, dass ein Mann bis zu den Schultern darin verschwindet. Der, der darin verschwunden ist, muss einen Wasserzufluss zu unserem Haus repapieren. Handwerker, die letzte Woche in unseren Kellern neue Wasserleitungen legen wollten, hatten festgestellt, dass mit diesem Zufluss etwas nicht stimmt. Montag waren schon einmal ein LKW und zwei Ford Transit vor Ort. Ich nehme an, um die Lage zu peilen.

 

Mo 9.05.05   9:35

M. hat das Meer erreicht.
M. hat viel Schönes gesehen.
Weder Schönes noch Hässliches sind ihm geheuer.
Wieso, weiß er nicht. Er ist so geboren. Trotzdem war es schön.

11:46

Etwa die blühenden Algen.
Hohe Wellen flockten ihren Blütenschaum auf den Strand. Dort lag er, zitternd, beige, blassgrün und grau.

Oder der Frühling.
Der in den Dünen zunächst gar nicht wahrnehmbar war. Alles sah aus wie bei seinem letzten Besuch im Dezember. Der Strandhafer in seinen nie wechselnden Farben, das Riet, der Sand, die Moose.... Erst bei näherem Hinsehen entdeckte M. auch hier Frühling: Steinkraut blühte zart weiß, Perlhyazinthen strahlend blau, wilde Stiefmütterchen...

Und schließlich auch Antwort auf die Frage, warum man eigentlich immer wieder ans Meer fährt.
Weil die Weite so gut tut.

13:00

M. hat zwei Sätze geschrieben und glaubt, dass er wieder eingeloggt ist. Eh er jedoch übermütig wird, belässt er's zunächst dabei und bereitet sich einen Capuccino.

 

Di 10.05.05   10:05

M. hat Anhaltspunkte. M. sieht Vages am Horizont. Er wird danach greifen, aber erst einmal fährt er nach Braunschweig. Morgen wird er dort lesen. Die Nacht wird er in einem Hotel verbringen. Das behagt ihm nicht, war aber nicht anders zu machen, er hätte sonst morgen schon früh mit dem Auto fahren müssen. Wer weiß, vielleicht ist Braunschweig eine schöne Stadt.
M. hat nur eine Erinnerung an Braunschweig. Sie geht zurück in die späten 70er Jahre. Er war mit den Ace Cats auf Tour. Die Band hatte schon ein paar Gigs gespielt. In Braunschweig spielte sie auf einem Stadtfest. Der Gig war in einem Zelt. M. saß am hinteren Rand der ca. 50 Zentimeter hohen Bühne, als sein Schlagzeughocker während eines Stückes plötzlich unter ihm nachgab und er nach hinten verschwand. Die Band spielte weiter, bis M., unverletzt, wieder auftauchte. So viel von Braunschweig.

 

Do 12.05.05   8:45

retro:
Lesung Braunschweig
seitenweise - Literaturfestival

fazit:
Ich war nicht konzentriert.
Die Lesung war nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte.
Lesen Sie hier, wie es dazu kam

Abreise 10.05.05

11:40 im Bus nach MS:

Issi denn zu Hause gestorben die Frau? Einfach so eingeschlafen? -
Die Antwort ist nicht klar zu verstehen...da wäre wohl noch ein Arzt gekommen, mit Laser...

12:10

Wartete auf dem falschen Bahnsteig. Zehn Minuten vor Abfahrt fiel es mir auf. Wechselte. Bot beim Treppensteigen zu Gleis 4 einer sehr dicken, mit den Treppen kämpfenden Zigeunerin meine Hand an, die sie dankbar nahm. Ihr Mann wäre schon ... sagte sie lächelnd, den Mund voller Goldzähne und zeigte nach oben. Sie schnaufte wie ein Walross. Ihr Mann, hageldürr, bronzefarben, eine kleine Baskenmütze auf dem schmalen Kopf, schien bestürzt, als er mich mit seiner Frau an der Hand auf der vorletzten Stufe verpusten sah. Seine Frau erhöhte die Schnauffrequenz, wurde laut, theatralisch. Der Mann übernahm. Bedankte sich. Wir tauschten ein Lächeln. Er brachte sie zu einer Bank, auf der sie sich geräuschvoll niederließ, und reichte ihr eine Flasche Saft. Wenig später fragte er mich nach dem Zug. Ich erklärte ihm, dass er aus zwei Teilen bestünde, einer führe bis Hamm, der andere bis Bielefeld. Bielefeld, Bielefeld, sagte er. Gut. Dann erklärte er seiner Frau die Lage. Sie antwortete. Beide klangen überfordert. Aufgeregt. Ein bisschen erbost.

13:06

Gütersloh ist angekündigt.
Langwierige Kostümproben vor der Abfahrt. Schlussendlich dann für anthrazitfarbene Hose, olivgrünen Pullover, Jeansjacke meines Sohnes Max und dunklen, halblangen Mantel entschieden. Dazu die Friesenmütze.

13:32

Trinke wenig schmackhaften Kaffee und sehe mich am Weserbergland satt.

13:40

Dunkel dräuts, Raps kontrastiert, alles wird scharf und schärfer. Ein Radler im Feld, eine stattliche Zahl Wohnmobile auf einer Wiese bei Minden, mir fällt ein, dass ich meine Haftcreme vergessen habe.

14:25

Stehen in Hannover.

14:30

Hoffmeister, ja. Hallo Alberto! Selbst wenn ich mich jetzt super unbeliebt mache ... und da ich dann für 16 Bundesländer auch noch einen ausgeben musste ... komm ich denn in den Osten wieder rein ... ich könnte heute Abend wirklich nicht ... ja, dat machenma ... oh ... so kleine Tipps .... na am Donnerstag bin ich wieder da ... und ich ruf den Johannes nicht mehr an.
Frau Hoffmeisters Haar ist fuchsig. Die Farbe könnte echt sein.
Sie hat ein fleischiges, eher 4eckiges Gesicht und raucht hektisch.

15:03

Schreiendes Kind im Gang. Oma soll weg gehen! Panische Oma. Weg gehen! Kind schlägt Oma. Oma schlägt zurück. Kind schreit noch lauter. Deeskalationsstrategien wären jetzt vonnöten. Das Kind ohne Mittagsschlaf natürlich hysterisch. Die Oma überfordert. Alle schauen zu.

Prächtige Birkenallee vor düsterem Horizont.

16:03

Wer nichtsahnend den Braunschweiger Bahnhof verlässt, könnte glauben, er sei schon in der DDR. Trostlosere Plattenbau-Nüchternheit ist kaum noch vorstellbar. Emotional inspirierend. 15 Minuten Fussweg zum Hotel. Ich wohne im 4. Stock der Courtyard Marriot. Habe erst ein Problem, meine Tür zu öffnen, trete schließlich ein (bin doch nicht zu blöd für Steckkartenschlösser), der Fernseher läuft. Auf der Mattscheibe steht: Guten Tag Herr Mensing. Man fordert mich u.a. auf, OK zu wählen. Als ich dem folge, meldet sich das Pay-TV mit 12 Filmen, davon einige Sexfilme, das ganze Paket zu 14 Euro pro Tag. Aber es gibt auch Kabel-Fernsehen.

Als ich gerade den Hosenbügelautomaten mit meiner Hose darin in Gang gesetzt habe, klopft es. Ich öffne einen Spalt. Eine junge Frau steht davor, die Begrüßungsfee. Sie reicht mir einen Teller Obst, darauf sind: 1 Twix, eine Banane, ein Apfel, eine unansehnliche Mandarine. Ich bedanke mich. Sage, ich bügelte gerade meine Hose. Wir lächeln beide ein wenig verunsichert.

Mein Zimmer ist ein Doppelzimmer (429). Im ersten Stock, weiß ich, ist eine Sauna plus Fitnessraum. Beides kann ich mit meinem Zimmerschlüssel betreten.

Es regnet. Ein wenig Pause werde ich mir gönnen, dann gehe ich in die Stadt.

17:45

Ich habe die Stadt ausgekundschaftet. Zum Spiegelzelt weiß ich den Weg. Es gibt Seitengassen mit Fachwerk und Übersprung zum Obergeschoss, es gibt eine Burg, eine wehrhafte Kirche, es gibt eine Straße, die Kattenreppel heißt, Katzen-balgen, jetzt sitzte ich in einer Bäckerei, trinke Capuccino, esse Mandarinen-Schmandkuchen, zwei Frauen am Nachbartisch sprechen über das Leben nach Männern: dass man jeden Tag aus dem Haus muss, unter Leute, inne Stadt.
"Ich erkennse immer nun annem Hund", sagt ein Mann, der, als ich zu schreiben begann, der Frau, die noch immer über Ex- und/oder verstorbene Männer spricht, erklärte, er habe das Foto Handy nun seit zwei Jahren und entdecke immer noch jeden Tag Neues.
Jetzt sagt die Frau, bei ihr laufe immer leise Musik, ihr Ex werde ihr immer fremder, der sei jetzt in so eine Rentnerclique geraten, sie sei jetzt bei Männern sehr reserviert ... na, deswegen lass ich mich doch nicht scheiden, da wär ich ja blöd ... ja, das hat man ja auch gelesen, dass die sich ja dann verändern ... seit zwei Jahren ist er jetzt Diabetiker, Altersdiabetiker, mit 64, manchmal vergisst er's.

Kurzschrift. Hätte die Kurzschrift pflegen sollen, dann hätte ich nun das Alltags-Notat.
Seltsame Bäckerei, Steineckes Heidebrot Bäckerei, eine 5-teilige Theke, jedes Element so gestellt, dass alle zusammen einen leichten Bogen ergeben, links 3 Stehtische, dann 3 Tische mit Stühlen, die Rück- und Seitenwände der Bäckerei sind bemalt: Regale mit Vasen, darin Blumen, Ordner, Bücher.

"Ja dasser nochmal geheiratet hat, ihr Vater, wollter dasso...

19:00  

Allein in der fremden Stadt. Schön ist das nicht, aber wir bringen die Zeit schon herum. Sitze im Augustus, das zum Hotel gehörige Restaurant. Die Bilder sind selbst gemalt: Florales für sanftes Meditieren. Lachsfarbene Wände
. Ocker. Stimmengewirr. Der Aquavit nicht geeist, das Pils mit ärmlicher Blume, im Foyer viele Männer um 30, palavernd. Sie werden über die Stränge schlagen und morgen mit verquollenen Augen pünktlich vor Ort sein, wo immer der Ort sein mag. Oder auch nicht. Nun kommen sie. Mehr als eine Busladung.

Werde morgen Hemden anprobieren, die ich auf dem Weg zurück zum Hotel sah. Sehr edel sahen die aus, könnte sein, sie sind ein wenig ding.

Rede des Chefs:

Meine Damen und Herren. Ich hoffe, Sie hatten heute einen angenehmen Tag. ... Amüsanter Abend ... Programm ... nach dem Essen ... hier in den Räumen ... irgendjemand zum Kasper machen ... ich fürchte, ich bin mal wieder dabei. (Kein Applaus)

Nachbartisch: Mann mit hündischem Blick. Anfang 60. Vielredner. Alleinunterhalter: Ich habe heute mit einem meiner Mieter telefoniert und ihm gesagt: ich will a: (nicht zu verstehen) und b: meine Ruhe.

Mein Essen ist gekommen und sieht genau so aus wie das Bier.

19:36

Das Essen ist verspeist. Wir beginnen mit dem komplizierten Verdauungsprozess. Die Frage des Kellners, ob ich zufrieden wäre, habe ich mit "ja, das war okay" beantwortet. Hatte "Saltos vor Wonne konnte man davon nicht schlagen" im Rachen, behielt es aber für mich. Was hätte er darauf schon sagen sollen.

Ich höre und sehe wieder viel mehr, als ich verarbeiten kann. Aber das ist normal. Vor der Reizüberflutung kann man nur kapitulieren oder sich mit Fetzen begnügen. Aber immerhin. Sie retten mich.

20:00

Orte gerade, wo von meinem Tisch aus Zuhause sein könnte. Halb schräg rechts über die Auguststraße und immer geradeaus, würde ich sagen.

20:06

Es fände noch etwas statt, hat der Redner vorhin gesagt. Ich überlege, ob ich warten soll. Vielleicht wird es lustig.

20:17

Ich gebe dem angekündigten Ereignis noch 10 Minuten.

20:22

Ein Mikroständer wird gebracht. Plötzlich steht ein kleiner Verstärker im Salatbuffet. Ich erhöhe um weitere 5 Minuten.

20:30

Das Programm beginnt mit frohen Mikrofonfurzen.
Sofort danach ist der Künstler wie vom Boden verschluckt.
Er trägt ein nachtblaues, paillettiertes Glitzerjacket. Ist bärtig. Erinnert mich an den Ex-Mann meiner Schwester.

Zurück kommt er mit einem Zaubertisch. Furzt nochmals. Sagt: Guten Abend. Komm ich gut an. Ich hab extra geduscht.

Er zaubert Tücher her. Nennt sie Potüs: Popeltücher. Dafür kriegt er den ersten Lacher.
Nimmt ein silbern changierendes, auseinander schiebbares Rohr von Unterarmlänge. Stopft die Potüs da hinein.
Dann sucht er sich eine weibliche Assistentin.
Ach Madam, halten Sie mal mein Rohr! sagt er.
Unterdrücktes Gegacker.
Was ist heutzutage bei einem Rohr wichtig? fragt er. Kein Rohr ohne Überzieher.
Reiben Sie mal das Rohr! sagt er. So wie zu Hause. Etc. pp. ....
Wiehern. Gackern.

20:53

Jetzt redet er Bauch mit einem Affen.
Kennst du die Gemeinsamkeiten zwischen Verwandtschaft und Salzsäure?
Frisst sich überall durch.

21:03

Es wird Zeit jetzt. Gezahlt habe ich.

22:34

Zappen macht unglücklich. Ich lösche das Licht.


Mi 11.05.05 7:23

Noch eineinhalb Stunden. Im Frühstücksraum. Leise Musik. You are my reality....

8:40

Im Zelt.
Noch 20 Minuten bis Showtime.
Bin ich aufgeregt? Ja. Ich bin aufgeregt.
Ringsum brandet Verkehr.

11:11

Alles gesetzt. Nicht gewonnen.

Die Gründe? - Es gibt 1000 Gründe und alle liegen bei mir.
Alle, bis auf die Umstände.
1 Mädchen hat beim Autogrammschreiben gesagt, es wäre toll gewesen.
Drei kosmetische Eingriffe gegen Störer waren notwendig.
Einmal brüllten wir wie die Löwen.
Einmal ritten wir den Hindernisparcour.
Aber das Gefühl, ich käme ihnen nahe, stellte sich nicht ein.

Nun sitze ich an der kleinen Burg in der Sonne und erhole mich.
90 Kinder waren angesagt. Die erste Gruppe erschien um 8:45. Die zweite sei unterwegs, sagte eine der Lehrerinnen. Die zweite Gruppe hetzte gegen 9:08 ins Spiegelzelt. Ich dachte, gut, dann beginnen wir mit ein wenig Radau. Das löst. Ich trommelte auf einem Stuhl. Die Kinder klatschten und stampften mit den Füßen.
Nach diesem Eröffnungsradau wollte ich nahtlos zu lesen beginnen.
Ich hatte das Headset vorher ausprobiert. Es klang gut.

Der Radau ebbte ab.
Das Vampir-Programm sagte ich in die Stille. Das Mikro funktionierte nicht.
Ich justierte es neu.
Das Vampir-Programm, sagte ich. Das Mikro funktionierte nicht.
Fröhlich lachende Kinder.
Drei - viermal ging das noch so. Das Signal kam oder kam nicht.
Schließlich begann ich trotzdem zu lesen.

Las ich schlecht?
Schlechter als vorletzte Woche in Bochum? -
Ich weiß nicht.
Flüchtiger wahrscheinlich. Flüchtiger wegen des brausenden Verkehrs.
Unkonzentrierter wegen des immer noch nicht funktionierenden Mikros, das der Techniker schließlich auf halber Strecke der Lesung austauschte.
Aber da hatte ich schon den Verdacht, dass es mir aus der Hand glitte.

Könnte auch sein, dass das Präsens nicht ganz unschuldig ist.
Vielleicht ist es eher eine Erzählform für emanzipierte Leser.
Ist das Vampir-Programm für Achtjährige zu komplex?
Möglich.

Die Kinder hatten kaum Fragen.
Auch, wenn sie immer das Gleiche fragen, das wäre mir lieber gewesen, als gar keine Fragen.
Sie wollten Autogramme und weg. Wieder in ihren Bus, der sie in zwanzig Minuten an den Stadtrand fährt, zu ihrer Schule.

Ich ging Einkaufen. Unter den Blicken eines von Neurodermitis geplagten Verkäufers kaufte ich das graue Hemd, dass ich gestern gesehen hatte. Und da ich schon einmal dabei war, mir die Enttäuschung vom Leibe zu kaufen, erstand ich in einem anderen Geschäft gleich noch eine Hose.

Mein Zug geht um 13:51

Ich könnte also noch weiter dafür sorgen, dass es aufwärts geht mit unserer von allem Sinn entleerten Republik, in deren Vorstandsetagen, lese ich, nun auch schon die Nervosität umgehe. Die Frage sei nämlich: wer gerät als Nächster ins Visier angelsächsicher Hedgefonds.
Die Shareholder Kapitalisten vernichten sich gegenseitig.
Spirituelle Weis- oder Wahrheiten? -
Keine.
Bis auf: Wir sind Papst.
Oder: Wir werden Weltmeister.

Stimmt das? fragte der Tontechniker. Sind Kinder nur noch schwer bei der Stange zu halten?
Ja und nein, antwortete ich aus schon aufgeführten Gründen.

Während ich hier sitze, lesend, tippt mir plötzlich jemand auf den Unterarm, sagt etwas, das ich nicht verstehe, und ist schon weiter, als ich aufschaue. Eine ca. 30jährige, etwas verwahrloste Frau.
Wie bitte? rufe ich ihr nach, während sie gerade einen Vorübergehenden auf gleiche Art anfasst wie mich.
Für die Vergewaltigung! ruft sie.

12:25

Einfachste Erklärung:
90 Kinder ihrer gewohnten Umgebung entrissen sind einfach zu viel.
Aber auch das ist natürlich nur 1 Teil der Wahrheit.

13:51

Also nach Hause. Zum Abschied entlädt sich ein lautstarkes Gewitter über der Stadt.

14:51

In meinem ICE Abteil macht jemand Ansagen. Sie sind wortgleich mit dem, was man sonst aus den Lautsprechern hört, aber sie kommen aus irgendeinem der Sitze weiter vorn. Ich tippe auf eine Frau.

Tatsächlich stammen sie von einem Mann. Er ist etwa 30, hat ein freundliches Gesicht und melancholische Augen. Gerade stand er im Gang und sagte sinngemäß: So ein ICE fahre ja manchmal 200, und so vor ein paar Jahren sei das gewesen, da sei so ein ICE über eine Brücke gefahren. In der Brücke seien aber Risse gewesen und da sei der Zug ins Wasser gestürzt. Fast alle tot, 400 Menschen, viele von den Krokodilen und Schlagen und was da alles im Fluss ist, gefressen. Aber, fährt er fort, man müsse ja der Technik vertrauen und hoffen, dass nichts passiert.
Während er so redet, schaut er diesen und jenen an.
Meinen Einwurf, es gäbe aber doch hier nur sehr wenige Krokodile, pariert er lachend mit "Spaß muss ja sein, nicht", wünscht noch eine schöne Reise und geht.
Wenig später sagt er: Meine Damen und Herren. In wenigen Minuten erreichen wir Hamm. Hamm. Westfalen.

Ende

13:08

Rechnungen schreiben macht Spaß.
Vielleicht sollte ich Rechnungsschreiber werden.

Erlaube ich mir, Ihnen Euro ... in Rechnung zu stellen.
Bitte überweisen Sie diesen Betrag unverzüglich auf mein Konto Nr. ... bei der ....

Mit freundlichem Gruß

 

Fr 13.05.05   10:52

Ausgehend von der Annahme, das Leben gehorche keinem erkennbaren Plan, hat M. sich von jeher geweigert, einem zu folgen. Alles in ihm hat sich dagegen gesträubt und sträubt sich noch immer. So wird er also weiter dieses unfassbare Leben als Leben voller Überraschungen und seltsamer Wendungen erleben, als wundervolle Zeit zwischen Geburt und Tod, während andere sich an Plänen abarbeiten, deren oft einziges Ziel Macht und Unterdrückung ist.

11:34

Sie lieben die multikulturelle Gesellschaft? - Selbstredend!
Aber Hand aufs Herz, gibt es nicht Abende, an denen Sie sich danach sehnen, keine Türken, Marokkaner, Libanesen, Afghanen, Afrikaner etc. pp. um sich zu haben? Keine auf Knien bettelnde Bosniaken zu sehen?
Abende, an denen Sie nicht das von slawischen Lauten zerhackstückte Deutsch eingewanderter Kasachen hören wollen, die vorgeben, Deutsche zu sein?
Abende, die Sie mit nichts als sich, einem guten, nach Jahrhunderte altem Reinheitsgebot gebrautem, deutschen Bier und Eingeborenen verbringen wollen? -
Ja, solche Sehnsüchte hat man.
Dagegen ist nichts zu sagen.
Dafür müssen Sie sich nicht schämen.
An solchen Abenden sollten Sie die Gaststätte "Zur guten Quelle" in MS. Roxel besuchen.
Dort hinein traut sich kein Türke, und der Afghane schon gar nicht. Nicht, weil man ihn dort schlecht behandelte, nein, er würde sich einfach nur fehl am Platze fühlen und gleich wieder gehen.
Nur an Orten wie diesem kann man sitzen, sein Bier anstarren und deutsche Gemütlichkeit genießen.
Am Stammtisch spielen fünf Männer Doppelkopf.

Einer, der Herzberg heißt und mit Sand, Kies und Baumaterialien handelt, steht hinter den Männern am Tisch und schaut ihnen in die Karten, was niemand witzig findet, aber was ihm auch niemand sagt, vielleicht, weil er Herzberg heißt und sie nicht wissen, ob er tatsächlich Jude ist, wie man sagt. Nicht, dass sie was gegen Juden hätten. Es ist ihnen nur peinlich. Sie kriegen immer sofort ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihn sehen.
Dann kippt ein Glas um.
Alle springen auf, wischen und machen und tun, trotzdem fließt Bier übern Tischrand, alle lachen und einer der Männer ruft, nun wisse er endlich, warum die Holländer überall Kanäle grüben.
Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt.
Herzberg gibt einen aus.
Der Abend unter Eingeborenen hat sich gelohnt.
Morgen kehren wir zurück zu den demütig knienden Bosniaken und dem multikulturellen Rest dieser Welt, heute Abend aber genießen wir diese Eingeborenen mit ihren Ticks. Ein Glück nur, dass sie nicht wussten, dass wir Joints geraucht hatten und es nicht ganz einfach war, dieses Reservat zu betreten.

 

So 15.05.05   10:20

Protestanten, Katholiken
Heut ist Fromms Reklameficken! (1)

12:40

Dichten? Schreiben? Immer lustig am Leben entlang - alles andre ist abwegig. Entweder die Phantasie beginnt gleich vorn vor der eigenen Haustür, oder alles bleibt wirklichkeitsfremder Surrealismus. (2)

 

Mo 16.05.05   13:40

Nachdem noch alles nach Regen aussah, als ich das Haus verließ, strahlt nun (11:32) die Sonne und in den Birken am gegenüberliegenden Ufer des Dortmund Ems Kanals bereden Amseln, Finken, Meisen, Rotkehlen und Tauben den weiteren Verlauf des Tages. Man steckt mitten in der Brutpflege, die, wie ich aus Erfahrung weiß, anstrengend ist. Anstrengend und wundervoll, enthebt sie doch zumindest den Mensch vieler nutzloser Alltagssorgen.
Ich habe ca. 24 Kilometer hinter mir, bin durch die Welsingheide Richtung Albachten geradelt, dort übern Sandweg der Nase nach, bin beim Venner Moor auf den Kanal gestoßen und ihm, Amelsbüren streifend, wo sie mit großen Maschinen den Kanal breiter baggern, bis hierher gefolgt.
Längst der Brutpflege enthoben, darf ich nun zuschauen, wie ringsum hart für die Zukunft gearbeitet wird, muss lesen, dass unerseins weit unter dem durchschnittlichen Einkommen einer Familie mit zwei Kindern lebt, gelte mithin als arm, wenngleich wir uns nie so gefühlt haben.
Gefühlte Armut: hochmodern.
Den Kanal kreuzen sechs Entenküken. Ich habe Mauersegler gesehen, die ersten des Jahres, in der Dorfbauerschaft saßen zwei Störche auf einem Dach, drei Fischreiher stehen steifbeinig in Wiesen, ein Reh wacht am Feldrand.
Die Bewohner von Metropolen sehen so etwas Jahrzehnte lang nicht, unsereins (arm) mehrmals die Woche.
Könnte mir kaum noch vorstellen, metropolen-zentral zu leben, wo mir nicht auffiele, wie sich alles auf den ersten großen Tag des Jahres vorbereitet.
Ruderer trainieren Schlagzahlen, zehn bis zur blauen Brücke, ruft einer, ein Herrchen wirft seinen zwei Terriermischlingen Stöckchen in den Kanal, die Hunde aber stehen wimmernd am Wasser und trauen sich nicht hinein.

Der heilige Geist materialisiert sich mit jedem zusätzlich gefahrenen Kilometer zwischen Rektum und Hodensack, prickelnd, wie er dort einfährt, jetzt (12:25), wo ich in bequemem Stuhl vor einem Eisbecher sitze, während ein Vater (der Papa) rechts neben mir soziales Verhalten mit Tochter und Sohn probt.

 

Di 17.05.05   10:00

Kleiner Appetithappen aus der Werkstatt: Der Vogel und der Zauberer

"Und jetzt zu Ihnen, Rocko", fuhr Bukenworm fort.
"Was ist mit mir?" fragte Rocko und schlug aufgeregt mit den Armen.
"Nun, zunächst sollten Sie aufhören, mit den Armen zu flattern, Sie sind ja kein Vogel mehr", sagte Bukenworm kühl.
"Das müssen Sie gerade sagen", sagte Rocko, "sind Sie denn nicht gerade noch hier rumgebrummt wie eine Hummel..."
"Stimmt", sagte Bukenworm, "aber ich habe nie behauptet, eine Hummel zu sein. Ich war immer Ich, wenn Sie verstehen, was ich meine."
Rocko nickte.
"Sehen Sie, und genau das sollen Sie nun auch sein. Konzentrieren Sie sich ab sofort auf ihre neuen Aufgaben."
"Mensch sein?" fragte Rocko.
"Ja, ein Mensch, wie Siebenlist einer war."
"Und wenn ich nun gar nicht zaubern kann?", fragte Rocko ängstlich.
"Wir werden ja sehen", beruhigte ihn Bukenworm. "Außerdem haben wir Zeit. Ihr nächster Auftritt ist erst in drei Wochen."
"Auftritt, was für ein Auftritt?" stammelte Rocko. Seine Augen hatten sich vor Aufregung geweitet.
"Nun, ich deutete es ja schon an, Sie verdienen ihr Geld mit großen Illusionen...."
"Siebenlist macht das!" sagte Rocko schnell.
"Hat das gemacht!" sagte Bukenworm. "Hat. Früher, als er noch Mensch war, aber Siebenlist ist ja jetzt ein Vogel. Stimmt's, Siebenlist?"
"Raaaaa!"
"Sehen Sie. Und da Sie ja nun aussehen wie er, wäre es praktisch, wenn Sie das Gleiche täten.
"

16:00

Erfuhr, dass sich in Bochum eine Selbsthilfegruppe für Hochsensible gegründet hat und versuchte sofort, beizutreten. Schließlich - was sollte ich sonst sein, verrückt? -
Nun, die Zugangsfrage für den Antragsteller lautete: Sind Sie hoch sensibel?
Einfach, sollte man meinen, tatsächlich aber ist es viel komplizierter.
Der wahrhaft Hochsensible wird nämlich auf so eine Frage bestürzt davon eilen. Er hat gar keine andere Möglichkeit. Entweder läuft er davon, oder er bricht in Tränen aus, oder beides, das sind die für Hochsensible adäquaten Reaktionen und jede würde auf der Stelle akzeptiert.
Keinesfalls akzeptiert würde die Antwort: Ja.
Sie disqualifizierte jeden Antragsteller sofort, lässt sie doch darauf schließen, dass der Antragsteller lügt, denn jeder Hochsensible weiß, dass er nichts weiß, also nicht einmal, ob er hoch sensibel ist.
Aber auch das allseits akzeptierte Davonlaufen und Tränenvergießen können nicht zur Aufnahme in die Selbsthilfegruppe führen, denn dies betrübt den Fragesteller dermaßen, dass auch er davon läuft und in Tränen ausbricht (oder umgekehrt oder beides), so dass die beiden Verhandlungspartner auseinander eilen und sich unter Umständen nie mehr treffen werden.
Ein klassisches Dilemma. Weiß nun gar nicht mehr, was ich tun soll.

 

Mi 18.05.05   12:57

Seit wann gibt es den Euro? - Seit drei Jahren? - Ja, ich glaube.
Aber angekommen im Euroalltag bin ich noch nicht, wenngleich ich ihn gut heiße, und die politische Idee, die dahinter steht, umwerfend finde.
Ob er ökonomisch von Vorteil ist, kann ich nicht beurteilen.
Es gibt Stimmen, die sagen, eine DM wäre besser im Kanon der floatenden Währungen, vor allem, wenn es darum ginge, Zinssätze flexibel zu gestalten.
Das mag so oder so sein.
Wie wenig der Euro mir emotional noch bedeutet, spürte ich, als ich vorhin von Bochum zurück fuhr.
Ich hatte die schon angesprochene 400 Euro Stelle vereinbart.
Anfangs hatte das verlockend geklungen, dann aber doch eher unterbezahlt, vor allem in Hinsicht auf An- und Abfahrt, die meiner zukünftigen Arbeitszeit hinzuzurechnen wäre.
Als ich das gleiche Szenario aber in DM durchdachte, 800 DM für einen Nachmittag (3 Zeitstunden) in der Woche, wurde mir gleich wärmer. Und so scheint es, dass Herr M. ab August 2005, fast dreißig Jahre, nachdem er - trotz erfolgreichen 2ten Staatsexamens - der Schule endgültig den Rücken kehrte, dorthin zurück kehrt.
Aufregend und äußerst bemerkenswert finde ich das.

 

Do 19.05.05   9:10

Letzte Woche waren zur Stoßzeit bis zu 10 Arbeiter der Stadtwerke hier, um zuzuschauen, wie einer ein Loch grub, um das Zuflussventil für die Wasserversorgung unseres Wohnblockes auszutauschen und das Loch ordnungsgemäß wieder zu schließen.
Seit gestern sind zwei Arbeiter einer Privatfirma vor Ort, haben seither drei Löcher gegraben (eines davon das Loch, dass einer der 10 Arbeiter vor einer Woche ausgehoben und wieder geschlossen hatte), und versuchen nun, ein Plastikrohr von etwa 10 Zentimeter Durchmesser vom einen Loch unter der Straße hindurch zum anderen Loch vorzutreiben.
Ich habe aber den Eindruck, dass die angewendete Technologie nicht dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse entspricht, es wird da mit dem Arm eines Minibaggers geschoben und gedrückt, aber tatsächlicher Vortrieb ist nicht zu erkennen. Auch wird häufig geflucht, woraus ich schließe, dass die Arbeiter nicht recht zufrieden sind.

 

Fr 20.05.05   11:05

It's me, your humble servant ...
Eigentlich sollte ich Tristam Shandy mal wieder lesen.
Mittlerweile ist der Roman fast dreihundert Jahre alt und immer noch ist er moderner, als vieles, was heute modern ist. Er ist nicht ganz einfach zu konsumieren, man muss sich ein wenig Mühe geben, um all den Seitenpfaden, Umwegen und irrwitzigen Eskapaden des Erzählers zu folgen, vielleicht bleibt man auch nach 100 Seiten desorientiert im Erzählgestrüpp hängen, aber das macht nichts.
Lesen bedeutet nicht, von Anfang bis Ende zu lesen.
Ein Roman ist ein Angebot, wer mehr darin sehen will, soll Germanistik studieren.

Ihr ergebener Diener M. trägt wie immer zentnerschwer an der Welt, aber wie immer weiß er, dass das nichts Neues ist, deshalb schaut er sich um und sucht eine Tür, statt mit dem Kopf durch die Wand zu rennen.

 

So 22.05.05   11:45

Zum Sonntag:

Gott ist die Summe aller Zufälle. (3)

12:47

Zur NRW-Wahl:

Das ging aber schnell! sagte einer der Wahlhelfer, als ich schon Sekunden, nachdem ich in der Wahlkabine verschwunden war, mit gefalztem Wahlzettel wieder heraus kam.
Ich hatte das ja auch auswendig gelernt! entgegnete ich.
Die Wahlhelfer lachten.

19:10

So, nun es ist heraus: die mir in der Regel unsympathischen Damen und Herren der CDU (Ausnahmen: Heiner Geißler, Norbert Blüm) werden in NRW regieren. Zur absoluten Mehrheit werden Sie sich mit den mir noch unsympathischeren Damen und Herren der FDP verbünden.
Nun werden Sie vielleicht sagen, ich schenkte mein Vertrauen nur Menschen, die mir sympathisch sind. -
Richtig. Menschen, deren politische Marschrichtung ich teile, sind mir in der Regel sympathischer als Menschen, die dies nicht tun.
Wenngleich dem neuen Ministerpräsidenten Rüttgers 100 Tage Einarbeitungszeit zustehen, wird er durch die geschickte Ankündigung von Herrn Müntefering, der Kanzler und er strebten Neuwahlen zum Herbst 2005 an, diese Schonfrist wohl nicht genießen können, denn nun wird die CDU sich positionieren müssen.
Zu erwarten sind finale Kämpfe, die bald offenbaren werden, wo wer in der CDU steht und wofür!!!
Vielleicht wird der Wähler, der immer alles sofort will und glaubt, das müsse so sein, diesmal vor lauter Staunen über die lebendige Demokratie in diesem Lande den Mund nicht wieder zu kriegen.
Ich erwarte, dass die SPD nach der Ankündigung von Neuwahlen mit ihrer Kapitalismus-Kritik nicht weiter hinterm Berg hält und der CDU viele viele unangenehme Fragen stellt.
Darauf freue ich mich.
Und ich freue mich, dass die Rechten wieder nur eine Randerscheinung geblieben sind.
Sie sehen, die Niederlage der Rot-Grünen Koaltion ist kein Grund zu Trauer. Sie ist normales demokratisches Procedere, gewinnt aber durch die Ankündigung von Neuwahlen zusätzliches Unterhaltungspotential auf hoffentlich hohem Niveau.

 

Mo 23.05.05  8:45

Heute vielleicht mit dem Kopf durch die Wand...

9:35

Das ist der Lohn.....

Sehr geehrter Herr Mensing,

Wir lesen gerade mit unserer Klasse ihren Roman "Große Liebe Nr.1". Sie sind nicht ein unbekannter Autor für mich und meine Schulkameraden. Mich hat Ihr Werk schon an Ihrer Vorlesung zum Roman "Sackgasse 13" zum weiteren Lesen Ihrer Bücher sehr inspiriert. Allein das sie an diesem Tag so viel getrunken haben, weil sie so einen trockenen Hals hatten, brachte mich zum lachen und ich habe angefangen Sie zu mögen.

Wenn ich ehrlich bin, gehöre ich zu den meist pubertierenden Teenagern, die das Lesen als uncool empfinden. Doch der lebendige Styl, den Sie in Ihren Büchern rüber gebracht haben, hat mir fasziniert. Woher hatten Sie die Ideen zu den Büchern, wie kamen Sie überhaupt darauf. Könnte es sein, dass Sie vielleicht das gleiche durchgemacht haben wie Steff?

Ich bewundere, wie Sie alle Personen in diesem Buch liebevoll beschreiben.
Ich muss leider auch zu geben, dass mich ein oder zwei Stellen gelangweilt haben.

Haben Sie schon mal über eine Fortsetzung des Romans "Große Liebe Nr.1" nachgedacht?

Am liebsten würde ich Ihnen hunderte von Fragen stellen, aber ich bin mir fast sicher, dass Sie nicht viel Zeit für Ihre Leser haben können. Also ich würde es verstehen, wenn Sie nicht antworten. Ich werde mich doch sehr über eine Antwort freuen.

Mit freundlichen Grüßen ...

13:30

Das denkt der Gymnasiast (nicht korrigiert):

TAG! Ich wollte mal was zeigen!

Vieleicht eine kleine Antwort auf die Erwachsenen/Lehrer die sich fragen warum man Schule so langweilig/blöde/anstrengend/... findet!

Mein jetziger Stundenplan auf dem Gymnasium sieht so aus:

Montags: 6 Stunden
Dienstags: 7 Stunden M
ittwochs: 8 Stunden
Donnerstags: 6 Stunden
Freitags: 8 Stunden

Na? Getz denkt man sich ui meine güte man kommt immer halb tod zur schule aber HAHA!
Da hat man falsch gewettet!: ein kleines Beispiel der tatsächliche Stundenplan der letzten Woche:

Montags: Um 8 uhr zur Schule gelaufen. Todmüde festgestellt das man die nächsten zwei stunden in der schule rummlungern darf da Informatik ausfällt und keiner irgendwie mal dran gedacht hat das man es ja auch auhängen könnte!

Na ja weiter ... danach zwei Freistunden (Normalerweise Englisch) Aber der Lehrer muss schon seit drei wochen bei einer anderen Klasse vertreten die es "nötiger" hat! Mittlerweile ausgeschlafen zum Kunstraum gegangen um festzustellen das man nur wegen zwei Stunden kunst zur schule gekommen ist!

Dienstag: Planmäßig erste stunde kein unterricht! zweite Stunde Planmäßig Mathe! dritte vierte Stunde Deutsch fällt aus!(Lehrer nicht da!?) Zwei stunden Geschichte! Zwei Stunden Sport!

Mittwoch: Ersten beiden Stunden in Latein einen Film geguckt (bzw. Geschlafen)! vierte Stunde Erdkunde kurze Hausaufgaben kontrolle... kurz aufgeregt weil nur 5 leute sie haben...UI DIE STUNDE IS SCHON VORBEI! vierte Stunde Geschichte (das einzige fach das eigentlich immer stattfindet) eine Stunde Physik letzte Stunde Physik fällt aus da alle Schüler wegen konferenz nach der 5ten Schluss haben! siebte und achte--> Englisch lehrer muss ja vertreten--> ab nach hause!

Donnerstag: zwei stunden Mathe dritte stunde Deutsch fällt aus Deutsch lehrer immer noch nicht da! vierte Stunde Physik fünfte Stunde fällt aus Englisch lehrer muss vertreten sechste Stunde Informatik

Freitag: ersten beiden Religion (Ja nich zu spät kommen hier werden selbst verspätungen von 1 Minuten und 23 Sekunden geahndet!!! KEIN SCHERZ) zwei Stunden Erdkunde zwei Stunden Latein abzüglich 30 Minuten(Lehrer muss noch was erledigen)

Yoa so ist das halt in Wirklichkeit! man kann sagen das was bis getz(halbes jahr) noch nie ausgfallen ist war die Freistunde dienstag morgens! Ich habe es ja schon gehasst wenn wir auf der PRS zwei stunden nacheinander vertreten wurden! Weil man dann in der klasse saß und nichts tun durfte/konnte! Aber seit ersma 4 stunden lang in der schule und langweilt euch! (Ihr glaubt garnich wieviel Fliesen da in so einem Flur liegen!)

WÜRG Ich will mich ja nicht beschweren das da viel ausfällt aber:
1tens: Ich verstehe diese Logik nicht: Man lässt bei einer anderen Klasse ausfallen damit bei einer anderen Vertreten werden kann! HÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ WARUM! Welclher Hirn.... ..... id.... hat sich denn das ausgedacht!

2tens: Man kommt zur 1ten Stunde um festzustellen das man 4 stunden zu früh ist!
AUTSCH! ...und ich dachte die vertretundspläne wären gerade dazu da!

3tens: Welche/r ver...... ..... ..... Minister/rin ist dafür zuständig??
Kermit der Frosch?!
Na ja egal Sorry ersma das ich das hier zuposte aber da sind wa sofort bei der nächsten sache: Man sollte doch erwarten können das ein Erwachsener Mensch wenigstens einigermaßen kritikfähig ist!

HAHA Denkste nicht die Erwachsenen auf dem Gymnasium! Wenn man einem Lehrer sagt das man das bitte erklärt aben wolle da man es nicht verstanden hat fühlt dieser sich persönlich angegriffen! und das zeigt er einem auch in der nächsten zeit! Aber haha wer getz denkt das wäre es! ne! nehmen wir mal an dieser Lehrer hat freunde im Kollegium... Dann hat man bei denen auch verschissen!

Das ist auch der Grund weshalb ich das auch hier rein schreibe (würde das niemals auf der Page der schule reinschreiben! Könnte mir vorstellen das dann nach mir gefahndet wird damit man mich in einer öffentlichen feier von der Schuel schmeißen darf!)

Na ja was ich damit sagen wollte is eigentlich...
Wenn einer aufs Gymnasium gehen will dann muss er folgendes lernen!
1tens: Man ist den Lehrern Scheißegal! Man hat die Schulpflicht rum und man will ja immerhin was vom Lehrer! Dabei darf man aber keine Informationen erwarten! Man wird nur getestet beibringen muss man sich das selber! Zitat: "Wie? du weisst nicht mehr wie das geht? das ist Stoff der 6ten Klasse" Stimmt das ist ja auch nur ca. 5-6 Jahre her! Wie kann man nur!

2tens: Jeder sagt: "Nein Gymnasisten werden nicht bevorzugt" haha denkste! sagen wir es mal so wer vor hat auf das Gym zu gehen und bei einer frau ... kunst haben wird!... VIEL SPAß ;)

3tens: Es ist garnich so schwer auf dem Gym gute noten zu bekommen: Wer mal ein paar noten besser werden will-->: geht ganz einfach: setzt euch einfach zwei Brustinplantate der große c-d (... ach was b reicht schon!) ein und ihr werdet sehen! Es ist echt nich schwer!

Na ja gut das wars ersma!
das kann man natürlich nicht auf jeden beziehen aber ein paar wahre Prachtexemplare kann man auf dem gym schon finden!
Na gut alles hab ich ja noch nicht erlebt! Aber ich werde euch natürlich auf dem laufendem halten was für tolle sachen man hier erlebt! Da merkt man schon ganz schön was man so an den Lehrern auf der PRS hatte!

Klar hatte man mal irgendwann auch streß mit denen aber man wurde dann trotzdem noch fair behandelt! Außerdem kann man fragen wenn man etwas nicht verstanden hatte! und dann wurde zumindest versucht dies zu erklären! Also für alle die noch aufs Gym kommen wollen viel spaß! Es ist machbar wie da unten schon gesagt wurde man muss viel lernen, aufgarkeinen fall einen Lehrer ärgern,...

Aber damit ich fair bleibe es hat auch Vorteile: Man darf in der Pause rein. Die Pcs im haben mehr als 200 Mhz und stürzen nur 1 mal pro stunde ab! Aber das beste kommt getz: Es gibt Süßigkeiten in der Milchbar! Ich hoffe getz wissen einige Menschen mehr bescheid! Weitere interessanten tage auf dem Gym werden folgen!

Auch ein herzlichen dank an herrn M. der diesen Text bis zum ende gelesen hat um ihn zu überprüfen! MFG Der Fab P.S. eine eindringliche bitte im namen der getzgen 5-10 Klässler der prs an die kunstlehrer! Ich weiss nich in wie weit sich der unterrichts stoff verändert hat aber wir wenn man auf das Gymnasium kommt ist man im fach kunst total aufgeschmissen! Dort hört man das erste mal solche wörter wie Pragmatik oder Syntax! Wird dann auch noch gefragt "wie das kennst du nicht?"
! NEIN MAN HAT ES NIE GEMACHT!

Bitte lernen sie mit ihren Schülern auch die theorie der kunst!
Sie werden es ihnen spätestens dann danken wenn sie nicht wie wir mit heruntergelassenen hosen im Kunst raum sitzen und überhaupt agrnicht wissen worm es geht! Ich vermisse schon ganz schön die PRS! Schade das man nicht da Abitur machen kann! Hauptsache die Schüler und die Lehrer bleiben so wie sie sind!

Schöne grüße an: hernn B. (Sorry wegen dem Trojaner! ich wars nicht allein! Dürfte übrigens imme rnoch laufen wenn ich mcih recht erinnere auf port 300! einfach ma nen virenscann machen und ne firewall installieren dann passiert das nich wieder) Frau J. (Ihr kunst war trotzdem toll:)) Frau S. ( Getz wünsche ich mir ich hätte die Gramatik doch mal gelernt) Frau R. (Ihr Kunst war Scheiße! ICH HATTE IHNEN NIX GETAN :() Herr R. (In meiner Top Ten sind sie immer noch auf platz 1) Frau F. (Platz zwei zusammen mit Frau S.) Herr K. (Schade das nur wenige Schüler bei ihnen sport haben durften) Ach ja und Herr K. ( Ich war son freak aus der Klasse die alle nur Affenköppe sind:) )

So das wars, getz höre ich wirklich auf! :)

 

Di 24.05.05 14:32

Nichts als Reviergesang, was ich hier von mir gebe.

 

Mi 25.05.05   17:16

Soll einer sagen, Herr M., der nach längeren Radtouren, Sessions oder verkifften Nächten doch schon spürt, wie das Alter näher kriecht, bewege sich nicht. Jetzt hat er sich doch tatsächlich auf ein Theaterprojekt eingelassen. In Kooperation mit dem Jungen Theater Cactus wird er an der Produktion einer Soap teilnehmen, die im Frühjahr 2006 Premiere haben wird, eine Woche en Block gespielt und dann übers Jahr in 12 Folgen weitergeführt werden soll. Herr M. freut sich schon.
Der erste Schritt ist getan. Herr M. weiß, wer was leisten soll, er z. B. wird sich vorrangig mit Dialogen beschäftigen, andere sind Regisseure, Dramaturgen, Bühnenbildner, Ton- und Lichttechniker, eben alles, was ein Theater braucht.
Nächster Schritt wird sein, fünf Jugendliche zu finden, die in dieser Soap spielen wollen.

 

Do 26.05.05   10:20

Heute wird der Leib des Herrn in einer Monstranz durch die Straßen getragen. Daher auch der Name. HAPPY KADAVER DAY.

 

Fr 27.05.05 14:30

So voll ist die Zeit von Waffen und Rittern und Eisen und Getöse, dass selbst die Worte des Weisen klirren, statt still zu sein wie das Rauschen des abendlichen Windes in den Wipfeln der Bäume. (4)

 

So 29.05.05   11:00

Kaum hat man den Ort seines Vertrauens mal für einen Tag verlassen, schwirrt der Kopf schon von Nichtgesagtem. Aber auch heute wird man nicht dazu kommen, es zu sagen. Nie sagt man auch nur ein Zehntel von dem, was zu sagen wäre, man ist ja nicht dumm! Man hütet seine Vulkane, man schürt die Feuer im Erdinnern, damit sie beizeiten ausbrechen.

Während man also mit Kaffee in den Tag taumelt, als habe man den Vortag körperlich arbeitend verbracht (dabei war man doch nur in Amsterdam), während man seinem media-player befiehlt, per random-play Musik auszuwählen, beschließt man, übers Boxen zu sprechen, das man gestern Abend noch von fern gesehn hat.

Ein Albaner kämpfte gegen einen Neger.
Der Albaner ist ein guter Albaner. Nicht einer der Sorte, mit dem die Cousine unserer in M. lebenden Freundin J. verheiratet ist, und den sie, damals gerade mal 18, nur geheiratet hat, damit dieser nicht ausgewiesen würde.

Nein, so einer ist der Albaner, der gestern Abend die Fäuste schwang, nicht. Er ist eigentlich auch gar kein Albaner. Er ist Kosovo-Albaner, was im deutschen Ranking noch weit hinter Roma rangiert, also quasi nicht existent. Sein Fall aber liegt anders. Er ist nämlich seit 16 Jahren Deutscher, und beeindruckt hat er Herrn M., als er sich nach der vierten oder fünften Runde eines Kampfes einmal rundweg weigerte, weiter zu kämpfen.

Das war groß.

Nun, dieser Albaner, der im Schwäbischen lebt und nicht, wie der Ehemann der Cousine unserer in M. lebenden Freundin J. nur hier ist, um die deutschen Frauen zu schlagen, zu drangsalieren und darauf hinzuarbeiten, wie alle seine bei der Hochzeit anwesenden 400 Verwandten bald auch einen BMW der 3er oder 7er Serie zu besitzen, dieser Herr Krasniqi spielt für uns Eingeborene den guten Albaner. Schließlich will er Weltmeister werden, der erste Deutsche Weltmeister seit Max Schmeling.

Sein Gegner wird hier nur deshalb Neger genannt (sonst ja eher: Afro-Amerikaner), weil er sich im Vorfeld des Kampfes genau so aufführte, wie Herr M., der ja auch vorurteilsfreie Bilder von Kosova-Albanern hat (Blutrache, 3er BMW etc.) sich einen Neger vorstellt: großmäulig, stark wie ein Bär, ein bisschen dumm. All diese Bilder bediente dieser Neger gern. Ich nehme an, zwecks Maximierung der Gage.

Er verweigerte sogar den Gruß beim Wiegen und ließ durch einen weiteren, alle Klischees erfüllenden, in einen Tarnanzug mit Hut gekleideten Neger verbreiten, er, dessen Namen Herr M. schon wieder vergessen hat, er also werde Herrn Krasniqi in kleine Teile zerlegen und ihm dabei sehr weh tun.

Vorhang: Halbnutten (Models) stehen mit Fahnen an Stangen im Ring und träumen von ihrer praktisch sofort nach Ende des Kampfes anbrechenden, steilen Karriere, ein Ringsprecher versucht seiner Ansage Dramatik zu verleihen und ist doch nur ein Hanswurst des Sponsors, die Kurzfassungen der Nationalhymnen werden gespielt und tatsächlich stehen alle auf und tun, als lauschten sie still.

Dann ziehen die Gladiatoren ein: der böse Neger zuerst, der erwartungsgemäß ausgepfiffen wird, schließlich will er unseren für das deutsche Vaterland boxenden Kosovo-Albaner zerlegen. Als der in den Ring steigt, jubelt die Menge. Beide hüpfen herum. Der Neger sieht freundlich aus. Er ist tatsächlich riesig. Herr M. versucht abzuschätzen, ob sein Jab wirklich so fürchterlich ist, wie in der Vorberichterstattung behauptet. Angeblich hat dieser Neger von über 30 Kämpfen fast 40 durch K.O. beendet.

Also Herr Krasniqi, Vorsicht!

Herr M., der als Zehn- bis Vierzehnjähriger oft in die Concordia ging, um dort Amateur-Boxwettkämpfen von Siegfried Gronau 05 gegen den Rest Westfalens und manchmal sogar gegen Vereine aus der holländischen Provinz zuzuschauen, hat keine Ahnung vom Boxen. Ihn interessiert nur die rohe Gewalt der angedrohten Vernichtung des Einen durch den Anderen, deshalb sollte klar sein, auf wessen Seite er gestern stand.

Sollte er doch kommen, dieser unfaire Neger!

Und tatsächlich - dann kam er, bzw. er kam nicht. Schon nach der ersten Runde war klar, dass alles, was im Vorfeld berichtet worden war, nur der Maximierung der Quote galt.

Wer hatte denn je vorher von ihm gehört? - Niemand.

Wie er da rumstapfte. Kaum Schläge (gar keine eigentlich) die er ins Ziel brachte. Kaum Technik.

So kennen wir den amerikanischen Neger. Wenn es sein muss, beißt er seinem Gegner schon mal das Ohr ab, er ist u.U. tatsächlich bärenstark, aber Technik, Boxen (wir sprechen nicht vom verehrten Muhamed Ali) - oft Fehlanzeige. Stattdessen lieber Koks, Nutten, etc. pp.

Herr M. saß auf dem Sofa, trank roten Wein, führte insgeheim vernichtende Schläge und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass der gute Kosovo-Albaner diesem amerikanischen Großmaul (der wahrscheinlich der Mafia nahe steht oder den gefährlichen Gangsta-Rappern oder sonst irgendeinem Syndikat, das so grauenerregend brutal ist, dass wir es uns gar nicht vorstellen mögen) ihm endlich das Maul stopft.

In der fünften oder sechsten Runde (Herr M. hat das schon wieder vergessen, weil, warum sollte man sich jeden Augenblick der Fernsehunterhaltung merken, es gibt Wichtigeres) setzte Herr Krasniqi tatsächlich eine wuchtige Rechte gegen die Schläfe seines Gegners, worauf dieser umfiel und für eine Weile nicht wieder aufstand.

Herr M., der, wie Sie wissen, Kriegsdienstverweigerer ist, liebt Niederschläge. Sie sind eindeutig, und aus Großmäulern machen sie in Sekundenbruchteilen kleine Brötchen backende, alles gestehende Verlierer, praktisch Geläuterte.

Herr Krasniqi sprang auf die Seile der Ringecke, trommelte sich auf die Brust und schrie. Für Augenblicke befürchtete Herr M., er würde sich das dichte Brusthaar ausreißen. Das aber unterblieb. Stattdessen schwenkte er die Fahne Albaniens, was Herrn M. ein wenig verdross, schließlich ist Herr Krasniqi (urdeutscher Name übrigens) nicht einer dieser in Sippen lebenden, gefährlichen Albaner, die die Blutrache zelebrieren und Ähnliches. (3er u. 7er BMW)

Während Herr Krasniqi (wir dürfen jetzt Luan sagen) seinen Sieg feierte, schwelgte der Sprecher von der wuchtigen Rechten, die, so erklärte er, die Blutzufuhr zum Hirn auf der Stelle unterbinde, was zu sofortiger, vorübergehender Bewußtlosigkeit führe.

Das ist gute Unterhaltung.

Herr M. warf noch einen letzten Blick auf den geläuterten Afro-Amerikaner und ging ins Bett. Dort schnarchte Frau M. und die Katze übte den Milchtritt...

 

Mo 30.05.05   10:15

Ein taghell die Nacht illuminierender Blitz, ein sofort folgender, krachender Donner, dessen Bässe alles erbeben lassen. Etwas scheint zu zerbrechen, eine riesige Kugel vielleicht, unter polternden Schlägen, als zerbräche die Welt und der Himmel über ihr risse, die Risse sprängen in alle Richtungen bis tief ins All, kalt, aber nicht singend, wie übers Eis laufende Risse, nein, knochentrocken reißt es die Nacht der Schlafenden in Fetzen, Nachbeben krachen, kollidieren, das alles als Folge eines einziges Blitzes, einer Explosion gleich, die mich um 1:15 aus dem Bett trieb und für eine halbe Stunde Wache halten ließ. Schloss alle Fenster und ließ die Jalousien in Erwartung eines üblen Spektakels herunter, das zum Glück ausblieb. Beängstigend diese neuen Wetter seit ein paar Jahren.

 

Di 31.05.05   9:15

Als wir Münster verließen, war es drückend heiß. In Amsterdam aber war es klar, Seewind blies übern Bahnhofsvorplatz, die Fahnen wehten, der Himmel war blau. Erholsam nach der Hitze zu Hause. Wir waren bequem unterwegs. Erster Klasse für zwei Personen von Enschede hin und zurück zu 35 Euro, ein Angebot der Niederländischen Bahn. Wir trennten uns von unserem Sohn, der mit einem Freund die Coffeeshops unsicher machen wollte, überquerten den Bahnhofsvorplatz und tranken auf einer Terrasse an einem Kanal erst einmal Kaffee.

Zehn junge Deutsche am Nebentisch tranken Bier. Einer trug eine Frau-Antje Haube, nicht aus geklöppelter Spitze, wie sie, nur ein Imitat für Touristen. Auf dem Tisch stand ein Teller mit in Würfel geschnittenem, schwitzenden Gouda, den niemand anrührte.
Eine Niederländerin an unserem Tisch erzählte von ihrem Leben in einem Seniorenheim in Nijmwegen. Sie war, wie wir, auf Besuch. Ihre Kinder leben in Amsterdam. Aber es war noch zu früh, sie schon zu besuchen. Die Jungen am Nebentisch, meinte sie, gingen sicher gleich in den Rotlichtbezirk. Wir lachten und sagten, das glaubten wir nicht. Eher gingen die in die Coffeeshops.

Amsterdam ist erweiterte Heimat.
Wir kennen es, seit wir 16 sind, wenn wir kommen, kommen wir wegen der Stadt, selten haben wir einen Plan.
Wir wollen nur treiben. Über den Flohmarkt am Waterlooplein, wo man kaufen kann, was man schon immer dort kaufen konnte, nur sauberer, nicht mehr wie aus der Mülltonne gezogen.

Wir gehen.
Wir sitzen auf einer Bank an der Amstel, wir sehen Kirchtürme, Hebebrücken, wir beobachten den regen Verkehr auf dem Wasser, über der Stadt kreist eine Cessna mit einem Banner.
Alle Buitenbaden zijn open! steht darauf. Alle Freibäder haben göffnet.
Wir haben keine Ahnung, was wir als nächstes tun. Wir haben Ferien. Sie dauern einen Tag.
Ein vorüber gehender Vater (Engländer) schlägt seinem rebellierenden Sohn an den Hinterkopf. Der Sohn gibt nicht nach. Der Vater schlägt noch einmal zu. Der Sohn lässt sich fallen. Die Mutter schreitet ein. Man überhäuft sich mit Vorwürfen.

Auf einem Hausboot wird sauber gemacht. Es ist ein behäbiges Schiff mit fast abgerundetem Bug und ebensolchem Heck, etwa 20 Meter lang, es hat einen Mast. Ich frage, was ein Liegeplatz hier, in bevorzugter Lage an der Amstel, koste? 1100 Euro pro Jahr, sagt man. Das Boot müsse allerdings älter als 50 Jahre sein.
Leere Bierdosen rollen vorm Wind und scheppern zum Stadtgesang.

Wir treiben weiter.
Nutten am Morgen. In Seitenstraßen zwielichtige Nordafrikaner, Straßendealer für harte Drogen. Horden bekiffter Engländer. Auf den Grachten dichtes Flanieren von Booten aller Klassen. Die Männer geben den Kapitän, die Frauen und Kinder sind schmückendes Beiwerk und sorgen für Essen und Trinken.
Irgendwann nachmittags zieht ein Rundfahrboot voller Muslima über die Prinsengracht. Vierzig, fünfzig Frauen mit farbenfrohen Kopftüchern.

Sehen, nicht schreiben. Selber hinfahren, nicht lesen.

 

 

 

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1. Peter Rühmkorf: Tabu II, Tagebücher, Rowohlt 2004 // 2. Peter Rühmkorf: ebd. // 3. Lion Feuchtwanger: Die Jüdin von Toledo. Roman, Aufbau Verlag 2005 // 4. Lion Feuchtwanger: ebd. //

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