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Hermann Mensing

Rezeption eines Hörspiels   (Eine Farce in sieben Aufzügen)


Vorspiel

Im Juni 2004 schickte ich ein Hörspiel an die Redaktion eines öffentlich rechtlichen Senders.
Lange hörte ich gar nichts. Dann telefonierte ich. Einmal (25.08.04) Zweimal. (25.10.04) Dreimal. (14.01.05) Nach meinem letzten Telefonat schrieb ich diesen Brief....

I. Aufzug

Guten Tag ...

da unsere Geschichte sich langsam zu einer unendlichen weitet, will ich, eh sie beendet ist, noch ein paar Sätze zu ihrem Verlauf und den sie berührenden Eitelkeiten sagen.

Da Sie öffentlich-rechtlich arbeiten, nehme ich an, Ihr Büro wird (abgesehen, von den Eifersüchteleien der miteinander konkurrierenden Redakteure) recht behaglich sein, vor allem im Hinblick auf die Unwägbarkeiten der herrschenden globalen Exzesse des Kapitalismus.
Das ist auch gut so, denn der/die Redakteur/In braucht seine/ihre Ruhe.

Dass Sie aber (wie jetzt geschehen) - ein Manuskript, das als erhalten galt, dann (Monate später) als doch nicht erhalten deklarieren, bzw. sagen, Sie könnten es nicht finden, vielleicht sei es etc. pp..., beteuern, wie peinlich Ihnen das sei, mich bitten, es Ihnen doch erneut zusenden und mir im gleichen Atemzug versprechen, im genannten Falle würden Sie es innerhalb einer Woche lesen und eine Entscheidung treffen, ist erstaunlich und für einen Autor kaum zu fassen.

Gläubig wie Autoren (ich) sind, schickte er das Manuskript tatsächlich noch einmal fort.

Als er nach 14 Tagen noch keine Antwort hatte, als erste Zweifel die alten Zweifel, die nie verstummt waren, untermauerten, als er telefonierte und von Ihnen erfuhr, man könne das Hörspiel zwar nicht produzieren, werde sich aber mit einem Brief melden, dachte er schulterzuckend, na ja, hatten wir je anderes erwartet?

Aber dann kommen weder Brief noch Manuskript zurück, so dass er erneut zum Telefon griff.

Nun von dort die Auskunft: man werde das Manuskript zurücksenden.
Bei aller gebotenen Zurückhaltung glaube ich auch daran nicht mehr.

Und ich weiß nicht, was Sie sich dabei denken...

Mit verhaltenem Gruß ...HM

 

II. Aufzug

noch am gleichen Tag: E-Mail

Lieber Herr Mensing,

Ich finde Ihren Hörspieltext sehr fantasievoll und außerordentlich reizvoll.
Leider haben wir so wenig Mittel und Sendeplätze für Kinderhörspiele, daß ich eine Realisation vielleicht für 2007 ins Auge fassen könnte, das darf ich aber nicht, weil ich nicht weiß ob wir 2007 noch überhaupt Hörspiele machen können.

Es könnte vielleicht sein, daß ich ihren Stoff für 2006 als ein Halbstunden-Hörspiel (29 Minuten) einplanen könnte. Aber nach meiner Einschätzung braucht der Stoff mehr Sendezeit.
Wie sehen Sie das?

Wenn ich "Der Vogel und der Zauberer" realisieren könnte, würde ich noch über einige Details des Inhalts mit Ihnen diskutieren. Daß sich Rocko betrinkt und dann noch einen Kater hat, gefällt mir zum Beispiel nicht. Ich erlaube mir hier meine Sicht der Sache ins Worte zu fassen: dieser schöne Hörspielstoff braucht "diese Nummer" nicht.
Außerdem: die Idee mit dem sprechenden Mond irritiert mich ein wenig.

Aber die Geschichte, die gesamte dramaturgische Anlage, die Charaktere, die Dialoge, all das finde ich wunderbar
.

Ich hoffe, dass meine Bewunderung Sie ein klein bisschen für die redaktionelle Unvollkommenheit entschädigt. Das Skript schicke ich Ihnen selbstverständlich per Post zurück.
Aber vielleicht können Sie mir noch meine Sendezeit-Frage beantworten?
Das wäre nett.

Ich wünsche Ihrem Hörspiel eine gute, fantasievolle Realisation!

Mit herzlichen Grüßen ...


III. Aufzug


zwei Tage später

Guten Tag ....

ich will Ihnen gar nicht erst verheimlichen, dass ich schnell bin, wenn ich schnell sein möchte, deshalb als Word-Doc. das im Umfang - jedoch nicht in der Aussage - abgespeckte Hörspiel. Es ist nun 31 Seiten lang und sollte in die angepeilten 29 Minuten passen.

So weit so gut.
Nun hoffe ich, dass Sie ebenso schnell sind, und wir den Rest des Procederes hinter uns bringen, um dann ein Hörspiel daraus zu machen, das sich gewaschen hat.

Mit freundlichem Gruß...HM


IV. Aufzug

einen Tag später (E-Mail)

Lieber Herr Mensing,

die Mail mit dem gekürzten Skript ist angekommen. Ich drucke sie gerade aus. Allerdings habe ich erst nächste Woche Zeit, mich mit Ihrem Hörspielstoff wieder zu beschäftigen. Also: bis dann. Ihre www.page finde ich sehr schön gestaltet. Da wir in unserem Radioprogramm für Kinder auch Buchbesprechungen haben, werde ich bei Ueberreuter das Programmheft 2005-1 erbitten und gleich einige Titel von Ihnen.
Welches Ihrer Bücher für Leser ab 8 (ab 10) empfehlen Sie zuallererst?

Mit herzlichen Grüßen

Eine Bücherempfehlung gebe ich nie. Bei den Lesungen fragen die Kinder mich immer, welches denn mein Lieblingsbuch sei. Ich habe schon oft überlegt, was ich darauf antworten soll, lügen will ich nicht, also sage ich meist, das, an dem ich gerade arbeite, was wohl der Wahrheit am nächsten kommt.

Schönes Wochenende .... HM



V. Aufzug

eine Woche darauf (Brief)

Lieber Herr Mensing,

vielen Dank für die schnelle Reaktion auf meine Bemerkungen zu ihrem Hörspielskript.
Sie verhaften mich buchstäblich aufgrund meiner positiven Äußerungen. Dabei habe ich lediglich von einer eventuellen Möglichkeit gesprochen, ihr Skript im Jahr 2006 als Halbstunden-Hörspiel zu realisieren.
Wenn wir auf einen gemeinsamen grünen Zweig kommen.

Meine Änderungsvorstellungen beziehen sich nicht alleine auf den Umfang Ihres Stoffes und auf die zwei als Beispiele genannten Elemente der Handlung. Ich schrieb Ihnen vielmehr, dass wir noch über einige Details des Inhalts diskutieren müssten. Aus meiner Sicht haben wir das Gespräch noch gar nicht richtig begonnen.
Hier in der Anlage zunächst Ihre erste MS-Fassung zurück.
Ich werden Ihnen demnächst gern über die Leseeindrücke der neuen Fassung berichten.

Mit herzlichen Grüßen ...


Reflexionsphase

So weit so gut.
Was also sollte der Autor Mensing Ihrer Meinung nach jetzt tun?
Hatte man ihm nicht gesagt, dass man alles wunderbar, fantasie- und reizvoll fände.
So etwas klang nach halber Miete und vertrauensvoller Zusammenarbeit. -

Offenbar aber hatte sich der gutgläubige Autor wieder einmal getäuscht.
Seine Frau, die über alle Verwicklungen seines Autorenlebens informiert ist, riet, einfach nichts zu tun. Sie glaubte, dass er es mit einer Halb- wenn nicht völlig Wahnsinnigen zu tun habe.
Der Autor selbst würde, hielte seine Frau ihn nicht zurück, auf der Stelle eine E-Mail folgenden Inhaltes schreiben:

Sehr geehrte/r... etc. pp würde er schreiben.

Bitte schieben Sie sich mein Hörspiel in den Arsch und belästigen Sie mich nie wieder.
Unterstehen Sie sich, meine Arbeit wunderbar zu finden. Wagen Sie es nicht noch einmal, mich zu fragen, welches meiner Bücher mein Lieblingsbuch sei, damit Sie es auf der Webseite ihres Senders vorstellen können? Sagen Sie mir auch nie wieder, dass Sie überhaupt alles Klasse finden.
Was wollen Sie eigentlich?
Wenn Sie dieses Hörspiel nicht realisieren wollen, welches dann?
Also, in diesem Sinne, ihr Ergebener etc. pp.

Da der Autor aber auf die Weisheit seiner Frau schwört, unterlässt er es, sich zu äußern. Krampft einmal kurz und reiht sich wieder ein in die verzweifelten Warteschleifen, die Autoren über Redaktionen drehen, Jahre und Jahre und Jahre...


VI. Aufzug

einen Tag später (E-Mail)

Guten Tag...

Sie verwirren mich. Ich war nach ihren Mails zu meinem Hörspiel davon ausgegangen, dass jemand, der es wunderbar, reizvoll etc. ... findet, im Prinzip auf meiner Seite steht.
Natürlich liegt es mir fern, sie verhaften zu wollen.
Ich bitte Sie außerdem zu bedenken, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, auch die eines Schriftstellers.
In diesem Sinne hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit.

Mit freundlichem Gruß ...HM


VII. Aufzug

Finale. Eine Woche später.

Lieber Herr Mensing,

ich habe durch die Beschreibung meiner tatsächlich bestehenden Zustimmung für die Grundlage Ihres Hörspielstoffes zu stark den Eindruck weitgehender Akzeptanz erweckt. Das war mein Fehler. Es tut mir leid.

Erst bei einer detaillierten Auseinandersetzung mit der gekürzten Fassung ist mir bewusst geworden, dass die Einfälle, auf die sich die Superlative meiner ersten Mail bezogen haben (fantasievoll, reizvoll), nicht in schlüssige Pointen münden.

So fehlt dem Haupthandlungsstrang, dem Tausch zwischen Vogel und Mensch, die Pointe. Was haben die beiden davon? Oder anders gefragt: Wer hat was davon? Was kommt dabei raus? Easy Chair entwickelt sich witzig, die sprachlichen Gags sind nett, aber verpuffen, und auch dieser Strang läuft ins Leere. Genauso die Handlung der sympathischen Fliegen, die die ganze Verwandlung angezettelt haben. Sie verkrümeln sich am Ende des Stücks und erscheinen dann mit ihrem Schlußgesang, der auch keine Pointe bringt.

Das nächstliche Schlußgespräch zuvor bringt genausowenig ein Knistern zustanden. Beim Bukenworm klärt es sich nicht einmal auf, ob er tatsächlich fliegen gelernt hat, oder nicht.

Das Rabenvolk erscheint so gut wie überflüssig. Da war in der langen Fassung etwas mehr Substanz, wenn ich mich recht erinnere.

Im Großen und Ganzen: ich möchte Ihr Hörspiel nicht für unser Programm realisieren, möchte aber den Ausdruck meines Gefallens an Teilen davon nicht zurücknehmen. Bei aller oben angefügten Kritik.

Mit freundlichen Grüßen ...

PS.

Guten Tag...
wenn es nur an den Ihnen fehlenden Pointen gelegen hätte, bitte, die wären leicht zu liefern gewesen (und sind noch immer zu liefern).
Die Berg- und Talfahrten ihrer Einschätzungen jedoch sind zutiefst enttäuschend.

Mit verhaltenem Gruß

Hermann Mensing

 

PPS. Bitte genießen Sie auch den Wechsel zwischen herzlichen- freundlichen- bzw. verhaltenen Grüßen.

 

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