September 2007                                        www.hermann-mensing.de      

mensing literatur
 

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Sa 1.09.07   13:45

Verbrachten den Abend mit Freunden. Sprachen über Intrigen, aufgekündigte Freundschaften und Eitelkeit. Die Nacht war frisch, als wir mit dem Rad heimfuhren. Daher dieses Gedicht (hören). Ein wenig früh vielleicht, aber der meteorologische Herbst hat ja begonnen.

16:09

Ich lade Sie ein.
Klicken Sie auf die Hörbar.
Vielleicht staunen Sie. Vielleicht aber auch nicht.

 

So 2.09.07   15:55

Was nun das Staunen angeht: ich staune ständig.
Staune, dass der Kapitalismus trotz weltweit agierender Hasardeure noch nicht kollabiert ist, staune, dass ich mich gut fühle, meist jedenfalls, staune, dass trotz der Schlepperei beim Umzug die Schleimbeutel meines rechten Schultergelenkes plötzlich nicht mehr schmerzen, allerdings hatte eine Physiotherapeutin mir vor einiger Zeit gesagt, eigentlich könne man gegen so eine Entzündung überhaupt nichts tun, man müsse nur warten. Wie lang, hatte ich nachgefragt und zur Auskunft erhalten: plus minus ein Jahr. Nun, ihre Prophezeiung scheint sich zu erfüllen, wenngleich das Jahr noch nicht um ist.

Der Sonntag verstreicht, gleich lege ich mich aufs Sofa und lese.

 

Mo 3.09.07   8:23

Ich lese:
Die Polizei in Neuruppin hat bei einer Demonstration gegen einen Aufmarsch von Neonazis hart durchgegriffen

Null Toleranz für Blockierer von Nazi-Demos!

Na Bravo liebe Landsleute in der ehemaligen sogenannten DDR, diesem Hort der Völkerfreundschaft, der Toleranz und der Lebensfreude, diesem Großgefängnis mit Elektrozaun, Schießbefehl und Minen, auf so eine Scheiße muss einer erst einmal kommen.

Ich verschwinde, ich erinnere mich an eine Schiffsreise ...

14:13

In einfacher Verhandlung gelang es mir heute, mein Geldinstitut davon zu überzeugen, die monatlichen Kontoführungsgebühren von € 6,50 auf € 4,00 zu senken, das macht 30 Euro im Jahr. Sie zu halbieren, wie ich vorgeschlagen hatte, konnte meine Sachbearbeiterin bei ihrem Abteilungsleiter nicht durchsetzen.

Naja.

Ich war drauf gekommen, weil mir ein anderes Institut ein kostenfreies Konto angeboten hatte. Also, liebe Gebührenzahler, die Banken und Sparkassen machen so etwas nicht gern publik, aber man kann mit ihnen sprechen. Los, worauf warten Sie, 30 Euro sind 30 Euro.

20:20

Im Hinterkopf lauern zwei Romane. Einer für Kinder, einer für Erwachsene.

21:25

So, noch ein Text, ein Gedicht über eine Zahnprothese, in der Hörbar. Gute Nacht.

 

Di 4.09.07   14:29

Als ich mein Schlagzeug aufbaue, kommen Hugo und Elisabeth, meine Nachbarn und vermuten, ich sei das Heinzelmännchen gewesen, das den Kellerflur freigeräumt hat, in dem seit drei Wochen die durch einen Wasserschaden feucht gewordenen Kleinodien von R. und S. gestanden und vor sich hin gemüffelt hatten. Nein, nein, sage ich, aber ich habe sie angerufen. S., sagt Hugo, hat doch das Porzellansyndrom. Porzellansyndrom? frage ich. Sprung in der Schüssel, sagt er.

 

Mi 5.09.07   9:21

Meister G. erhält den Kleist-Preis. Vor zwei Jahren erhielt er den Büchner Preis. Einmal auf der Preis-Schiene läuft es offenbar wie geschmiert. Dabei streunen seine Helden seit der Abschaffel Trilogie durch hessische Städte, haben seltsame Vorlieben, unappetitliche Neigungen und versumpfen im Mittelmaß. Ein großer Schriftsteller, dieser Herr G., ein Beobachter des Niedergangs, aber sein einzig wirklicher Einfall in all den Jahren war, dass der Held seines letzten Romanes plötzlich ein Ohr verliert. Dieser simple kleine Trick wurde stürmisch gefeiert. Herr G. sollte sich mal in meinem Metier, der Kinderliteratur, umschauen. Da haben die Leute noch Einfälle, aber niemand feiert sie.

20:39

Letzte Einsichten zu den Skulptur Projekten...

 

Do 6.09.07   10:10

Ein milder, regnerischer Morgen. Trank auf dem Balkon Kaffee, las ein wenig Zeitung und dachte, wie gut, dass ich gestern angerufen habe. Angerufen? - Nun ja, ich hatte es zweimal vorher probiert, beide Male erhielt ich die Auskunft, der gewünschte Teilnehmer sei nicht am Platz.

Beim ersten Mal hatte ich den Verdacht, man wimmle mich ab, beim zweiten Mal ließ ich mir die Durchwahl geben, beim dritten Mal war ich erfolgreich und erhielt die Auskunft, die mich beruhigte.

Nicht, dass sich meine Zukunft entschieden hätte, nein, so weit bin ich noch nicht. Außerdem glaube ich, dass sie längst entschieden ist. Aber die Ungewissheit der letzten Monate ist weg. Wie abgefallen. Entsprechend erschöpft fühle ich mich. Entsprechend erstaunt bin, dass ich nicht die Nerven verloren habe. Ich glaube, achtzig Prozent meiner Tätigkeit werden gestützt von meiner Fähigkeit, nicht die Nerven zu verlieren. Nicht aufzugeben. Es immer wieder und immer wieder noch einmal zu versuchen.

Das Ergebnis: heute werde ich faul sein. Ich werde das Faulsein sogar genießen. Ich sage mir, es wird schon. Ich sage mir, wer zuletzt lacht, lacht am Besten. Offenbar bin ich ein Meister der Hoffnung. Das ist immerhin etwas.

17:35

Im Bücherregal wiederentdeckt: Jörg Fauser: Rohstoff, Ullstein Verlag 1984

Sie waren alle gleich, Kommunisten, Nazis, Eltern, Kirche, Literaturkritik, das Feuilleton, der Leitartikel, Revolutionärer Kampf, die RAF, das Kapital, das Fernsehn, Club Voltaire, Pazifismus, Guerilla, Mao, Trotzki, Rotzjur, der Underground... Sie waren alle Teil desselben Konzepts, sie wussten, wo es langging, sie hatten das Bewusstsein gepachtet, die Liebe, das Glück der Menschheit.

 

Fr 7.09.07  10:34

Verbrachte den Abend mit Jörg Fauser und Pavarotti. Muse M. saß auf dem Balkon, ich lag auf dem Sofa, die hereinziehende Luft stach ein bisschen, unsere Katze lag auf meinem Bauch, und so verstrich Zeit. Hätte es fast genossen, wäre da nicht dieser Herr Mensing gewesen, der sich Tag und Nacht sorgt und von Großem träumt, ohne zu wissen, was das denn sein soll, das Große, Erfolg, Geld auf der Bank, noch mehr Geld, das Verschwinden der Spezies Mensch, oder was?

13:47

Natürlich war ich pünktlich. Auch wenn zwischendurch Unvorhergesehenes geschieht, ich bin immer zur vereinbarten Zeit da. Er saß´noch zwischen seinen Taschen und die Taschen waren noch nicht gepackt, aber da sowieso alles herumlag und nur hineingestopft werden musste, waren wir zehn Minuten später doch unterwegs. Noch bei seiner Ex vorbei, Dinge holen, die er brauchte, den Rottweiler Test bestehen, der immer erst riechen muss, ob man Mann oder Frau ist, seinen großen Schädel zwischen meine Schenkel rammte, mir sagen lassen, nun müsse ich ihn nach hinten durchschieben und ihm den Hintern klopfen, das liebe er. Ich tat es. Der Rottweiler liebte es. Der Mann der Ex, ein Boxer, lachte. Freundlich, tätowiert, muskulös. Der Ex der Ex lud ein, was er brauchte und dann fuhren wir endgültig los. Dreihundert Kilometer lagen vor uns. Er hatte vorgesorgt. Schnaps, Grass und Kokain. Ich lehnte dankend ab. Aus drei guten Gründen. Er begann mit Schnaps. Im Weserbergland rollte er den ersten Joint. Ich mag ihn. Er ist ein netter Kerl. Ich bin gern mit ihm zusammen. Wir sind einmal zusammen auf der Diemel Canu gefahren, da war es ähnlich. Da saß er am Heck, ich am Bug, er rollte einen Joint nach dem anderen. Ich habe auch damals abgelehnt.

 

Sa 8.09.07   9:40

Besuchte gestern die Lesung eines weitaus erfolgreicheren Schriftstellers für Kinderliteratur als ich es bin. War danach deprimiert. Nicht, weil er es schlecht gemacht hätte, nein, im Gegenteil, er hat es im Prinzip so gemacht, wie ich es mache, er hat seine Zuhörer unterhalten, er hat sie eingebunden, er war keiner dieser Heuchler, die man in der Literatur für Erwachsene so häufig findet, kein Zyniker, kein Weintrinker, nein, er war gut. Nur die Literatur fehlte, und das war's, was mich deprimiert hat. Nicht, dass ich wüsste, was Literatur ist, aber sie fehlte.

 

So 9.09.07   13:08

Allgemeines Aufheulen.
Wie kann ein junger Deutscher bloß auf den Gedanken kommen, sich vor den Karren des Terrorismus spannen zu lassen? Was für eine dumme Frage! Gibt es in den Planungsstäben des BKA, des BND und wie sie alle heißen, keine Psychologen?

Haben die noch nie davon gehört, dass junge Menschen Ideale haben?
Dass sie ungern bereit sind, die Welt unter den angeblichen Zwängen der Politik zu betrachten, sondern dazu neigen, sich den Schwächeren zuzuwenden?

Also? Was soll das Geschrei! Erstaunlich ist eigentlich nur, dass nicht mehr junge Menschen auf der Straße sind, um sich gegen den Schwachsinn dessen zu wehren, was man uns als notwendig verkauft. Freiheit am Hindukush verteidigen und Ähnliches.

Hörte gestern im Zusammenhang mit dem Jahrestag zu 9/11 einen Kommentar.
Er lautete:
Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge.

Junge Menschen haben etwas gegen Lügen. Ich habe auch etwas gegen Lügen. Ich bin zwar kein Terrorist, ich werde auch keiner, weil ich weiß, dass man mit Terror nichts bewegt, aber als ich zwanzig war, wusste ich das nicht. Als ich zwanzig war, hätte ich auch gern Köpfe rollen sehen. Als ich zwanzig war, waren Ho Tschi Min, Mao, Che Guevara, Fidel Castro, die RAF u. a. gleichberechtigte Partner meines Weltbildes.

Glück gehabt, werden Sie sagen, Glück gehabt, sage ich, dennoch: Lüge bleibt Lüge, und so lange die Lüge als Wahrheit oder zumindest als Notwendigkeit verkauft wird, so lange wird es junge Menschen geben, die sich wehren.
Das sollten Sie wissen, eh Sie einstimmen in das Geheul.

 

Mo 10.09.07   8:59

Ab und an fuhr ich mit meinem Vater über die Grenze nach Holland. Er wollte dort Matjes Heringe essen und in einer Gärtnerei in Overdinkel, ein Ort gleich hinter der Grenze, nicht viel mehr als eine Ansammlung von Häusern links und rechts der Straße, Blumen kaufen. Diese Gärtnerei war seiner Ansicht nach billiger als jede deutsche Gärtnerei und besser auch.

Nun ist mein Vater schon seit 10 Jahren tot, aber die Angewohnheit, hin und wieder nach Holland zu fahren, steckt auch mir in den Knochen, weil sie mit Heimat zu tun hat und ich deutschen Matjes Heringen nie über den Weg getraut habe.

Samstag also war's, als wir zunächst nach Ahaus fuhren, die Stadt, die in meiner Biographie eine wichtige Rolle spielt, schließlich wohnten dort erste feste Freundinnen, schließlich bin ich dort zur Schule gegangen und wurde auf Parties eingeladen, die in Bürgerhäusern stattfanden, zu denen ich sonst keinen Zutritt gehabt hätte. Häuser mit Swiming Pool im Keller und der Möglichkeit, das Auto des Freundes, mit dem ich unterwegs war, ein 500er Fiat, an der firmeneigenen Tankstelle umsonst zu befüllen. In der ehemligen Villa eines Textilbarons wurde eine Ausstellung von Ulli Ludewig eröffnet, jemand, mit dem ich in den Siebzigern zusammen gewohnt habe. Ulli macht Kunst, eine sehr eigenwillige, subversiv humorvolle Kunst, die wollten wir uns anschauen.

Später, wir waren weiter nach Enschede gefahren, wir hatten getan, was wir immer tun, wenn wir dort sind, Matjes gegessen, in Straßencafés gesessen, gebummelt, fuhren wir zu eben jener Gärtnerei hinter der Grenze, die in meiner Erinnerung nicht viel mehr war, als ein paar Gewächshäuser und Außenstellagen für Stiefmütterchen und ähnliches Pflanzgut, das wir in unser Beet vor der Haustür versenken wollten.

Diese Gewächshäuser hatten sich mittlerweile in ein hochmodernes Gartencenter verwandelt, in dem es alles gibt, was man braucht und nicht braucht, wenn man seinen Garten liebt. Gleich hinterm Eingang standen vier oder fünf Rollstühle. Und da war sie dann wieder, diese Einsicht, dass die Niederländer uns einiges voraus haben. Diese Selbstverständlichkeit, mit der man dort auch an Menschen denkt, die nicht mehr so gut auf den Beinen sind und vielleicht Hilfe nötig haben, findet man bei uns nicht. Ich dachte an ein Gartencenter in Billerbeck, im dem wir im Sommer waren. Von der Größe und vom Angebot ganz ähnlich, von Rollstühlen jedoch weit und breit keine Spur.

 

Mi 12.09.07  9:22

Man kränkelt.
Es sind die Atemwege.
Es ist der Kopf.
Sogar die Jazz-Session hat man sausen lassen!
Ist es ernst?
Wird man amputieren müssen?

17:20

Rüsselpest wär' das, sagt Carsten.
Da leg ich mich gleich wieder hin.

22:41

Die Rüsselpest trat zum ersten Mal am 6. März 1749 in Herne Bay/England auf. Innerhalb einer Woche starben 86 Menschen. Von der Themsemündung breitete sich die Seuche über die Nordsee nach Cadzand/Holland aus, wütete bis nach Belgien hinein, überquerte die Ardennen, setzte sich in der Eifel fest (Eifeler Rüsselpest 1812-1814), wurde eingedämmt, lange Jahre blieb es ruhig, dann brach sie zum Jahreswechsel 1920/21 in Solbach/Sauerland wieder aus. Seitdem vagabundiert sie kreuz und quer durch Europa, aber die moderne Medizin ermöglicht zunehmend sichere Therapien.

 

Do 13.09.07   16:21

Räumte meinen Schreibtisch auf. Schrieb eine Seite. Wusch Bettwäsche. Schilderte A., der nächste Woche nach Corfu fliegt, den atemberaubenden Landeanflug zu diesem höchst unsicheren Flughafen. Mit einem Wort: trödelte durch den Tag. Das Schlimmste ist zwar überstanden (es war gar nicht so schlimm), aber gesund bin ich noch nicht. Frickelte einen Loop zum Gedicht für die Braut. Wer will, hört hier. Aber bitte mit Kopfhörer.

Vielleicht denken Sie, eine Seite, das ist nicht viel. Falsch. Bei diesem Tempo komme ich auf dreißig Seiten pro Monat. Da ist ein Roman nach einem Vierteljahr schon fast fertig. Und das ist der Plan, den ich augenblicklich verfolge. Ein Roman für Kinder. Oder sollte ich sagen: für die Schublade? Scheiß drauf!

 

Fr 14.09.07   9:49

Gegendarstellung:

Sollte zu irgendeiner Zeit der Eindruck entstanden sein, ich sei ein Kritiker des Kapitalismus, so ist das falsch. Richtig ist: Ich glaube an die schöpferische Kraft des Individuums im Kapitalismus.
Ich glaube nicht an den Sozialismus.

Falsch ist auch, zu glauben, ich wünschte den Zusammenbruch des Kapitalismus.
Richtig ist, dass ich ihn jederzeit erwarte.

Richtig ist auch, dass ich, wenn er zusammenbricht, lieber nicht in der Nähe sein möchte.
Wahr ist, dass er, wenn er kollabiert, an einem Grundübel eingeht, das allen Menschen gemein ist: der Gier.

Alle Versuche, diese und andere schlechte Eigenschaften unserer Spezies einzudämmen, sind verständlich, aber letztlich erfolglos. AMEN.

Das Leben ist schön. BASTA.
Ich habe mir alles selbst eingebrockt. Auch BASTA.
Alles Weitere ist Zeitvertreib. Ebenfalls: BASTA.

17:28

Aufmerksame Leser werden bemerkt haben, dass ich mir einen Nachruf auf einen Musiker, der mein Leben sehr beeinflusst hat, gespart habe. Stattdessen habe ich eine Sequenz eines seiner Stücke geloopt und für mich genutzt.

Ich denke, darüber hätte er sich gefreut.
Also, Josef, den die Welt Joe nennt, Joe Zawinul, klick auf die Hörbar und höre: Gedicht für die Braut.

Und danke für das Autogramm auf Mysterious Traveller.

 

But now to something completely different.

Gestern war ich bei den Buddhisten.
Ich wollte hören, ob und was sie mir zu sagen haben.
Und? Mehr davon morgen.

 

Sa 15.09.07   11:50

Der Vortragende war nicht etwa einer dieser kleinen, blumengekränzten dicken Inder mit schmierigem Lächeln der Glückseligkeit, die in den Siebzigern und Achtzigern im westlichen Kulturkreis abgriffen, was abzugreifen war (Geld, Frauen, Geld, Frauen), sondern ein Landwirt aus Schleswig Holstein, der vor zwanzig Jahren auf der Suche nach spirituellem Sinn zu den Buddhisten gefunden hat.

Seine Oma, begann er, habe, ohne es zu wissen, schon einen der Grundsätze des Buddhismus gekannt: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es hinaus.

Karma = Ursache und Wirkung.

Das wusste ich auch, aber aus seinem Mund klang es sympathisch.
Was er dann zu den Reinkarnationszyklen sagte, fand ich ein wenig albern.
Vor allem die Analogien zu dem, was sich als Konsequenz früherer Leben im jetzigen Leben eines Individuums manifestiert.

Er nannte Beispiele.
Er sagte etwa, dass jemand, der in einer seiner früheren Existenzen sehr stolz, sehr gemein, sehr eitel etc. gewesen sei, heute Probleme mit bestimmten Alltäglichkeiten haben könne: er stoße sich ständig, er habe Probleme beim Einparken, er neige zu Herzkreislaufinsuffizienz und und und ....

Bei so etwas folge ich nicht.
Das ist eher etwas für Gläubige, und der Buddhismus postuliert ja keinen Glauben.
Ich bin auch nicht dafür, jemand seine Heiligkeit zu nennen, wenngleich ich mir am Freitag nächster Wochen den Dalai Lama anhören werde.

Der Landwirt aus Schleswig Holstein sprach auch über die Illusion. Forum und Illusion, sage er, seien untrennbar, wenngleich sich das für jemanden, der seinen Alltag betrachte, schwere Kost sein könne und viele abschrecke.

Er zog Analogien der modernen Physik zu Rate, die auch weiß (beweist), dass z.B. ein Tisch, den wir als Tisch wahrnehmen, letztlich nichts weiter ist als eine unnennbare Zahl miteinander in Bahnen verkehrender kleinster und allerkleinster Teile (Quarks etwa, aber es gibt schon kleinere, deren Namen ich vergessen habe).

Ich kann hinzufügen, dass wir die Welt dank der Eigenwilligkeiten unserer Optik auf dem Kopf stehend wahrnehmen, dass aber unsere Erfahrung uns sagt, dass sie nicht auf dem Kopf steht und das Bild entsprechend umkehrt.

Ich weiß, dass alles mit allem verbunden ist, ich kann Reinkarnation denken, ich konnte das schon als Kind, folge aber nicht, wenn mir jemand versichern will, dass der und der Lama sich entschieden habe, dann und dann da und da wiedergeboren zu werden.

Das ist wieder etwas für Gläubige, und ich glaube nicht.

Was ich mit nach Hause genommen habe, ist dennoch nicht zu unterschätzen:
Omas Grundsatz. Respekt und Liebe unter den Kreaturen.

Der Vortrag endete mit einer gemeinsamen Meditation, der ich nicht folgen konnte.
Dass verschieden farbiges Licht in mich strömt und sich ein Buddha vor meinem inneren Auge manifestiert, das war mir zu starker Tobak, wenngleich der Landwirt versicherte, ständige Meditation sei hilfreich im Alltag.

Das wusste ich.

Vielleicht sieht man mich demnächst mal bei einem der Zusammenkünfte im buddhistischen Zentrum in Münster, wenngleich ich mit solchen Dingen sehr sehr sehr zurückhaltend bin. Alles was mir im Entferntesten nach Vereinsmeierei riecht, meide ich.

Ich war auch erstaunt zu hören, dass es sich nicht wohlgesonnene Gruppierungen verschiedener Schulen innerhalb des Buddhismus gibt. Ich finde, das hätte er nicht nötig.

Als praktische Konsequenz dieses Abend habe ich heute früh E. angerufen und ihm angeboten, den Streit, den er vor einiger Zeit vom Zaun brach und der mich derart gegen ihn aufbrachte, dass ich beschloss, ihn für alle Zeiten aus meinem Freundeskreis zu streichen, es sei denn, er entschuldige sich, zu vergessen.

Kinderkacke sei das, sagte ich, ich sei für so etwas zu alt, was er davon halte.

E. war glücklich.

Als das getan war, vergrub ich ca. 100 Blumenzwiebeln, Krokusse, Narzissen und Tulpen.
Nun soll es schnell Frühling werden, damit ich sehen kann, was draus wird.

 

So 16.09.07   21:32

Verbrachten einen schönen Nachmittag in der wirklichen Welt bei Tante Lissi in Dortmund. Wurde dort unter Androhung verschiedenster Strafen gezwungen, drei Stückchen Pflaumenkuchen mit Sahne und später zwei Teller Kartoffelsalat plus Würstchen zu essen. Tat das sehr gern. Sprachen fast vier Stunden über Verwandte, Leben, Tod, Zahnprothesen, Krankheiten und ähnlich interessante Dinge. Immer wieder gern, Tante Lissi, du bist so lebendig.

 

Di 18.09.07   9:19

Wir sind bescheuert.
Kein Zweifel. Dieses Land (wir) ist (sind) bescheuert.

Noch ist nichts geschehen, alles, was hätte geschehen können, wurde im Vorfeld von unseren aufmerksamen Beobachtern beobachtet und vereitelt, aber seit Wochen redet man über nichts anderes als darüber, was man tun würde, wenn etwas geschähe, von dem man sich lieber gar nicht ausmalen wolle, wie schrecklich es wäre, statt darüber nachzudenken, Konsequenzen aus dem zu ziehen, was ist.

Und obgleich noch nichts geschehen ist, meutern (!!!) die Piloten.
Allein die Wortwahl.
Meuterei im Eurofighter!
Unter einer Meuterei verstehe ich etwas anderes.
Erstaunlich, dass sie nicht meuterten, als sie nach Afghanistan verlegt wurden.

Liebe Bildzeitung, bitte gib mir einen Job.
Literatur hängt mir zum Arsch heraus. Ich will Schlagzeilen dichten.
Bitte bitte bitte.

Ja, ja, heute bin ich wieder klug, große Politik ist quasi mein Hauptfach, ich studierte die Rettung der Welt, und in einem meiner Hauptseminare postulierte ich abendliche Erotikfilme in der Hauptsendezeit, in denen gezeigt wird, wie es geht, wo die richtigen Stellen sind , dass Sex nichts mit Unterdrückung zu tun hat und Politik wohl, aber das wollte niemand.

Lieber wollten alle ununterbrochen über Dinge diskutieren, die geschehen könnten.

Einen geschlagenen Montag habe ich damit verbracht, die ersten 23 Seiten eines neuen Romans auf Vordermann zu bringen. Ein Plot deutet sich an, aber ich kämpfe mit jedem neuen Satz und klopfe ihn auf Tauglichkeit ab.

30 Seiten sollen es werden, eh ich das Land verlasse und hierhin fahre.

 

Mi 19.09.07   9:41

Gerade erst hat man die Sorge um die eigenen Eltern hinter sich, hat sie begleitet, mit Liebe verabschiedet und in alle vier Winde verstreut, da schleicht sich die Nachbarin ins Bild. Noch ist sie mobil, aber die Zwischenfälle häufen sich, zwei schwere Stürze innerhalb der letzten drei Jahre, und dass gestern Abend nichts passiert ist, war wohl nur Glück.

Mein Telefon schellte gegen 20 Uhr.

Herr Mensing, Herr Mensing, ich bin gefallen.
Ich sitze im Wohnzimmer auf dem Fußboden und komme nicht wieder hoch, sagte die Nachbarin.
Bin schon unterwegs, sagte ich.

Der erste Versuch, sie auf die Beine zu bringen, scheiterte.
Ich überlegte und bat sie dann, auf dem Hosenboden zur Wand zu rutschten, sich mit dem Rücken aufrecht dagegen zu lehnen, so dass ich mich über sie beugen und hochwuchten könnte, die Wand immer als Stütze im Falle des Falles.

Legen Sie mal ihre Arme um meinen Hals, sagte ich, was sie auch tat, aber ich spürte, dass sie sich nicht traute, sie legte ihre Arme eher auf meine Schultern als um meinen Hals.
Nein, nein, sagte ich, richtig rumlegen und die Hände in meinem Nacken verschränken.

Ich nehme an, sie fürchtete die körperliche Nähe, die unausweichlich entsteht, wenn man eine alte Dame, die sicher ihre 80 Kilo wiegt, vom Hintern auf die Beine zu wuchten versucht, aber schließlich hatte sie es kapiert und ich bekam sie auf die Beine.

Sie müssen sich einen Teppichboden legen lassen, sagte ich, dieses Laminat ist nichts für Sie, da rutschen Sie aus. Ja, ja, sagte sie.

Das Alter ist gemein.
Wenn man jung ist, denkt man oft, das Leben sei hart.
Aber hart wird es erst, wenn es ans Verabschieden geht.

13:03

Menschenaufläufe, Drängeln, Schubsen, knapp vereitelte Schlägereien, jeder wollte der Erste sein, als heute früh das Schaufenster der St. Pantaleon Bücherei in Münster Roxel, eine vibrierende Metropole, mit einer Werkschau des dort ansässigen, weithin unbekannten und kurz vorm Karriereende dahinvegitierenden Schriftstellers M. eröffnete.

M. selbst hielt sich bescheiden im Hintergrund, denn es galt, Einnahmen seiner Buchverkäufe des letzten Jahres zu zählen und noch vor Zugriff der Behörden auf geheime Konten im Ausland zu transferieren.

Alles wird täglich immer besser.
Es ist großartig. Man hat gar keine Worte. Man möchte schreien, so schön ist das alles.

 

Do 20.09.07   9:17

Heute kein Eintrag.

 

Fr 21.09.07   12:54

Heute früh eine Radtour zu den Baumbergen, durch den Brock, auf dem Rückweg Walnüsse bei Alfredo gesammelt, eine große Tüte voll, gleich zum Dalai Lama, die Tasche ist gepackt, die Losung heißt: Liebe. 30 Seiten habe ich nicht hinbekommen, aber 26 sind es, auf denen werde ich aufbauen, wenn ich zurück bin.

19:33

So sieht er aus, und so sah er auch aus, als ich ihn sah.
Er ist ein Mensch. Er redet wie einer, er redet nicht wie die Offiziellen reden, er redet auch nicht wie ein Papst, und schon gar nicht benimmt er sich wie einer.

Wenn es ihn unter der Achsel juckt, greift er unter die Robe und kratzt sich ausgiebig, wenn er, wie heute, ans Pult tritt, hat er kein Problem, zu sagen, dass er das Thema der Rede vergessen habe.

Rechts neben ihm steht ein junger Mönch, ich nehme an, sein Berater, der einspringt, wenn ihm ein Wort fehlt. Sein Englisch ist nicht leicht zu verstehen, seine Botschaft hingegen ist unkompliziert und lautet in wenigen Worten zusammengefasst: Liebe und Respekt unter allen Lebewesen.

Was ihn so angenehm von christlichen Salbaderern unterscheidet, ist, dass er sich lustig machen kann über sich selbst, dass er warm wirkt, dass er den Eindruck vermittelt, er wisse, wovon er spricht, dass ihm die Vorstellung, man könne göttlichen Ursprungs sein, mit einem Lachen vom Tisch wischt und sagt: wir haben alle eine Mutter. Man spricht ihn mit seine Heiligkeit an, aber ich glaube, dass ihm das egal ist.

Wenn er über Politik spricht, etwa über die chinesische Besetzung Tibets, hat er klare Positionen, er hat kein Problem, Mao Tse Tung einen freundlichen netten Menschen zu nennen, der voller Ideale gewesen sei, weiß aber, dass der Apparat sie zunichte gemacht hat.

Dann ist er bei der Macht, die korrumpiert und schlägt als Gegenmodell Verständnis, Respekt und Liebe vor.

Ein angenehmer Nachmittag also.

Träfe man ihn, ohne zu wissen, dass er der Dalai Lama ist, könnte man ihn für einen netten alten Mann halten, der gern wortreich erzählt, witzig ist, der es genießt, mit Menschen zusammen zu sein, wenn es um Einsichten geht, ist er präzis und verständlich.

Und immer wieder dieses herzliche Lachen.

 

Sa 29.09.07   19:13

Ich bin zurück...

 

So 30.09.07   12:24

Man kann nicht nicht kommunizieren, sagte Paul Watzlawick als ich noch jung war.
Was will uns dieses Bild demnach sagen? Finden Sie's raus...

17:59

Richtig. Es war windig.

Vor allem der jüngste Sohn, ein Gefühlsterrorist*, hat für viel Aufregung gesorgt.
Aber das tut er, seit er auf der Welt ist, er ist so geboren, wie ich geboren bin, wie ich bin und wie jeder geboren ist wie er ist und nicht aus seiner Haut kann.

*
Gefühl: auch Emotion, Grundphänomen des subjektiven Erlebens, das als (positiv oder negativ) werthaft bestimmte Stellungnahme zu den Wahrnehmungen der Umwelt Ausdruck einer psych. Befindlichkeit der erlebenden Person ist; seit den psycholog. Ansätzen der Aufklärungszeit oft als seel. Grundvermögen neben Denken und Wollen betrachtet; allgemeinsprachlich oft auch auf Ahnung und Körperempfindungen angewendet.

Terror: (lat. Schrecken) gewalttätige Form des pol. Machtkampfes, ausgeübt einmal v.a. von diktator. Reg. zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft (Staats-T.), zum anderen von extremist. Kleingruppen oder Einzelpersonen zum Sturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung.

Everybody want happy life, sagte Herr Dalai Lama, aber so einfach ist das nicht.
Es führt hin und wieder zu merkwürdigen Auswüchsen. Vorhin etwa, als zehn oder fünfzehn schwere Harleys vorm Haus vorbei donnerten, Männer meines Alters saßen drauf und taten so, als wären sie schwere Jungs.
Ich stand vorm Bügelbrett und schaute hinaus.
Als dann auch noch die geschwätzige Nachbarin auftauchte und wissen wollte, wie der Urlaub gewesen sei, konnte ich nur die Daumen recken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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