Mai 2001                                      www.hermann-mensing.de         

mensing literatur

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Di 1.05.01

Die japanische Kirsche vorm Küchenfenster.

                                           

Die Rückkehr der Heinzelmännchen (...Hörspiel - in Arbeit...)

1.Szene:

Erzähler: Es war einmal ein Heinzelmann, der schlief tief und fest ...
Tomte: (im Halbschlaf) Gestern??? (räuspert sich)
Erzähler:  Naja, tief und fest ist übertrieben. Vielleicht träumte er ja. Die anderen aber, seine Frau und seine Kinder, die schliefen.
Tomte: Gestern??? (beginnt zu glucksen, als ahne er einen Witz, der folgen könnte)
Erzähler: (flüsternd) Ob er etwas ahnt??? – Manchmal ahnen die Leute, was mit ihnen geschieht.
Tomte: Gestern ist lange her. (lacht) Lange, lange her!!! (schüttelt sich vor Lachen)
Teppa: (erwachend) Wie? -  Was redest du, Mann?
Tomte: (mürrisch)Ich rede nicht, Frau, ich schlafe.
Teppa: Tomte Timptebisse. Bitte!!! Vergackeeiern kann ich mich allein. Ich hab doch gehört, dass du was gesagt hast. Gestern, hast du gesagt.
Erzähler: Tomte öffnete ein Auge.
Tomte: Sonst nichts???
Teppa: Nein. Nur gestern.
Tomte: Na dann schlaf weiter. (dreht sich geräuschvoll um)
Erzähler: Während Tomte sich unter der Decke verkroch und gleich weiter schlief, streifte Teppa ihre Bettdecke zurück, setzte sich hin und ließ die Beine aus dem Bett baumeln.
Teppa: Irgendetwas stimmt hier nicht.... Tomte!!! War was Besonderes gestern?
Tomte: (brummelt Unverständliches, schnarcht.)
Teppa: (scharf) Tomte!!!
Tomte: (erwachend) Ja doch. Was ist denn?
Teppa: Ich habe dich was gefragt?
Tomte: Ja, ja, ja, Frau Timptebisse. Ein Gewitter war.
Teppa:Gestern?
Tomte: Gestern???? (lacht wieder) Ja, ja, gestern. Irgendwann in der Nacht.(schläft wieder ein)
Erzähler: Normalerweise brannte in der Heinzelmannhöhle eine Öllampe, damit man sich zurechtfand in der Nacht, aber die war aus. Es war stockdunkel. Teppa rieb sich die Augen. Nach und nach gewöhnten sie sich an die Dunkelheit, aber was sie dann sah, wollte sie einfach nicht glauben.
Teppa:(schreit spitz!!!)
Tomte: Großer Guggellimuggelli!!! Teppa, was ist?
Teppa:Sieh doch!!!
Tomte: Ich seh nichts.
Teppa:Dann mach Licht.
Tomte: Ja, ja, schon unterwegs.
Erzähler: Tomte wuchtete sich aus dem Bett und tastete sich durch das Dunkel. Er hoffte, in der Feuerstelle genügend Glut zu finden, um erst ein wenig Zunder und mit dem Zunder eine Kerze anzünden zu können. Lautes Stolpern. Etwas fällt um.
Tomte: (Wütend) Verdicki!!! Was’n das’n? – Bääää!!!!
Teppa:(verängstigt) Hab ich’s dir nicht gesagt?
Tomte: Nein. Hast du nicht! –Was ist das? – Was hängt da von der Decke??? - Überall hängt was und schlingt sich und hält mich fest, verdorri, was ist das??
Teppa: (alarmiert) Tomte, sieh nach den Kindern!
Tomte: Ja, ja.
Erzähler: Die Höhle war voller Baumwurzeln. Sie hingen von der Decke und bildeten knotige Vorhänge, als hätte die alte Eiche, unter der die Höhle lag, über Nacht ihre Wurzeln gestreckt.
Tomte: Nisse! Moni! Aufwachen...
Nisse: Ja Pabba???
Tomte: Geht’s dir gut?
Nisse Ja wieso Pabba??? Ist was los, Pabba?
Tomte: Und Moni?
Nisse: Eh, Moni!!!! Gewühle im Bett.
Moni: Au! Mamma! Nisse schubst mich!
Tomte: Ruhe!!! Ihr sollt aufstehen jetzt.
Moni:  Aufstehen? Och Papa, ich hab doch erst hundert Jahre geschlafen. -Auaaaaa!!!! Im Hintergrund:
Teppa: Was ist denn los bei euch?
Nisse: Moni hat angefangen.
Moni: Hab ich nicht, Mamma.
Nisse: Hast du wohl.
Moni: Hab ich nicht....  usw. Im Vordergrund der Erzähler:
Erzähler: Während es so hin und her ging, versuchte Tomte, Licht zu machen. Was nicht einfach ist in einer Zeit, in der es keinen Strom gibt. Aber mit ein bisschen Geduld, Spucke und einem Feuerstein könnte man Glück haben...
Tomte: (pustet) Na also, es geht doch.(Knistern eines auflodernden Feuers)
Teppa: Mach eine Kerze an!
Tomte: Hier liegt nirgendwo eine.
Teppa: Dann die Lampe!
Tomte: Schon passiert.
Nisse: und Moni: (gleichzeitig) Ach du heiliger Bimmbamm!!!
Tomte: Hat sich was, heiliger Bimmbamm. Mist ist das.
Teppa: Hier ist was passiert!!!
Tomte: Was du nicht sagtst???
Teppa: Etwas Geheimnisvolles!!!
Tomte: Fängst du schon wieder damit an???
Teppa: Ich weiß, was ich weiß. Mehr sage ich nicht.
Tomte: Ja, ja....
Erzähler: Tomte wusste, dass seine Frau manchmal Dinge sah und hörte, die ihm nicht einmal im Schlafe einfielen. Er wusste auch, dass sie meistens Recht hatte mit dem, was sie ahnte, aber noch schlimmer war, dass auch er allmählich das Gefühl bekam, hier sei etwas ganz und gar Außergewöhnliches im Gange...
.Moni: Iiiiii. Was sind das?
Tomte:Stell dich nicht an, Moni. Wurzeln, ganz gewöhnliche Baumwurzeln? Und jetzt raus aus den Federn. Wir müssen aufräumen. Im Hintergrund die Geräusche ihrer Arbeit.
Erzähler: Nisse, Moni, Teppa und Tomte machten sich an die Arbeit. Tomte hackte die dicken Wurzeln ab, Teppa die weniger dicken, Nisse und Moni die dünnen. Da Heinzelmännchen geschickt und fleissig sind, lag alles Wurzelwerk schon bald auf einem großen Haufen. Tomte: Sag mal, Moni, hast du vorhin hundert Jahre gesagt?
Moni: Ich??? – Ich war das nicht. Nisse war’s!!
Nisse: Wie?  Was? Blöde Kuh!!!
Tomte: Schon gut! Teppa!!!
Teppa: Sekunde!!! Komme gleich. Tomte geht zu ihr Schritte von links nach rechts
Tomte: (leise) Teppa, ich glaube, ich weiß, was du meinst.
Teppa: Wie? Was ich meine?
Tomte: Na was da Geheimnisvolles passiert ist, heute nacht.
Teppa: Ach ja?
Tomte: Ja
Teppa: Dann behalt es für dich. Jetzt gibt es erst einmal Frühstück. Moni und Nisse, deckt ihr den Tisch, bitte... gleichzeitig
Moni: Nisse ist dran, Mama.
Nisse: Moni ist dran, Mama.
Teppa: Ja ja ich weiß. Macht schon, oder soll ich euch Beine machen. Allgemeines Nörgeln. Dann Schritte. Klappern von Geschirr etc. Dann:
Moni: Das Geschirr ist völlig verstaubt, Mama!!!
Nisse: Der Tisch auch!!!
Tomte: Überall liegt Staub. Dicker Staub.
Teppa: (fassungslos) Das kann nur eines bedeuten...
Tomte: Glaubst du wirklich???
Teppa: Ja. Sieh ihn dir doch an!!!Das ist doch kein Staub von gestern.
Tomte: Sondern???
Teppa: Mach dich nicht dümmer als du bist. Du weißt genau, wovon ich rede.
Tomte: Aber das ist doch unmöglich.
Teppa: Findest du???
Tomte:
Ja, ganz und gar.
Teppa: Und wenn nicht?
Tomte: Dann haben wir ein Problem. Pausenglocke
Erzähler: Also Leute. Kleine Pause. Sagen wir: fünf Sätze lang? Okay. Fünf Sätze. Der erste lautet: Die Lampe war aus. Der 2te: Das Feuer auch. Der 3te: Die Höhle hing voller Wurzeln. Der 4te: Überall lag dicker Staub. Und der 5: (wird, eh er ihn sagen kann, unterbrochen)
Moni: (alarmiert) Mama?

Teppa:
Ja, was ist denn?
Moni:
(angeekelt) Die Marmelade Mama!!!
Nisse:(angeekelt) Und das Brot, Mama!!!
Moni: Und das Getreide und die Nüsse.
Moni: und Nisse: Iiiiii Mama, iiiiiiii!!!
Erzähler:
Also lautet der fünfte Satz: Was hat das alles zu bedeuten??? (Echo)  

18:01 

Alle, die sonst nie Fahrrad fahren, fuhren heute vor unserem Balkon vorbei. Große, kleine, dicke, dünne. Fast alle mit  Grünzeugs am Rad und mehr oder weniger gleichen Zielen: ein Bier irgendwo draußen, ein Eis, Kaffee und Kuchen. Ich stand hinterm Bügelbrett und fischte vorbeifliegende Sätze. Aber hängen blieb keiner. Jetzt ist Zeit, Kadaver zu grillen. Große Lappen Fleisch, fett triefend. Guten Appetit you all. 

 

Mi 2.05.01     12:30

Fragt man, ob er glücklich sei, antwortet er: Nein. Fragt man, ob er unglücklich sei, antwortet er: Nein. Lebt er gern? Nein. Hasst er das Leben? Nein. Möchte er tot sein? Nein. Will er leben? Nein. Ist er verrückt? Nein. Ist er normal? Nein.- Beachte: es gilt auch Antwort: Ja. Was soll man nun davon halten??? 

14:37

Kann man sich auf mündliche Vereinbarungen verlassen oder gilt der, der sich darauf verlässt, als Verlierer? Ich werde sehen. Dieses Jahr wird viele Veränderungen bringen. 

17:57

Lieber Hermann (& Co), ich finde das Buch Sackgasse 13 echt stark es ist spannend und die ausdrücke sind lustig! Also allerachtung mega stark!!!!!!! Doch ich habe noch eine Frage: Gibt es noch mehr Bücher in diese Richtung?? So in altersgruppe 12 J.? Ich würde mich sehr über eine Antword freuen !!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Mit Feundlichen Grüssen ihre neue Leserin J. J. 

Ja. So schön ist das Leben als Autor. Noch schöner allerdings ist die Liebe der Matrosen. 

 

Do 3.05.01   9:04

Saß auf dem Balkon zwischen 1 und 2, im Hintergrund brannte eine Kerze, vor mir stand ein Glas Wein, der Mond hing halbvoll in einem milchweißen Hof mit orangefarbenem Zaun, im Blut kreiste die Jazz-Session, von der ich gerade zurückgekehrt war. Augenfällig, wie selbst renommierte Pianisten doch nichts weiter sein können als Notenfüchse, die zwar alles lesen, daraus aber noch längst nicht Musik machen. Hatte Glück, außer mir meldete sich kein Trommler, ich durfte also länger spielen. Saß, träumte in die Nacht und freute mich still, denn W. hing gleich neben dem Mond. W. hatte mir am Nachmittag mitgeteilt, das Bulletin für Kinder- und Jugendliteratur empfehle die Sackgasse 13 als vorzügliche Lektüre. Ein Grund, heute faul zu sein? Nein. Gleich geht es los.  

 

Fr 4.05.01   9:27

...teilen wir hiermit Ihnen mit, was einen Schriftsteller umbringen kann. Erfolg. Misserfolg. Zuviel Alkohol. Zu wenig Alkohol. Zu viele Drogen. Zu wenig Drogen. Frauen. Keine Frauen.  

9:33

Die Post bringt das Bulletin. Darin findet man 13 Bücher, die den Lesehunger zwischen HP4 und HP5 vorzüglich stillen. Als wären wir auf der Welt, das Potterloch zu füllen.  "...Ohne Hexen, Zauberer und Magie, aber mit einem stinkenden Monsterschatten lehrt uns Hermann Mensing das Fürchten. Tim zieht mit seiner Familie in ein altes Haus am Stadtrand, in die Sackgasse 13. Beim Einzug stimmen düstere Vorzeichen auf die Ereignisse ein. Nach und nach macht sich das Grauen breit und kreist die Familie immer enger ein. Obwohl alle das Entsetzen riechen und fühlen - selbst das Hauskaninchen wird wahnsinnig vor Angst - findet jeder plausible Erklärungen für die merkwürdigen Vorkommnisse im Haus. Auch als Leser weiß man lange nicht, ob der düstere Schatten, der die Neumanns bedroht, nicht nur ein Hirngespinst ist. Das Buch driftet nur ein klitzewenig ins Reich der Horrorfantasie ab, doch das allein lässt einem die Haare zu Berge stehen. Gott sei Dank beschreibt Mensing den Alltag mit einer großen Portion Humor, vieles ist vertraut und bekannt, so dass sich Lachen und Gruseln die Waage halten." (Bulletin. Kritisches Monatsmagazin für Kinder und Jugendmedien, Leseförderung und Lesekultur, 32. Jahrgang. 5/2001)

11:00

Wenn unsere Katze zögerte, wenn sie etwas nicht wollte, wenn sie hin- und hergerissen war zwischen diesem und jenem, blieb sie oft einfach sitzen, begann sich zu putzen, gähnte oder schnappte nach ihrer zuckenden Schwanzspitze. Man nennt so etwas Übersprungshandlungen. Auch ich verfüge über ein breites Repertoire solcher Handlungen, die mich davon abhalten sollen, endlich an die Arbeit zu gehen. Den ersten Satz als solchen zu akzeptieren und mir zuzugestehen, dass ich ihn, sollte er nicht halten, was er verspricht, später verwerfen kann. Statt dessen verwerfe ich ihn sofort und mache mir Tee. Putze mir die Zähne. Schreibe dies. Frickle Neues in meine Homepage. So können Tage vergehen. 

17:20

Wenn alle Illusionen zerplatzt sind, was dann?

21:09

winni winni winni winni wanna wanna wanna wanna die trommel ruft zum tanz (ca. 1962)

 

So 6.05.01   11:32

Sie schon wieder? Hatten wir nicht vereinbart, dass Sie sich melden? Dass Sie, statt hier rumzuschnüffeln, gnisnem@compuserve.de  anklicken und "ich war da" sagen? Hatten wir. Also verschwinden Sie. Das hier ist nichts für Sie. Das hier ist für Liebhaber, nicht für Voyeure. 

menschen:tiere:sensationen: 

tiere: der weiße pudel der theaterchefin, ein flokkati, der herrin ergeben, seinen blick keine sekunde von ihr wendend, schmachtend auf jeden noch so kleinen liebesbeweis wartend. als er dann endlich neben ihr auf der bank liegen darf, leckt er ihr die hand. wieder und wieder. i ba.  so dumm sind unsere vierbeinigen freunde, so grenzenlos blöd. und herrchen und frauchen erst. spricht man sie an, wenn ihre lieblinge auf wiesen vor kindergärten scheißen, tun sie so, als wäre man gar nicht da oder beschimpfen einen als hundehasser =  schlechter mensch. 

menschen: herta müller. dichterin. gestern abend auf dem lyriker treffen münster. wie sie denn ihre texte zusammenstelle, fragte ich, ob sie sie zunächst notiere und dann die benötigten worte aus zeitungen schneide? nein, antwortete sie lachend, nein, ich habe kartons, da sind worte drin, da such ich sie mir raus. schließlich muss doch alles seine ordnung haben, nicht? sonst würde mir das ja auch keinen spaß machen. vergaß zu fragen, ob zu diesen nach dem alphabet sortierten kartons noch unterteilungen kämen, etwa karton a1: artikel, a2:verben,  a3:substantive etc. pp. da kämen dann schon eine menge kartons zusammen. 

sensationen: während herta müller las, ging einem das handy los (freude schöner götterfunken) und er konnte gar nicht schnell genug den saal verlassen. einer furzte laut und tat so, als habe sein stuhl geknarrt. 

die japanische kirsche // schneit rosa // vorm wind und verlässt mich // bis nächstes jahr wird sie vieles sehen// gespannt// wie???// gespannt// 

12:35

zettelwirtschaft: wir an unsere söhne: pfi aa on aur sandäi wahk. 

15:30

zettelwirtschaft: unser großer sohn an uns: aa. ei äm on mei sandäi ssuuuh wisitt. 

20:39

A-Gedicht:

Anna war kalt am Tag danach// Lammhaar als Schal macht warm am Hals// Abraham trank Schnaps// da bat Anna// fang das Lamm, Abraham// lass das Glas// Abraham sah Anna an// darf man das am Tag danach// Anna war klar// nach Paragraph acht Samstagnacht// das war bald (1)

Noch ein A-Gedicht:

Achtet Adalbert auf Autos// atmen Aale abends auch // altern Affen aus Äthiopien// auch am Affenbauch??? 

 

20:51

Und du! Und du auch!

 

Mo 7.05.01  8:21

Ich werde mir angewöhnen müssen, nichts von dem zu glauben, was sie über mich sagen, was immer es auch sein mag. 

9:04

im mai versunken// halb erwacht// kaum angeredet// schon mit überdruss gekleidet// greift etwas mich// und fragt dreist //  treibst du???// ich treibe, ja// ich hänge sätzen nach// die sich in wolken hüllen // nicht einer setzt sich zu mir //  ich glaube// besser wäre es// ich würde wieder gärtner so wie letztes jahr// und dächte nicht // und jätete// und kaufte mir zwei kugeln eis zum feierabend// 

10:07

In und ums Haus schleicht der neue Hausmeister, ein Mann Mitte dreißig, der zu allen Tageszeiten auftaucht. Zartem Unkraut zwischen Pflastersteinen auf unserem Garagenhof rückt er mit einer Giftspritze zu Leibe. Für die Hausreinigung verwendet er ein Mittel, das Erinnerungen an Schulen und Jugendherbergen weckt. Kein Papierchen entgeht seinem Blick. Sein vorm Haus geparktes Auto glänzt lupenrein, sein D-Schild ist schwarz-rot-gold mit Fraktur, woraus ich schließe, dass er zu denen gehört, die sich ohne den Stolz, Deutscher zu sein, schlecht fühlten. Ich behandle ihn höflich, aber mit Vorsicht und Distanz. 

 

Di 8.05.01   8:31 

Möglich, dass das richtig war, gestern. Er rief an, er sagte, es gehe ihm dreckig, ich möge kommen und Bier mitbringen, um seinen Entzug zu lindern, eine Flasche, zwei Flaschen, mehr brauche er nicht, das sei das Einzige, was ihn über den Tag bringen könne. Ich sagte, ich würde kommen, allerdings ohne Bier. Er hat über zehn Kilo abgenommen in den letzten zwei Monaten. Es gelingt ihm, von Montag bis Freitag zu arbeiten. Die Wochenenden verbringt er im Vollrausch, ab Sonntagmittag versucht er, auszunüchtern. Dieses Mal war das nicht gelungen. Sein Karussell dreht sich immer schneller. Er weiß, dass er stirbt, wenn es ihm nicht gelingt, den Teufelskreis zu durchbrechen. Er weiß, dass es ihm nicht gelingen wird. Er schreit nach Halt, den ihm niemand geben kann. Von klein auf hat man ihn systematisch zerstört. Aus den traurigen Resten macht er große Kunst, bis zum letzten Tag, da bin ich sicher. 

19:27 

Oskar probiert einen neuen Computer. Er fummelt mit der Maus rum. Manchmal kichert er. Oder er schimpft oder beides. Mach schon, Blödmann! ruft er. Rudi steht hinter ihm. Am liebsten würde er Oskar wegzerren, um selbst fummeln zu können. Aber Oskar ist größer - außerdem gehört ihm der Computer. Oskar hat ihn geschenkt bekommen. Vorletzte Woche. Hatte er etwa Geburtstag? Nein. Glück hatte er. Er hatte eine Uhr gefunden. Ganz aus Gold und mit prächtigen Diamanten. Oskar hatte sie zum Fundbüro gebracht. Stunden später war ein Mann gekommen, der die Uhr mit den Diamanten vermiste. Ein Mann so dünn wie ein Besenstiel. Und weil er so froh war, die Uhr wiederzukriegen, hatte er im Fundbüro Oskars Adresse erfragt, ihn besucht und gesagt: "Du darfst dir was wünschen!" Oskar hatte "Computaaa!" gerufen. Er hatte gedacht, ein Computer kann alles. Aber Computer sind doof. Man muss ihnen alles sagen. Sie können nichts tun, was man ihnen nicht ganz deutlich sagt. Computer sind wie Einräder. Wenn man Spaß man ihnen haben will, muß man sich viel merken, sonst stürzt man ab. Oskar war noch nie eine Leuchte in merken. Oskar kann alles mögliche gut. Schwimmen zum Beispiel. Schwimmer kann er mit einer Hand auf dem Rücken. Fußballspielen kann er auch gut. Aber mit Merken hat er so seine Probleme. Und jetzt sitzt er da, fummelt mit der Maus und starrt verzweifelt auf den Bildschirm. Er bräuchte nur Rudi zu fragen, Rudi hat Erfahrung, Rudi würde gern helfen, Rudi kennt sich aus, aber Oskar fragt nicht. Rudi fragt. "Soll ich dir helfen?" sagt er. Oskar tippt sich empört an die Stirn. "Na bitte, dann nicht." Rudi zuckt die Achseln und geht. Soll er doch weiter rumzappeln, der Blödmann! denkt er.

 

Mi 9.05.01   9:11

der tag ist frisch, ich greife, aber fass ihn nicht// der tag ist mein, aber ich lass ihn nicht // der tag hat blütenschnee und vogelsang // er schmeichelt mir und zündet tatendrang // der tag will fort mit mir// ich glaube, dass er mich entführt // der tag // ich mag den tag // den tag // ich frag den tag //  den tag // und dann // und wann// ertrag den tag//

14:40

samstag lese ich auf einem abenteuerspielplatz. ich hab mir den platz ausgesucht, weil er mir auf anhieb gefiel, obwohl ein kollege abriet. ringsum wird ein fest stattfinden und der veranstalter möchte, dass ich die sackgasse von anfang bis ende erzähle. ich habe eine stunde. mit vorlesen ist das nicht machbar. ich käme bis auf seite 50 vielleicht. 50 von ca. 150. also werde ich raffen müssen. raffen und höllisch aufpassen, dass ich den roman nicht auf spektakuläre momente reduziere und den rest unterschlage. ich versuche es mit dem textmarker, aber bemerke, dass ich immer wieder wichtiges unterschlage. ich werde mit karteikarten arbeiten. versuchen, einen mix aus freiem vortrag und lesung hinzukriegen. proben kann ich das nicht. dazu liebe ich die improvisation viel zu sehr. ich werde vom turm springen. ohne netz. ohne doppelten boden. darauf freu ich mich schon. also drückt mir die daumen.  

17:26

Gottes Wort 9: 

Der Herr sprach: Hermann, du erreichst, was du dir vorgenommen hast. Ich: Ach du Scheiße! Der Herr: Das ist noch nicht alles!!! 

andere Gotteswörter1 bis 5  21.10 - 6.11.00  oder  6 bis 8  3.0301 - 5.03.01

 

20:03

flashback: seit tagen geht mir faro nicht aus dem kopf. der anflug über was trocken gefallene watt.  die ruderer im priel unter der linken tragfläche. die wärme des asphalts auf dem vorplatz. die jungen männer, die mit dreirad-motorrädern zehn meter lange verbände aus gepäckwagen verschoben. die wartenden. und über allem ihre spürbare unruhe. nach mehrstündigem flug kurz vorm ziel ermüdet, aber nicht müde genug, um dem neuen gelassen entgegen zu sehen. dann und wann kommen zwei, drei taxen. schließlich kommt auch eine für uns. wir steigen ein. boa noite, sage ich. wir fahren. die straße zwischen flughafen und kreisverkehr ist von hotels und autovermietungen gesäumt. staubiges braun, stachliges dünengras und schilf.  dazwischen und dahinter nur zerzaustes land. eine flussmündung. boote auf den schlamm glänzenden ufern der priele. schlafend zur seite gekippt. der kreisverkehr, der entscheidet, wer wohin fährt: etwa ins land, an die küste gen westen, zur spanischen Grenze, oder den kürzesten weg: in die stadt. neubauten links, viel wird gebaut, rotbraune erde gehäuft, dattelpalmen, wäsche auf balkonen. "lemon tree" im autoradio. eine untergehende sonne. wir erreichen das hotel in der dämmerung. die strasse riecht nach asphalt, einem supermercado an der einen und einer hähnchenbraterei an der anderen ecke, es wird nacht und nirgendwo schreien touristen. das beruhigt uns. (faro 2000)

 

Do 10.05.01     13:27

Es nervt, die "Sackgasse 13" auf ein Erzählformat von einer Stunde zu raffen. Es nervt gewaltig. 

 

Fr 11.05.01  20:19

Die  Band fand sich in den Mittsiebzigern. Aus dem Hühnerstall in Schapdetten ging es direkt zur Endausscheidung eines bundesweiten Rockwettbewerbes. Erster Preis: Aufnahme einer Platte: O. am Schlagzeug, W. am Bass, H. an der Solo-, F. an der Rhythmusgitarre, K. als Keyboarder und T. als Sänger. Bunter hätte das nicht sein können. M. , Manager und Mädchen für alles, fuhr den Setra Bus und bunkerte Dope. Was von der Bühne kam, war erdiger Rock 'n Roll vom Land, mit Texten, die niemand so recht verstand. Nur dass es ums Kiffen ging, begriff man. Die Band tourte zwei, drei Jahre; nach der ersten Platte lag sie im Clinch mit der Firma, die zweite erschien schon in eigener Regie, danach stapelten sich die Probleme. Die Band ging auseinander. Aber tot ist sie nicht. Alle zwei, drei Jahre trifft sie sich zu einem umjubelten Konzert, meist in C., häufig auch in M., wo sie die meisten Fans hat. Und was ist aus den einzelnen Bandmitgliedern geworden? Wie haben sie das überstanden, diesen abgerissenen Traum, die nicht vollendete Karrierekurve als Rockstar? O. hat lange getrunken, ist aber jetzt trocken. Was er tut, weiß ich nicht. W. hat lange Zeit nichts getan, als sich mit seiner Freundin zu streiten und  in einer Oldie-Band zu spielen,  dann war er Maurer, bis er es im Kreuz bekam, dann hat er umgeschult, jetzt ist er Mediengestalter. H., der die Plattencover entworfen hatte, machte nach Ende der Band ein Werbebüro auf. Seine Frau, herionabhängig, starb jung. F. synchronisiert seit über einem Jahrzehnt Pornos und nudelt Gitarrenmusik in den Hintergrund. K. ist weltberühmt als Erfinder von Q-Base, T. ist Schauspieler, aber es gelingt ihm nicht, aus der zweiten Reihe zu treten. M., den ich heute traf, ist früh verrentet, manisch-depressiv und beschwert sich über DM 1.700.-- im Monat, die er für nichts und wieder nichts kassiert, denn gearbeitet hat er nie länger als ein halbes Jahr. Ja. So sieht das aus. M. wollte mir seine ganze Geschichte erzählen, aber ich habe ihn nicht gelassen. Er nervt. Er nervt sich und andere. Er glaubt immer noch, die anderen wären Schuld.   

21:59

Die Vorstellung, die "Sackgasse" morgen so frei wie möglich zu erzählen, kickt. 

Bescheidener Artist H. Mensing// steigt auf das straffe Seil// links den Schirm rechts das Beil// oben Himmel unten Asphalt// was wohl härter knallt// 

H.  taumelt nicht und singt ganz laut// H. hat sein Schloss auf sich gebaut// H. scheißt sich an und frisst sich auf// H. greift zur Luft und springt hinauf // nach links zum freien Fall gen Westen//  das schaffen nur die Besten//

 

Sa 12.05.01    10:17

Kleines Alphabet H: Hausgeist. 

Material: Sperrholz. Toilettenpapier. Alte Tischdecke. Filzstift. Polsterernägel

Von unserem ältesten Sohn vor gut fünfzehn Jahren gebaut. Steht seitdem auf meinem Klavier. Soll mich auch heute beschützen. 

21:56

Kleines Alphabet: J: Jau

Westfälischen Ursprungs, denke ich, jau. Ausdruck großer Freude, auch Ausdruck von Stolz. Jau! Das hat geklappt. Wenn auch die Band noch bis halb sechs spielte, obwohl abgemacht war, dass um fünf Schluss ist, wenn ich auch nach einer halben Stunde erst auf Seite 52 war, sie sind nicht aufgestanden, sie haben nicht mit den Füßen gescharrt. Sie saßen und hörten zu. Geplant war, am Lagerfeuer zu lesen, aber das war ein Höllenfeuer, und so sind wir in die Hütte gezogen, die oberhalb steht. Haben Matten ausgelegt und es uns gemütlich gemacht. Die erste Viertelstunde habe ich mit mir gekämpft. Danach war es besser. Jau. Ein- zweimal noch, dann werde ich von freier Erzählung schon mehr wissen als heute. Jau. Ringsum eine gemischte Gesellschaft. Deutsche aus allen Himmelsrichtungen und in allen Farben, man kann miteinander leben, wenn die ökonomische Basis gewährleistet ist. Ist sie das nicht, fördert sie schlechtes Benehmen. Totschlag. Krieg. All diesen Mist. Lese und erzähle bis zwanzig nach sechs. Verkaufe vier Bücher. Jau.  Auf dem Rückweg: Kastanien in voller Blüte. Schenkelhoher Raps, der nach Holländer Käse riecht. Der Himmel gekreuzt. Die Parks voller Menschen beim Picknick. 

 

So 13.05.01   11:11

Nach einer Nacht die steigende Freude auf zukünftiges freies Erzählen. Da tut sich ein ganz neuer Bereich auf, eine neue Kunst, die zu erlernen ist: die Kunst der Erzählens. Und da niemand meiner Zuhörer die Geschichte, die ich erzählen will, kennt, habe ich alle Freiheiten, sie neu zu erfinden. Wichtig wird sein, eine dramatisierte Form des Erzählens zu entwickeln. Der Schauspieler in mir ist gefragt. Freue mich.

Kleines Alphabet: M: Muttertag

Sammelte im Vorfeld Waschmittelproben, Imi, Fewa und ähnliches, machte mich mit meiner Schwester am frühen Sonntagmorgen auf den Weg, um Wiesenschaumkraut zu pflücken. Schmückten den Frühstückstisch. Ja. So war das. Damals, im anderen Jahrtausend. Als ich noch teil nahm an einer Kultur, die von kleinen Ritualen zusammengehalten wurde.

12:59

"Was mich betrifft, mein Glück umfang ich trauernd...." (2)

 

Mo 14.05.01    8:15

Kleines Alphabet: A: Ausweg = I: Illusion

9:33

Wenn es stimmt, dass seine Reise unter www.hermann-mensing.de angenehm war, und wenn er sich, wie ich, Gedanken über digitale Formen der Literatur macht, wenn er, wie ich, glaubt, dass ein gezippte, auf Diskette abgespeicherte oder als Datei an den Auslober des Preises für digitale Literatur gesandte Arbeit reiner Blödsinn ist, weil das Neue an digitaler Literatur eben ihre Offenheit ist, ihre Möglichkeit, sich jeden Augenblick verändern zu können,  und nicht festgezurrt zu sein wie ein gebundener Roman, wenn er das glaubt, soll er doch drüber schreiben. Soll er doch sagen, was er davon hält, sich kreuz und quer zu linken, soll er doch sagen, dass es Spaß macht, nie zu wissen, wo man als nächstes landet, horizontal, vertikal, digital.  

11:53

Die Zeiten sind hart, aber wir scheißen drauf. Wir werden weiterhin ungezügelt Landschaften durcheilen, Städte verpesten und Personen schädigen, denn niemand kann uns dieses letzte große Vergnügen persönlicher Freiheit nehmen.

 

14:35

Viel Arbeit letzte Woche. Ständig war irgendjemand zu retten. Das Blondchen wollte gar nicht wieder fort. Bat mich, sie zu heiraten. Lehnte ab. Wenn ich alle Blondchen heiratete, die ich rette, wo käme ich hin? Ließ mich statt dessen fellationieren.  

 

16.30

Samstag in der Hütte

 

 

 

 

 

 

Di 15.05.01   1:35

many miles wandering from room to room.... (3)

8:36

Silbergrau der Himmel. Übermüdung hält mich am Boden. 

8:40

Wie besprochen hier die erste Szene meines neuen Hörspiels.

Noch ahnen die Heinzelmännchen nur, was geschehen ist, noch können sie nur Indizien sammeln, eins und eins zusammenziehen, aber Sicherheit haben sie nicht. Um klarer zu sehen, müssen sie die schützende Höhle verlassen. Dass das nicht ganz ohne Aufregung und Abenteuer abgehen wird, kann man sich vorstellen.

Und erst, nachdem sie die Fee Lingelinn getroffen und von ihr eine Bestätigung darüber erhalten haben, dass sie tatsächlich hundert Jahre und mehr verschlafen haben, erst da beginnen sie, Pläne zu schmieden. Schließlich müssen sie essen. sie müssen leben. Und wenn kein Wald mehr da ist, der sie ernähren könnte, dann müssten sie eben sehen, ob bei den Menschen etwas zu holen ist.

 Darum wird es in den folgenden Szenen gehen.

Wie Sie sehen, arbeite ich mit einem Erzähler, den ich gern als Bestandteil der Geschichte noch ausbauen möchte und der mir – weil die Sache so komplex ist – auch unverzichtbar scheint.

Sie werden nun entscheiden müssen, ob das, was sie schon in der Hand halten, und das, was ich noch erarbeiten muss, dem entspricht, was Sie sich vorstellen. Sollte Ihr Entscheid für mein Hörspiel ausfallen, bitte ich um einen Exposé-Vertrag. Alles Weitere könnten wir ja am Telefon besprechen.

 Mit freundlichem Gruß Ihr  Hermann Mensing  

13:44

Kleines Alphabet: W: Wahrheitsfindung

Im nächsten Frühjahr erscheint mein Roman "Der Sündenbocktrick". Jedenfalls war das der Titel, der mir als Leitfaden vorschwebte, eh die Geschichte begann. Sie dreht sich um Fußball, und warum man sich Sündenböcke sucht, wie und warum man lieber sagt, der war's, egal, ob es wahr oder unwahr ist. So weit also. Der Titel fand aber nicht die Zustimmung des Verlages. Ob ich nicht etwas freches, witziges, auf Fußball verweisendes titeln könne?  - Natürlich. Der Autor kann alles. Also quälte ich mich ein bisschen, denn Titel aufzugeben fällt mir besonders schwer. Folgende Alternativen kamen zutage: Ein Linksaußen flippt aus; Tuxe sieht rot; Was alles nach einem nicht gegebenen Tor geschah; Tuxe vor, noch ein Tor; Flanken, Fouls und Fiese Trick; Rote Karte;   So. Und nun darf man raten, welcher Titel den Zuschlag erhält.  Wer ihn rät, dem maile ich ein Gedicht. 

 

Mi 16.05.01    9:16

Nur zwei Dinge

Durch soviel Formen geschritten,// durch Ich und Wir und Du, // doch alles blieb erlitten// durch die ewige Frage: wozu? //

Das ist eine Kinderfrage.// Dir wurde erst spät bewusst, // es gibt nur eines: ertrage // - ob Sinn, ob Sucht, ob Sage - // dein fernbestimmtes: Du musst. //

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, // was alles erblühte, verblich, // es gibt nur zwei Dinge: die Leere // und das gezeichnete Ich. (4)

10:22

Auch heute nicht untätig gewesen. Wie immer mit leichtem Reißen im Kreuz und der Hoffnung, eines Tages doch noch als Kindergärtner Sinnvolles zu leisten. Oder als Priester!!! Müsste meinen Umhang nur umfärben und die Weiber fräßen mir aus der Hand. Käme dann auch an all die anderen ran. Weiß das aus sicherer Quelle in Rom.  

13:19

Plötzliches Dunkel überfällt das sich schüttelnde Grün; verzweifelt versucht es zu fliehen, aber der Wind reißt es hin und her und über allem poltert der Donner.

 

Do 17.05.01     9:25

Schnitte Brot, Tasse Tee, Ei.

11:32

Kleines Alphabet: S: Schmerz: heute: der Rosettenschmerz.

Tritt gern auf, wenn man aus Träumen erwacht oder nicht in Träume gelangt. Fühlt sich an, als warte glühender Stahl am Ende des Darms auf seinen Auftritt, aber so sehr der vom Schmerz gepeinigte auch versucht, sich dieser Last zu entledigen, erreicht er doch nie mehr, als dass er unter großem Pressen den Schließmuskel nach außen stülpt. Dies führt zu kurzem Schmerzstillstand, paradiesische Erleichterung macht sich breit, aber kaum ist die Anstrengung des Pressens vorüber, sticht der Schmerz hinterrücks wieder zu und irrlichtert unvorhersehbar lang oder kurz durch die zertrümmerte Nacht. Dieser auch als Arschlochschmerz gefürchtete Schmerz ist in der Medizin nach wie vor unerforscht.

12:11

mehr leben im netz

16:53

Gereiftes Leben im Soll. 's wird Zeit, dass Geld reinkommt. Hört, ihr Rundfunkanstalten, hört ihr Verwerter meiner brotlosen Kunst, lasst jucken. 

19:23

Nach der Heisenbergschen Unschärfenrelation verhalten sich Objekte unter Beobachtung anders als unbeobachtet. Das trifft auch auf Dichter zu. 

22:25

wie sie fangen spielen, lachend voran sie und sie gehen lassend - kurz hinter ihr - er. fangen könnte er sie, aber er zögert das hinaus, fast schon, dass sie die geduld verliert mit einem schnellen, seitlichen blick, aber dann greift er, seitlich neben ihr gehend, mit beiden händen auf ihre schultern und küsst ihre wange. sie lacht, gibt aber keine weiteren zeichen, und so weiß er nicht, wie weiter jetzt. was er weiß, spürt er tiefer, aber davon wird er sich erst später erlösen, zuhause, allein.

Elektropost: Eingang: Absender Unbekannt: 

1 Kugel Vanilleeis, etwas Pflaumenmus, etwas Schlagsahne und darüber einen Teelöffel gemahlenen Espressocafe.
 
.... und christAgruesze!
Antwort:
Gut.
Und was mach ich mit Christa???
 
Hermann Mensing

23:43

romantische sätze zur nacht: ich - ich äh - ich geh jetzt ins bett. nacht.


Fr 18.05.01  9:24

Weitere Sätze sind möglich, führten jedoch unweigerlich zu schwer kontrollierbaren Handlungen, über die niemand nachdenken möchte. Wäre es denn nicht so, dass, hätte man diese Sätze gesprochen, neu verhandelt werden müsste. Langwierig wäre das, und niemand könnte einem die Garantie für einen erfolgreichen Abschluss geben. Nein. Es ist schon gut so, dass man nicht jeden Satz spricht, der einen bewegt.  Wo käme man denn da hin!!!

10:16

Gestern stand er wieder hinterm Haus und versuchte, mein Arbeitszimmer zu fotografieren. Aber ich war auf auf der Hut. Ich sprach ihn an, ich forderte Auskunft, worauf er errötend versuchte, sich zurückzuziehen. Ich vereitelte das. Ich stellte ihn. Ich forderte ihn auf, den Film aus seiner Kamera zu entfernen. Ich fragte, für wen und in wessen Auftrag er arbeite. Da geschah etwas für mich völlig Unerwartetes. Mit spitzem Schrei begann er sich aufzulösen. Seine Konturen zerflossen, einige Augenblicke noch glaubte ich, ihn als eine Art Fata Morgana flirrend überm Pflaster des Hofes schweben zu sehen, dann war er fort. 

11:57

dämliches aus dem hause men-sing:

fand ein schamhaar auf der scheißhausbrille
hatte sich zur 9 gelegt
fragte, ob es wissen wille
was es gäb, wenn man es dreht

13:52

fortsetzung:

sechs stöhnt es
was glaubst du, wer ich bin
sechs sechs sechs
danach steht mir der sinn

(mehr davon)

18:09

menschen, die mit mir in einem punkt einer meinung sind 
1-Marcello Bracale,Napoli,Italia  2-Tom Gehrels, Toronto, Canada  3-René Pottkamp, Amsterdam, the Netherlands  4-Beppechien Bruins Slot, Haarlem, the Netherlands 5-Marloes Kraan, Amsterdam, the Netherlands  6-Kim Knibbe, Amsterdam, the Netherlands  7-Jose Lima, Portugal  8-Rui Pereira, Lisboa, Portugal -Jojo Alves, Lisboa, Portugal 10-Tiago Junatas,Lisboa,Portugal 11-Nuno Encarnao, Lisboa, Portugal 12-Filipe Fernandes, Lisboa, Portugal 13-David Manuel Dias Neto, Lisboas, Portugal 14-Domingos Alfredo Alves Neto . Lisboa. Portugal 15-Ana Escoval - Lisboa - Portugal 16- ¡lvaro de Carvalho - Lisboa - Portugal 17- Anabela Paixo - Lisboa , Portugal 18- Oscar Ortet - Lisboa, Portugal 19- Jorge Paix"o da Costa - Portugal 20 - Nuno Artur Silva - Lisboa, Portugal  21 - José Carlos de Oliveira, Lisboa, Portugal     22 - André Gago, Lisboa, Portugal 23 - Niilo Saranummi, Finland 24 - Luca Cristofolini, Bologna, Italy  25 - Giovanni Cristofolini, Bologna, Italy  26 - Consolata Siniscalco, Torino, Italy  27 - Chantal Trèves, Aosta, Italy  28 - Mario Cenni, Lucca, Italy
> 29 - Roberto Rossi, Florence, Italy  30 - Andreas Bosshard, Oberwil-Lieli, Switzerland> 31 - Thomas van Elsen, Witzenhausen, Germany  32 - Peter Herold, Witzenhausen, Germany  33 - Penelope Pohlner, Witzenhausen, Germany  34 - Rieke Bartram, Lusaka, Zambia  35 - Rainer Bartram, Lusaka, Zambia 36 - Kerstin Jespersen, Lusaka, Zambia  37. Kordelia Fischer-Borchert  38. Peter Borchert 39. Rolf Müggenburg, Bensheim, Germany 40. Arne Utermark, Niamey, Niger  41. Christoph van Edig, Niamey, Niger  42. Holger Trapp, Mainz-Kastel, Germany  43. Carola Gäde, München, Germany 44. Brigitte Briese, Germany
 
Sa 19.05.01   9:46

Kleines Alphabet: H1 (klicken)

14:40

Kommen Sie, fressen Sie mir aus der Hand. Kostet nix.

17:56

Hatz geschmeckt? 


So 20.05.01    8:43

Erst dachten wir, er wäre noch keine fünfzig, aber dann kam er näher, wir sahen wir seine Haut und wussten, er war eher siebzig. Ganz in schwarzes Leder gekleidet, die Jacke mit roten Ärmeln, Schulterapplikationen und einer 77 auf dem Rücken, auf dem Kopf ein Barett, an dem ein silberner Adler steckte. Eine lustlose Band spielte, das Publikum aber, junges Volk mit Rude Boys T-Shirts und schwarzen Sonnenbrillen, übte stage-diving.  Der Sänger, ein kleiner Stecher, der, seit er The Israelites gesungen hatte, alles gesehen hat, was es auf und hinter Bühnen zu sehen gibt, war offenbar überrascht von so viel Begeisterung, sang spitz und hell,  gab Schnalzlaute von sich und Triller, die sich mit Beckenstößen Bahn brachen. Sein Backgroundsänger, ein Rasta mit hüftlangen Locken, zuckte, als wolle er kollabieren. Dabei rief er "Munster, do you feel good" und "this is Desmond Dekker party time".

15:11

der abgeschlossene Roman
: Ruhiger Sonntag. Ein startendes Flugzeug, Rufe aus Nachbargärten, ein Rotkehlchen bei der Brutpflege. Die Nachbarin, deren größte Freude es ist, Sätze aus ihrem Universum zu fischen und auf Unbeteiligte zu werfen, trat unter sein Fenster und begann atemlos zu erzählen. Als sie nach zehn Minuten noch keine Anstalten machte, je wieder  aufzuhören, nahm er den Feuerlöscher von der Wand und  richtete die Düse auf sie, worauf sie lachend fragte, was das solle? Das werden Sie jetzt gleich sehen, antwortete er, öffnete den Verschluss und entzündete unter hohem Druck austretendes Benzin. - Nein, er war kein schlechter Mensch. Bestimmt nicht. Und er hatte später nie sagen können, warum er den Feuerlöscher umgebaut hatte. Alles schien nach einem Plan geschehen zu sein, einem Plan, von dessen Existenz er nie nicht geringste Kenntnis gehabt zu haben vorgab. Glauben wollte das niemand. Alle sahen in ihm nur das Monster. 

23:59

Gottes Wort 10:

Der Herr sprach: Hermann, heute war ein schöner Tag. Ich: Stimmt eigentlich. 

 

Mo 21.05.01    10:22

Als ich das Zimmer betrat, sah ich Spuren. Als ich sie beseitigen wollte, hörte ich etwas.




   

Als ich mich bewaffnete, glaubte ich etwas zu sehen. Es wird seine Chance suchen. Aber ich glaube nicht, dass es sie bekommt. Diesmal bin ich vorbereitet. Diesmal wird es nicht so gehen wie damals. Dennoch ist Vorsicht geboten, höchste Vorsicht. Ich weiß, was es kann. Ich weiß, wie schnell es ist. Und ich weiß, dass es einen Vorteil hat, den ich nicht habe: es hat keine Angst. 

14:34 

End here a se rizalts: 

Gerade war Programmsitzung und die Entscheidung fiel schnell und eindeutig:
Flanken, Fouls und fiese Tricks ist es geworden.
Ich hoffe, sie können mit diesem Titel leben. Alle waren ganz begeistert davon. Es klingt frech, spritzig und nach Fußball! Wunderbar!
Beste Grüße und noch eine schöne Woche!

16:30

Beruhigendes zum Nachmittag

Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten — liest man — steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken. (5) 

 

PS.bisschen kurz finde ich, könnte noch ein zwei Strophen vertragen, aber es ist nicht, wie du vielleicht denkst, eine weitere Synchronizität des Geschmacks, sondern schlicht und einfach geklaut....

16:47

Wenn er auf dem Balkon saß, gleich vor der Türschwelle, den Kopf  Zentimeter neben den roten Backsteinen der Hausmauer, wenn er dort saß und las, kippte sein Kopf manchmal zur Seite, er spürte den rauhen Stein und immer häufiger dabei den Wunsch, den Kopf dagegen zu schlagen, die Schädeldecke zu öffnen wie man ein Ei öffnen würde, mit kurzem, heftigem Schlag, einmal und für immer. 

22:28 

Kleines Alphabet: N

Nässe, die; - ; näs/seln (veraltet, noch landsch. für ein wenig nass sein, nass werden); es nässelt; nässen; du nässt (nässest) , er nässt; du nässest; genässt; nässe! und näss!; nass/fest; nassfestes Papier; nass/forsch (ugs. für übertrieben forsch); nass geschwitzt vgl. nass; Nass-in-Nass-Druck Plur. ...druck (Druckw.); nass/kalt; näss/lich (ein wenig feucht); (6)

 

Di 22.05.01   8:50

Heute vor zwanzig Jahren. Spielte mit NeoDeo in der Scheune eines alternativ genutzten Bauernhofes. Nichtraucher, Vegetarier, Makrobioten, Anhänger östlicher Heilslehren mit Guru zum Hausgebrauch, alles in allem etwa fünfzehn Zuschauer. Improvisierten waghalsig und schreckten vor nichts zurück. Trotz- oder gerade deswegen  zwei Zugaben. Erwirtschafteten ein Minus von DM 2.--. Verglichen zum offiziellen Kulturbetrieb fast eine erstrebenswerte Rendite.  

Mi 23.05.01    8:11

dämliches a. d. englischen sprachraum: 

have sun in the heart if storms or shine, shall no one in lives but you aline. 

mehr davon

13:40

Perlen der Elektropost:

Eingang:

betr. rasselzeugs -

habe die wertvollen instrumente laengst ausser landes gebracht...werde mich
bald ebenfalls ins aussland absetzen...jeder versuch, die rasseln oder mich
ausfindig zu machen, wird ergebnislos sein...ich werde mich nie mehr in
muenster aufhalten, schon gar nicht in roxel...

jemand, der anonym bleiben möchte

ps: wenn sie diese zeilen lesen, habe ich die rasseln wahrscheinlich schon
fuer viel geld vertickt und sonne mich am strand meiner eigenen suedseeinsel.

Ausgang:

Dazu wird es nicht kommen, nie, denn es gibt etwas, was Sie nicht wissen. Eines dieser Instrumente (ich will es nicht näher beschreiben, denn dann wüssten Sie ja, dass es sich um eine ockerfarbene Rumbarassel der Firma Latin Percussion handelt) - eines dieser unsagbar wertvollen Instrumente ist nämlich präpariert. In seinem Inneren rasseln Wunder der modernen Explosionswissenschaften, und während ich dieses schreibe, habe ich den Zündmechanismus bereits in Gang gesetzt, so dass ich davon ausgehen kann, Sie sehr bald in kleinen Teilen verstreut auf ihrer eigenen Südseeinsel aufzufinden. 

Mit freundlichen Grüssen  H. Mensing Esq.

 

16:54

Man riecht Urin und Stuhl, wenn man das Gebäude betritt. Manchmal schreien die beiden Papageien, die in einer Voliere des Eingangsbereichs leben. Man geht ins erste Stockwerk und der Geruch verstärkt sich. Man atmet durch und hat sich schon daran gewöhnt. Man betritt eines der Zimmer und sieht eine alte Frau mit geöffneten, toten, seit einem Jahrzehnt an grauem Star erkrankten Augen, reglos. Man spürt, dass ein Strom durch den Körper rast. Er füllt jedes Gefäß, er erreicht Haarspitzen und bringt Gedanken zum Schweigen. Aber nein! Die Frau bewegt sich. Jetzt hat sie die Augen geschlossen. Es stimmt. Sie liegt so seit Jahren. Es stimmt. Sie klagt nie. Es stimmt: sie ist seine Mutter. Aber eines stimmt nicht: sie ist nicht tot. Im Gegenteil: hellwach will sie wissen, wie er sich denn eigentlich verpflege, wenn er mit seiner Familie auf diese holländische Insel fahre, jeden Herbst, ob er da immer ausgehe oder...? Nein, antwortet er, wir können doch kochen, wir haben doch eine Küche. Ja, sagt sie. Natürlich, ich dachte auch schon.  

20:12

Wann immer er sich auf den Balkon setzt, er bleibt von der Mauer weg. Fürchtet, dass er seinen Kopf doch noch dagegen schlägt. Wahrscheinlich hat er zu viel Zeitung gelesen. Aber einen  tic zu haben, wäre schon interessant...  

 

Do 24.05.01    9:20

Noch 9 Zugriffe,  und Tausend sind voll. 

9:55

Faltete Innereien, feuchtete Verhärtetes, legte Verletztes so, dass es nicht ans Tageslicht kam, warf Verdorbenes fort und schob Lavendelkissen zwischen die Reste, verschloss den Schrank und war zufrieden. Heute jedoch fand ich ihn aufgebrochen. Ein Brief lag davor. Eine Art Bekennerbrief. Ich war's, stand drin. 

13:27

erbauliches zum vatertag

vati schlag die schwester krumm// stimmt es, vati, ist die mutti dumm// vati, werf dich vor den zug// werde dir doch nie genug //

17:27

Noch 5.

 

Fr 25.05.01   8:35

Und ich zwinge mich nicht. Nein. 

9:38

Kleines Alphabet: W

Warum darf man weibliche Primaten hassen???

Wegen ihrer Figur....

Sie erscheint männlichen Primaten äußerst begehrenswert, suggeriert ständige Paarungsbereitschaft, spricht man den weiblichen Primat aber unverblümt darauf an, erhält man meist abschlägigen Bescheid. 

.... ihrer Intuition. 

Der weibliche Primat behauptet von sich, alles längst gewusst zu haben. Worum es auch gehen mag, er hat es gewusst. Erkenntnisse sind dem männlichen Primat so von vornherein unmöglich. Das macht böses Blut.

...ihrer Grausamkeit.

Der weibliche Primat schreckt vor nichts zurück. Ergeht sich das Männchen in aussichtslosen Situationen im Blutrausch, so ist das Weibchen viel geschickter. Es plant seine Taten minutiös, schreckt weder vor Gift, Intrigen noch Auftragsmorden zurück, mit einem Wort: man muss sich in acht nehmen, hat man es erst einmal gegen sich aufgebracht.

...ihrer Liebe.

Seine Liebe ist unfassbar. Angeblich will sie immer nur das Beste. Häufig aber erscheint sie dem männlichen Primat eher als ein gefährlicher Hochsicherheitstrakt. Einmal eingeliefert wird es so gut wie unmöglich, das Menschenrecht für männliche Primaten durchzusetzen. 

...ihrer Art, die Notdurft zu verrichten.

Sie schaffen es einfach nicht im Stehen, was dem männlichen Primat einen Vorteil verschafft, den er noch gar nicht begriffen zu haben scheint: dies ist die einzige Zeit zur aussichtsreichen Flucht. 

...ihrer Art, um Schutz zu flehen.

Sie geben vor, schutzbedürftig zu sein, sie sagen, sie hätten es nicht so gemeint, aber wenn es hart auf hart kommt, arbeiten sie mit allen Tricks. Wenngleich man zugeben muss, dass das in Ohnmacht fallen, populär zur vorletzten Jahrhundertwende, heute kaum noch eine Rolle spielt. 

 

10:55

da ist er, der 1000Besucher meiner Homepage. Es scheint, dass der Netsurfer eher Voyeur ist als Teilnehmer, denn von den 1000 Zugreifern hat sich kaum jemand bei mir gemeldet. 

12:25

Kleiner Nachtrag zu W:

Will man den weiblichen Primat fertig machen, werfe man ihm vor, er werde wie seine Mutter. 

 

Sa 26.05.01   17:24

you never asked me what I wanted you only asked me why...(7)

20:09

Warf ein Lasso über den Sichelmond gestern, und ließ mich nach Hause ziehen. Lichtfinger tasteten über Gräser und Schafgarbe am Straßenrand, Lichtfische zappelten im Netz der Milchstraße, der Lärm des Stadtfestes verlor sich allmählich und war hinterm Zoo endlich fort. Wäre gern weiter und weiter gefahren, dem Mond bis zum Meer gefolgt, übers Wasser und einmal herum, musste aber nötig aufs Klo und vereinbarte deshalb einen anderen Termin. 

23:18

Benimm dich. Benimm dich nicht. 

So 27.05.01   8:18

Auf  WDR5 läuft  "Professor Siebenlist", ein Hörspiel, das ich vor drei Jahren geschrieben habe, von "rasanten" Einfällen des Regisseurs völlig verhunzt. Er hat eine Art Singspiel daraus gemacht, Lieder eingebaut mit nervigen Melodien und blödsinnigen Texten. Ich erfuhr erst davon, als alles fertig und nichts mehr zu retten war. So geht das mit Regisseuren. Sie machen, was sie wollen. Vorsicht also. Wo immer Regisseure auftauchen, Vorsicht. Ich stelle das Radio aus. Ich ertrage diesen Mist nicht.

15:13:19

Es ist fünfzehn Uhr, dreizehn Minuten und zweiundvierzig Sekunden. 

15:57

Es war ein faules und eigentlich ganz lustiges Leben, den ganzen Tag bequem herumzuliegen und nichts zu tun als zu rauchen und zu fischen, fern von allen Büchern und aller Lernerei. Mehr als zwei Monate gingen so dahin. (8)

Mo 28.05.01    7:58

Traumnacht. Sicher hat das mit dem Wetter zu tun. Träumte gleich zweimal. Einmal von der Flucht eines Jungen, der an einem Fluss lebt. Die Oder, dachte ich. Er trifft sich nachmittags mit seiner Freundin in einer Gaststätte. Ein  paar Gäste sitzen um die Theke. Er muss vorsichtig sein, niemand darf etwas erfahren. Er erzählt dem Mädchen von seinen Plänen. Sie verlassen die Gaststätte. Er entrollt ein Transparent, das Werbebanner seiner zukünftigen Firma. Es hat etwas mit Motoren zu tun. Die Straße, durch die sie gehen, liegt oberhalb des Flusses. Die andere Seite ist das Ziel seiner Flucht. Ich träume, dass es die Oder nicht sein kann. Falls mein Traum noch zu real existierendem Sozialismus passen soll. Aber vielleicht träumte ich ja die Gegenwart. Der Junge beginnt plötzlich zu rennen, er rennt die Böschung hinab  zum Fluss. Er zieht das Mädchen mit sich. Das Mädchen kreischt. Und schon sind beide hineingesprungen. Unter Wasser sagt er zu ihr, wenn wir erst drüben sind, sollst sehen, klappt alles. 

Im zweiten Traum bringe ich einen Ring zu einem Juwelier meiner Heimatstadt. Ein buckliges Männchen, das mir unheimlich war. Meine Konfirmationsuhr stammte aus seinem Geschäft. Es roch muffig da. Als bewege sich außer den Zeigern der unzähligen Uhren dort gar nichts. Ich gebe ihm den Ring, dessen Stein aus der Fassung gefallen ist und er beginnt mit einer aufwendigen Prozedur. Schmilzt den Ring ein, gießt das Metall in eine neue Form, und als er fertig ist mit seiner Arbeit, erhalte ich eine Dose mit einem Deckel, der nach Art einer sich öffnenden Lotusblüte geformt ist. Tausendfünfhundert, sagt er, und ich zahle. 

8:35

collapse, and load up, pop up, I must accumulate....(9)

9:31

Wer bin ich? Wo bin ich und wo will ich hin? Der junge König, von Zeus sitzen gelassen, muss sich über seine Zukunft klar werden.

12:27

Antwort auf die nutzloseste aller Fragen:   Nein.

 

Di 29.05.01   7:50

Ich aber sage Euch, ihr werdet mich in Parma Schinken gewickelt, mit Scampis garniert, angesäuselt unterm Büffet im Hotel Nikko zu Düsseldorf liegend finden, denn mein Verlag hat mich zu einem Brunch geladen, um seinen Auftritt in neuer Gestaltung für den Herbst anzukündigen. 

18:51

Allein unter Frauen. Buchhändlerinnen, so weit das Auge reicht. Habe mich gut verkauft. 

Mi 30.05.01   7:51

mitgehört: Eisdiele G.  21:35 gestern: löffle ein gigantisches Spaghettieis, während sich am Nebentisch jemand immer lauter in den Vordergrund redet. Ich habe da, sagt er, eine wundervolle Erfahrung gemacht, die letzten vier Tage da auf dem Schiff. Lachen ist doch etwas Wunderbares, und so freundliche Leute, ich meine, die mussten von morgens bis abends arbeiten, praktisch 24 Stunden am Stück und das sechs Monate, aber freundlich, nein, die waren so was von freundlich, dass ich mich schon gefragt habe, ob die das morgens zehn Minuten üben, und ich habe mit einem Stewart gesprochen, die haben ja Balken, also so hierarchisch gegliedert sind die ja, und der hat gesagt, wir wären ja auch mal eine Ausnahme, sonst hätten sie ja nur ältere Leute an Bord und die hätten ja an allem was auszusetzen, das muss man sich auch mal vorstellen, so an Bord, so viele Leute, was da alles an Arbeit ist. Und die Wäsche, da wird ja jeden Tag neue Wäsche gebracht und alle zwei Tagen neue Bettwäsche, die Wäsche, die machen die Chinesen. Ganz unten im Schiff. Auf der ganzen Welt, überall auf den Kreuzfahrtschiffen, wird die Wäsche von den Chinesen gemacht. Und die Reinigung, so Bad und Klo und so, das machen Philippinos. Gestern um diese Zeit saß ich ja noch in Miami, und da sausen die ja alle rum. Die Tusse von Bohlen, und Boris nagelte da mit dem Speedboot rum. Und ich muss sagen, so Schiffsreisen sind nichts für mich. Die Kabine ist mir zu eng und man hört auch immer was, vier Tage, das ging gerade, aber länger, nein. (Alter: ca. 40/45, groß, schlank, gebräunt, teuer gekleidet, ein Ekelpaket)

8:45

Jetzt fällt es mir wieder ein: am 30. Mai ist der Weltuntergang. Jedenfalls sangen wir das als Kinder: ... am 30. Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht mehr lang, wir leben nicht mehr lang....dabei wohlige Schauer des Entsetzens. Warum wir und warum gerade heute? Keiner wusste das. 

14:48

Die Sonne scheint. Menschen rufen mich an. Fragen, ob ich dann und dann da und dort bei ihnen lesen könnte? Gern, sage ich. Und dann sprechen wir über Preise. Wenn Sie's nicht weitersagen, sage ich, mache ich es für Sie für ..... Ach ja, das wäre wunderbar. Na also. Wenn alles gut geht, am 15. September  in Wien. Rings ums Burgtheater findet ein Literaturmarathon statt. 24 Stunden wird dort gelesen. Und der kleine Hermann aus G. ist auch dabei. Geil das. 

 

20:48

menschen: die tante mit ihrer nörgelei, dass die krankenkasse das und das nicht mehr zahle und ihrer ein leben lang unterdrückten fähigkeit, sich zu etwas zu äußern: tante änne, willst du ein eis? schweigen. ja? ach, ja, nä. also was nun? ja. und die sorten? ach egal. irgendwann geht es um die türken,  die den anderen das geschäft kaputt machen, und ich erkläre ihr zum tausendsten male, dass es normal sei, dass geschäfte miteinander konkurrieren. wenn sie wenig später dann sagt: läuft man aber schnell runter, oder: jetzt ist lotti n. auch schon seit fünf wochen tot, dann, spätestens dann liebe ich alte menschen nicht mehr, kein bisschen liebe ich sie, und der tante würde ich am liebsten um die ohren hauen, dass ihre existenz am faden der barmherzigkeit des sozialamtes hängt, stattdessen schiebe ich ihren rollstuhl den hügel zum krankenhaus hoch und brilliere mit dem auch schon ziemlich abgestandenen witz vom erbe, dass sie jetzt gleich auf mich überschreiben muss, andernfalls ließe ich sie den hügel hinab rollen. da lacht sie und dann fallen ihr sätze über den park ein, der so wunderschön sei und dass nie jemand von den alten dort säße. ich schiebe sie vor die automatische tür und denke, die wird hundertzehn, also werde ich noch in fünfzehn jahren (wäre dann 67) hier im ruf stehen, ein guter neffe und noch besserer sohn zu sein. ja. so geht das jeden mittwoch. und ich bin ja noch nicht einmal am ende. jetzt geht es nämlich zu mutti und was das für schrecken verursacht, davon ein anderes mal. tiere: ein rostfarbenes, faustgroßes tier, von vielen reifen platt auf den asphalt modelliert, ein hamster??? sensationen: badewannenjupp ist noch längst nicht mit seinem umbau fertig. im augenblick wird den schon existierenden vier dachfenstern links und rechts je eines hinzugefügt. und alles kann er. ich bewundere ihn. 

23:53

ich liebe ich nicht// ich liebe du nicht// ich liebe er nicht// ich liebe sie nicht// ich liebe es nicht// ich liebe wir nicht// ich liebe ihr nicht// ich liebe sie nicht//

23:55

Guten Nacht für heute. Morgen sind wir wieder da mit neuen Geschichten für kleine Leute.  

 

Do 31.05.01     7:55

dämliches a. d. englischen sprachraum:

is in springtime cool and whet, fills the farmer barn and bed...

8:59

Kleines Alphabet: D: Dativ

dankt dem dativ dem dullen dämpfer// drückt dem den daumen// dem's dunkel dräut// drosselt die doofen // das drückt depression// dankt doppelt dem dativ// ach, dem hatten wir schon???

17:43

noch etwas a. d. englischen Sprachraum:

My final word before I'm done cancer can be so much fun....

 

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Zitate:  1.  Herta Müller "Im Haarknoten wohnt eine Dame" Rowohlt 2000 // 2. Shakespeare "Hamlet" //  3. Soul Coughing  "Soundtrack for Mary : Irresistible Bliss  // 4. Gottfried Benn "Nur zwei Dinge" //  5. Jakob van Hoddis "Weltende" 6. Duden - Die Deutsche Rechtschreibung 21. Auflage. 1996 // 7. Elvis Costello "Miracle man"// 8. Mark Twain "Huckleberry Finn// 9. Soul Coughing "Collapse": Irresistible Bliss// 

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