August 2003                                www.hermann-mensing.de                           

mensing literatur

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Fr 1.08.03    8:08

Guten Morgen. Prothesen eingesetzt? Körpergeruch beseitigt? Abgeführt? - Gut. Das ist wichtig, denn heute wird wieder ein heißer Tag.

9:02

Es geht um einen dürren Mann mittleren Alters, der behauptet, in seiner Wohnung lebe ein Elefant. Die Kinder der Nachbarschaft sind hin- und hergerissen. Natürlich wissen sie, dass Elefanten nicht in Wohnungen leben, andererseits hören sie ihn oft tuten. Als sie eines Tages vor der Tür des langen Hans stehen, um ihm etwas zu bringen, was er im Garten vergessen hat, sehen sie einen Schatten in dessen Flur. Der Schatten gleicht einem Elefant. Einem kleinen Elefant, aber einem Elefant. Welche Farbe hat dein Elefant? fragt eines der Kinder. Grün, sagt der lange Hans. Und dann geht er zurück in sein Zimmer, und da steht er, der grüne Elefant. Der lange Hans erschreckt. Er hatte die Geschichte vom Elefanten erzählt, um den Kindern eine Freude zu machen. Nun ist der Elefant Wirklichkeit geworden. Noch dazu ist er grün. Was soll er jetzt mit ihm machen?
Daraus ließe sich eine poetische kleine Geschichte basteln, Herr Mensing.

15:11

Waithan Halakan ist Pilot für fliegende Untertassen. Er liebt seinen Beruf über alles. Die Menschen glauben zwar, dass sie es wären, die Untertassen nähmen und irgendwo hinstellen, aber das stimmt nicht.
Waithan Halakan tut das, Waithan Halakan führt ihre Hand, und da er unsichtbar ist, bestand nie die Notwendigkeit, es den Menschen zu sagen.
Sie hätten es sowieso nicht verstanden.
Die einzigen, die wissen, dass es Waithan Halakan gibt, sind Katzen.
Die können ihn sehen, und so geschieht es nicht selten, dass Katzenbesitzer sich erstaunt fragen, wieso ihre Katze einen Buckel macht und faucht, während sie gerade den Kaffeetisch decken.
Mal angenommen, sie wüssten wieso, was dann? -
Wären sie wahrscheinlich schreiend davon gerannt, denn Waithan Halakan ist gewöhnungsbedürftig. Zunächst einmal ist er klein. Aber nicht klein im Sinne von kleiner Mensch, nein. Er ist klein im Sinne von: sehr klein. Nicht größer als ein Daumen. Falls überhaupt. Dazu kommt, dass er kleine Antennen hat und je nach Tageszeit grau oder blau und so durchsichtig ist, dass man glauben könnte, er sei eine Qualle oder gar ein Gespenst.
Aber weder ist er das eine noch das andere, er ist einfach Waithan Halakan, Untertassenpilot, so wie andere Inder sind, Afrikaner oder Chinesen. Alle Untertassenpiloten sehen aus wie er, und es besteht nicht der geringste Grund, sich vor ihm zu fürchten, aber auch das wissen die Menschen nicht.
Waithan Halakan ist ein sehr erfahrener Pilot.
Er hat in Palästen und großen, vornehmen Häusern gearbeitet, aber seit einigen Jahren ist er Pilot im Küchenschrank der Familie Scholz.
Ein sehr bescheidener Küchenschrank, einer, in dem die Holzwürmer Tag für Tag ihre stillen Wirbel ins Holz drillen, einer, der ächzt und Geräusche macht, wenn man die Türen öffnet, aber für einen älter werdenden Pilot wie Waithan Halakan genaus das Richtige.
Er muss nicht mehr Tag und Nacht durch die Räume sausen, wie er das früher musste, als er noch jung war und ständig verschiedene Untertassenmodelle flog, manche von ihnen so alt und zerbrechlich, dass er ständig um sein Leben fürchtete.
Heute macht er sich einmal am Morgen und vielleicht noch einmal am Nachmittag auf den Weg, dann hat er Feierabend. Dann kann er mit Hilfe seiner unzähligen kleinen Antennen mit all den anderen Untertassenpiloten sprechen, die wie er rund um den Globus in Küchenschränken hocken und treu ihre Arbeit tun.
Es gibt jedoch etwas, das Untertassenpiloten wahnsinnig macht.

 

Sa 2.08.03    9:32

Oh heilige Allianz der Idioten, die du die Vertreter der höchsten Wahrheit in Rom und des simpelsten gemeinsamen Nenners in Washington an einen Tisch bringst, der da heißt: Homosexuelle sind nicht normal, mögen Euch die Geschlechtsteile wie schwarz verfärbte Bananen vom Leibe faulen.

13:40

Lag schlummernd auf dem Sofa, als ich in folgenden Traum geriet: Ich saß am Bett meiner Mutter. Sie öffnete die Beine, zog mich zu sich heran, schloss die Beine wie eine Schere und sagte: Was willst du denn?
Ich riss mich aus dem Traum in die Wirklichkeit. Es war dreiundzwanzig Uhr gestern Abend, und ich war erschrocken darüber, wie seltsam Träume sein können. Seit dem Tod meiner Mutter vor drei Monaten war dies das erste Mal, dass sie in einem meiner Träume auftauchte.
Herr Freud, was meinen Sie?
Äußerst verwirrt verbleibe ich hochachtungsvoll Ihr ergebener usw. undsofort....

 

So 3.08.03    11:02

Schmerzreport: Ort: Münster/Westf.

Patient: M. - Alter: 54: M.

1.

der vagabundierende Gelenkschmerz. Tritt unvorhersehbar sowohl im linken als auch im rechten Kniegelenk auf. Verschwindet ebenso rätselhaft.

2.

der rechte-Schulter-Schmerz. Ein stationärer Schmerz, den der Patient vermisst, wenn er mal schweigt, was selten ist. Erfolgreiche Therapie: Rückenschwimmen.

3.

der marode Zahnschmerz: tritt bei allen sechs noch vorhandenen Zähnen in willkürlichen Intervallen auf und erinnert seinen Besitzer daran, dass alles vergänglich ist.

4.

der rätselhafteste Schmerz von allen, u.a. Rosettenwürger genannt. Kommt gern in der Morgendämmerung.

5.

der gemeine Gelenkschmerz. Korrespondiert mit den roten Schmerzpunkten in der TV Werbung, wird aber selten im Hochgebirge wahrgenommen, da M. dort nie unterwegs ist.

6.
der Existentielle Schmerz, einer der Lieblingsschmerzen des Probanden, immer zur Stelle, wenn es darum geht, seinen Standort in dieser Welt zu bestimmen. In anderen Kulturen als Blues populär geworden.

7.
alle übrigen Schmerzen. Sie tauchen auf und noch eh man begriffen hat, wo, sind sie schon wieder fort.

15:28

Regenzauber. Soeben praktiziert, nun wird es nicht mehr lange dauern.

 

Mo 4.08.03   9:23

Eine Bleibe, wo Körper immerzu suchen, jeder seinen Verwaiser. Groß genug für vergebliche Suche. (1)

15:36

Bitte sagen Sie nichts. Bleiben Sie, wo Sie sind. Es wird noch wärmer, mein Zauber hat Gegenteiliges bewirkt.

 

Di 5.08.03    9:39

Heute wieder kein Wort schreiben. Stattdessen: stilles Brüten. Bewegungslos.

 

Mi 6.08.03 10:32

Hände hoch. Keine Bewegung.

 

Do 7.08.03    7:48

Staubtrocken das Hirn. Spaß macht das nicht.

12:46

Hier ein wenig Futter für diejenigen, die sich nicht gleich zufrieden geben und wissen wollen, was es es mit dem augenblicklich tobenden Streit um das Buch von Ted Honderich und den Repliken dazu von Micha Brumlik und Nathan Sznaider auf sich hat.

14:07

Verbreitet das Buch schlicht Judenhass, wie Sznaider und Brumlik meinen, oder ist es ein Beitrag zu der Debatte, ob Moral in dieser Welt noch eine Rolle spielt, ob Terror gerechtfertigt sein kann oder nicht, dargestellt am Beispiel Israel - Palästina und dem (anglo-amerikanischen) Kampf gegen den Terror seit 9/11.
Lesen Sie dazu: Habermas Entschuldigung.
Eine Besprechung des Buches in der New York Times und einen Artikel zu der Kontroverse in der Berliner Zeitung.

16:00

Sehr geehrter Herr Mensing,
danke für Ihr Schreiben und das damit verbundene Angebot Ihres neuesten Jugendbuch-Projekts. Auch für uns muß ich leider zugeben, dass ich skeptisch bin. Wir haben momentan so volle Lager, dass diese erste Skepsis bereits ausreicht, um abzulehnen. Denn gerade die schwierigen Bücher haben es nicht leicht in einem ohnehin schon nur noch auf die Spitzentitel achtenden Buchhandel. Und damit es ein Spitzentitel werden kann, sollte nicht schon vorab Skepsis vorhanden sein. Und das Thema ist zweifelsohne ein heikles, ganz grundsätzlich. Mit diesem aber würden Sie dann nicht bei Ihrem Hausverlag erscheinen, sondern plötzlich im ...Verlag, der immer
wieder als der Verlag der schönen und anspruchsvollen aber eben auch oft der unverkäuflichen und schwierigen Bücher angesehen wird.
Es tut mir leid. Ich hoffe, Sie haben Verständnis für meine
Überlegungen.

Alles Gute und freundliche Grüße...

 

Fr 8.08.03 8:37

Guten Morgen, liebe von anhaltender Sonne verwöhnte Stöhnende.
Was könnte schöner sein, als dem eitlen Streit einiger Intellektueller noch ein wenig zu folgen, die sich vor Augen all derer, die noch nicht die Gelegenheit hatten, das indizierte Buch von Ted Honderich einer eigenen, kritischen Untersuchung zu unterziehen, darüber streiten, ob es nun antisemitisch sei oder nicht.
Diskurse über Antisemitismus versprechen jederzeit hohe Einschaltquoten. Lassen wir unsere Intellektuellen also für uns tanzen, während in Israel und Palästina weiter gemordet wird.
Auf welcher Seite wir stehen, werden Sie wissen.
Falls nicht, klicken Sie hier.

9:33

Nun könnten Sie mit Recht fragen, wer "wir" ist. Wir sind: H. Mensing., H. Mensing und alle weiteren denkbaren Seiten ein- und derselben Person.

12:01

Habe soeben ein Hotel an der niederländischen Küste gebucht.
Werde dort also nächste Woche verschwinden. Und schwimmen. Sonst nichts.

 

Sa 9.08.03     13:31

Während die Glut das Land langsam macht, ein paar Sätze zu abgeernteten Getreidefeldern. Seit Kinderzeiten war ich nicht mehr über ein Stoppelfeld gelaufen. Vor zwei Wochen tat ich es wieder. Schön war das Stechen an Fesseln und Fersen, knochentrockenes Reiben, manchmal ein Knistern, eher Brechen in Reihen unterschiedlich langer Stoppeln. Die Mäher schneiden zwar gleich, aber der Boden variiert, und so schaut man wie über ein Nagelbrett mit fließendem Niveau. Auch die Farben gleiten zwischen Braun- und Goldtönen, manche sogar tief braun, wie verbrannt. Dann sind da die Fahrspuren der Trecker, die das Getreide während des Wuchses düngten, Parallelogramme, die sich über die Felder ziehen wie Kondensstreifen über den Himmel. U-Turns an den Feldrändern. Viel Zeit, sich das anzuschauen, bleibt nicht mehr, dann wird der Boden gebrochen, Stalldung ausgebracht, ein paar Tage später kehren moderne Pflüge das Unterste nach oben und umgekehrt. Dem folgt die Aussaat und der Kreis schließt sich.

14:38

Herr Honderich hat Herrn Brumlik geschrieben.
Mal sehen, wer noch wem Briefe schreibt. Hier Honderichs Brief.

BANNING A BOOK

Offener Brief an die Johann-Wolfgang-Goethe Universitaet zu
Frankfurt/Main von Professor Dr. Ted Honderich

AKADEMISCHE GRUNDSAETZE

Micha Brumlik, Direktor des Fritz-Bauer-Institutes zur Geschichte des
Holocaust und seiner Wirkung in Frankfurt/Main und Professor am
Institut fuer allgemeine Erziehungswissenschaft der Universitaet Frankfurt/Main,
erklaert mich zum Antisemiten. Er tut dies, weil ich in meinem Buch
"Nach dem Terror" das moralische Recht der Palaestinenser zum Widerstand
gegen den Staat Israel verteidige -- gegen einen Staat Israel, der sein
moralisches Recht verteidigt, Palaestinenser zu toeten.

Die Beschuldigung, ein Antisemit zu sein, empoert mich und uebersteigt
mein Fassungsvermoegen. Wie konnten die Herausgeber von "Nach dem Terror" bei
den Verlagen der Unversity of Edinburgh und der Columbia University New York
sowie der deutschen Uebersetzung beim Suhrkamp Verlag meinen Antisemitismus
uebersehen?

Niemand kann mein Buch lesen und solche Dinge behaupten, sofern er
nicht bereits dem "Neuen Zionismus" angehoert. Sicherlich wird Brumliks
Anklage nun psychoanalytische Untersuchungen der Fragen nach sich ziehen,
warum ich mit einer juedischen Frau verheiratet war, warum ich mich wegen des
Holocaust weigerte, in Deutschland Vortraege zu halten, usw.

Die Unverfrorenheit und Dummheit der Anschuldigung des Antisemitismus laesst
fuer mich nur einen Schluss zu: naemlich den, dass es falsch waere, auch nur einen
einzigen Satz in Brumliks Brief ernst zu nehmen.

Darueber hinaus halte ich es fuer widerwaertig, mich mit Personen in Beziehung zu
setzen, deren politische Ansichten ich nicht teile. Weiter ist es unwuerdig,
wenn versucht wird, Druck auf ein Verlagshaus von exzellentem internationalen
Ruf auszuueben.

Solch katastrophale Vergehen an Wahrheit und Anstand sind mit akademischen
Grundsaetzen unvereinbar. Die einzig moegliche Konsequenz ist meines Erachtens,
Micha Brumlik umgehend von den akademischen Positionen, die er bekleidet, zu
entbinden.

Hochachtungsvoll,
Prof. Dr. Ted Honderich

14:49

Überlege auch manchmal, ob ich meine Briefe nicht mit
Hochachtungsvoll
Schriftsteller Dichter Hermann Mensing
unterzeichnen soll.
Oder ob ich mir meine Wagentür nicht mit werbenden Hinweisen auf mein Gewerbe verzieren lasse.
Auch den Eintrag ins Telefonbuch sollte ich überdenken.
H. Mensing. Ècrivain. Writer. Dichter. Schriftsteller. Hörspielautor. Dramatiker.
Vielleicht dürfte ich dann auch am Sommertheater der untereinander streitenden Intellektuellen teilnehmen und könnte mich auf diese oder jene Seite schlagen.
Ich täte das allerdings nur aus Spaß, denn tatsächlich bin ich immer und in jedem Falle auf der Seite der Unterdrückten: in diesem Falle auf der Seite der Palästinenser. Aber das wissen Sie ja.
In diesem Sinne.
Venceremos.


So 10.08.03   10:19

Im Schlosspark derer von Droste Hülshoff, Vor- und Nachfahren der Annette, ein wunderschöner Park mit Kiefern, hohen Buchen, Platanen, Kastanien und Pinien, über dem der goldgelbe Mond hing und der rötliche Mars, fand gestern eine Open-Air Filmnacht statt.
Gezeigt wurden "Der Herr der Ringe" 1 und 2.
Ich kam erst gegen 23 Uhr, sah die zweite Hälfte des ersten Teils, und die war genau so, wie ich es erwartet hatte. Schwülstiger Blut- und Bodenkitsch vor Landschaften, wie man sie manchmal auf billigen 3-D-Bildern in altertümlichen Eisdielen sieht, malerische Wasserfälle und allerliebste Architekturen, herrische Statuen, wilde Berge, Gute und Böse, Schock- und Schreckeffekte, dass einem für Sekunden das Blut gefriert.
Die beherrschen ihr Handwerk.

Saß da und staunte ein wenig, denn Schloss und Park sind Schauplatz meines Hörspiels "Der Mohr von Roxel", eine Geschichte um den Urgroßvater der Annette, der Ende des siebzehnten Jahrhundert von einer Europareise zurückkehrte und einen Mohren mitbrachte. So etwas war damals modern. Er bildete ihn zunächst zum Kammerdiener aus, bald aber stellte sich heraus, dass er hoch musikalisch war. So lernte er das Cembalospiel, später das Orgelspiel und schließlich wurde er Organist der hiesigen St. Pantaleon Kirche,
heiratete die Tochter des damaligen Küsters und zeugte fünf Kinder mit ihr.
Bei meiner Recherche konnte ich leider keine Nachfahren mehr ausfindig machen.
Und in dieser Umgebung nun also der Herr der Ringe.
Die Hobbits, die ich mir, als ich das Buch las (ich war in Südamerika zu Fuß unterwegs nach Macchu Picchu) mit kleinen puscheligen Füßen vorgestellt hatte, irgendwie pelzig behaart, waren enttäuschend mittelgroße Menschen mit Minipli-Frisuren und treuherzig blödem Gesichtsausdruck.
Und diese bescheuerten Namen für wundertätige Schwerter und Kettenhemden.
Oh, Meridor! sagen alle (oder so ähnlich) nachdem ein Höhlentroll Frido, den Träger des Rings, die Lanze vor die Brust gerammt hat. Alle glauben, nun ist er hin, aber weit gefehlt, Frido berappelt sich, öffnet sein Linnenhemd und darunter schimmert eben dieses Spezialhemd.
Oh Meridor!
Der Herr möge mich verschonen mit derartigem Mist.
Er möge mich beschützen auf all meinen Wegen, mich und die meinen und alle anderen.

12:56

Erfahre gerade, dass Frido Frodo heißt. Wie konnte ich das nur vergessen.
Und Puschelfüße hat er tatsächlich, die habe ich wohl übersehen und das wundertätige Kettenhemd heißt nicht Meridor sondern Mitril.
Oh Mitril. Verzeih!
Legte wegen der Hitze heute Unterwäsche von Mitril und Poepkack an. Hoffe, dass die Orks mich verschonen. Sie haben so furchtbaren Mundgeruch.

14:00

Hier noch ein Brief zu meinem neuen Roman:

Sehr geehrter Herr Mensing,
vielen Dank für Ihr Manuskriptangebot. Ich kenne einige der Bücher, die Sie im Ueberreuter Verlag veröffentlicht habe, und lese sie immer mit großem Vergnügen!

Allerdings ist das Thema, das Sie für Ihr Manuskript gewählt haben, tatsächlich etwas heikel und besonders als Einstieg bei einem neuen Verlag schwierig. Wir könnte uns aber eine Zusammenarbeit mit Ihnen gut vorstellen und würden uns wirklich sehr freuen, wenn Sie mit einem anderen Projekt auf uns zukämen!

Mit freundlichen Grüßen ....

Na, klingt das nicht schon viel viel besser als noch vor ein paar Jahren, Herr Mensing?

18:27

Gepackt.
Wij gaan naar Bergen an Zee.

 

Ferien

Ferien

Ferien

 

Sa 16.08.09 22:25

Bescheid für 2002 über Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag. Der Bescheid ist nach Paragraph 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig. Bitte zahlen Sie spätestens bis zum 11.09.03 ....

Aha.

 

So 17.08.03 10:49

"Ich werde propagandistischen Anlass zur Auslösung des Krieges geben, gleichgültig, ob glaubhaft. Der Sieger wird später nicht danach gefragt, ob er die Wahrheit gesagt hat oder nicht."
Nun dürfen Sie raten, wer das gesagt hat. Unser großer amerikanischer Freund vielleicht? Irgendein anderer Held der Weltgeschichte? Viel Spaß beim Raten wünscht ihr gerade zurückgekehrter Verwirrer M.

 

Mo 18.08.03 13:26

Düsteres aus der Honorarabteilung. Daraus kann nur folgen, dass ich endlich das tue, was ich schon seit Monaten tun wollte. Ein Hörspiel schreiben. Einen Ohrenbär schreiben. Noch ein Hörspiel schreiben. Sonst heißt es wieder: Gartenarbeit, Herr Mensing.

 

Di 19.08.03 8:18

Schönes Beispiel dafür, wie ein ehemaliger Kunsterzieher, Student eines in Russland abgeschmierten Weltkriegspiloten, der es zu weltweitem Ruhm in der Kunstszene brachte, Professor wird, selbst zu weltweitem Ruhm und Ansehen gelangt, horrende Summen für seine Bilder erlöst und daraus schließt, der Welt die lange Nase nur noch zeigen zu können, in dem er rauschende Feste mit Prostituierten und Kokain feiert, während seine dreißig Jahre jüngere Frau, eine seiner Ex-Studentinnen, und sein zweijähriges Kind Urlaub in Bulgarien machen.
Nun frage ich mich, kann er...
a: seine Frau nicht woanders Urlaub machen lassen, als gerade in Bulgarien, wo es nicht sehr schick ist?
b: ist es nicht überhaupt Missbrauch Abhängiger, eine dreißig Jahre jüngere Studentin zu heiraten?
c: wird sein Ruhm jetzt nicht ins Unermessliche steigen, weil alle ihn heimlich beneiden?

 

Mi 20.08.03   9:38

Die Vorstellung war gerade beendet. Erste Wohnwagen, LKW mit Anhängern, Artisten und Tiere verließen den Platz, durch die Nacht, auf zum nächsten Spielort. Hoch oben, zwischen den Masten des Zirkuszeltes: die strahlende Leuchtschrift: KRONE. Zwei Stunden später sind die Seitenverkleidungen des Vier-Mast-Zeltes entfernt. Man kann hineinschauen. Der Innenraum des Zeltes ist erleuchtet. Man hört Stimmen, Motoren, das metallische Geräusch aufeinander schlagender Stangen. Die Tribünen werden abgebaut. Man arbeitet lautstark und schnell. Gabelstapler tranportieren Gestänge zu ringsum geparkten Anhängern. Nachtkühle zieht über den Platz. Die KRONE erlischt erst zum Schluß. Am Morgen dann ist der Zirkus fort.

 

Do 21.08.03 20:35

das leben ist schön: folge 13
ort der handlung. der eingangsbereich des ludwigmuseums im schloss oberhausen. wir wollen uns eine ausstellung von gerhard haderer anschauen. da wir am morgen nicht mehr zu bank gekommen waren, zählen wir unser geld. die dame an der kasse schließt daraus, dass wir mit dem pfennig rechnen müssen und fragt höflich: sind sie vielleicht rentner, dann kostet es nur die hälfte.

 

Fr 22.08.03 11:45

Wir machen Ferien.
Wir folgen seit Tagen den Spuren untergegangener Industrieen.
Dienstag taten wir das in Gronau. Gronau ist meine Heimatstadt. Abends am Meer spielt dort. Wenn ich mit dem Auto stadteinwärts fahre, nenne ich Gronau "verschissenes Dreckloch", aber ich liebe die Stadt. Ich freue mich, dass die Landesgartenschau, die seit April auf dem Gelände der beiden ehemals größten Textilbetriebe Europas stattfindet, so viele Menschen anlockt. Sie bringen Geld, hoffentlich viel Geld, denn die Stadt leidet noch immer unter dem Zusammenbruch der Textilindustrie in den 80er Jahren.
Die Perspektive von der aus dem Bauschutt der abgerissenen Spinnereien und Webereien errichtete Pyramide ist, wenn man die Stadt noch als Industriestadt kennt, befremdend. Ihr pulsierendes Herz hat sich in einen Inselpark verwandelt. Überbleibsel der ehemaligen Industriearchitektur fungieren als Free-Climb-Turm, Rock-Museum und Kneipe. Ich weiß nie, ob ich das bewundern oder betrauern soll.
Mitte September werde ich neben der "Lesenden" einer Skulptur im Inselpark, Abends am Meer vorstellen.
Ich bin gespannt, wie das wird.

Gestern folgten wir der Industriekultur auf einer anderen Route. Wir besuchten das Gasometer in Oberhausen, ein Bauwerk von 117 Metern Höhe. Man kann hinauf fahren und von dort oben weit über das Ruhrgebiet sehen. Man kann aber auch hinein gehen.
Im Inneren hat Bill Viola, ein amerikanischer Video-Künstler, seine auf fünf großen Leinwänden stattfindende Videoinstallation "5 Angels for the Millenium" realisiert.
Es fällt mir schwer, zu beschreiben, was ich gesehen habe.
Das Innere des Gasometers ist nachtdunkel. Die Videos zwingen den Betrachter unter Wasser. Ab und an steigen Luftblasen auf. Verwirrend sind die verschobenen Horizonte. Mal ist die Wasseroberfläche oben, dann unten, aber immer bleibt man unter Wasser. Nur auf einer der Projektionen schaut man auf das Wasser. Über die 5 Projektionsflächen verteilt steigen nun die "Engel" für das Millenium auf oder unter - Menschen, die ins Wasser springen. Durch die Perspektivenverschiebung und die Zeitlupe gewinnt dieser Vorgang etwas Unwirkliches. Begleitet wird er jeweils von tiefem Grollen. Beeindruckend ist das, aber für meinen Geschmack steckt ein missionarischer Eifer dahinter, der mir nicht geheuer ist. Mehr zu dieser und anderen Arbeiten des Künstlers auf seiner Homepage: Bill Viola oder hier: Artsy Net Bill Viola

22:17

Was Boris Vian angeht, behaupte ich nicht das Gegenteil von dem, was ich vor ein paar Tagen behauptete, füge aber hinzu, dass er großartig ist.
Johann Nepomuk Nestroys "Häuptling Abendwind", den ich gerade im Theater im Pumpenhaus sah, war hingegen ein Schmarrn, auch wenn Peter Kern die Hauptrolle spielte.
Off-Theater spielen Millowitsch für Wiener. Wird dass ein neuer Trend?

22:25

Und dies zum nicht enden wollenden Morden in Israel/Palästina:

Unsere geckenhafte Selbstgerechtigkeit
von Shulamit Aloni

Seit Beginn der Intifada sind mehr als 800 Israelis, meist Zivilisten von Palästinensern getötet worden. Wir nennen dies zu recht „Mord“. Einige wurden durch Selbstmordattentäter getötet, die andern durch andere Mordinstrumente. Zur selben Zeit sind mehr als 2200 Palästinenser durch Israelis getötet wurden – einige als bewaffnete Verdächtige und fast alle mit den Waffen unserer Soldaten. Wir nennen diese Todesfälle nicht „Morde“.

Aber vielleicht sollten diese Tötungen auch als Morde bezeichnet werden. All diese Todesmaschinen, die vom Himmel kommen, die Panzer und Scharfschützen sind auf den „Feind“ ausgerichtet, wie der Generalstabschef sagt oder in „kriegerischen Operationen“, wie der Judge Advocate (Staatsanwalt?) General (JAG) Menachim Finkelstein sagt. Und deswegen ist es unnötig, die Soldaten zu verhören und die Mörder von Zivilisten gerichtlich zu belangen. Außerdem, fügt der gesetzestreue JAG hinzu, ist es unmöglich 2000 Untersuchungen über 2000 Todesfälle durchzuführen.“ (Haaretz 10.Juli 2003) Aber er führte keine Untersuchungen durch, als es nur 50 Fälle von ermordeten Palästinensern gab oder als es 100 davon gab. Also warum soll man Mörder und Peiniger/ Rechtsbrecher vor Gericht bringen, jetzt wo es so viele sind. Moment mal, er fand schließlich acht Fälle, Schießunfälle, die untersucht werden müssen.

Und natürlich kann man jüdisches Blut nicht mit palästinensischem Blut vergleichen. Die Palästinenser benützen die schreckliche Waffe des Selbstmords, während auf unserer Seite alles ästhetisch und elegant ist. Bomben fallen vom Himmel und die Piloten gehen sicher nach Hause; die Panzer feuern mit Granaten voll spitzer Pfeile, und unsere gedrillten Scharfschützen treffen jedes ihrer Ziele. Natürlich fragt keiner jemals : welches Ziel? Wir bekämpfen den „Feind“ und eine große Zahl der „Morde“ sind Kriegshandlungen. Natürlich bekämpfen sie – die Palästinenser – nicht einen Feind. Sie bekämpfen eine aufgeklärte Besatzung, die darum gepokert hat, ihnen die letzten 36 Jahre die Herrschaft zu übertragen, fand es aber sehr schwierig, weil sie auf Land leben, das uns vor 1900 Jahren gehörte, und weil wir es nur für uns selbst wollen.

Oder sind wir vielleicht ein gieriger Besatzer, plündern ihr Land ( wenigstens so weit es uns betrifft) reißen Bäume aus, demolieren Häuser, und vertreiben und brechen in ihre Häuser ein. Und immer noch nicht sind wir ein Feind und immer noch denken wir, wir sind eine aufgeklärte Besatzung. Und unser Generalstabschef tut alles nur Mögliche, um ins Bewusstsein der Besetzten einzubrennen, dass man seinen Besatzer lieben sollte, der sie im eigenen Haus als Gefangene hält, bis sie alle hungrig und vollkommen gedemütigt sind. Und all dies darum, um sie dahin zu bringen, endlich zu begreifen, wer die Herren des Landes sind und wer die Diener.

Alles was ich hier schreibe, ist allen bekannt – aber es ist verboten, es laut auszusprechen, weil es unpatriotisch sei. Schließlich ist alles, was wir tun, so, damit unsere Feinde uns nicht einen 2. Holocaust bescheren. So wird es uns erklärt – immer und immer wieder.

Und wie können unsere Feinde uns einen 2. Holocaust bescheren? Offensichtlich muss dies nicht hinterfragt werden. Schließlich haben wir Frieden mit Ägypten und Jordanien und der Irak ist keine Bedrohung und der Iran ist ein Problem für die ganze Welt.

Also vor wen fürchten wir uns? Vor den Palästinensern? Ist das nicht ein schlechter Witz? Aber uns ist es nicht erlaubt , dies zu sagen, weil unser jüdischer Verfolgungswahn sehr ernst zu nehmen ist. Die Leute von der PR der Armee und die Gierigen nach Groß-Israel wissen, wie man dies sehr gut manipuliert. Und das ist der Grund, warum es uns erlaubt ist, sie zu töten und zu morden und umzubringen, ohne dass es eine Anklage oder eine Gerichtsverhandlung gibt; wir dürfen ihre Patrioten ohne Erklärung, ohne Gerichtsverhandlung und Zeitlimit verhaften. Und natürlich wurden einige nur zu „Handelszwecken“ verhaftet, genau so wie es Terroristenbanden tun. Falls jemand in unserer Regierung das Töten wirklich zu einem Ende bringen will und der Saat des Todes auch, dann muss er die palästinensischen Gefangenen befreien – nicht die Diebe und Einbrecher - aber jene, die wir zu „Feinden“ erklärt haben, und dadurch sollten wir das Töten der Hunderten und Tausenden von ihnen rechtfertigen. Befreit werden sollten auch die, „die Blut an den Händen haben“. Haben die Scharfschützen oder Piloten, die Tod gesät haben, nicht auch Blut an den Händen? Unsere geckenhafte Selbstgerechtigkeit. Die gänzliche Gefühllosigkeit des JAG, der sich sehr um die Drückeberger (Militärverweigerer) sorgt und hinter ihnen herjagt, der es aber zu schwierig findet, Mörder zu verfolgen, weil es so viele sind. Uns ist anscheinend alles erlaubt, denn wir sind „die letzten Opfer“, auch wenn wir die Besatzer sind und die Macht haben.

Genug! Die Besatzung ist zu teuer, zu anstrengend, zu zerstörerisch. Lasst die politischen Gefangenen gehen – die alten und die neuen. Gebt dem Ende des Mordens eine Chance und der Stille und in ihrer Folge: gebt dem Frieden eine Chance! Es wäre die Sache wert, einmal die Macht der Großzügigkeit, des guten Willens und der Aufrichtigkeit auszuüben.

(Die Autorin ist ein früheres Mitglied der Knesset und war Ministerin von Meretz - Quelle: ZNet Deutschland)

 

Sa 23.08.03 10:53

Frau Henkel, schwerreiche Herrin eines Konzerns, der die Welt schon seit Jahrzehnten mit dem immer gleichen Versprechen, sein Produkt wasche so weiß, weißer ginge es nicht, belügt, fühlte sich gestern berufen, Herrn Immendorf zu verteidigen.
Immendorf lebe das Extrem, das gehöre sich für einen Künstler, er habe die Prostituierten ordnungsgemäß bezahlt, man müsse ihm so eine Orgie nachsehen, sagte sie. Und dann, fast bemitleidend, wies sie darauf hin, dass ein Künstler wie Immendorf den Preis der großen Einsamkeit zahle, den jeder ernsthafte Künstler entrichten müsse.
Aha!
Einsamkeit!!!
Vielleicht hat er es deshalb
mit 9 Frauen getrieben. -
Könnte ich es dann nicht mit zehn versuchen? -
Habe allerdings weder Kokain noch Viagra im Haus. -
Werde Frau Henkel anrufen. Sie ist schließlich Mäzenin.
Werden sagen: Oh, diese Einsamkeit, Frau Henkel! Diese Extreme! Dieses ständigen Schöpfen-Müssen!
Also, worauf warten Sie???
Ich wasche schon seit dreißig Jahre Wäsche, und noch nie ist sie so sauber geworden, wie ich es erhofft hatte. -
Aber was, wenn ich gar kein Künstler bin?? -

14:46

Ich habe zum Beispiel noch nie ein Tabu gebrochen.
Wahrscheinlich bin ich immer noch der, der ich vor 35 Jahren schon war: ein Speditionskaufmann.

 

So 24.08.03 11:40

Feierten den 50ten Geburtstag eines Bekannten. Der Saxophonist aus den Mittsiebzigern war auch da. Erstaunlich, dass weder sie ihn, noch er sie erkannte.

Meier ging ins Haus und legte sich auf sein Bett. Hatte er vorhin von Versöhnung geträumt, standen jetzt alle Zeichen auf Angriff. Zur Not würde er diesem Saxophonisten das Mundstück seines Instruments in den Rachen schrauben, bis kein Ton mehr heraus kam. Zur Not würde er durch ihr Küchenfenster steigen, sie in seinen VW zerren und mit ihr auf und davon gehen. Ciao Bella! würde er sagen, den negativen Sturz seines 68er Käfers ausnutzend um die Kurven preschen, auf und davon. Ciao Bella! Was immer dir dieser Westentaschenpapagallo geblasen hat, damit ist es vorbei. Bella, ich dresch dir die Flausen aus. Ja, Bella. Das sind meine Arme. Das ist mein Mund, mein Schwanz. Du gehörst mir und nicht ihm. Mein wüster Herzschlag. Du und ich fort von hier nach New York. Ich kenn' dort den ein oder anderen Platz hoch über den Straßenschluchten. Von da stoße ich dich, stößt du mich, stoßen wir uns, ganz wie du willst, Bella. Und dann Flug. Und dann Basta die Scheiße, die freie Liebe, das hermetische Gefängnis, die Hoffnung auf Irgendwas oder die Wirklichkeit Garnichts. Nich Bella, das is was anderes, als Saxophonkoffer zu tragen und schmachtend vor Bühnen zu stehen, bis er dir seine Kanne zuwendet und einen Lauf für dich röhrt, dass die Hose dir feucht wird. Und dann, Bella, streiten wir weiter, streiten ein Leben plus Bonuswoche für gutes Betragen, streiten Tag und Nacht, bis endlich einer die Schnauze voll hat und sagt, hör zu, ich habe nichts mehr zu verlieren, und so wie ich die Sache sehe, du auch nicht. Warum also hör'n wir nicht auf damit. Schließen wir Frieden. Machen wir Kinder. Richten uns ein. Werden wie alle.
Aber du wolltest ja anders sein. Deshalb hast du dir quere Vögel an Land gezogen: Eddy, den Sohn eines Gaswerkdirektors, der sich schon am Morgen die Venen vollpumpte; Söhne wie mich, die von der Vision göttlicher Pausen zehren; halbgare Saxophonisten; diesen Afrikaner, der dich in der Toilette des Intercity Paris-Hamburg vögelte und von dem du dich hast vögeln lassen, um dir zu beweisen, dass du nichts gegen Neger hast; schwule Tänzer, die einherstolzieren konnten wie Pfauen und springen wie Gemsen: alles Söhne, die auf dich abfärben sollten, dich wärmen mit ihrer Kunst, am wirklichen Leben haarscharf vorbei in die Ferne zu leben.
Bella! Schönaug Hoffnung dein Name. Bella Giebel. Der Gipfel weiblicher Gewalt. Der Gipfel an Hingabe. Trotzdem ist es dir nie gelungen, auch nur eine Sekunde zu sitzen, ohne die Füße übereinanderzustellen, gerade so, als fürchtetest du, dass jemand unbefugt in dich dringt. Dass ich nicht lache, Bella! Du hattest doch immer ein Faible für ein wenig Gewalt in der Liebe, obwohl alle glauben, du seist der zärtlichste Engel unter der Sonne. Ein Engel, Bella, mein Engel, deine Gewalt und mein wüster Herzschlag, wie wär's.
Your room or mine? (2)

 

Mo 25.08.03 22:42

Did I hear someone tell a lie??? (3)

 

Di 26.08.03 8:20

Als ich dann zu akzeptieren begann, dass Mutter wirklich tot war, versank ich in einer tiefen Depression. Ich hatte das Gefühl, einen Gegner verloren zu haben. Jemanden, an dem ich mich beweisen konnte. Meinen größten Fan und meinen schärfsten Kritiker und vor allem einen guten Gesprächspartner, den ich als Menschen eben erst kennenzulernen begonnen hatte - endlich ohne die emotionalen Vorurteile, die jede Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu einer Zwangsjacke machen. (4)

16:39

Das Schreien der Kinder hallt übers Wasser, Wind singt in müden Bäumen, die Fliegen sind so träge, dass ich sie ausnahmslos tot schlagen kann. Der letzte Tag dieser Saison im Freibad. Was danach kommt, wissen wir nicht. Ach ja. Doch. Beim Duschen zu Hause die ersten Leichenflecken. Das Lied dazu: And I think to myself, what a wonderful world.

19:18

Terror. Terroristen. Terror. Und immer sind es die anderen: die Tschetschenen, die Palästinenser, die Kurden, die... die ... Es kotzt mich an.

 

Mi 27.08.03 13:03

Ein ca. zehnjähriger Junge fährt auf seinem Rad Richtung Supermarkt. Zwei Jungen rennen hinter ihm her. Der auf dem Rad erhöht seine Geschwindigkeit und ruft: "Einer muss auf mein Rad aufpassen, wenn ich in den Supermarkt gehe." Die beiden ihm folgenden Jungen rufen: "Ich!" "Ich!", als sei das eine Auszeichnung.
Wie ist es dem auf dem Rad gelungen, sich zwei derart Abhängige zu erziehen?

16:41

Auf besagter Party zum 50ten bauten die Kinder Joints für die Erwachsenen, der Burgschauspieler Peter Kern kiffte mit und hohnlachte über uns armselige Alltägliche. Seine ausufernde Figur drängte uns die Frage auf, wo sein Geschlecht sein könnte. Willi K., ein Schlagzeuger, der vor Jahrzehnten nach Berlin emigrierte, dort nun in Prenzlau lebt und die musikalische Leitung besagten Nestroy Stückes hatte, sagte, er habe es beim Umziehen gesehen.

22:25

Gesucht u. a. wegen Wahlbetrug, Betrug, Mord: George W. Bush, Dick Cheney, Paul Wolfowitz, Colin Powel, Condoleeza Rice. Wer weiß, wo sich diese amerikanischen Verbrecher aufhalten??? Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen.

 

Do 28.08.03 10:00

Lassen Sie sich diesen Satz auf der Zunge zergehen:
Wir haben eine neue Strategie für eine neue Art von Krieg angenommen: Wir werden nicht warten, bis die bekannten Gegner uns wieder angreifen. Wir werden sie angreifen.
Frömmler, Ex-Alkoholiker und Verbrecher. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Große Leuchte.

17:20

Da man Zeit weder vertreiben, verbringen noch totschlagen kann, frage ich mich manchmal, was ich in den letzten 54 Jahren eigentlich getan habe. Gehütet vielleicht, denn wie sonst wäre es zu erklären, dass ich einer der wenigen Zeitmillionäre bin.

19:36

Musik der letzten Wochen: Rickie Lee Jones "Traffic from Paradise" // Frank Delle "confined freedom" // Erdmöbel "Altes Gasthaus Love" // Seeed "New Dubby Conquerors" // Seeed "Music Monks" // Martin L. Gore "Counterfeit" // Talk Talk "The Party's Over" // Bob Dylan "Time Out Of Mind" // Andreas Schnermann "welcome to my backyard" // Vienna Art Orchestra "Duke Ellington's Sound of Love" // P.J.Harvey "Is This Desire" // The Yayhawks "Hollywood Town Hall //

 

Fr 29.08.03 8:58

Ein Blick nach draußen bestätigt, dass es Regen tatsächlich gibt. Wer hätte das vor drei Jahren, als ich in mit diesen Aufzeichnungen begann, gedacht??? Staunend frage ich mich, wie das Wasser in den Himmel kommt. Natürlich wusste ich auch vorher von der Existenz dieses Naturereignisses. Aber gesehen hatte ich es noch nie. Erstaunlich wie es schnürlt und platscht und wie froh kleine Kinder auf dem Rücken ihrer Väter jeden Tropfen genießen und quietschen dabei. Ich bin ganz ergriffen. Irgendwie passt das zu meiner Festtagslaune.

12:12

Manchmal scheint mir die eigene Sterblichkeit so ungeheuerlich, dass ich es vorzöge, sofort zu sterben. Ich hätte es dann hinter mir und müsste nicht länger darüber nachdenken.

17:39

Das Haus Zoostraße Nr. 7 war ganz und gar nicht wie die Häuser der Nachbarschaft. Die Häuser der Nachbarschaft sahen aufgeräumt aus. Das Haus Nr. 7 nicht. Und ob in der Wohnung unten rechts tatsächlich jemals ein Elefant gelebt hatte, konnte auch Jahre später noch niemand mit Sicherheit sagen.
Aber von Anfang an:
Die Wohnung, von der die Rede sein wird, gehört Hans Brummelhaus.
Hans Brummelhaus ist groß, rothaarig und spindeldürr. Niemand weiß, was er tut. Die meisten vermuten aber, dass er Musiker ist.
An einem Freitagnachmittag tauchten Anton, Bjarne und Carla im Garten hinterm Haus Nr. 7 auf. Sie waren auf Löwenjagd. Sie vermuteten ihn in der Höhle rechts hinten unter den Büschen. Und da sie wussten, dass Löwen gefährlich sind, waren sie vorsichtig. Schlichen sich zunächst zu den Tomaten. Manche waren schon rot, andere noch grün. Zwar stand kein Schild daran, dass das Pflücken verbot, aber alle wussten, dass es verboten war. Carlas Mutter hatte die Tomaten gepflanzt und wollte natürlich nicht, dass die Kinder damit spielten.
Um dieses Verbot zu umgehen, hatten Anton und Bjarne Carla zur Anführerin gewählt. Und als es darum ging, auszuklamüsern, wie der Löwe am Besten zu erledigen wäre, hatte Anton gesagt: bewerfen.
"Bewerfen?" hatte Carla gesagt. "Den Löwen?"
"Jawohl", hatte Bjarne ganz langsam gesagt, denn Bjarne hasste es, wenn die Dinge zu schnell gingen. "Jaaaawohl - mit Tomaaaten."

18:04

Big News: Der zehnte Mond erscheint 2005 als Taschenbuch in Lizenz bei Carlsen in Hamburg.

 

Sa 30.08.03 12:15

Der eine wird 18, der andere alt. Der eine hat vieles vor sich, der andere vieles längst hinter sich. Der eine feiert, der andere würde gern Rotz und Wasser heulen. Beide haben eines gemeinsam.

 

So 31.08.03 9:57

Anwesend.

18:35

Schreckliches geschieht. Überall. Nachdem Wladimir gestern Fallobst boxte, höre ich heute nachmittag im weiten Rund des Leichtathletikstadions zu Paris immer und immer wieder Griechischer Wein. Erbrach mich bereits, rief dann die Verantwortlichen an, keine Erklärung. Nur zu den Siegerehrungen wird kurzzeitig andere Musik aufgelegt. So wird einem der Sonntag vermiest.

 

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1. Samuell Beckett "Der Verwaiser" // 2. Hermann Mensing "Meier der Große" // 3. Bob Dylan "Time out of mind" // 4. Will Self "Das Nordlondoner Totenbuch" in: Die Quantität des Irrsinns Erzählungen Luchterhand 1999 //

 

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