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mensing literatur
 

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Fr 1.08.08   7:40

Der Nachbar hat ein aufblasbares Schwimmbecken in den Garten gesetzt. Da tummeln sich tagsüber Kinder. Aber gegen Abend, wenn die Kinder weg sind, kommen dicke Männer und werfen sich ins schenkelhohe Wasser. Die werfen sich da rein, ohne darüber nachzudenken, was die Kinder da schon reingemacht haben. Dann gehen die dicken Männer zurück in ihre Wohnung und duschen sich.

Damit der Monat kracht, hier der erste Verleser, eine chinesische Volksweisheit:

Lieber eine Katze anzünden, als über die Finsternis klagen.

11:34

Karadzic behauptet, die Amerikaner hätten ihm 1996 zugesichert, ihn nicht zur Rechenschaft zu ziehen, wenn er sich von allen politischen Ämtern zurückziehe. Ein Deal, fertig, und ich wette, sie haben das genauso gesagt. Nun sitzt Karadzic in Den Haag. Offenbar ist er beleidigt, aber weiß er denn nicht, dass die Amerikaner den internationalen Gerichtshof in den Haag nicht anerkennen? Selbst, wenn sie es täten, mit Sicherheit würden sie nicht zu dem stehen, was sie gesagt haben.

 

Sa 2.08.08   9:27

Pop Life hatte schon zwei kritische Leser. Deren Anregungen habe ich mir zu Herzen genommen, habe fein geschliffen, korrigiert, gekürzt, jetzt warte ich auf die Anmerkungen von Malte B., der Pop Life in seinem Wohnwagen an der Ostsee gelesen und korrigiert hat. Jetzt ist er per Express zu mir unterwegs. Wie ich Malte kenne, könnte ich den Roman jetzt ungesehen veröffentlichen, denn ein besseres Lektorat als ihn fände ich nie. Bin aber gespannt, was er zum Inhalt zu sagen hat.

 

So 3.08.08   12:43

Der Gastgeber hatte einen Gast, den ich schon seit über 40 Jahren kenne. Er nennt mich Hörm, wie das damals viele taten. Heute nicht mehr. Als junger Mann saß er oft im Buchladen, in dem meine Frau ihre Lehre absolvierte und las ihr Dostojewski vor. Er war so vertieft in die Charaktere, dass er kaum auseinanderhalten konnte, wer er zum gegebenen Zeitpunkt lieber gewesen wäre.

Seine Verwirrung nahm zu, bis er schließlich arbeitsunfähig war. Er begann, kryptische Bilder zu malen, gab sich seltsame Namen, sein Haar wuchs und wuchs, sein Bart wucherte, bald sah er aus, wie jemand der auf der Straße lebt, und es hätte auch nicht viel gefehlt und er wäre dort gelandet.

Stattdessen übernahm ihn die Psychiatrie. Heute sorgt das Sozialamt für ihn. Ich mag ihn. Aber gestern erschrak ich. Er sprach davon, wieder zurück in unsere gemeinsame Heimatstadt zu ziehen, und Frau M. meinte, er suche sich einen Platz zum Sterben. Sein Gesicht ist voller Spuren. Die Gegenwart ist ihm fremd. Er schwärmt noch immer von meinem Zimmer in Gronau. Es sei das schönste Zimmer gewesen, das er je gesehen habe.

Wir überquerten die Hammer Straße. Es ging gegen 2. Das Straßenfest war beendet, die Händler hatten ihre Stände gesichert. Drei oder vier saßen am Straßenrand, saßen auf Klappstühlen vor einem LKW, rauchten und tranken Feierabendbier. Einer saß auf dem Bürgersteig. Er hatte die Beine ausgestreckt. Ich rief, Vorsicht, Chris, fahr ihm nicht die Beine ab. Bitte nicht, sagte der Händler. Keine Bange, antwortete ich.

Die Seitentür des kleinen LKW stand offen. Ich schaute hinein. Darin waren Etagenbetten. Auf einem saß jemand. Ein Türke vielleicht, Libanese... Ich weiß nicht, was sie den Tag über verkauft hatten, aber ich dachte, das ist ein hartes Leben, wenn man abends in einem LKW schläft.

Die Rückfahrt durch die Nacht war sehr schön und ein bisschen anstrengend. Der Himmel war voll düsterer Wolken, aber sie verschonten uns. Auf einem Verkehrsschild am Dingbänger Weg saß ein Kauz. Er saß da ganz ruhig und ließ sich nicht stören. Ich dachte, wie schön, er weiß, dass wir ihm nicht gefährlich werden. Zudem hatte ich das Gefühl, ihn vor Wochen dort schon einmal getroffen zu haben. Guten Abend, sagte ich.

Gestern gegen elf kam das redigierte Manuskript mit Expresspost. Ich arbeitete den ganzen Tag daran und kam bis Seite 190. Heute oder morgen erledige ich den Rest. Ich bin mit diesem Roman ein großes Risiko eingegangen. Ich habe darauf vertraut, dass sich die Erzählebenen verzahnen, dass die Fäden, die ich geknüpft habe, um sie fallen zu lassen und später erneut zusammenzufügen, sich auch im Kopf des Lesers zusammenfügen. Wenn ich meinen drei bisherigen Lesern glauben kann, tun sie das. Das war eine erleichternde Nachricht, denn ich hatte ja keinen Plan geschmiedet, ich hatte nur auf meinen Instinkt vertraut.

Jetzt liegt das Manuskript da und ich staune. Ich kann kaum noch nachvollziehen, wie es entstanden ist. Aber es ist da und fühlt sich an wie ein kleines Wunder. Das zweite Wunder wäre, wenn es Leser fände. Ich bin nach wie vor sehr optimistisch. Dieses Jahr war zwar in finanzieller Hinsicht schwierig, aber die Arbeiten, die bis jetzt entstanden sind, können sich sehen lassen. Und meine Schubladen sind voll. Ich finde das beruhigend.

Ich bin froh, dass ich nicht wie eine Rakete in den Schreiberhimmel gestartet bin, damals. Ich habe all die Jahre ohne Rücksichten auf den Markt schreiben können, das kommt mir zugute. Ich habe geschrieben (und schreibe) weil ich mich 1978 entschloss, ein Schreiber zu sein. Wenn jetzt Erfolg käme, wäre ich, hoffe ich, stabil genug, ihn zu ertragen und keine falschen Schlüsse daraus zu ziehen.

Es ist Sonntag. Der heiße Sommer ist zunächst einmal vorüber, was mir gefällt, denn die Hitze der vergangenen Tage fand ich nur schwer erträglich. Ich rauche wieder, was dumm ist, aber so ist es nun mal.

Während der Arbeit gestern hörte ich der Reihe nach die Beethoven Sonaten für Klavier 8-10 von Glen Gould, Michael Landau, eine Best-of-Jimi Hendrix CD, Toxicity von System of a Down, Incubus Make Yourself, Fats Domino Greates Hits und Laughing Stock von Talk Talk.

Und jetzt hängt mein Router wieder.
Es wird Zeit, dass ich mir einen neuen besorge.

Mo 4.08.08   9:32

Dieses Wesen fällt natürlich in die Kategorie Sommerloch, das wäre mir nicht aufgefallen, hätte Herr H. aus E. mich nicht gestern noch darauf hingewiesen. Ich saß zur Zeit seines Anrufes in der Küche und studierte die Fernsehzeitung. Auf 3sat lief ein Dokumentarfilm. Er hieß Fotzen Angels und ich hatte das Gefühl, dass das ein komischer Titel sei. Wer weiß, vielleicht wird der August der Monat der Verleser.

 

Di 5.08.08   10:18

Goldberg wird immer seltsamer. Goldberg sitzt da und schwärmt von einer Frau namens Maria, er wird ganz aufgeregt und stellt in den Raum, Maria und er, ja, das könne vielleicht später noch einmal was werden. Und während er so erzählt, er ist ein guter Erzähler, das Erzählen tatsächlicher und ausgedachter Ereignisse (bei Goldberg weiß man nie, was was ist) bringt ihn jedesmal in Rage, er gestikuliert, und während er das tut, sitzt seine Frau links neben ihm.

Schwer zu sagen, was sie dabei denkt und fühlt.

Dieser Goldberg ist ein seltsamer Mann. Jetzt, wo auch er die fünfzig überschritten hat, glaubt er noch immer, er wäre eigentlich für ein viel besseres Leben geboren. Er glaubt auch, dass seine Frau eigentlich zu dumm für ihn sei, er erzählt das sogar herum, mit der, sagt er, könne er ja nicht wirklich reden, dazu sei sie zu dumm. Und er hält sich für im Grunde verkannt. Dabei hat er nichts weiter getan als sich von früh bis spät zuzudröhnen. Das ist seine bisherige Lebensleistung. Plus Reden. Goldberg hat alles in seinem Leben zerredet. Wenn er nur einen Bruchteil dessen, was er Vorfeld zerredet hat, begonnen hätte, sähe es heute ganz anders aus mit ihm.

Mehr zu Goldberg lesen Sie hier, hier,   hier und hier....

15:44

Heute nacht, so wird berichtet, habe Herr M. "ich bin ein kleiner Nikolaus" gesungen. Er habe sehr fröhlich geklungen, er habe auch noch anderes gesungen, überhaupt sei Herr M. sehr beschwingt gewesen, aber die anderen Lieder habe man nicht verstehen können, schließlich aber habe Herr M. noch deutlich "hallo Mutti" gesagt, auch das in entspanntem Ton.

Ob Herr M. sich daran erinnern könne, wurde er gefragt. Er verneinte, konnte aber, als er sich besann, mit Bestimmtheit sagen, dass er in heiterer Grundstimmung erwacht sei, und dass ihn diese Stimmung, seit er den Roman geschrieben habe, von dem er glaube, dass er ihm die Rente sichere, nahezu täglich beflügle. Er habe schon mehr als eine Idee für weitere Romane, wenngleich noch keine spruchreif sei und er auch noch nicht beginnen wolle. Ein Roman könne zum Beispiel Goldberg heißen, wenngleich das vom Namen her auf die falsche Spur führe, aber Namen gäbe es ja zur Genüge, da müsse man nur ins Telefonbuch schauen.

19:08

Wir stehen am Laufband der Extra-Markt Kasse. Frau M. sagt, kann ich dir meinen Schlüssel in die Tasche stecken? Ich nicke. Sie schiebt mit mit ihren rechten Hand den Schlüssel in meine linke Hosentasche. Der Mann hinter uns, der Nachbar mit der am Herzen operierten Frau und dem Yorkshire Terrier, sagt, "müsst ihr da hier schon mit anfangen, könnt ihr nicht warten, bis ihr zu Hause seid?"

Solche Menschen liebe ich.
Wenn solche Menschen in der Nähe sind, weiß ich, dass nichts passieren kann.
Leider gibt es davon viel zu wenige.

 

Mi 6.08.08   11:04

Es ist sonnig, ich habe Korrektur gelesen, aber ich glaube, ich lasse das. Soll der Roman erst einmal ruhen. Das Beste wäre, ich könnte ihn vergessen. Aber das ist natürlich nicht so einfach. Ich lasse ihn einfach schlummern. Soll er doch reifen auf meiner Festplatte, in meinem Memory Stick, auf der Auslagerungsdatei.

 

Do 7.08.08   12:03

Manche mögen's heiß, ich nicht. Ich mag's kühl. Ich mag es mit oder ohne Regen, aber diese Bullenhitze bekommt mir nicht. Ich kann nicht nur nicht denken, ich kann quasi gar nichts, nicht einmal in Frieden nichts tun. Aber das Tief, sagt man, sei im Anmarsch. Bis dahin heißt es Kopf hoch und Übersprungshandlungen aktivieren, um Sinn vorzuschützen. Und hoffen, dass der Kreislauf nicht schlapp macht.

16:17

Das nördliche Ende unseres Grundstückes wird durch eine Ligusterhecke markiert. Hinter der Hecke ist ein Parkplatz. Alle paar Monate kommen Gärtner, um diese Hecke zu schneiden. Aber die Hecke scheint auf der Mitte der Grundstücksbegrenzung zu stehen, so kommt es, dass sie immer die diesseitige Hälfte schneiden. Die andere bleibt unbeschnitten. Das sieht dann so aus...

 

Fr 8.08.08   8:59

Haaaaaa, man kann aufatmen. Man lebt wieder. Zwar fröstelt man ein wenig beim Kaffee auf dem Balkon, aber man kann atmen und denken. Das gefällt. Man sitzt da und wundert sich, dass das Kreuzworträtsel der Zeitung schon ausgefüllt ist, da leistet jemand zwischen sechs und sieben schon Denkarbeit, ich nehme an, das ist Meditation.

Unsereins, der dem täglichen Produktionsprozess entzogen ist und daher über kein Geld, aber alle Zeit der Welt verfügt, muss sich jetzt etwas einfallen lassen, um sich am letzten oder vorletzten Strohhalm aus dem Sumpf zu ziehen.

Aber unsereins hat ja diesen Roman geschrieben. Er ist redigiert und man hat die ersten dreißig Seiten plus Exposé an zwölf Verlage geschickt. Nun liegt der Roman als beachtlicher Stapel Papier auf unserem Schreibtisch und wird von Tag zu Tag unheimlicher. Nicht nur, dass er beginnt, Fragen zu stellen, Fragen die so normal sind wie die Existenz, woher komme ich, wohin gehe ich etc. pp., nein, er behauptet auch, so etwas könne niemand mehr als einmal im Leben leisten. Das ist ein bisschen beängstigend, schließlich hat man doch schon eine ganz Reihe Romane geschrieben. Still, sagt man, warte ab, sagt man, warte, bis es wieder los geht. Denn das weiß man schließlich auch: irgendwann geht es wieder los.

Man denkt, hat Woody Allen nicht gesagt, er habe nur Filme gedreht, weil er die Langeweile nicht ertragen konnte? Ja, hat er, und so ähnlich geht es uns auch. Also sitzt man da und schaut, ein junger Schwarzer fährt auf dem Rad vorüber. Er rapt laut und man denkt, was ist das für eine wundervolle Art der Gegenwartsdichtung, junge Menschen auf dem Rad sprechen selbsterdachte, hochrhythmisierte Reime oder Reime anderer, das ist unerheblich, sie sprechen Reime und wissen vielleicht gar nicht, dass sie der Sprache und der auralen Erzähltradition damit eine neue (alte) Variante hinzufügen. Man sitzt da, die Post bringt einen Vertrag, gut dotiert für etwas, das man eigentlich gern auch umsonst getan hätte, man sinniert, man stiehlt dem Sohn eine Zigarette, das Wochenende zieht auf und man hat alles, was man braucht.

Und dann fügt man dem noch ein Foto hinzu, das zeigt, wie es aussieht, wenn man wirklich entspannt ist.

 

Sa 9.08.08   11:39

Stand heute früh gegen eins vorm Herd und rührte mit dem Holzlöffel im Topf, um heiße Milch mit Honig zuzubereiten. Ich hatte Gründe, die aber hier nicht näher erläutert werden können. Hielt dabei meine Nase in den aufsteigenden Dunst und roch - ?na was? - Wiese. Erwärmte Milch riecht nach Wiese, das hatte ich so noch nicht gerochen und dachte - hach, wie schön.

Kein Wunder eigentlich, denn Wiese ist ja - so weit ich das überblicke - das eigentliche Grundnahrungsmittel der Kuh, es sei denn, sie steht im Stall und muss Dinge essen, über die ich lieber nicht nachdenken möchte. Dann bereitete ich mir ein Bett vor der geöffneten Balkontür und machte es mir gemütlich.

So ein Rausch verfliegt besser mit frischer Luft, man liegt halb im Freien und über einem ist der Himmel, und mit ein wenig Fantasie gelingt es einem dann und wann sogar, sich das freie Kreisen im undendlichen All vorzustellen. Dann hält man sich besser fest, denn es könnte ja sein, dass die Schwerkraft für einen Moment nachließe und man davon flöge, was man ja sicher nicht will.

Schlief tief und fest und erwachte einigermaßen erfrischt.

Und was lese ich als erstes über diesen neuen Krieg in Ossetien, der, wie alle Kriege, über die Köpfe der denkenden und fühlenden Menschen geführt wird, weil es wieder einmal heißt: das ist meins, das war meins, außerdem gibt es da Bodenschätze, die kriegt ihr nicht, lieber töten wir.

Und was lese ich also in der Chronologie dieses sich schon seit zwei Jahrzehnten vorbereitenden Konfliktes?

Im September 2005 beschossen georgische Truppen die ossetische Regionshauptstadt Zchinwali mit Mösen.

Da wundert mich dann nichts mehr.
Das hätte ich mir auch nicht gefallen lassen.

 

So 10.08.08   00:29

So, Die Prinzessin ist abgemischt und auf den Server der ARD hochgeladen.
Ab jetzt werden Fachleute das Hörspiel hören und bewerten.
Und natürlich bekomme ich den ersten Preis.
Gute Nacht für heute. Abspann mit Musik.

11:30

Der neue Dreamweaver ist installiert. Ob er funktioniert?

13:41

Die Hunde auf der Rennbahn in Nienberge hecheln schon künstlichen Hasen hinterher. Heute ist das Rennen offen für alle. Es rennen also nicht nur Windhunde. Eigentlich hätten wir mit dem Rad hinfahren wollen, aber nun regnet es und wir müssen uns etwas anderes überlegen. Schade.

18:40

Fuhren stattdessen zur chinesischen Mauer, das ist ja auch interessant.

 

Mo 11.08.08  8:52

Wir ließen die chinesische Mauer hinter uns und gelangten an einen Ort, an dem Hundefestspiele stattanden. Wir hatten geglaubt, der Chinese äße seine Hunde wie wir unsere Schweine, aber weit gefehlt. Dort im Waltruper Forst war gerade die Unterordnung Schutzdienst aus dem Vielseitigkeitsbereich mit ihren Hunden bei der Arbeit.

Ein Airdale Terrier, ein Boxer und ein deutscher Schäferhund, Hunde, die alles taten, was ihre Herrchen wollten.

Ein dickbäuchiger, ganz in schwarz gekleideter Hundeführer hatte seinen in hohem Tempo davonrennenden Schäferhund u.a. so weit gebracht, dass er sich auf der Stelle hinlegte, wenn er ihm aus etwa zwanzig Metern Entfernung Platz! zuschrie.

Einmal rannte der dicke Mann selbst los, und da rief im Publikum jemand: Der Mann kann ja auch laufen! Alle freuten sich und ich dachte, wenn der Chinese seine Hunde so gut trainiert, warum isst er sie denn dann noch.

Wir trainieren unsere Schweine doch auch nicht.

Aber es sollte noch besser kommen.
Bei Agility for Fun rannten Menschen und Hunde gemeinsam über einen Parcours, dazu lief verzerrte Musik aus einem Blaster und man wusste nicht mehr genau, wer hat mehr Spaß, der Mensch oder der Hund.

Mir gefielen die Hütehunde am besten.
Die schienen nicht zur Unterwürfigkeit verdammt und machten einen höchst selbständigen Eindruck.

Wir aßen Bratwurst, tranken Cola und versuchten wir nicht darüber nachzudenken, woraus diese Produkte gemacht waren. Auf der Heimfahrt (wir passierten die chinesische Mauer ein zweites Mal, jetzt kaum noch überrascht) aßen wir Brombeeren und Pflaumen und notierten uns Plätze, an denen Apfelbäume die schmalen Straßen säumten. Dorthin wollen wir demnächst fahren und ernten.

So liebe Freunde, nun aber heißt es: wir beeindrucken die Nachbarschaft durch Fensterputzen, denn es ist ja wichtig, dass er sieht, dass auch der Schriftsteller praktische Dinge verrichten kann, nicht wahr....

10:47

Wie alle Männer arbeite ich natürlich mit fortschrittlichsten Methoden. Das Trockenwischen der frisch geputzten Scheibe mit zerknüllten Zeitungen habe ich längst aufgegeben. Ich ziehe mit einem Wischblatt ab. Das ist sauber und effektiv, ich kann es empfehlen. Da ich aber weiß, dass Frauen eher konservativ sind und schon vor einfachsten Küchengeräten zurückschrecken, wird es wohl nichts nützen.

Ja, ja, liebe Frauen, wir (also ich jetzt) wir halten euch für rückständig, wir glauben, dass ihr keine Ahnung von unseren Fähigkeiten, Wünschen und Träumen habt, wir sind quasi immer allein damit, dabei hätten wir doch eine verständnisvolle Partnerin so verdient. Aber ihr (ihr Frauen jetzt, meinen wir, also ich jetzt) ihr Frauen habt immer nur eins im Kopf, nicht, und wir (also ich jetzt) wir haben das langsam durchschaut, wir sind eure Attacken leid und rufen euch zu: lasst uns endlich in Ruhe mit eurer Scheißemanzipation, die hat alles vermasselt.

In diesem Sinne...

11:50

Wetter für Haschischraucher

Münster: Hinterm Schloss schlendern am Samstagabend Menschen auf den Schotterwegen. Sie wollen zum Haschischfest. Es sieht nach Regen aus, aber das stört Münsters Genießer nicht. Die Holzbänke unter den riesigen alten Bäumen sind voll besetzt. (...) Hier geht es erst einmal um Haschisch. (...) In diesem Jahr besonders um den roten Libanesen. Der zähle zu den Favoriten, sagt Thomas R., der Sprecher des münsterschen Fachverbandes. Die Luft ist kühl, die Atmosphäre angenehm. Man fachsimpelt unter Kennern über edle Harze aus aller Welt oder plauscht gemütlich mit Freunden. Viele Besucher haben vorsorglich große Mengen Haschisch bestellt. Thoma R. beschreibt die Stimmung hinterm Schloß so: "Am Samstag", sagt er, "war Haschischraucher Wetter." (MZ 11.08.08)

 

Di 12.08.08    8:40

Der eine ist Jurist. Und da weiß er natürlich, dass es immer um den ausgehandelten Kompromiss geht. Der Jurist ist ein Jongleur, und es ist ihm letztlich egal, ob er mit faulen Eiern jongliert. Hauptsache, er holt das Bestmögliche für seinen Mandanten heraus.

Der eine ist außerdem Emporkömmling. Vielleicht war er sogar Halbweise, so genau erinnere ich mich nicht mehr. Man nannte ihn Acker, als er ein junger Mann war, Acker oder so ähnlich, was mit seinem Durchhaltevermögen beim Fußballspielen in den unteren Ligen zu tun hatte.

Aber wie gesagt, ich weiß das nicht sicher, ich könnte das recherchieren, aber ich bin sicher, dass das nur zu vergleichsweise geringfügigen Verschiebungen führen würde. Ich belasse es also dabei. Er hat sich hochgearbeitet, er wurde Chef eines großen Bundeslandes, er heiratete, ließ sich scheiden, heiratete wieder (wie oft verheiratet/geschieden? ....) und wurde schließlich Kanzler.

Ein Kanzler wie aus einem Hollywood Film, eine Weile sogar eine Stilikone, denn als er begann, Zigarren zu rauchen, begannen viele es ihm gleich zu tun.

Dieser heutige Exkanzler war zur Eröffnung der Olympiade in Peking.
Er saß ganz in der Nähe der noch inthronisierten Gegenwartspotentaten aus aller Welt und lachte sein Aufsteigerlächeln. Und so ganz nebenbei ließ er verlauten, dass er, der Nichtmehrkanzler, wisse, dass das Nichterscheinen der tatsächlichen deutschen Kanzlerin die deutsche Wirtschaft mindestens eine Milliarde koste, und so etwas könne man sich einfach nicht leisten.

Die Kanzlerin, ist, wenn ich es richtig erinnere, Naturwissenschaftlerin. Physikerin? Ich glaube ja. Und als Physikerin weiß sie natürlich, dass man mit Kompromissen in der Naturwissenschaft nicht weit kommt. Und da wird sie entschieden haben, dass sie da nicht hinfährt.

Nun kann man natürlich über derartige Großereignisse denken, was man will.
Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps, und eine Milliarde in den Auftragsbüchern macht etwas her und das Standing einer Bundesrepublik im Kanon mit den um Aufträgen zu allem bereiten restlichen Republiken (allesamt irgendwie Fackelträger der freien Welt, klar) ist natürlich wichtig.

Aber ich (bedeutungsloser Zeitgenosse, ziemlich ahnungslos, oft zu Tode erschrocken, eigentlich jeden Tag zu Tode erschrocken) finde es groß, dass diese Kanzlerin nicht in Peking war. Sich nicht mit diesem jede Frau abschleckenden Sarkozy hat fotografieren lassen, sich nicht von diesem Großverbrecher Bush hat auf die Schulter schlagen lassen, etc. pp.

Nein, sie war bockig, sie hat so entschieden und ich möchte ihr gratulieren.
Dabei bin ich von Geburt (warum, weiß ich selbst nicht mehr) Sozialdemokrat. Ich meine nicht, dass ich in der Partei wäre, nein, ich werde nie in irgendeine Partei eintreten, aber mein Grundgefühl hatte mir immer gesagt, wenn es irgendeinen Ort gäbe, dem ich mich verbunden fühlen könnte, wäre das die Organisation der Menschen, die nicht über Kapital verfügen und zum Überleben nichts weiter haben als ihre Arbeitskraft.

Also, meine liebe Kanzlerin, ich habe aus den Augenwinkeln verfolgt, wie du als Helmuts Mädchen, gekleidet wie der hinterletzte evangelische Ossi zielsicher den Weg nach oben gesucht und gefunden hast. Wie dir das gelungen ist, wen du alles aus dem Weg räumen musstest, ist mir egal, ich bin ja kein Politiker, aber ich habe registriert, dass du Überzeugungen hast, und das gefällt mir.

Und da ich weiß, dass der Mensch seine Überzeugungen aus den Erfahrungen seiner Sozialisation destilliert, ist es mir lieb, dass du Naturwissenschaftlerin bist und nicht Jurist, wie dieser Nichtmehrkanzler, denn wenn einer die Wahrheit verdrehen kann, ist es der Jurist.

Der Naturwissenschaftler kann keine Wahrheit verdrehen. Das geht nicht. Da ist die Natur vor.

12:43

Für Sie gelesen...

 

Mi 13.08.08  9:29

Ein Lied für unsere Schule

Wie wäre es, wenn jede Schule ihr eigenes Lied hätte? Wenn jede Schule, wann immer sie wollte, gemeinsam dieses Lied singen könnte, sodass jeder Schüler wüsste, das ist meine Schule, und das ist unser Lied. Aber woher sollte so ein Lied kommen?

Kaufen kann man so etwas nicht.

Hermann Mensing, Kinderbuchautor, will das ändern.
In Zusammenarbeit mit der WGM und der Münsterschen Zeitung startet er im Herbst 2008 die Aktion:

Ein Lied für unsere Schule.

Er wird Schulen, die sich für diese Aktion bewerben, besuchen, mit den Schülern Text und erste Grundlagen für eine Melodie erarbeiten.

Sobald das getan ist, gibt es zwei Möglichkeiten.

Die erste: die Schule hat einen Schulchor. Der Autor wird das ausgearbeitete Lied (Text und die dazugehörigen Noten in einfachen Akkordsymbolen für die Gitarre) der Schule zukommen lassen, der Chor probt es, der Autor vereinbart einen Termin mit dem Chor, kommt in die Schule und nimmt das Lied in Zusammenarbeit mit dem Musiker C. Hölscher auf, erstellt daraus eine CD und wird diese den Schülern präsentieren.

Die zweite: sollte es keinen Schulchor geben, spielen und singen Mensing und Hölscher das Lied im Studio ein, erstellen davon eine CD und überreichen diese der Schule.

17:23

Heute mittag bei der Besprechung zur Aktion: Ein Lied für die Schule

 

Do 14.08.08  9:49

Der junge Herr oben rechts ist Pressesprecher der Firma, die meine Aktion finanziell unterstützt. Wir arbeiten nun schon zum zweiten Mal zusammen, und das geht sehr entspannt. Danke.

Da im Augenblick jeder irgendwen aus diesen oder jenen Gründen angreift, will auch ich nicht zurückstehen. Ich greife also auch an, zerschlage meine organisatorischen Strukturen und ordne sie neu, damit ich endlich einmal einen Überblick darüber bekomme, wem ich eigentlich was wann angeboten habe.

14:55

Sowas macht man natürlich, statt sich aufzuhängen, klar.
Aber nun ist es getan, und es herrscht ein wenig mehr Klarheit.
Auf meiner Festplatte schlummern noch 4 Romane, aber da ich bis vor drei Jahren fest bei einem Verlag war, habe ich nie großflächig gestreut, sondern immer nur hierhin und dorthin geschickt, statt die Republik mit Exposès und Leseproben zu pflastern.

Das wird sich ab sofort ändern.
Pop Life ist schon an 15 Verlage unterwegs.
Manchmal hört man von Autoren, die hundert Verlage anschreiben und hundert Absagen kassieren und dann trotzdem irgendwann durchschlagen.

Also, Herr Mensing, der Trübsinn ist vorüber.

15:49

PS. Aufhängen ist natürlich nicht schön.
Man wird ganz blau davon und es dauert einfach zu lange.
Dennoch kommt es immer wieder vor, und ich nehme an, oft tun das Menschen, die die Wahrheit nicht ertragen können.

Verständlich, aber ich gehöre nicht zu denen.
Möchte aber, damit klar ist, was Wahrheit ist, hier kurz die Sage von König Midas zitieren.

"Es geht die alte Sage, dass König Midas lange Zeit nach dem weisen Silen, dem Begleiter des Dionysus, im Walde gejagt habe, ohne ihn zu fangen. Als er ihm endlich in die Hände gefallen ist, fragt der König, was für den Menschen das Allerbeste und Allervorzüglichste sei. Starr und unbeweglich schweigt der Dämon; bis er, durch den König gezwungen, endlich unter gellem Lachen in diese Worte ausbricht: "Elendes Eintagsgeschlecht, des Zufalls Kinder und der Mühsal, was zwingst du mich dir zu sagen, was nicht zu hören für dich das Ersprießlichste ist? Das Allerbeste ist für dich gänzlich unerreichbar: nicht geboren zu sein, nicht zu sein, nichts zu sein. Das Zweitbeste aber ist für dich - bald zu sterben." (Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie oder Griechentum und Pessimismus)

In diesem Sinne noch einen schönen Tag, und wie sagte Frau B., Lektorin eines durch Lizenzkauf eines weltweit erfolgreichen Romans aus britischer Feder mit Geld zugeschütteten Verlages, Herr M., Sie sind zu düster.

Bin ich gar nicht, hab ich nie verstanden, ich bin der reine Frohsinn, sie hatte das nur nicht bemerkt.

 

Fr 15.08.08  8:31

Wie dieser Frohsinn aber umschlagen kann, will ich kurz berichten.
Der ein oder andere wird sich erinnern, dass sich im letzten Monat plötzlich Nacktschnecken über die von uns gehüteten Sonnenblumen hermachten. Das war ein schwerer Schlag, denn seit der Rasen vorm Haus vor etwa anderthalb Jahren von unter Kostendruck stehenden Gärtnern ist eine Buschsteppe umgewandelt worden war, hatten wir begonnen, besonders hässliche und nur zum Zwecke der Bodenabdeckung gepflanzte Flora auszugraben und durch freundlicheren Bewuchs zu ersetzen.

Ich hatte mich in all den Jahren nie um Pflanzen gekümmert, schließlich bin ich gegen alles und Gartenpflege ist kleinbürgerliche Zeitvergeudung.

Nun aber wuchs eigene Flora und ich stellte fest, dass es mit mir noch schlimmer stand als mit den von mir angeprangerten Kleinbürgern. Ich beobachtete Wuchs und Fortkommen, ich sprach abends geheime Wachstumsgebete, ich fügte Spurenelemente hinzu und war bereit, jeden Eingriff durch Dritte (marodierenden Jugendliche, Ausländer, etc. pp.) sofort und gnadenlos zu rächen.

An diesem Punkt trat die Fauna auf den Plan.

Falls Sie sich den oben stehenden Link noch nicht angesehen haben, tun Sie es jetzt oder nie, denn Sie werden Erschütterndes sehen. Die Fauna in Form von Nacktschnecken war über Nacht aufgetaucht, hatte feige im Dunkeln gearbeitet und sich danach wieder weiß Gott wohin verzogen.

Wir dachten nach. Wir waren voller Hass und Tötungswut. Und dann hatte mein Frau (man weiß, dass Frauen grausamer sind als Männer) eine Idee. Wir wäre es, sagte sie, wenn wir Salz um die Pflanzen streuten. Wenn die Nacktschnecke da durchkriecht, trocknet sie aus und krepiert.

Krepiert? jubelte ich.
Ja, sagte sie.

Das war genau das, was ich wollte.

Ich wollte diese schleimige Kreatur krepieren sehen. Was hatte sie an unseren Sonnenblumen zu suchen?! Ich wollte Rache. Nahm das Päckchen Jodsalz von Plus, ging hinaus und legte einen Salzteppich - ähnlich den Napalmteppichen in Vietnam, den Bombenteppichen über deutschen Städten im Zweiten Weltkrieg oder den Minenfeldern in Afghanistan oder im Kosovo.

Und dann hofften wir auf die Nacht und den erneuten Angriff der schleimigen Fauna.

Tatsächlich.
Am nächsten Tag lagen sie da.
Alle tot.
Ha! dachte ich.
Ihr verdammten Schweinepriester.

Sie sehen also, Frau B., Lektorin des durch (... etc. pp) hatte so Unrecht auch wieder nicht, wenngleich ich mich in diesem Falle auf mein Selbstverteidigungsrecht berufe, auf dass man mich schon damals, als ich vor einer Komission beweisen sollte, dass ich humantitäre und moralisch stichhaltige Gründe für meine Kriegsdienstverweigerin anführen könne, festnageln wollte.

Was, fragten Männer meines heutigen Alters damals, was würden Sie denn tun, Herr Mensing, wenn da plötzlich ein Russe aus dem Gebüsch stürmte und ihre Mutter (Schwester, Freundin etc. pp.) vergewaltigen wollte, was würden sie da tun?

Nun, der ein oder andere wird wissen, dass diese Art Fangfrage in einem demokratischen Staat nur halblegal war, ich war in Begleitung meines Religionslehrers und der hatte Mumm genug, das zu monieren. Ich musste meine Mutter (Schwester, Freundin etc. pp.) also nicht mit Feuer und Schwert verteidigen.

Wo war ich?

Ach ja, biblische Rache, das Recht auf Selbstverteidigung, meine düstere Seite.
Alles, alles schlummert in mir wie in jedem anderen, die Welt ist im Zustand atavistischer (archaischer???) Idiotie, weder ich noch sonst jemand hat irgendetwas dazugelernt, die Wirtschaft wächst, die Wirtschaft wächst nicht, ich schreibe Romane.

Überall wird sich selbst verteidigt, nur ich verteidige mich nicht, ich wandle auf den Spuren der größten Verdummung durch Jugendkultur, die die Welt je gesehen hat, der gewaltfreien Hippies. Mir wird schlecht, wenn ich daran denke. Erst vorgestern wurde mir schlecht, als ich das Concert for Bangladesh sah, all diese langhaarigen bärtigen Selbstdarsteller, die so aussahen wie Jesus himself und taten als ob, dabei waren sie nichts als Marionetten im großen Spiel der Gewinnmaximierung.

Ja, gut, das reicht für einen frühen Morgen, es ist 9:10, ich will heute Verlage recherchieren, die Interesse an meinem Roman "Der verfluchte Fluss" haben könnten, um die nächste Offensive zu starten.

Also, ab dafür....

PS. Der neue Dremweaver gefällt mir hervorragend.

17:04

Langsam setzt der Wochenendterror ein. Uns macht das nichts, wir haben Whiskey gekauft.

 

Sa 16.08.08 22.25

Der eine hat Liebeskummer, der andere nicht, der eine ist müde, der andere wach, ich bin noch wach, ich war auf dem Flohmarkt heute, saß da den ganzen Tag und die Zeit strich vorbei, ich weiß gar nicht mehr, wieviele Leute ich sah und staunte nicht schlecht, als es ans Ende ging und die nicht verkauften Waren in einem Karton darauf warteten, zum Müll gebracht zu werden, denn da tauchte plötzlich eine Romafrau mit ihren Kindern auf, und die konnte alles gebrauchen.

Ratzfatz wurde alles in Taschen gepackt und dann kamen auch noch andere, die Interesse hatten, was schließlich dazu führte, dass kein Müll mehr entsorgt werden musste, denn umsonst will jeder etwas. Ich erinnerte mich an meinen ersten Besuch bei Rowohlt 1983, ich hatte meinen ersten Vertrag unterzeichnet und dachte, dass ab jetzt alles anders würde, und dann sagte man mir, ich könne mir aus den hauseigenen Publikationen mitnehmen, was ich wolle. Was ich da alles eingepackt und nicht gelesen habe, war schon peinlich.

 

Mo 18.08.08 9:19

Leicht regnerisch.
Berge Wäsche.
Vier Exposés schreiben und plus Leseproben versenden.
Ruhe bewahren.
Warten.

10:22

Der ältere/alte Mensch ist ja lästig. Er hat seine Brille vergessen oder er findet sie nicht, und so muss die Kassiererin in seinem Portemonnaie nachschauen, ob sie drei Cent findet. Danach steigt der ältere/alte Mensch womöglich in sein Auto und macht die Welt noch ein wenig unsicherer.

Um das zu verhindern, und auch, um der Welt Gutes zu tun, schlagen wir vor, den älter werdenden Menschen ab 60 (also mir ab März 2009) alle fünf Jahre die entscheidende Frage zu stellen, ob sich sein Leben noch lohnt?

Wenn er mit Ja antwortet, erhält er ein Visum für weitere fünf Jahre.
Antwortet er mit Nein, darf er sich aussuchen, wie er die Welt verlassen möchte.
Es gibt da ja verschiedene Vereine.
Wir versprechen uns natürlich nicht nur eine Entlastung der Rentenkassen, sondern auch eine Minimierung der Weltbevölkerung um etwa ein Drittel. Das würde schon helfen.

Und dann wird dem älteren Menschen (in diesem Falle mir) beim Abliefern von Leergut in einem Supermarkt ein "schöner Tag" gewünscht, bei Einlösen des Gutscheins (60 cent) noch einmal, und beim Brötchenkauf ein drittes Mal. Und da denkt der ältere Mensch, wenn es jetzt noch einmal einer sagt, dann ist aber was los.

Und was lernt uns das: man kann es dem älteren Menschen einfach nicht recht machen. Er weiß alles besser und seine Brille findet er immer erst nach längerem Suchen.

 

Di 19.08.08 10:07

Man hat im Leben nur eine Chance. Man muss sich erfinden.
Wenn man Glück hat, werden Person und Erfindung eins.
Alle übrigen Versuche sind ehrenhaft, führen aber zu nichts.
Ob aber die Erfindung des Ichs zu etwas führt, ist wieder eine ganz andere Geschichte.

 

Mi 20.08.08   9:26

Während der Regen halbschräg übers Dorf schleift, macht Herr M. sich bereit. Er weiß jetzt, dass ihn das Schreiben seines letzten Romans mehr Kraft gekostet hat, als er sich hatte vorstellen können. Eigentlich hatte er sich gar nichts vorgestellt.

Jetzt aber merkt er, dass sein Kopf so gut wie leer ist, ausgekehrt könnte man sagen.

Was liegt da näher, als eine Pause.
Eine Sendepause, sozusagen, und was tut man in Sendepausen?

Man trinkt ein Bier?
Ja, aber doch nicht morgens um 9:30.
Man fährt hinaus und erntet Brombeeren, so wie gestern nachmittag.
Ja, so etwas lindert den Schmerz, denn ein ausgekehrter Kopf kann ganz schön angst machen.

Also fuhr Herr M. hinaus, er hatte da letzte Woche eine Stelle entdeckt, die verheißungsvoll schien, eine Brombeerhecke. Allerdings musste er feststellen, dass es noch ein wenig zu früh ist, um Brombeeren zu ernten. Eine kleine Schale voll brachte er heim, dunkle, noch recht saure Früchte, die wirkliche Reifezeit beginnt wohl erst in zwei, drei Wochen, vielleicht sogar noch ein wenig später.

Und wofür bereit, wenn man fragen darf?
Bereit, noch mehr Exposés plus Leseproben auszusenden?
Ja, aber nicht heute.

Heute tut er das, was seiner eigentlich Bestimmung am nächsten kommt: er bügelt.
Er hat ja Erfahrung mit therapeutischem Bügeln, er hat schon Kurse gegeben, denn vor allem Frauen sind ja - seit sie ihr Rollenbild ausgeweitet haben, schwer gespalten, was die Definition dieser Rolle angeht, sie wollen ja beides, sie wollen Hausfrau, Mutter und Karriere, da kann so ein gelernter Hausmann wie Herr M. schon einiges bewirken.

Oooooh's und Aaaaah's ernten, wenn er darauf hinweist, wie gut es einem Kopf tut, seinen Gliedmaßen nichts weiter zu befehlen, als ein Bügeleisen hin und her zu schieben.

Während der Regen also weiter halbschräg übers Dorf schleift und die Nachbarn ihrerseits therapeutischen Übungen nachgehen (Krach machen, du kannst es dir vorstellen, also kannst du es auch bauen), steigt Herr M. auf den Dachboden, nimmt Wäsche ab und macht sich an die Arbeit.

Und während er so vor sich hin murkst, hofft er jede Sekunde auf den erlösenden Anruf. Das tut er jetzt, seit er denken kann. Angenommen, der Anruf käme tatsächlich, wird er wahrscheinlich das Falsche sagen. Aber irgendetwas muss er ja sagen.

13:30

Interessant vielleicht auch, dass Herr M. morgen in Nordhorn liest.
Das bringt ein wenig Geld, am Sonntag dann sendet DeutschlandRadio Berlin ein Hörspiel von ihm, das bringt auch etwas, und danach steht sein Konto wieder bei PLUSMINUS Null.

Was man von den internationalen Banken nicht gerade behaupten kann, denn seit die US Aufsichtsbehörden das Spekulationsverbot auf fallende Bankaktien wieder aufgehoben haben, stürzen die Bankaktien in die Tiefe - und zwar weltweit.

Sagt der Finanzexperte der FR.

Ich sage: wir sind in der Hand von Hasardeuren, die ihren Profit über alles andere stellen.
Darauf kann es eigentlich nur eine Antwort geben. Leider wurde die schon vor jetzt fast hundert Jahren einmal gegeben und hat zu nichts geführt.

Schade, schade, schade.

 

Do 21.08.08 20:13

Schöne Lesung in Nordhorn.

Fand in einem "belasteten Wohnquartier" statt, aber ich fand die Kinder lieb, gar nicht belastet, was aber nicht bedeutet, dass sie nicht belastet sind. Belastet = Vater trinkt, schlägt Mutter, schlägt Kind, etc. pp. Kinder aus aller Herren Länder, deren Eltern herkamen und dachten, hier flösse Milch und Honig. Was für ein Irrtum.

Öffnete nach Heimkehr meinen Thunderbird und fand diese wunderschöne Nachricht.

dear hermann,
hey, fein, ein rauchzeichen von dir.
gestern noch von dir gelesen in der MZ.
bin kürzlich bei dir mit r. vorbeigeradelt, weil der junior
nun beim bsv roxel in der landesliga angeheuert hat.
da schau ich mir schon mal die heimspiele an.
ja, habe wohl zu tun, wenn die weiten wege auch langsam
anstrengend werden, bin viel im osten zugange.
mehr musik wieder, vor allem songtexte schreiben, ein neuer text&tonträger
ist auch wieder in der mache, in bochum gniedeln gerade
irgendwelche jazzer auf meinen songs herum mit erstaunlichen
ergebnissen.
man muss lernen zu delegieren und die alten MS-seilschaften greifen
schon längst nicht mehr.
nächste woche singen für sexualstraftäter mit lebenlanger sicherheitsverwahrung,
dann weiter nach suhl/ thüringen, um eine erotische nacht mit lilo wanders zu moderieren.
zischendurch gibts auch viel durchhängerei, komme gerade erst aus dem endlos langen sommerloch gekrochen.
gerade zurück aus braunschweig, ein auftritt mit hartmut el kurdi. der schreibt auch kinderstücke
und bücher. vielleicht kennst du ihn?
herr hübner gibt nicht auf! heißt, glaube ich, sein erfolgsstück.
ist ein feiner kerl, wir haben in einer talkshow ein paar hank williams lieder angestimmt.
zu m. hatte ich kontakt, ja, er ist einen mutigen schritt gegangen.
hat nun GOTT ins boot geholt, nachdem erfolg und glück stiften gegangen sind.
warum denn nicht.
ansonsten hier natürlich alles deutlich in der 2.halbzeit des lebens.
es steht zwar 8:6 für die anderen , aber ein paar spektakuläre buden sind noch drin.
eigentore natürlich leider auch.
dir nur das beste, glück und zuversicht!
ahoi

 

Fr 22.08.08 8:41

Der den örtlichen Arbeitsmarkt damals dominierende Unternehmer hatte gesagt, Türken wollen wir nicht, wir nehmen Portugiesen, die sind katholisch. Das ist zu begreifen. Er selbst war katholisch, und da hat er sich wohl vorgestellt, dass man mit Menschen gleichen Glaubens leichter ins Gespräch käme.

So ist es gekommen, dass in N. viele Portugiesen leben, wenngleich die Industrie, die sie damals hergeholt hat, längst zusammengebrochen ist. Obwohl N. gar nicht so weit von meiner Heimatstadt ist, bin ich dort vorher noch nie gewesen. Es gab damals keinen Grund, hinzufahren.

Aber ich wusste, dass die Blanke, das Viertel, in dem ich gestern gelesen habe, ein gefährliches Viertel war, schon damals. Wieso man Arbeiterviertel als gefährlich einstufte, weiß ich nicht, aber in Gronau war es genauso. Die Hollandsiedlung war auch gefährlich. Klein Russland auch.

Eigentlich ist alles gefährlich, bis auf die eigene Existenz natürlich, die ist gefährdet.
Wer sie gefährdet, hängt von den momentanen Gegebenheiten ab.

16:06

Einer dieser Portugiesen, vom Veranstalter meiner gestrigen Lesung Waldemar genannt, betreibt auf der Bentheimer Straße ein kleines Restaurant. Eher eine Mischung aus Tante Emma Laden und Imbiss. Wir waren dort, um noch einen Absacker zu trinken. Waldemar fragte nach unseren Wünschen, der Veranstalter wollten einen Weißen, Waldemar brachte ein gut gekühlte Flasche und stellte sie auf unseren Tisch. Am Nebentisch saßen zwei Portugiesen und waren ganz offensichtlich zuhause. Vor ihnen stand ein kleiner Teller mit Schinken, daneben einer mit schwarzen Oliven und eine Flasche Weißer. Fühlte mich gleich sehr weit fort und aufgehoben, hätte mich dort gern in Frieden betrunken, musste ja aber noch 80 Kilometer fahren, so wird das vielleicht auf ein anderes Mal verschoben.

Diese Grafschaft ist landschaftlich wunderschön. Unspektakulär, aber wunderschön.

Unser jüngster Sohn brachte heute sein Ausbildungszeugnis der Firma nach Hause. Ein hervorragendes Zeugnis, besser könnte es gar nicht sein, jeder Arbeitgeber müsste sich reißen um ihn, dennoch ist er im Augenblick ohne Arbeit. Eine Schande ist das.

17:36

Die Lesung war vorüber. Ich ging vor's Haus. Am Zaun stand ein kleiner, schwarzhaariger, dunkeläugiger Junge und knabberte was. Was isst du da? fragte ich. Ach, so Zeugs, sagte er. Sieht lecker aus. Darf ich mal probieren? fragte ich. Ja, klar, sagte er. Das Knabberzeugs sah aus wie trockene chinesische Nudeln, sehr scharf, sehr lecker. Ein anderer Junge fuhr auf dem Rad vorüber. Größer als er, ebenso schwarzhaarig und dunkeläugig. Das ist ein Arschloch, sagte der Kleine. Wieso? Ach, der ärgert mich immer. Jemand rief. Vorm nächsten Wohnblock, etwa 50 Meter entfernt, ein kleine, korpulente Frau mit Kopftuch. Aaaah, meine Mutter, sagte der Kleine und rannte davon.

20:45

Heute mittag in drei Minuten vier Bücher in der Stadtbücherei abgegriffen, so hab ich das gern.

Jetzt ist Abend, es regnet, ich habe gelesen, und dann dachte ich, höre ich Atom Heart Mother. Ich mochte das Cover, damals, und als Atom Heart Mother im Hyde Park uraufgeführt wurde, saß ich ziemlich nah vor der Bühne. Irgendwann dröhnten von hinten Motoren. Ich dachte, was' denn nu los, und sah, dass sich in der Menge eine Gasse auftat. Ein Pulk schwerster Motorräder fuhr vor. Hells Angels. Wollten das Konzert wohl aus der ersten Reihe betrachten. Pink Floyd spielte unbeirrt weiter.

Zuhause nutzte ich Pink Floyd zum Haschischrauchen mit Erschrecken bei Carefull with that axe Eugine. Letzte Woche sah ich Pink Floyd Live in Pompeji. Fürchterliches Schlagzeuggerumpel und langes Gewimmere um nichts.

Jetzt also Atom Heart Mother. Die A-Seite klingt wie eine Carmina Burana für Arme.
Wieso höre ich mir das an? Ich kriege doch schon von Carl Orff Pickel. Wahrscheinlich werde ich alt. Die zweite Seite ist niedlich. Die Täuschungen der Jugend sind grauenvoll. Wem man da alles auf den Leim geht. Lieber nicht weiter darüber nachdenken.

Dann doch lieber Lesen im Alter:
Jakob Hein: Herr Jensen steigt aus.
Jack Kerouac: On the road.
Ernest Hemingway: Fiesta.
Jan Weiler: In meinem kleinen Land.

23:38

An der Bushaltestelle stehen 17-18jährige und singen, wo früher seine Leber war, ist heute eine Minibar. Wir sangen: high sein, frei sein, Terror muss dabei sein. Das hatte wenigstens Perspektive. Kein Zweifel: ich werde alt. Macht aber nichts. Werde ich gern.

 

Sa 23.08.08   9:50

Las bis tief in die Nacht einen Roman, den ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte: er heißt Pop Life. Der Autor: Hermann Mensing. Wieder maßloses Erstaunen, dass mir das gelungen ist.

15:53

Es geht um Geranien, schmutzige Fingernägel und diesen Samstagnachmittag, der so auffallend kalt ist, dass man am liebsten unter einer Decke ruht. Und wenn man das tut, zumindest in meinem Wohnzimmer, fällt der Blick auf eben diese Geranien. Sie blühen leuchtend rot, man könnte glauben, hier lebten unverbesserliche Ossis, die dem Geist des verstorbenen Erich letzte Ehre erweisen wollen. Geranien haben aber etwas, was der Sozialismus nicht hatte: sie sind unverwüstlich.

Nun zu den schmutzigen Fingernägeln. Die sind ein Phänomen. Man reinigt sie, dann liegt man herum, spült oder tut sonstwas, und dann schaut man auf seine Hände, und schon sind sie wieder schmutzig. Ich habe für solche Fälle ein daumenlanges Messer, das eigentlich in meine Hosentasche gehört, aber da finde ich es nur selten. Meist bin ich dann nicht zuhause und behelfe mich mit Holzsplinten, die ich irgendwo finde oder mit meinem Autoschlüssel. Das funktioniert zwar auch, aber nicht so akkurat. Wenn ich dann zurückkehre, finde ich das Messer nach mehrstündigem Suchen meist genau da, wo ich es hingelegt hatte, vergesse es aber, einzustecken und dann beginnt es von vorn.

Die Kälte, die mich unter die Decke treibt, kommt, finde ich, ein wenig früh, damit kann und will ich mich nicht abfinden. Aber ein wenig tröstet sie mich auch, denn ich war in diesem Sommer noch nicht am Meer, und bei so einer Kälte wollte ich auch nicht hinfahren, denn Sommer und Meer heißt für mich, im Meer schwimmen. Dass das dieses Sommer nicht geklappt hat, liegt daran, dass zu wenig Geld im Haus war. Und daran mag auch liegen, dass die Fingernägel so schnell schmutzig werden, denn man weiß ja, dass sozialer Abstieg gern mit allgemeiner Vernächlässigung Hand in Hand gehen.

Bin also gespannt, was als nächstes kommt: vollgesabberte Hemdenlätze wahrscheinlich, weil man vor lauter Jammern zu nichts mehr kommt, und BUMM, schon dreht sich die Spirale, man wird abwärts gesogen und ist unten, eh man sein daumenlanges Messer gefunden hat.

Nur die Geranien sind immer noch da und blühen, während die Dahlienknollen, die ich vor etwa drei Monate eingrub, zu gar nichts geführt haben. Nicht eine Dahlie hat die Erdkrume durchbrochen, um jetzt, wo es not täte, wo ihre wundervollen Blüten quasi als Gegenentwurf zur sozialen Deprivation (heißt das so, glaube wohl) herhalten könnten, herzuhalten.

Dazu ist natürlich der Himmel grau, was mich dazu führt, zu erzählen, wie ich heute morgen am Hunnebeckweg meinem neuen Hobby nachging: Brombeeren pflücken. Ich fuhr also langsam den Weg entlang, um den Eingang zur Wiese nicht zu verpassen, als er auch schon auftauchte. Ich bremste und sah im gleichen Augenblick eine Joggerin auf mich zukommen. Und ich sah, dass sie zusammenzuckte. Keine Menschen weit und breit, da dachte sie wohl, oh je.

Um sie in Sicherheit zu wiegen und ihr zu signalisieren, dass sie keinerlei Übergriffe zu befürchten habe, sprang ich quasi bei noch laufendem Motor aus dem Wagen, den kleinen Topf für die Früchte, den ich mitgenommen hatte, weit vor mich haltend. Aaaah, dachte sie, der will mich gar nicht vergewaltigen, der will in die Natur, irgendetwas pflücken. Ich stellte den Motor ab. Sie war heran und grüßte glücklich. Ich grüßte zurück.

Ja, ja, es war nie leicht, ein Mann zu sein, schon gar nicht auf einsamen Landwirtschaftswegen.

Seit meinem letzten Besuch ist die Reife der Beeren sehr fortgeschritten. Ich hatte ja angedeutet, es könne noch drei, vier Wochen dauern, eh es sich lohne, wieder dorthin zu fahren, heute wurde ich eines Besseren belehrt. Beschloss, ab sofort einmal die Woche zu ernten.

Nun zurück unter die Decke.
Die Fingernägel sind auch schon wieder schmutzig.

 

So 24.08.08 19:30

Keiner teilt meine Begeisterung für die Beeren.
Wenngleich es gestern einen herrlichen Nachtisch gab.
Die Beeren, mit frischem Waldhonig gesüßt, dazu Sahne und Vanilleeis.

Heute sah ich beim Schlendern durch das idyllische Dorf Asbeck ein Kind in einer noch nicht möblierten Wohnung mutterseelenallein auf einem weißen Stuhl vor einem HDTV-Flachbildschirm fernsehen.


Vorher hatte ich viele Westfalen auf einem Bauernmarkt beobachtet. Es gab dort eine Kirmes, Hubschrauberrundflüge, es gab futuristische Trecker von Lamborghini, einen Kleintiermarkt, es gab einen Marktschreier, der Aale verkaufte und seinen Nachbarn, holländischen Fischhändlern, zurief: Heee, ihr Holländer, ihr verkifften Teletubbies..., ringsum waren Wiesen, die in Parkplätze umgewandelt worden waren, das alles war höchst exotisch und gleichzeitig vertraut.

 

Mo 25.08.08 9:01

Heute gleich Beruhigendes in der Zeitung: Der schwarze Witwer. Rechtskräftig verurteilt wurde er nie, unterstellt wird ihm fast alles: von Korruption über Nötigung bis Mord. Einen guten Ruf genießt Asif Ali Zardari in Pakistan nicht, dafür die Rückendeckung der USA.

13:34

Beim Schlendern durch Asbeck entdeckte ich auch noch dies.

Was das ist, müssen Sie selbst entscheiden.
Auf jeden Fall aber kann ich versichern, dass Schlendern immer gut für den Menschen ist.

 

Di 26.08.08 10:11

Die Senioren und alle Interessierten der Gemeinde Liebe Frauen sind eingeladen zu einem Ausflug zum Sarghersteller Trautmann. Die Abfahrt erfolgt am ... um 13:30 ab ... Kirche. Nach einem Willkommenstrunk gibt es einen Rundgang durch die Produktionsstätten. Dort findet zur Zeit die Ausstellung "richtig liegen auf der letzten reise" statt. Bei Kaffee und Kuchen gibt es auch die Möglichkeit, "Probe" zu liegen. Die Kosten für Busfahrt und Führung betragen 6, 50 Euro.

Hier das Modell Antika 2010 aus Mahagoni. Halbwertzeit ca. 180 Jahre.

 

28.08.08 10:53

Gestern in Amsterdam, heute im Zoo, der Mensch bewegt sich und wird bewegt.
So ist das, wenn man Ferien hat.

17:59

Die Tiger waren albern heute. Sie spielten kämpfen und versuchten sich ins Wasser abzudrängen, was auch wechselweise gelang. So ein Urlaub ist schön.

 

29.08.08 11:14

Man kann nicht immer intelligente Filme sehen. Ab und an muss man auch mal was anderes haben. Wir haben Ferien, Ferien sind bekanntlich die schönsten Wochen des Jahres, und da dachten wir uns, lassen wir den Intellekt zuhause, trinken wir vorher im Landsmann ein Bier, und dann schauen wir uns das an.

Bei mir sind es drei, vier oder fünf Jahre her. Damals sah ich Matrix, und das war mit Abstand der bescheuertste Film, den ich je gesehen habe. Nicht, dass ich nicht schon vorher am Verstand der amerikanischen Unterhaltungsindustrie gezweifelt hätte, nein, nein, das nicht, ich weiß ja, worum es geht in der Traumindustrie, man darf da Millionen und Abermillionen Dollar verbrennen, Hauptsache, sie werden wieder eingespielt.

Bei dem Film, den wir gestern sahen, funktioniert da ja auch. Zumindest in Amiland. Unser Cineplex war dagegen nur zu dreiviertel gefüllt, was für einen Blockbuster bisschen wenig ist, oder?

Wahrscheinlich hat sich nach einer Woche Spielzeit längst rumgesprochen, dass die gewichtigen Besprechungen in allen großen Tageszeitungen über die schauspielerischen Glanzleistungen des verstorbenen Heath Ledger ganz und gar übertrieben sind, dass die beiden anderen Hauptprotagonisten farblose Null-8-15 Mimen sind, die wohl nur Amerikaner gutaussehend und ausdrucksstark finden können, ich weiß nicht, ich jedenfalls fand den Film zäh und nie zu Herzen gehend, das einzige, was hin und wieder aufmerken lässt, sind die wunderbaren Zerstörungsszenen aller möglichen Fahrzeuge, Häuser etc. pp. Aber ich nehme an, wenn es darum ginge, wäre ich bei RTL und Alarm für Cobra nochundso auch gut aufgehoben.

Sollten Sie also dem Feuilleton aufgesessen sein, lassen Sie es. The Dark Knight lohnt sich nicht. Alles ist schwarz und weiß und nur Folie für Sätze wie: Eh es besser werden kann, muss es erst schlimmer werden.

PS.
Ich nehme an, ich muss Ihnen nicht sagen, dass wir Deutsche als Bösewichter ausgedient haben, oder? Der Russe und der Chinese müssen jetzt ran, wobei der Russe ja schon immer latent böse war und der Chinese sowieso, aber so böse, wie wir eine Weile waren, war wohl kaum jemand zuvor.

PPS.
Herzrasen beim Hochfahren vom Computer. Habe erst gedacht, es läge am Zigarettenrauchen, aber das stimmt nicht. Die Frage ist nun, was ich dagegen tun könnte. Schließlich arbeite ich mit Computern. Sterben? Nein, das wollen wir nicht. Wir wollen doch nur in Frieden vor uns hin schreiben. Ruhe bewahren? Ja, Ruhe bewahren und das Rauchen endgültig einstellen.

17:13

Natürlich hat dieses Herzrasen damit zu tun, dass ich ständig Großes und Allergrößtes erwarte. Eigentlich schon seit meiner Geburt. Natürlich weiß ich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es mich als E-Mail erreicht, eher gering ist, andererseits weiß ich aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, und so ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass ich aufgeregt bin.

Nicht schön wäre, wenn Durchfall hinzu käme, das wäre wirklich nicht schön, aber so weit sind wir ja noch nicht. Im Augenblick könnte der Schlimmste Anzunehmende Fall ein Herzinfarkt sein, gern genommen bei Männern meines Alters. Ich könnte es dann nicht ändern, und würde, träfe er mich in der Nacht, den Arsch still und heimlich zusammen kneifen. Träfe er mich tagsüber, hätte ich Chancen.

Ich könnte auch den Computer ausstellen und nie mehr anmachen, ich könnte das tun, was ich schon tausendmal versucht habe, ein Buch oder einen Text mit der Hand schreiben, aber das geht mir 1stens nicht schnell genug und 2tens kann ich nachher manches nicht mehr lesen.

Ich kann also nichts vermeiden, bis auf das Rauchen, dass ich mir jetzt seit drei Jahren täglich an- und wieder abgewöhne, nachdem ich zehn glückliche Jahre keinerlei Probleme hatte, nicht zu rauchen. Aber nach diesen 10 Jahren wurde plötzlich diese Stimme laut, weiß auch nicht, wo die herkam, aber ich konnte sie ständig und deutlich hören. Sie sagte, was soll dieser ganze Scheiß denn, du stirbst sowieso. Das ist, wenn Sie in der Lage sind, die Dinge realistisch zu betrachten, eine sehr vernünftigte Sichtweise, und deshalb habe ich wieder angefangen.

Aber gestern zum Beispiel, wir fuhren vom Kino nach Hause, ließ ich mir eine Zigarette drehen, zog dran und spürte einen starken Stich im Herz. Seitdem habe ich wieder aufgehört, aber glauben Sie bloß nicht, dass ich heute nicht schon mindestens zehn Mal daran gedacht habe, wieder anzufangen. Eigentlich immer dann, wenn meine Frau sich eine Zigarette ansteckt.

So. Ja ja.

Das Älterwerden macht nicht unbedingt Freude, aber man lernt, das Ende der Fahnenstange zu akzeptieren und hofft, dass es danach nicht wieder von vorn beginnt. Sage nur: Reinkarnation, grauenhafte Vorstellung, schlimmer als Hölle..., oder ? - Egal, hier jedenfalls das Foto zum Thema...

 

30.08.08 10:45

Risiken der Weltwirtschaft, dargestellt am Brötchenverkauf.
Eine Analyse des renommierten Ökonomen H. Mensing

Als sich Anfang der Neunziger einer der nachgefragtesten Bäcker der Metropole M. in R. niederließ und u.a. Produkte wie das Schwedenmehrkornbrötchen anbot, war klar, dass wir unsere Samstagsbrötchen ab sofort dort erwerben und die Produkte des Supermarktbäckers in Zukunft meiden würden.

Bald aber stellte sich heraus, dass das Verkaufspersonal der neuen Filiale zu dumm war, den Preis für vier Brötchen zu addieren und auf glatte Summen herauszugeben. Ständig mussten wir helfend eingreifen. Störend kam hinzu, dass man uns beim Betreten der Bäckerei einen hysterischen Guten-Morgen-Gruß zuschrie, der kaum je mit unserer Verfassung um diese Tageszeit in Einklang zu bringen war.

Die Qualität der angebotenen Backwaren aber war gut und eine Alternative bot sich noch nicht.
Bald jedoch eröffnete ein zweiter Anbieter eine Filiale. Fußläufig etwa fünfundzwanzig Meter näher war es kein Wunder, dass wir - am Morgen noch zu erschöpft, weite Wege zu gehen - bald wechselten. Hinzu kam, dass die Brötchen dort fluffiger waren und die Bedienung in Erledigung einfacher Grundrechenarten versierter. Auch dauerte es nicht lange, bis man uns freundlich mit Namen ansprach, was sich angenehm auf den Willen zu zusätzlichem Konsum auswirkte.

Kürzlich aber wechselte das Personal. Gewohnt, die Geschäfte mit Bäckereifachverkäuferinnen zwischen zwanzig (bauchfrei, gepierct, Arschgeweih) und Mitte Fünfzig zu erledigen, waren wir einigermaßen verstört, dass dort nun Männer in den frühen Dreißigern mit Dreitagebärten standen und nicht wussten, wie wir hießen. Dennoch kauften wir weiter dort, bis ein weiterer Anbieter auf den Plan trat: eine Landbäckerei, integriert in einen Supermarkt. Deren Brötchen sind um ein vielfaches besser als alle bisher angebotenen.

Seitdem kaufen wir dort.
Was das für die Weltwirtschaft bedeutet, dürfte klar sein.

13:49

Sie sprach von H. und ihrem Studium und wie sehr es sie stresse. Sie habe ja nicht jeden Tag eine Idee, manchmal falle ihr eben drei Monate nichts ein, so etwas gebe es ja, nicht, obwohl - sie glaube schon, dass sie eine gute Fotografin sei, aber der Stress und der Druck, nein, das wäre ihr dann eben doch zuviel geworden, andere hätten nach drei Monaten 10 Fotos ausgestellt, sie nur eines. Und da habe sie sich überlegt, das Fach zu wechseln. Jetzt studiere sie Musik. Das sei total geil und entspannt, wenngleich - sie müsse ja 730 Euro im Halbjahr zahlen, um überhaupt studieren zu können.

Das Licht verlöscht. Der Film beginnt.
Wir wünschen ihr für ihren weiteren Lebensweg alles Gute.
Sie war eine engagierte junge Person, trug hübsche Strümpfe und konnte stundenlang über Nichts reden. Ihr Begleiter trug eine schwarze Hornbrille und erwies sich als überaus geduldig.
Sicher wird sie dank ihrer Attraktivität bald einen hübschen Posten bekleiden, den ihr wahrscheinlich der Vater besorgt.

 

31.08.08 11:09

Wir standen an der brusthohen Trennscheibe, dahinter der Wassergraben, dann er, der Größte von drei Wölfen. Immer, wenn die beiden anderen auftauchten, nahm er diese Haltung ein. Vorn die Drohung, die Lefzen hochgezogen, das Präsentieren der Reißzähne, dazu das Aufeinanderschlagen der Kiefer, ein trockenes, durchdringendes Geräusch, hinten jedoch die Furcht.

Was hat das zu bedeuten? Ist das der Stress, dem ein alternder Rudelführer ausgesetzt ist, weil ihm die Jüngeren den Platz streitig machen? Keine Antwort. Und da der iberische Wolf (ganz anders als der böse Wolf aus dem Märchen) nicht sprechen kann, blieb uns nichts, als gespannt zuzuschauen.

So. Und nun ins Freibad.

18:08

Die Ferien gehen weiter. Morgen in Den Haag/Scheveningen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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